Symposium
Lehrkräftemotivation und Unterrichtsgestaltung: Prozessorientierte Perspektiven
Chair(s): Rebecca Lazarides (Universität Potsdam, Deutschland), Markus Dresel (Universität Augsburg)
Diskutant*in(nen): Tina Seidel (Technische Universität München)
Die Motivation von Lehrkräften gilt als zentrale Voraussetzung für effektives Unterrichten sowie für die motivationale, sozio-emotionale und kognitive Entwicklung von Schüler:innen (Fives & Buehl, 2016). Während die Beziehungen zwischen Unterrichtsmerkmalen und Outcomes auf der Schülerseite bereits intensiv untersucht wurden (Holzberger et al., 2020; Praetorius et al., 2018), ist bisher noch weitreichend ungeklärt, über welche Transmissionsprozesse sich motivationale Merkmale von Lehrkräften auf Unterrichtsprozesse auswirken und welche Bedeutung dabei der konkreten Unterrichtssituation und dem (fachlichen) Kontext zukommt.
Das Symposium greift dieses Desiderat auf und führt verschiedene Beiträge eines informellen Forschungsnetzwerkes zusammen, deren Gemeinsamkeit in dem Ziel besteht, durch Untersuchung zeitlicher Veränderungsdynamiken, situationsspezifischer Interaktionen und prozessbezogener Zusammenhänge ein vertieftes Verständnis der Zusammenhänge zwischen Lehrkräftemotivation, Unterrichtsverhalten und Schüleroutcomes zu ermöglichen.
Der erste Beitrag (Kosubek et al.) untersucht anhand von Längsschnittdaten von Lehrkräften und Schüler:innen der Jahrgangsstufen 5 bis 9 in den Fächern Mathematik und Deutsch die Transmission der Motivation von Lehrkräften (Selbstwirksamkeit, Enthusiasmus) auf die Lernendenmotivation (Selbstkonzept, intrinsischer Wert) über multiple Dimensionen der Unterrichtsqualität (schülerperzipierte Klassenführung, konstruktive Unterstützung, kognitive Aktivierung) im Verlauf eines Schuljahres. Dabei steht besonders die Frage nach fachbezogenen Differenzen in den untersuchten Zusammenhängen im Vordergrund. Die Ergebnisse zeigen Transmissionseffekte der Lehrkraftmotivation auf die Motivation der Lernenden vermittelt über die wahrgenommene Unterrichtsqualität mit ähnlichen Ergebnismustern in Mathematik und Deutsch.
Der zweite Beitrag (Lauermann & ten Hagen) befasst sich im Rahmen einer Videostudie in Deutsch-als-Zweitsprache (DaZ) Klassen der Sekundarstufe mit den Zusammenhängen zwischen den schülerspezifischer Lehrkräftemotivation (z.B. Selbstwirksamkeit für das Unterrichten einzelner Schüler:innen), den akademischen Merkmalen einzelner Schüler:innen (z.B. Motivation) und Zeit, die Lehrkräfte im Gespräch mit einzelnen Schüler:innen verbringen. Die Studie zeigt, dass Lehrkräftemotivation keinen substantiellen Effekt auf die Gesprächszeit der Lehrkräfte mit einzelnen Lernenden hat. Gleichzeitig sprechen Lehrkräfte länger mit Schüler:innen, die sich in den Unterricht einbringen und deren Fähigkeiten in der deutschen Sprache von Lehrkräften als gering eingeschätzt werden.
Der dritte Beitrag (Frenzel et al.) untersucht im Rahmen einer Videostudie im universitären Kontext mittels KI-unterstützter Gesichtserkennung emotionale Transmissionsprozesse im Klassenraum. Hierbei wird dem Phänomen der Übertragung von Freude in der sozialen Interaktion zwischen Dozierenden und Studierenden nachgegangen, operationalisiert über den gemeinsamen mimischen Ausdruck von Freude. Die Befunde zeigen, dass die Übertragung positive Emotionen in Lehr-Lernsituationen ein wechselseitiger Prozess zwischen Lehrkräften und Lernenden ist. Von der Nachahmung positiver emotionaler Gesichtsausdrücke in den Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden profitieren dabei vor allem die Lehrenden, die mehr Freude empfinden.
Der vierte Beitrag (Lazarides & Göllner) geht anhand von Daten der TALIS-Videostudie der Frage nach, inwiefern verbale (Sprache der Lehrkraft) und nonverbale Prozesse (motivierendes Lehrkräftehandeln) des Unterrichtshandelns mit Lehrkräftemotivation (Selbstwirksamkeit, Enthusiasmus) und Schüleroutcomes in Zusammenhang stehen und welche Potentiale dabei die Nutzung KI-basierter Methoden für die Analyse derartiger Prozesse bietet. Dabei wird konkret aufgezeigt, dass verbales und nonverbales motivierendes Lehrkräfteverhalten mittels KI-basierter Algorithmen und Methoden reliabel in Unterrichtsvideos identifiziert werden kann und Zusammenhänge zu Lehrkräftemotivation und motivierenden Aspekten der Unterrichtsqualität aufweist.
Die Beiträge des Symposiums befassen sich folglich alle mit Fragen der Prozessbezogenheit von Lehrkräftemotivation und Unterrichtshandeln. Die längsschnittlichen und prozessbezogenen Forschungszugänge ermöglichen es, den dynamischen und durch soziale Interaktionen und fachliche Kontexte geprägten Charakter der Zusammenhänge zwischen Lehrkräftemotivation und Lehrkrafthandeln im Unterricht zu berücksichtigen. Die Beiträge im Symposium tragen daher substantiell dazu bei, die Rolle von sozialem, fachbezogenen und situationalem Kontext für die Effekte von Lehrkräftemotivation auf Unterrichtshandeln und Schüleroutcomes im Kontext Schule und Hochschule besser zu verstehen.
Beiträge des Symposiums
Die Transmission der Lehrkraftmotivation auf die Lernendenmotivation in Mathematik und Deutsch: Eine Untersuchung der Unterrichtsqualität als vermittelnde Variable
Anne Kosubek1, Hanna Gaspard1, Cora Parrisius2, Ann-Kathrin Jaekel3, Richard Göllner3 1Technische Universität Dortmund, 2Pädagogische Hochschule Karlsruhe, 3Universität Tübingen
Theoretischer Hintergrund
Nach der Erwartungs-Wert-Theorie (Wigfield & Eccles, 2000) kann die Motivation von Lehrkräften und Lernenden über die Erfolgserwartung (z.B. Selbstwirksamkeit, Fähigkeitsselbstkonzept) und den zugeschriebenen Wert (z.B. Enthusiasmus, intrinsischer Wert) erklärt werden. Die Lehrkraftmotivation sollte sich auf die Unterrichtsqualität auswirken, welche wiederum mit der Lernendenmotivation verknüpft ist (Lazarides et al., 2023; Lauermann & ten Hagen, 2021). Die Qualität des Unterrichts lässt sich anhand der Basisdimensionen Klassenführung, konstruktive Unterstützung und kognitive Aktivierung bewerten (Praetorius et al., 2018). Bisherige Studien zur Transmission der Motivation von Lehrkräften und Lernenden über die Unterrichtsqualität liefern inkonsistente Befunde und fokussieren vorrangig auf Mathematik oder Naturwissenschaften (z.B. Bardach & Klassen, 2021; Dicke et al., 2021; Fauth et al., 2019; Rubach et al., 2023). Es mangelt an Längsschnittstudien sowie einer Untersuchung der Übertragbarkeit auf weitere Domänen.
Fragestellung
Daher soll in der vorliegenden Studie untersucht werden, a) inwiefern sich die Lehrkräftemotivation vermittelt über die wahrgenommene Unterrichtsqualität auf die Lernendenmotivation auswirkt und b) inwiefern diese Ergebnisse für die Unterrichtsfächer Mathematik und Deutsch generalisierbar sind.
Methode
Die Untersuchung basierte auf Längsschnittdaten von Schulklassen der Jahrgangsstufen 5-9 (T1) unterschiedlicher Schulformen in Baden-Württemberg. In Mathematik wurden 55 Lehrkräfte und 1085 Lernende sowie in Deutsch 45 Lehrkräfte und 846 Lernende zwei Mal im Abstand eines Schuljahres befragt. Die Lehrkräfte schätzten ihre Motivation (T1) anhand ihrer Selbstwirksamkeit (Mathematik α=.84/ Deutsch α=.80) und ihres Unterrichtsenthusiasmus (α=.86/.86) ein. Die fächer- und lehrkraftspezifischen Einschätzungen der Unterrichtsqualität durch die Lernenden (T2) erfolgten anhand der Basisdimensionen Klassenführung (Störungen: α=.85/.83; Regelklarheit: α=.68/.70), konstruktive Unterstützung (Feedback: α=.81/.80; Autonomieunterstützung: α=.71/.72) und kognitive Aktivierung (anspruchsvolle Aufgaben: α=.69/.72; sokratischer Dialog: α=.75/.76). Die Lernenden schätzten ihre fachspezifische Motivation (T1 & T2) in Bezug auf ihr Fähigkeitsselbstkonzept (α=.94/.90) und den intrinsischen Wert (α=.97/.96) ein. Mit Cross-Level-Mediationsanalysen (Pituch & Stapleton, 2012) wurden je 24 Modelle zur Transmission der Lehrkräftemotivation auf die Lernendenmotivation über die Unterrichtsqualitätsskalen in Mathematik und Deutsch unter Kontrolle der Ausgangswerte der Lernendenmotivation geprüft.
Ergebnisse & Diskussion
In Mathematik erwiesen sich 10 der 24 cross-level-indirekten Effekte als signifikant (p<.05) bzw. 11 als marginal signifikant (p<.10). Lernende von enthusiastischeren und selbstwirksameren Lehrkräften nahmen weniger Störungen wahr, welche wiederum mit höherem Fähigkeitsselbstkonzept und intrinsischem Wert zusammenhingen. Lernende von enthusiastischeren Lehrkräften berichteten zudem von stärkerer Regelklarheit, welche eine Zunahme in Fähigkeitsselbstkonzept und intrinsischem Wert der Lernenden erklärte. Zudem berichteten Lernende von enthusiastischeren und selbstwirksameren Lehrkräften häufiger von anspruchsvollen Aufgaben, welche mit einer höheren Motivation der Lernenden (beide Komponenten) zusammenhingen. Schließlich nahmen Lernende von selbstwirksameren Lehrkräften einen stärkeren Sokratischen Dialog wahr, wodurch ein Zuwachs im intrinsischen Wert erklärt werden konnte. Zusätzlich zu den cross-level-indirekten Effekten zeigten sich nur wenige, tendenziell negative indirekte Effekte auf der Klassenebene (p<.10).
In Deutsch zeigten sich 8 cross-level-indirekte Effekte als signifikant (p<.05) bzw. 12 als marginal signifikant (p<.10). Lernende von enthusiastischeren und selbstwirksameren Deutschlehrkräften berichteten von höherer Regelklarheit und infolgedessen von höherer Motivation (beide Komponenten). Lernende von selbstwirksameren Lehrkräften nahmen weniger Störungen im Unterricht wahr, was einen Zuwachs in Fähigkeitsselbstkonzept und intrinsischem Wert erklärte. Darüber hinaus stellten Lernende bei enthusiastischeren und selbstwirksamen Lehrkräften einen stärkeren Sokratischen Dialog fest, der mit höherem intrinsischen Wert zusammenhing. Lernende von enthusiastischeren Lehrkräften berichteten vermittelt über anspruchsvollere Aufgaben von einer höheren Motivation zu T2 (beide Komponenten). Diese Lernenden bemerkten eine stärkere Autonomieförderung und daraus resultierend einen erhöhten intrinsischen Wert. Auch in Deutsch waren nur wenige zusätzliche indirekte Effekte auf der Klassenebene sichtbar (p<.05).
Diese Ergebnisse sprechen für eine Transmission der Lehrkraftmotivation auf die Motivation der Lernenden vermittelt über die wahrgenommene Unterrichtsqualität. Insbesondere die Klassenführung und die kognitive Aktivierung spielen hierbei eine entscheidende Rolle, während die konstruktive Unterstützung trotz ihrer theoretischen Nähe zur Motivation nicht als vermittelnder Prozess fungiert. Bemerkenswerterweise sind sehr ähnliche Ergebnismuster in Mathematik und Deutsch zu erkennen.
Within-class associations between teachers’ student-specific motivations, students’ academic characteristics, and teacher talk in language-focused classes
Fani Lauermann1, Inga ten Hagen2 1Universität Bonn, 2Technische Universität Dortmund
Theoretical Background
Teaching requires complex and autonomous decision-making with limited resources such as instructional time (Kunter et al., 2013; Lauermann & Butler, 2021). For instance, teachers must manage their limited classroom time to attend to individual student needs, implement in-the-moment instructional adaptations, and may engage in differential treatment (Babad, 1993). Surprisingly, little is known about the psychological underpinnings of such complex teaching-related decisions.
Based on socio-cognitive theory (Bandura, 1997; Lauermann & Butler, 2021), the present study used multi-source, student-specific data to examine the within-class links between (i) students’ academic characteristics (i.e., ability and motivation, assessed via standardized tests, self-reports, and teacher ratings), (ii) teachers’ student-specific motivational beliefs (i.e., self-efficacy and enthusiasm for teaching individual students), and (iii) teachers’ allocation of student-specific teacher talk in German-as-a-second-language (GSL) classrooms (i.e., observed time the teacher talks to a particular student in videotaped classes). We focused on GSL classrooms because such classes require adaptive teaching (Otto et al., 2016). We focused on teachers’ student-specific talking time because it is an essential descriptor of teachers’ instructional behaviors in language-focused classes (Borg, 2006; Ellis, 2005).
Aims and Research Questions
We examined the interrelations between students’ academic characteristics and teachers’ student-specific motivational beliefs and their predictive effects on teachers’ student-specific talking time (RQ1-RQ2).
Method
Thirty-three GSL teachers and 309 secondary students participated in the [blinded] video study. Validated scales were adapted to refer to individual students (e.g., teachers’ self-efficacy and enthusiasm for teaching individual students). Students’ academic characteristics were assessed via self-reports (intrinsic motivation), teacher ratings (student engagement and language ability), and standardized tests (C-test of language ability). Teachers’ talking time was coded for videotaped classes.
Results and Conclusions
A multi-level path analysis tested the theorized within-class associations. First (RQ1), in a given classroom, students who actively participated in the class (i.e., high behavioral engagement) drew most of the teacher’s verbal attention. Low-achieving students received the most verbal attention when differences in behavioral engagement were controlled for. Second (RQ2), teachers felt most efficacious and enthusiastic about teaching students with high teacher-rated emotional engagement and language proficiency. The more efficacious and enthusiastic teachers felt about teaching a given student, the more time they spent talking to that student relative to other students in the same class. However, teachers’ student-specific self-efficacy and enthusiasm did not have incremental predictive effects on teachers’ talking time, controlling for students’ teacher-rated engagement .
Teachers’ within-class distribution of instructional time followed two key pathways. First, behaviorally engaged students appeared to draw their teacher’s verbal attention, indicating more student-directed teacher talk. Second, controlling for differences in students’ behavioral engagement, teachers spent more time talking to students they perceived as less proficient in German. Failure to account for both pathways may be a contributing factor to the mixed findings in prior research, according to which teachers pay more attention either to high-achieving (e.g., Decristan et al., 2020; Lipowsky et al., 2007) or low-achieving (Denessen et al., 2020; Pohlmann-Rother et al., 2018) students. The results underscore the importance of collecting student-specific and multi-source data to study teachers’ decision-making and classroom behaviors.
Joy is reciprocally transmitted between teachers and students: Evidence on facial mimicry in the classroom
Anne Frenzel1, Muhterem Dindar2, Reinhard Pekrun3, Corinna Reck1, Anton K.G. Marx1 1Ludwig-Maximilians-Universität München, 2Tampere University, 3University of Essex, UK, Ludwig-Maximilians-Universität München, Australian Catholic University, Australia
Theoretical Background
Teaching and learning are inherently social and interactive, and they can involve strong emotional experiences among teachers and students alike (Harvey et al., 2012; Pekrun & Linnenbrink-Garcia, 2014; Pekrun et al., 2017). The critical importance of positive emotions for classroom functioning is well established (e.g., Dewaele et al., 2019; Frenzel et al., 2021; Graesser, 2020; Loderer et al., 2020) and teachers and learners’ trait-based joy during class has been shown to covary (e.g., Frenzel et al., 2018; Frenzel et al., 2009). This has been interpreted as evidence of emotional contagion across teachers and learners. However, no research to date seems to have explored in-situ processes of emotional contagion, thus the social dynamic of positive emotion transmission during instruction is poorly understood.
Aims and Research Question
A key proposition of the present contribution is that macro-level covariation between teachers’ and students’ self-reported habitual joy experiences is fueled, in a bottom-up fashion, by micro-level covariation: That is, by repeated instances of joint joy experiences among teachers and students during instruction. We suggest that the face is a particularly important channel through which teachers’ and students’ emotional experiences are communicated to one another. Thus, mimicry of facial joy expressions should be one important mechanism that drives such emotional convergence among teachers and students (Hess, 2021; Hess & Fischer, 2014; Talebzadeh et al., 2020). The present study seeks to provide evidence of facial joy mimicry between teachers and students during real-life instruction, and explore its relations with teachers’ and learners’ subjective session joy.
Method
Participants were 13 university instructors and 69 of their students. They self-reported on their session joy answering single items directly after the session (”In the past 45 minutes, I enjoyed class/teaching” for students/instructors). Their joy expressions were captured through a multi-camera setup and submitted to AI-based automated facial emotion coding, using the iMotions software platform version 7.1 (iMotions, 2019) in combination with the automated facial expression coding module Emotient FACET which is a commercialized version of the CERT software (Littlewort et al., 2011). FACET is based on the Facial Action Coding System (FACS) by Ekman et al. (2002). Facial mimicry within each teacher–student dyad was determined through cross-recurrence quantification analysis (CQA, Coco & Dale, 2014). In CRQA, two time series are linked (here: instructor and student), to quantify both perfect co-occurrence (i.e., both instructor and student expressing joy at the exact same time) as well as lagged cross-recurrence (i.e., the student expressing joy a little later than the instructor or vice versa). We used CRQA to (1) identify a critical time window for above-chance (co-)occurrence of teacher and students joy expressions, and (2) to quantify, for each dyad, their degree of joy mimicry .
Results and Conclusions
Our key results showed that students’ facial expressions of joy cross-recurred substantially above chance level (p < .003) during a time window of about -2s and +3s seconds relative to the instructors’ expressions. This implies that within this critical lag window, there was substantially above-chance mimicry of instructor and student joy expression, with either students being first in expressing joy and followed by their instructors’ joy expression, or vice versa. Further, post-session self-reported joy was significantly positively correlated with the teacher–student dyad mimicry quantity for teachers, but not for students. These findings suggest that joy transmission between teachers and students is reciprocal process, and that teachers seem to emotionally benefit from their students’ joy mimicry.
Prozessbezogene Perspektiven auf Motivierung im Unterricht: KI-attestierte Analysestrategien
Rebecca Lazarides1, Richard Göllner2 1Universität Potsdam, 2Universität Tübingen
Theoretischer Hintergrund
Die Motivation von Lehrkräften ist eine zentrale Voraussetzung für qualitätsvolles Unterrichten - allerdings sind die Mechanismen, die dazu führen, dass eine hohe Lehrkräftemotivation zu gutem Unterrichten beiträgt, aktuell ungeklärt (Bardach & Klassen, 2021). Die mangelnde Evidenz ist maßgeblich darin begründet, dass eine prozessnahe Beschreibung der motivationalen Transmission im Klassenzimmer naturgemäß schwer zu erreichen ist. Mit Blick auf die Lehrkraftmotivation ist davon auszugehen, dass sich die Motivation einer Lehrkraft in spezifischen Lehr-Lernsituationen durch verbales und non-verbales Verhalten auf die Motivierung der Lernenden im Unterricht überträgt (Frenzel et al., 2021). Existierende Erfassungsansätze, wie etwa klassische Unterrichtsbeobachtungen, bieten nach wie vor keine hinreichend guten Ansätze zur Erfassung solcher Prozessmerkmale. Vor diesem Hintergrund stellen KI-basierte Verfahren vielversprechende Ansätze dar, um prozessnahe Informationen in effizienter Weise zu verarbeiten und im Rahmen der Unterrichtsprozessforschung zu nutzen
Fragestellung
Im vorliegenden Beitrag werden die Forschungsbereiche der Lehrkräftemotivationsforschung und der Unterrichtsforschung zusammengeführt, um der Frage nachzugehen, inwiefern KI-basierte Erfassungsmethoden effektiv eingesetzt werden können, um die Prozesshaftigkeit von Unterrichtshandeln und den Zusammenhängen dieses Handelns mit Lehrkräftemotivation zu untersuchen. Dabei werden zwei Studien vorgestellt, die KI-basierten Verfahren zur Erfassung non-verbaler als auch verbaler Prozessmerkmale der Unterrichtsmotivation anwenden.
Methode
In Studie 1 wurde ein Algorithmus zur Kodierung motivierenden Unterrichtsverhaltens von Lehrkräften in Unterrichtsvideos entwickelt. Wir fokussieren das Konstrukt der ‚non-verbal immediacy‘ (NVI), das Ähnlichkeiten zum Lehrkräfteenthusiasmus aufweist (Mehrabian, 1968). Analysiert wurden die in Deutschland erhobenen Daten der TALIS-Studie (Teaching and Learning International Survey; OECD, 2020). Zur Entwicklung des Computervision-Algorithmus, der eine Quantifizierung der NVI ermöglicht, wurden Videodaten von 47 Klassen einbezogen. Zur merkmalstreuen Erfassung des Konstrukts wurden Subalgorithmen wie „Gestenintensität“ und „physiologische Distanz“ genutzt. Datengrundlage für die Klassifikatoren dieser Dimensionen bildeten 3500 Einzelframes, die aus den Unterrichtsvideos extrahiert und von drei geschulten Ratern bewertet wurden. Die Analyse des Gesichtsausdrucks wurde mit Hilfe des Toolkits OpenFace durchgeführt, für die Extraktion der Körperhaltung wurde das HRNet Convolutional Neural Network verwendet.
In Studie 2 wurden Unterrichtstranskripte der TALIS Videostudie Deutschland anhand von drei aufeinander folgenden Schritten ausgewertet. Erstens wurde auf der Grundlage der Unterrichtstranskriptionen 1536 semantische Textfeatures mittels des sematischen Embeddings (text-embedding-ada-002) extrahiert. Anschließend wurden die sprachlichen Informationen der Unterrichtssegmente mittels einer k-Means Clusteranalyse gruppiert. Zweitens wurde die Spezifität der semantischen Textfeatures mittels eines Promptings geprüft. Hierzu wurden konkrete Definitionen verschiedener Unterrichtsqualitätsmerkmale vor der Featureextraktion und der daran anschließenden Clusteranalyse verwenden. Betrachtet wurden Unterrichtsqualitätsmerkmale, die für die Motivierung von Lernenden von besonderer Bedeutung sind (emotionales Klima, Diskursqualität, Anregungsgehalt, multiple Lösungswege). Abschließend wurden Clusterunterschiede bezüglich der externen Unterrichtsqualitätsbeurteilungen anhand eines regressionsanalytischen Verfahrens ermittelt.
Ergebnisse und Diskussion
Studie 1. Die Inter-Rater-Reliabilität (ICC(3,3)) der NVI-Ratings betrug über alle Clips hinweg im Durchschnitt .684, was auf konsistente NVI-Bewertungen hinweist. Die Dimension "Gestenintensität" wies mit ICC(3,3) = .948 eine hohe Inter-Rater-Reliabilität auf. Die Dimension "Körperliche Distanz" wies einen ICC(3,3) von .684 auf. Generalisiert auf Lehrkräfte, die nicht Teil der Trainingsdaten waren, erreicht der entwickelte NVI-Algorithmus eine Accuracy von .620. Aktuell werden Zusammenhänge zwischen den NVI-Indizes, Lehrkräftemotivation und Schüleroutcomes berechnet.
Studie 2. Die Clusteranalysen der extrahierten Textfeatures zeigten, dass ein Modell mit vier Clustern bzw. Mustern motivierender Sprache die sprachlichen Unterrichtssegmente am besten beschreiben konnte. Die regressionsanalytischen Ergebnisse zeigten, dass die Cluster 1% bis 8% Prozent der Beurteilungsunterschiede zwischen den Segmenten einer Unterrichtsstunde und 4% bis 17% Beurteilungsunterschiede zwischen den Unterrichtsstunden vorhersagen konnten. Dabei zeigten die einzelnen Cluster eine hohe Spezifität bezüglich der vorherzusagenden Qualitätsmerkmale. Demgegenüber ergab eine geprompteten Featureextraktion zunächst keinen weiteren Vorteil, wobei unterschiedliche Möglichkeiten des Promptings weiterführend geprüft werden.
Die Ergebnisse zeigten zusammenfassend, dass genuine Sprachmodelle und Computervision-Algorithmen durchaus vielversprechend sind, um relevante Motivatoren des Unterrichts zu identifizieren und damit die in theoretischen Modellen zu Lehrkräftemotivation und Unterricht beschriebene Prozessebene zu untersuchen.
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