Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
2-17: Ökonomische Bildung
Zeit:
Montag, 18.03.2024:
13:10 - 14:50

Ort: S16

Seminarraum, 50 TN

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen
Paper Session

Ein evidenzbasiertes Kompetenzstruktur- und niveaumodell für die ökonomische Bildung von Schüler*innen der Sekundarstufe I – Das Beispiel ECON 2022 in Nordrhein-Westfalen

Fabio Fortunati, Esther Winther

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Das alltägliche Leben von Menschen ist von Situationen geprägt, in denen ökonomisches Handeln erforderlich ist. Während basale wirtschaftliche Kompetenzen sind im angloamerikanischen Sprachraum als auch international seit langem Teil des Bildungskanons (Soper und Walstad 1987; OECD 2020), fehlt es in Deutschland an einer breiten schulischen Verankerung ökonomischer Lerngelegenheiten.

In den MINT-Fächern (Leutner et al. 2017) als auch der kaufmännischen Bildung die empirische Messung wie Modellierung von Kompetenzen weit gedungen sind (Beck et al. 2016), ist ein Mangel an ausreichend fundierten Kompetenzmodellen in der ökonomischen Allgemeinbildung festzustellen (Ackermann 2019). Bisherige Assessments im Bereich der ÖB fokussieren insbesondere auf Schüler*innen der Sekundarstufe II und inhaltlich auf eine zumeist gesellschaftlich-volkswirtschaftliche Perspektive (Ackermann 2019; Eberle et al. 2016; Seeber et al. 2022). Insbesondere für die Sekundarstufe I liegt nur wenig empirische Evidenz für die Ausprägung und Strukturierung ökonomischer Kompetenz vor (Seeber et al. 2015). Ziel dieses Beitrages ist es auf Grundlage einer repräsentativen Erhebung der ökonomischen Kompetenz von Schüler*innen der Jahrgangsstufe 8 in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2022

(1) die Dimensionalität ökonomischer Kompetenz und…

(2) die Graduierung ökonomischer Kompetenz zu untersuchen.

Die Entwicklung des Testinstruments erfolgt auf Grundlage des Logic-Assessment-Models (Klotz 2015). Dabei sind die Items in eine narrative Struktur eingebettet, die wirtschaftliche Lebenssituationen in einem möglichst authentischen Setting nachbilden. Hinsichtlich der Dimensionalität ökonomischer Kompetenz konnte Winther (2010) eine Differenzierung in eine Economic Literacy- und eine Economic Numeracy-Facette feststellen, die auch in Studien im allgemeinbildenden Schulwesen bestätigt werden konnte (Macha 2015). In Anlehnung an das Konzept der Lernprogression von Wilson (2009), das eine spezifische Ausprägung des erworbenen Wissens postuliert, wird bei der Itemkonstruktion über die schwierigkeitsgenerierenden Merkmale der kognitiven Verarbeitungsprozesse und Spezifität eine Construct-Map entwickelt. Diese inhaltsbezogenen Merkmale haben sich der kaufmännisch-beruflichen Forschung als empirisch bedeutsam erwiesen (Winther und Achtenhagen 2009; Winther 2010; Klotz et al. 2015). Das Merkmal der kognitiven Verarbeitungsprozesse orientiert sich an der Taxonomie von Marzano und Kendall (2007) und differenziert dreistufig in die Wissensreproduktion, das Verstehen und Analysieren sowie die Wissensanwendung in Handlungssituationen. Das Merkmal der Spezifität orientiert sich am Konzept einer zunehmenden Domänenspezifität von Wissen (Gelman und Greeno 1989) und differenziert dreistufig in domänenverbundenes und zunehmend domänenspezifisches Wissen. Es wird angenommen, dass eine zunehmende Wissensbasis sich nicht nur inhaltlich erweitert, sondern sich auch in ihrer Komplexität und Querverbindungen in Form von Entwicklungsstufen vertiefend manifestiert.

Die Datenerhebung wurde computergestützt durchgeführt. Es handelt sich um eine zweistufig stratifizierte Klumpenstichprobe (N=3020). Für die Analyse der Dimensionalität der Daten wurde ein polytomes 1PL-IRT-Modell-MCMLM (Adams et al. 1997) gewählt und mit dem Programm ACER-ConQuest (Adams et al. 2018) skaliert. Zur Bestimmung der Kompetenzniveaustufen wurde die Items anhand der schwierigkeitsgenerierenden Merkmale in drei Stufen geratet. Die prädiktive Bedeutung der schwierigkeitsgenerierenden Merkmale wird mithilfe einer Regressionsanalyse bestimmt (Hartig und Frey 2012; Hartig 2007). Da die unabhängigen Variablen nicht intervallskaliert sind, werden Dummyvariablen erstellt und mit der Ausprägung 0 und 1 codiert. Die abhängige Variable stellt den Personenfähigkeitsparameter dar.

Zum jetzigen Zeitpunkt liegen die Ergebnisse der Datenanalyse der Hauptstudie noch nicht in Gänze vor. Die Feldteststudie mit N=816 Teilnehmer*innen zeigte jedoch bereits vielversprechende Ergebnisse bzgl. einer zweidimensionalen Kompetenzstruktur und der prädiktiven Bedeutung der Merkmale kognitiven Verarbeitungsprozesse und der inhaltlichen Spezifität auf die ökonomische Kompetenz der Schüler*innen. Für die Befunde der Hauptstudie erwarten wir ähnliche Ergebnisse, da eine Revision des Testinstruments aufgrund der zufriedenstellenden Feldtestdaten nur im geringen Maße erforderlich war. Die Befunde sind insbesondere in der Ermangelung von Evidenz in der Domäne von hoher Bedeutung, da diese ebenfalls anschlussfähig an die kaufmännisch-berufliche Forschung sind und so auch ökonomische Bildung unter der Perspektive der Berufspropädeutik an Relevanz gewinnen kann. Darüber stellen die Ergebnisse ein Ausgangspunkt hinsichtlich einer evidenzbasierten Fort- und Weiterentwicklung von Lehrplänen sowie die Formulierung kompetenzorientierter Bildungsstandards dar.



Paper Session

Der Geschlechterunterschied in der Wirtschafts- und Finanzkompetenz – Eine systematische Literaturanalyse

Lucy Haag, Taiga Brahm

Eberhard Karls Universität Tübingen

Theoretischer Hintergrund

Ausgeprägte Wirtschafts- und Finanzkompetenzen sind essenziell, um im komplexen und globalisierten Wirtschaftsgeschehen Entscheidungen zu treffen. Die Forschung zeigt, dass diese Kompetenzen mit Finanzverhalten zusammenhängen und individuelle Entscheidungen beeinflussen (Lusardi & Mitchell, 2017; van Rooij et al., 2011). Zusätzlich zeigen Studien einen signifikanten Einfluss von Finanzkompetenz auf das Sparverhalten, den Vermögensaufbau und die Rentenvorsorge (Bucher-Koenen et al., 2021; van Rooij et al., 2011). Der demographische Wandel sowie komplexe Finanzprodukte verstärken die Bedeutung einer ausgeprägten Wirtschafts- und Finanzkompetenz (Klapper & Lusardi, 2020). Trotz dieser praktischen Relevanz zeigt eine Vielzahl von Studien die geringe Wirtschafts- und Finanzkompetenz in der generellen Bevölkerung auf. Dieses Problem ist für bestimmte Subgruppen, wie Frauen, ältere Personen und solche mit einem geringen Bildungsniveau zusätzlich verstärkt (Bucher-Koenen & Lusardi, 2011; Lusardi et al., 2014; Walstad & Rebeck, 2002). Im Hinblick auf die Geschlechterungleichheit und die praktischen Konsequenzen von Wirtschafts- und Finanzwissen sind diese Ergebnisse besorgniserregend.

Fragestellung und Methode

Angelehnt an diese Erkenntnisse bietet der vorliegende Artikel zwei Beiträge. Erstens untersucht die systematische Literaturanalyse internationale Literatur bezüglich des Geschlechterunterschieds in der Wirtschafts- und Finanzkompetenz und unterscheidet hierbei zwischen verschiedenen Weltregionen und Altersgruppen. Zweitens werden mögliche Erklärungsfaktoren für den Geschlechterunterschied untersucht. Die systematische Analyse folgt den PRISMA Richtlinien 2020 (Page et al., 2021) und umfasst 97 Artikel mit 185 Studien über den Zeitraum von 2002 bis 2022. Es werden eine bibliometrische sowie eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt.

Ergebnisse

In der Mehrheit der Studien (75,14 %) wird ein signifikanter Geschlechterunterschied zugunsten von Männern festgestellt. Dieser Unterschied ist über verschiedene Regionen und Altersgruppen hinweg beobachtbar. Besonders ausgeprägt scheint der Geschlechterunterschied in Industrienationen, insbesondere in Nordamerika und Europa, während in anderen Regionen (z.B. Osteuropa, Südamerika und Asien) häufiger kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern gefunden wird.

Es können verschiedene Erklärungsfaktoren für den Geschlechterunterschied identifiziert werden. Selbstvertrauen wurde am häufigsten untersucht, meist quantifiziert durch „Ich weiß es nicht“-Antworten oder eine Selbsteinschätzung der eigenen Wirtschafts- und Finanzfähigkeiten. Ein weiterer oftmals untersuchter Faktor ist Sozialisation. Diese umfasst z.B. das soziale und kulturelle Umfeld, die Sozialisation durch die Eltern und stereotypisches Denken (Agnew & Cameron-Agnew, 2015; Bucher-Koenen et al., 2017; Furrebøe & Nyhus, 2022; Jappelli, 2010). Weitere relevante Merkmale sind Bildung und Beschäftigung (Davoli & Rodríguez-Planas, 2020; Kim et al., 2022), demographische Variablen (Aguiar-Diaz & Zagalaz-Jimenez, 2022; Preston & Wright, 2022) sowie mathematische Fähigkeiten (Jappelli & Padula, 2013; Razen et al., 2021). Aufgrund verschiedener Erhebungsinstrumente, Auswertungsmethoden und Studienergebnisse ist jedoch unklar, zu welchem Teil diese Faktoren jeweils den Geschlechterunterschied erklären können. Ein wiederkehrendes Ergebnis der Studien ist, dass nur ein kleiner Teil des Unterschieds durch die erhobenen Variablen erklärt werden kann und ein wesentlicher Teil unerklärt bleibt (Kim et al., 2022; Preston & Wright, 2022; Robson & Peetz, 2020; Yao et al., 2022).

Insgesamt ermöglicht die Literaturanalyse ein tieferes Verständnis für den Geschlechterunterschied in der Wirtschafts- und Finanzkompetenz sowie der komplexen Faktoren, die diesem zugrunde liegen. Die Thematik ist relevant, um die Geschlechtergleichheit zu fördern und das finanzielle Wohlergehen in der Bevölkerung zu stärken.



Paper Session

Determinanten der ökonomischen Diagrammkompetenz von südafrikanischen Studierenden

Malte Ring1, Taiga Brahm1, Volker Schöer2

1Universität Tübingen, Deutschland; 2University of the Witwatersrand, Südafrika

Einleitung und theoretischer Hintergrund

Diagramme sind ein zentraler Bestandteil des Wirtschaftsstudiums und sollen Lernenden helfen, komplexe Zusammenhänge besser zu verstehen. Bisherige Forschung zeigt, dass Studierende Diagrammaufgaben herausfordernd finden und oft nicht nachvollziehen können, welche Rolle Diagramme bei Analyse und Darstellung komplexer Zusammenhänge haben (Cohn et al., 2004). Dies gilt umso mehr für bestimmte Gruppen: Weibliche Lernende und Lernende mit geringen Mathematik-Kenntnissen fallen die Aufgaben besonders schwer (Cohn et al., 2004; Hill & Stegner, 2003; Marire, 2017; Ramos Salazar & Hayward, 2022; Schuhmann et al., 2005). Obwohl Diagrammkompetenz eine wichtige Voraussetzung für das Wirtschaftsstudium ist, gibt es bisher wenige Studien, die die Kompetenz und deren Voraussetzungen genauer analysieren. Insbesondere werden die Fähigkeiten selten mit komplexeren Instrumenten erfasst und gemeinsam untersucht. Das ist notwendig, um besser zu verstehen, wie die entsprechenden Gruppen beim Einstieg in das Wirtschaftsstudium unterstützt werden können. Der vorliegende Beitrag verfolgt daher das Ziel, den Zusammenhang zwischen ökonomischer Diagrammkompetenz und Geschlecht, Sprache sowie mathematischen Fähigkeiten in der Studieneingangsphase zu analysieren. Der Fokus liegt auf der Frage, ob sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern durch mathematische und sprachliche Fähigkeiten von Wirtschaftsstudierenden erklären lassen.

Methoden

Die Stichprobe besteht aus 1351 Studierenden, die in wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen an einer Universität in Südafrika eingeschrieben sind. Von den befragten Studierenden sind 55,51% weiblich. Insgesamt haben 48,45 % in der Sekundarstufe „Englisch als Muttersprache“ als Fach gewählt (die verbliebenen „Englisch als Fremdsprache“). Die Studierenden in der Stichprobe sprechen insgesamt 24 unterschiedliche Muttersprachen, wobei Englisch in Südafrika als Bildungssprache an Hochschulen Standard ist und mit 23% die größte Gruppe darstellt.

Die Diagrammkompetenz der Studierenden wurde mit einem englischen Testinstrument erfasst, das 15 Multiple-Choice-Aufgaben und eine offene Aufgabe für drei typische ökonomische Graphen (Angebot und Nachfrage, Kostenfunktion und Indifferenzkurve) umfasst. Der Test wurde im deutschen Kontext schon erfolgreich eingesetzt. Zur Bewertung der wirtschaftsbezogenen mathematischen Fähigkeiten der Studierenden wurden Aufgaben aus dem Mathematics for Economics Skill Assessment (MESA) verwendet (McKee et al., 2023). In beiden Tests wurde der Anteil der erreichten Punkte an der Gesamtpunktzahl (Prozentwert) für den gesamten Test als Variable verwendet, fehlende Aufgaben wurden als falsch gewertet. Die Studierenden stimmten der Verknüpfung der Ergebnisse mit administrativen Daten zu. Von dort wurden Geschlecht, Muttersprache und Noten aus der Sekundarstufe entnommen.

Ergebnisse

Im Durchschnitt erreichten die Lernenden 51,19% im Diagrammkompetenztest (SD = 11,25%). Im Mathetest erreichten die Studierenden durchschnittlich 57,05% (SD = 15,05%). Männliche Studierende erreichen im Diagrammkompetenztest im Durchschnitt etwa 3,5 Prozentpunkte mehr als weibliche Studierende.

Um zu identifizieren, ob sich die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Probanden durch Unterschiede in sprachlichen oder mathematischen Fähigkeiten erklären lassen, wurde eine hierarchische Regressionsanalyse mit Diagrammkompetenz als abhängiger Variable durchgeführt. Als unabhängige Variablen wurden neben dem Geschlecht schrittweise Muttersprache, Englischnote, Mathenote und die Ergebnisse des Wirtschaftsmathe-Tests eingesetzt. In jedem Modell wurde für die Anzahl der fehlenden Aufgaben aus dem Diagrammkompetenztest kontrolliert. Alle im Modell aufgenommenen Variablen korrelieren positiv mit Diagrammkompetenz. Während sich der Anteil von erklärter Varianz erhöht, bleibt der Gruppenunterschied zwischen männlichen und weiblichen Studierenden von etwa 3,4%, über alle Modelle konstant. Die Geschlechterdifferenz lässt sich damit nicht mithilfe von sprachlichen oder mathematischen Fähigkeiten erklären.

Diskussion und Ausblick

Als Prädiktoren für die Diagrammkompetenz von Studierenden zu Beginn des Wirtschaftsstudiums erweisen sich in Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen (z.B. Cohn et al., 2004) Geschlecht, sprachliche und mathematische Kenntnisse als relevant. Unsere Ergebnisse bestätigen, dass Graphen zu Beginn des Studiums nicht intuitiv verstanden werden. Besonders bemerkenswert ist der beträchtliche Unterschied von einem Drittel Standardabweichung zwischen männlichen und weiblichen Lernenden, deren Erklärung Ziel zukünftiger Forschung sein sollte. Nachdem mathematische und sprachliche Fähigkeiten in dieser Studie erstmals gemeinsam in einer umfangreichen Stichprobe untersucht werden konnten, könnten geschlechtsspezifische Einstellungen, Erfahrungen und Sozialisation potenzielle Erklärfaktoren sein.



Paper Session

Verantwortungsbewusstes Handeln vor dem Hintergrund von Nutzenmaximierung – eine Interviewstudie zur Wirtschaftsethik

Victoria Vochatzer, Taiga Brahm, Malte Ring

Lehrstuhl für Ökonomische Bildung und Wirtschaftsdidaktik, Eberhard Karls Universität Tübingen, Deutschland

Einführung und theoretischer Hintergrund

In der Ökonomischen Bildung ist es zentral, die Fähigkeit der Lernenden zu stärken, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig ethische Aspekte zu berücksichtigen. Die Wirtschaftsethik verbindet in diesem Sinne Ökonomik und Ethik bzw. Wirtschaft und Moral, um gesellschaftliche Probleme, die durch wirtschaftliche Aktivitäten verursacht werden, zu erkennen, anzugehen und zu vermeiden (Loerwald, 2010). Der Theorie der Integrativen Wirtschaftsethik zufolge setzt eine wirtschaftsethische Analyse auf verschiedenen sozialen Ebenen an: die Ordnungsethik auf der Makro-, die Unternehmensethik auf der Meso- sowie die Individualethik auf der Mikroebene (Enderle, 1991; Retzmann & Grammes, 2014). Der schulische Ökonomieunterricht kann dabei einen Beitrag zur Entwicklung „gesellschaftlich geteilter Wertvorstellungen und moralischer Urteilskompetenzen“ (Loerwald, 2010, S. 82) leisten.

Dabei ist es zentral, im Unterricht als wesentliche Lehr-Lern-Voraussetzung die subjektiven Erklärungssysteme der Lernenden zu wirtschaftsethischen Fragestellungen zu berücksichtigen. Allerdings fokussieren bisherige Forschungsarbeiten in Bezug auf Schüler:innenvorstellungen in der ökonomischen Bildung zumeist rein ökonomische Themengebiete (Aprea, 2014; Birke & Seeber, 2011a, 2011b; Davies & Lundholm, 2012; Friebel et al., 2014, 2016; Kaiser et al., 2016; Marton & Pong, 2005). Daher strebt die vorliegende Studie an, einen Beitrag zur Schließung der Forschungslücke zu wirtschaftsethischen Haltungen von Schüler:innen zu leisten, wofür sich die fachdidaktische Vorstellungsforschung als methodische Herangehensweise anbietet (Kirchner, 2015). Aus diesem Grund untersucht die vorliegende qualitative Studie die wirtschaftsethischen Vorstellungen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern. Hierfür wurden 33 halbstrukturierte Einzelinterviews mit Lernenden der achten Klasse an allgemeinbildenden Gymnasien in Südwestdeutschland geführt. Dabei wurden folgende Forschungsfragen fokussiert:

  • Welche Einstellungen und Vorstellungen in Bezug auf wirtschaftsethische Fragestellungen haben Schüler:innen der 8. Klasse?
  • Wie elaboriert sind diese und auf welcher wirtschaftsethischen Ebene argumentieren die Schüler:innen?

Methodische Vorgehensweise

Die Interviews konzentrierten sich speziell auf das Thema Verantwortung in Bezug auf Verbraucher:innen, Unternehmen sowie dem Staat im Kontext der Gestaltung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und wurden in die vier Fragekategorien Konsum und Verzicht, Wirtschaftskreislauf, Marktformen und Machtverhältnisse gegliedert. Diese Inhaltsbereiche orientieren sich am Bildungsplan Baden-Württemberg für Klasse acht sowie an der Theorie der Integrativen Wirtschaftsethik (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 2016; Retzmann & Grammes, 2014). Die Auswertung findet derzeit mithilfe eines doppelten Verfahrens statt. Dieses besteht aus einer deduktiven Codierung zur Einschätzung der Elaboriertheit und der wirtschaftsethischen Ebene anhand eines Erwartungshorizonts – ähnlich wie Aprea (2014) – sowie einer typenbildenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker (2022) statt.

Erste Ergebnisse

Die Sichtung erster Transkripte ergibt sehr heterogene Antworten mit unterschiedlichen Begründungsmustern, die zum Teil sehr elaboriert sind („Also ich finde, eher die Firmen, die hier in Deutschland sind, weil die produzieren und verkaufen das ja auch und deswegen sollten die halt auch darauf achten, wie ihre Produkte überhaupt hergestellt werden und nicht quasi die Schuld auf die Länder schieben, die das herstellen, sondern die sind für ihr Produkt eigentlich verantwortlich und wie das hergestellt wird.“), teilweise aber auch sehr nah an der Lebenswelt der Schüler:innen („Aber ich glaube im Gegenteil, dass das nicht richtig ist, dass der Staat da irgendwas steuert. Uns da irgendwie beeinflusst.“). Bis zur Tagung werden die Transkripte der Interviews vollständig ausgewertet sein, sodass die Präsentation an der Tagung möglich ist.

Insgesamt zielt die Untersuchung darauf ab, Einblicke in die bestehenden wirtschaftsethischen Weltsichten der Lernenden zu gewinnen, um die Erkenntnisse in der fachdidaktischen Praxis zur „Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht“ (Kirchner, 2015, S. 57) nutzen zu können.