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2-11: Schüler:innen mit einem Förderbedarf emotional-soziale Entwicklung im inklusiven Unterricht
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Symposium
Schüler:innen mit einem Förderbedarf emotional-soziale Entwicklung im inklusiven Unterricht Im Zuge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN General Assembly, 2007) hat sich die deutsche Bildungslandschaft stark verändert. Mit dem Begriff des inklusiven Lernens verbindet sich die Idee, dass alle Schüler:innen unabhängig von ihren Lernvoraussetzungen gemeinsam in einer Klasse unterrichtet werden, sich durch ihre Lehrkräfte sowie Peers angenommen fühlen und akzeptiert werden (Prengel, 2013). Schüler:innen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf emotional-soziale Entwicklung (SPF ESE) machen mit etwa 18 % den zweitgrößten Anteil an inklusiv unterrichteten Schüler:innen in Deutschland aus (nach SPF Lernen; KMK, 2022). Jedoch stellt diese Schüler:innengruppe aufgrund ihres oftmals stark externalisierenden Verhaltens eine große Herausforderung für das inklusive Lernen dar. Dies betrifft sowohl die individuelle Entwicklung der Schüler:innen mit SPF ESE in Bezug auf soziale, motivationale und fachliche Kompetenzen als auch die ihrer Mitschüler:innen, da sich Verhaltensauffälligkeiten wie Regelverstöße oder Unterrichtsstörungen auf die gesamte Klasse auswirken können (Blumenthal et al., 2020; Ellinger & Stein, 2012; Kuhl et al., 2022). Ellinger und Stein (2012) berichten, dass Schüler:innen mit SPF ESE unter bestimmten Umständen in Bezug auf Leistungsaspekte, ihrem Sozialverhalten sowie Selbstkonzept von inklusiven Schulsettings profitieren. Dem entgegen stehen jedoch nachteilige Erkenntnisse hinsichtlich der sozialen Akzeptanz sowie negative Auswirkungen auf Mitschüler:innen (Blumenthal et al., 2020; Crede et al., 2019; Kuhl et al., 2022). Diese können wiederum zur Folge haben, dass Mitschüler:innen negativere Einstellungen gegenüber Schüler:innen mit SPF ESE entwickeln (Bosse et al., 2018). Somit scheinen Schüler:innen mit SPF ESE zusätzlich ein besonderes Unterstützungsangebot zu benötigen, um den Anforderungen im inklusiven Unterricht gerecht zu werden (Ellinger & Stein, 2012). Mit dem vorliegenden Symposium sollen neue Impulse für das Forschungsfeld und die Schulpraxis präsentiert werden. Die vier empirischen Beiträge zu Schüler:innen mit SPF ESE in inklusiven Schulen bedienen sich hierbei eines breiten Spektrums forschungsmethodischer Ansätze und Auswertungen. Der erste Beitrag untersucht mithilfe eines meta-analytischen Reviews die Auswirkungen inklusiver versus separierender Beschulung auf kognitive und psychosoziale Merkmale von Schüler:innen mit SPF ESE sowie deren Mitschüler:innen ohne SPF ESE. Schüler:innen mit SPF ESE scheinen hinsichtlich der kognitiven Merkmale tendenziell von inklusiver Beschulung zu profitieren. Während sich für Schüler:innen ohne SPF ESE nur vereinzelt Unterschiede zwischen den Beschulungsformen finden lassen. Im zweiten Beitrag wird mithilfe von Matching-Verfahren geprüft, ob Grundschulkinder mit diagnostiziertem SPF ESE und Lernen weniger sozial akzeptiert werden als vergleichbare Kinder ohne SPF. Ergebnisse der Äquivalenztests zeigen, dass Kinder mit SPF-Diagnose in gleichem Maß sozial akzeptiert werden wie ihre statistischen Zwillinge ohne SPF. Der dritte Beitrag untersucht, basierend auf Daten eines computergestützten Quasiexperiments, inwieweit das Ausmaß sozialer Akzeptanz von Grundschüler:innen (mit externalisierendem und internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten) die Offenheit für Peereinfluss erhöht bzw. minimiert. Die Ergebnisse erster Analysen deuten darauf hin, dass Schüler:innen umso offener für Peereinfluss sind, je weniger sie von ihren Mitschüler:innen sozial akzeptiert werden. Jener Wirkmechanismus scheint jedoch nicht für alle Schüler:innen-Gruppen gleichermaßen zu bestehen. Der vierte Beitrag vergleicht Grundschüler:innen, die parallel zum regulären Unterricht temporär eine ESE-förderspezifische Lerngruppe besuchen, mit ihren Mitschüler:innen aus den Bezugsklassen hinsichtlich Peer- und Selbsteinschätzungen sozialer Partizipation. Schüler:innen der ESE-Lerngruppen werden von ihren Mitschüler:innen signifikant weniger sozial akzeptiert und schätzen ebenfalls das Klassenklima geringer ein als ihre Mitschüler:innen. Im Symposium wird unter anderem kritischen Fragen nach möglichen Selektions- und Etikettierungseffekten nachgegangen: Werden Schüler:innen mit besonders hohem Förderbedarf in ihrer emotional-sozialen Entwicklung eher in Förderschulen unterrichtet, während Schüler:innen mit geringerem Förderbedarf eher inklusiv unterrichtet werden? Ist ein SPF ESE lediglich ein Aggregat sozialer und kognitiver Risikofaktoren? Kann somit eine gering ausgeprägte soziale Partizipation von Kindern mit SPF ESE eher auf allgemeine soziale und kognitive Merkmale attribuiert werden? Darüber hinaus sollen die Beiträge im Hinblick auf Potenziale und Herausforderungen, die im inklusiven Unterricht mit Schüler:innen mit SPF ESE bestehen, diskutiert werden. Beiträge des Symposiums Inklusive vs. separierende Beschulung von Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung: Ein meta-analytisches Review Theoretischer Hintergrund Die Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention hat in vielen Ländern dazu beigetragen, dass Schüler:innen mit und ohne sonderpädagogische Förderbedarfe (SPF) zunehmend gemeinsam unterrichtet werden – was die Frage nach den Auswirkungen inklusiver versus separierender Beschulung aufwirft. Frühere Meta-Analysen zeigten positive bis neutrale Effekte in Bezug auf kognitive (z.B. schulische Leistungen) sowie psychosoziale Outcomes (z.B. soziale Partizipation) für Schüler:innen mit SPF sowie deren Mitschüler:innen (Carlberg & Kavale, 1980; Szumski et al., 2017). Zwar wurden in bisherigen Studien Schüler:innen mit verschiedenen Arten von SPF überwiegend gemeinsam untersucht, es kann jedoch vermutet werden, dass sich die Auswirkungen inklusiver Beschulung je nach Art des SPFs unterscheiden. So zeigten Schüler:innen mit SPF Lernen in inklusiven Settings bessere kognitive Leistungen als in Förderschulklassen (Krämer et al., 2021), während einige Studien darauf hindeuten, dass Schüler:innen mit SPF Emotionale und Soziale Entwicklung (ESE) schlechtere Leistungen erbringen (Zweers et al., 2020). Diese Unterschiede könnten darauf zurückzuführen sein, dass Schüler:innen mit SPF ESE Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation und in sozialen Interaktionen haben (Abrams, 2005) und dadurch andere und möglicherweise umfassendere Unterstützung benötigen als Schüler:innen mit anderen SPF. Weiter können negative Auswirkungen auf kognitive und psychosoziale Outcomes der Mitschüler:innen vermutet werden (Kuhl et al., 2022), da sich Verhaltensauffälligkeiten (z.B. in Form von Regelverstößen und Unterrichtsstörungen) auf die gesamte Klasse auswirken können. In diesem meta-analytischen Review untersuchen wir daher die Auswirkungen inklusiver versus separierender Beschulung auf die kognitiven und psychosozialen Outcomes von Schüler:innen mit SPF ESE sowie deren Mitschüler:innen ohne SPF ESE. Methode Zur Literaturrecherche haben wir einschlägige Datenbanken (z.B. PsyInfo) verwendet sowie eine rückwärts-/vorwärtsgerichtete Suche in bisherigen Artikeln durchgeführt (k = 44.607 Studien). Es wurden Studien eingeschlossen, in denen Schüler:innen mit/ohne SPF ESE in inklusiven und Schüler:innen mit/ohne SPF ESE in separierenden Settings (Förder- bzw. Regelschulen) als Vergleichsgruppe gegenübergestellt wurden. Schüler:innen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) werden häufig einem SPF ESE zugeordnet, weshalb wir diese Schüler:innen einbezogen haben. Da in vielen Studien die Vergleichsgruppe fehlte sowie Schüler:innen mit verschiedenen Arten von SPF zusammen betrachtet wurden, konnten insgesamt nur k = 22 Primärstudien eingeschlossen werden: 17 Studien zu Schüler:innen mit SPF ESE/ASS und 5 Studien zu Mitschüler:innen ohne SPF ESE/ASS. Aufgrund der geringen Datenbasis wurden nur die Daten für die Schüler:innen mit SPF ESE/ASS meta-analytisch ausgewertet – für die Mitschüler:innen ohne SPF ESE/ASS wurden die Ergebnisse deskriptiv zusammengefasst. Die vorhandenen Primärdaten der Schüler:innen mit SPF ESE/ASS wurden in Cohen’s d transformiert, wobei positive Werte für eine Überlegenheit der Schüler:innen in eher inklusiven Settings im Vergleich zu Förderschulsettings sprechen. Die statistischen Analysen erfolgten mit dem Statistikprogramm R (Paket metafor). Es wurde ein Drei-Ebenen-Ansatz gewählt (Cheung, 2015), um für Abhängigkeiten in den Daten zu kontrollieren (Effekte verschiedener Outcomes innerhalb von Stichproben, Stichproben innerhalb von Studien). Ergebnisse und Diskussion Hinsichtlich kognitiver Outcomes der Schüler:innen mit SPF ESE zeigte sich kein signifikanter Effekt (Tendenz zugunsten der inklusiven Beschulung, d=.24, SE=.20, 95%CI[-0.18, 0.65], p=.25); bezüglich psychosozialer Outcomes zeigte sich kein Unterschied zwischen den Beschulungsarten (d=.10, SE=.13, 95%CI[-0.15, 0.35], p=.41). Es existierten keine Studien zu den kognitiven Outcomes von Schüler:innen mit ASS; in den psychosozialen Outcomes fanden sich keine Unterschiede in Abhängigkeit von der Beschulungsart (d=.16, SE=.09, 95%CI[-0.02, 0.34], p=.07). Für die Mitschüler:innen ohne SPF ESE zeigten sich hinsichtlich kognitiver sowie psychosozialer Outcomes nur vereinzelt Unterschiede. Die Mitschüler:innen ohne ASS schienen in Bezug auf psychosoziale Aspekte von einer inklusiven gegenüber einer Regelbeschulung zu profitieren, jedoch basiert dieses Ergebnis nur auf einer Primärstudie. Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, dass es überwiegend keine Unterschiede zwischen den Beschulungsarten gibt. Es wird unter anderem ein Selektionseffekt diskutiert, dass Schüler:innen mit SPF ESE mit schwereren Symptomen eher an Förderschulen unterrichtet werden, während Schüler:innen mit SPF ESE mit leichten bis mittelschweren Symptomen eher inklusiv unterrichtet werden. Ist ein sonderpädagogisches Etikett in den Förderschwerpunkten Lernen sowie Emotionale und soziale Entwicklung ein Risikofaktor für die soziale Akzeptanz? Theoretischer Hintergrund In der Vergangenheit wurde immer wieder repliziert, dass Schüler*innen mit den sonderpädagogischen Förderbedarfen (SFB) Lernen (LE) und Emotionale-soziale Entwicklung (ESE) in inklusiven Klassen weniger sozial akzeptiert werden als ihre Mitschüler*innen (Schürer, 2020). Nicht ganz klar ist allerdings, ob der SFB im Sinne eines stigmatisierenden Etiketts zu diesem Ergebnis führt. Auf Basis einer vorliegenden deutschen Studie (Henke et al., 2017) gehen wir davon aus, dass keine Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne SFB in ihrer sozialen Akzeptanz (SA) bestehen, wenn sich diese in ihren dimensional gemessenen Förderbedarfen sehr ähnlich sind. Fragestellungen Im Beitrag wird eine Fragestellung fokussiert: Werden Grundschulkinder mit einem amtlich diagnostizierten SFB in den Bereichen LE bzw. ESE nicht weniger sozial akzeptiert als vergleichbare Kinder ohne SFB? Wir gehen auf Basis der Studienergebnisse von Henke et al. (2017) davon aus, dass die SA von Schüler*innen mit einem amtlich diagnostizierten SFB signifikant gleich zu der SA von vergleichbaren Schüler*innen ohne SFB ist. Methode Die Stichprobe umfasst n = 2.830 Schüler*innen der Jahrgangsstufen 1 bis 4 aus Nordrhein-Westfalen. N = 182 Kinder wiesen einen amtlichen SFB LE und/oder ESE auf. Diesen Kindern wurden auf Basis dimensionaler Förderbedarfseinschätzungen der Klassenleitungen in den Bereichen Lernen und Verhalten sowie der Klassenstufenzugehörigkeit statistische Zwillinge zugewiesen. Die SA wurde wie in den meisten vergangenen Untersuchungen in Deutschland (Schürer, 2020) via Soziometrie (Moreno, 1974) operationalisiert. Die Bildung statistischer Zwillinge erfolgte anhand des „nearest neighbor“ Matchings sowie des „optimal“ Matchings (Ho et al., 2011). Anschließend wurden beide Gruppen im Hinblick auf die SA durch einen Äquivalenztest (TOST; two-sided-test; Lakens et al., 2018) verglichen. Ergebnisse Die Analyse der Teilstichprobe (n = 364) mit Hilfe des Äquivalenztests führte zur Ablehnung der Nullhypothese, dass Schüler*innen mit SFB mindestens schwach weniger sozial akzeptiert werden als ihre statistischen Zwillinge. Für die sonderpädagogische Forschung in Deutschland könnte dies bedeuten, dass zukünftig nicht mehr (ausschließlich) der SFB, sondern schwerpunktmäßig bspw. Verhaltensweisen aller Schüler*innen oder ihrer Lehrkräfte zur Erklärung der SA in den Blick genommen werden sollten. Offenheit für Peereinflussprozesse bei Grundschüler:innen (mit Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung) – Welche Bedeutung hat die soziale Akzeptanz? Theoretischer Hintergrund Das Streben nach positiven, bedeutsamen und andauernden Beziehungen zu anderen Menschen ist (fast) jedem Individuum immanent (Selbstbestimmungstheorie, Deci und Ryan 1993) und kann durch eine (An-)Passung an andere Individuen oder Gruppen realisiert werden (Laursen und Veenstra 2021). Eine weitgehend unbewusste dynamische wechselseitige Beeinflussung des Denkens oder Handelns unter Gleichaltrigen kann als Peereinfluss bezeichnet werden. Ob soziale Ereignisse zwischen Peers bedeutsam für ihre emotionale und soziale Entwicklung werden, ist u.a. davon abhängig, wie offen jemand für äußere Einflüsse ist (Brown et al. 2008). Bedeutsame Merkmale der Beeinflussbarkeit von Kindern und Jugendlichen im Bereich dissozialen Verhaltens sind nach einer Studienübersicht von Müller und Minger (2013) Merkmale wie Alter, dissoziale Verhaltensdispositionen und soziale Kompetenz. Für den sozial-kontextuellen Faktor Sozialstatus unter den Peers konstatieren sie eine unklare Befundlage. Inwieweit die soziale Akzeptanz/ Ablehnung von Schüler:innen ihre Offenheit für negativen Peereinfluss begründet, kann bislang demnach nicht klar beantwortet werden. Das Ausgrenzungsrisiko innerhalb der Klassengemeinschaft ist für Schüler:innen mit externalisierenden wie internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten erhöht (SuSext , SuSint ,z.B. Blumenthal und Blumenthal 2021). Schüler:innen mit dissozialen Verhaltensdispositionen erscheinen zudem besonders offen für negative Peerbeeinflussung (z.B. Müller 2008). Vergleichsweise unerforscht sind Peereinflussprozessen bei SuSint. Dabei könnten vertiefende Erkenntnisse zu den peereinflussaktivierenden Faktoren dazu beitragen, notwendige Gelingensbedingungen peergestützter Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen für das schulische Setting zu identifizieren (z.B. Förderung sozialer Akzeptanz neben bzw. im Rahmen von Kompetenztrainings). Fragestellung Basierend auf den Daten eines computergestützten Quasiexperiments mit 458 Dritt- und Viertklässlern wird der Frage nachgegangen, inwieweit das Ausmaß sozialer Akzeptanz von Grundschüler:innen die Beeinflussbarkeit durch ihre Mitschüler:innen erhöht/ minimiert (hypothesentestend) und ob mögliche Wirkungszusammenhänge vergleichbar für die Teilgruppen SuSext und SuSint bestehen (explorativ). Vor dem Hintergrund eines grundsätzlichen Bedürfnisses nach sozialer Eingebundenheit als Handlungsmotiv wird angenommen, dass eine steigende soziale Akzeptanz von Schüler:innen mit einer reduzierten Offenheit für Peereinfluss einhergeht. Soziale Akzeptanz wird hier als Beliebtheit innerhalb der Klassengemeinschaft (soziometrische Befragung) und Offenheit für Peereinfluss als eine Veränderung der Verhaltensdisposition in Richtung eines Modells operationalisiert. Methode Zum ersten Messzeitpunkt (t1) erhielten die Proband:innen der Kontroll- und der Experimentalgruppe (nKG= 138, nEG= 320) soziale Konfliktsituationen mit einem konfliktminimierenden Situationsausgang und positionierten sich dazu (Ausgangswert Verhaltensdisposition Prosozialität). Während das Vorgehend zum zweiten Messzeitpunkt (t2) für die KG wiederholt wurde, erhielt die EG zusätzlich eine Information dazu, wie Mitschüler:innen diese Situationen bewertet haben könnten. Die Situationsbewertungen jenes potenziellen Modells wurden dabei an den eigenen Ausgangswert gekoppelt (t1-Wert Proband:innen +/- drei Skalenpunkte). Mit Blick auf eine schiefe Verteilung in den Verhaltensdispositionen wurden überwiegend potenzielle Modelle präsentiert, welche weniger prosozial erschienen als die Proband:innen selbst. Ergebnisse Vorläufige Analysen zur experimentellen Anlage mittels t-Tests deuten darauf hin, dass sich die EG und die KG zu t1 nicht bedeutsam in ihren Situationsbewertungen unterscheiden, während zu t2 die EG stärker als die KG von ihren Ausgangswerten abweicht (mittlerer Effekt). Vorläufige Regressionsanalysen deuten bei Kontrolle der (vornehmlichen) Manipulationsrichtung darauf hin, dass das Risiko für eine durch Peers beeinflusste Abnahme der Prosozialität umso höher ist, je unbeliebter die Schüler:innen bei ihren Mitschüler:innen sind. Jener Wirkzusammenhang scheint sich weniger für Schüler:innen mit externalisierenden und deutlicher für Schüler:innen mit internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten zu zeigen. Ggf. bestehen Unterschiede in ihrer Beurteilung bzw. ihrem Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit und/ oder ihren (An-)Passungsleistungen an potenzielle Modelle. Ergebnisse vertiefender Analysen werden präsentiert und hinsichtlich ihrer Implikationen für einen inklusiven Unterricht diskutiert. Differenzierte Förderung von Schüler:innen mit Förderbedarf emotional-soziale Entwicklung und Zusammenhänge zur sozialen Partizipation Theoretischer Hintegrund Soziale Partizipation von Heranwachsenden mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) ist ein zentrales Ziel inklusiver Beschulung (Schürer, 2020). Die Einbindung in Peerbeziehungen ist im Schulkontext von besonderer Bedeutung und erfüllt zahlreiche Entwicklungsaufgaben (Hannover & Zander, 2016). Jedoch ermittelten Studien mehrfach, dass die peer- und selbst-eingeschätzte soziale Partizipation von Schüler:innen mit einem SPF, insbesondere im Bereich emotional-soziale Entwicklung (ESE), im Vergleich zu ihren Mitschüler:innen ohne SPF geringer ausfällt. Diese Unterschiede treten vor allem bei stark externalisierenden Verhaltensproblemen der Schüler:innen auf (Blumenthal & Blumenthal, 2021; Crede et al., 2019; Schürer, 2020). Vor diesem Hintergrund gibt es verschiedene Ansätze, Schüler:innen mit einem SPF ESE in inklusiven Lehr-Lern-Settings differenziert zu fördern. Eine Möglichkeit stellen dabei temporäre Lerngruppen dar, in denen die Förderung fach- und fachübergreifender Kompetenzen parallel zum Regelunterricht in der Bezugsklasse stattfindet. Das Lernen in diesen typischerweise jahrgangsübergreifenden Gruppen ist durch intensive sonder- und sozialpädagogische Betreuung gekennzeichnet. Die Umsetzung und Wirksamkeit dieses Förderkonzepts für Schüler:innen mit SPF ESE in inklusiven Schulen wurde bislang nicht systematisch untersucht. In Hinblick auf das langfristige Ziel, die soziale Partizipation von Schüler:innen mit SPF ESE zu fördern, ist derzeit offen, ob positive Effekte einer intensiven separierten Förderung mögliche negative Effekte der Ausgrenzung ausgleichen können. In einem ersten Evaluationsschritt sollen daher die folgenden Forschungsfragen adressiert werden: Werden Schüler:innen der Lerngruppen weniger sozial akzeptiert als ihre Mitschüler:innen? Schätzen Schüler:innen der Lerngruppen das Klassenklima geringer ein als ihre Mitschüler:innen? Schätzen Schüler:innen der Lerngruppen das soziale Klima in der Lerngruppe höher ein als in ihrer Bezugsklasse? Methode Die Daten stammen aus einem längsschnittlichen Evaluationsprojekt zur Einführung temporärer Lerngruppen in inklusiven Grundschulen. Der erste Messzeitpunkt fand im Frühjahr 2023 im Klassen- bzw. Lerngruppenkontext statt. Die Stichprobe umfasste 34 Klassen der Jahrgangsstufen zwei bis fünf mit insgesamt 728 Schüler:innen. Davon lernten 41 Schüler:innen mit SPF ESE in zehn Unterrichtsstunden pro Woche in Lerngruppen. Die übrige Zeit nahmen sie am Unterricht ihrer Bezugsklasse teil. Innerhalb der Bezugsklassen konnten zudem 59 Schüler:innen identifiziert werden, die zwar einen SPF ESE hatten, aber nicht in den Lerngruppen gefördert wurden. Das Klassen- sowie Lerngruppenklima wurde mit je drei Items auf einer vierstufigen Likertskala (0–3) über Adaptionen der FEESS-Skala erfasst (α = .77 bzw. α = .64; Rauer & Schuck, 2003). Die soziale Akzeptanz wurde über ein soziometrisches Forced-Choice-Verfahren erfasst (angelehnt an Frederickson & Furnham, 2001). Zur Bildung der Akzeptanzvariable wurden erhaltene Freundschaftsnennungen durch mögliche Nennungen geteilt (Range 0-1). Ergebnisse Erste Analysen der Peereinschätzungen ergaben, dass Schüler:innen der Lerngruppen (LG) signifikant weniger sozial akzeptiert wurden als ihre Mitschüler:innen der Bezugsklassen (MLG = 0.27, SD = 0.19 vs. MKlasse = 0.38, SD = 0.17; t(703) = 4.225, p < .001, d = 0.69). Auch im Vergleich zu Mitschüler:innen mit SPF ESE, die nicht die Lerngruppen besuchten, wurden Lerngruppen-Schüler:innen weniger akzeptiert (Mdif = 0.08, SD = 0.04; t(69) = 2.277, p = .025, d = 0.47). Analysen der Selbsteinschätzungen zeigten, dass Schüler:innen der Lerngruppen das Klassenklima signifikant geringer einschätzten als ihre Mitschüler:innen (MLG = 1.68, SD = 0.91 vs. MKlasse = 1.89, SD = 0.74; t(659) = 1.757, p = .040, d = 0.29). Weiter nahmen Schüler:innen das Klima in der Lerngruppe positiver wahr als in ihrer Bezugsklasse (M = 2.16, SD = 0.71 vs. M = 1.67, SD = 0.88; t(33) = -3.072, p = .002, d = 0.53). Die Lerngruppe scheint somit ein Lernen in einer positiven Atmosphäre zu ermöglichen. In weiterführenden Analysen werden Schüler:innen der Lerngruppen basierend auf Hintergrundvariablen (z.B. Geschlecht, Arbeits- und Sozialverhalten) statistische Zwillinge der Bezugsklassen zugeordnet, um zu ermitteln, ob das Ausmaß der sozialen Partizipation eher auf individuelle Merkmale oder den Lerngruppenbesuch zurückführbar ist. Die vorläufigen Befunde weisen auf bedeutsame Unterschiede zwischen den untersuchten Gruppen hin. Inwiefern diese durch eine Förderung in temporären Lerngruppen verringert werden können, wird im Rahmen der längerfristig angelegten Evaluation zu klären sein. |