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Sitzungsübersicht
Sitzung
2-07: Diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften im Bereich des selbstregulierten Lernens
Zeit:
Montag, 18.03.2024:
13:10 - 14:50

Ort: H06

Hörsaal, 91 TN

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Präsentationen
Symposium

Diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften im Bereich des selbstregulierten Lernens

Chair(s): Yves Karlen (Universität Zürich, Schweiz)

Diskutant*in(nen): Jens Möller (tian-Albrechts-Universität zu Kiel)

Selbstreguliertes Lernen (SRL) hat sich als entscheidende Fähigkeit für schulischen Erfolg und lebenslanges Lernen herausgestellt. Vielen Schüler:innen fällt es jedoch schwer, ihr Lernen erfolgreich selbst zu regulieren, da dies ein komplexer und anstrengender Prozess ist (Wirth et al., 2020). Damit Schüler:innen Fähigkeiten im SRL entwickeln können, ist es bedeutsam, dass die Lehrkräfte das SRL angemessen im Klassenzimmer fördern (Dignath & Veenman, 2021). Hierfür müssen Lehrkräfte einschätzen, welche Schüler:innen SRL beherrschen und welche Schüler:innen mehr Mühe im SRL haben, um einen adaptiven Unterricht zu gestalten, der auf das SRL-Fähigkeitsniveau aller Lernenden zugeschnitten ist (Corno, 2008). Ob Lehrkräfte Lernumgebungen bereitstellen, die das SRL der Schüler:innen anregen und fördern, hängt somit von ihren professionellen Kompetenzen ab, insbesondere von ihren diagnostischen Kompetenzen in Bezug auf das SRL (Karlen et al., 2020). Allerdings gibt es bisher nur wenige Untersuchungen zu den diagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften zum SRL und damit zur Urteilsgenauigkeit von Lehrkräften zum SRL. Hier setzt das Symposium an und geht der übergeordneten Frage nach, inwieweit es Lehrkräften gelingt, die SRL-Kompetenzen von Schüler:innen einzuschätzen. Es wird überprüft, welche lehrpersonenbezogenen (z. B. Wissen; Überzeugungen) und aufgabenbezogenen (z. B. nicht-diagnostische Informationen) Merkmale die Urteilsleistung der Lehrkräfte beeinflussen.

In der ersten Studie des Symposiums wurden (angehende) Lehrpersonen aus drei Ländern einer der drei verschiedenen experimentellen Bedingungen für die Präsentation von diagnostischen Hinweisen zugeteilt: a) nur diagnostische Hinweise, b) sowohl diagnostische als auch nicht-diagnostische Hinweise oder c) diagnostische und nicht-diagnostische Hinweise mit Informationen darüber, welche Hinweise nicht-diagnostisch sind. In jeder Bedingung musste jede Lehrkraft die SRL-Kompetenzen (verschiedene Strategien) von vier fiktiven Schülerinnen bewerten. Es wurden unterschiedliche fiktive Lernproben der Schülerinnen präsentiert, u. a. Lerntagebucheinträge, handschriftliche Abschriften aus dem Unterricht und soziale Schulberichte. Zudem wird untersucht, inwiefern Lehrpersonenmerkmale (u. a. Vorwissen, Selbstwirksamkeit) die Urteilsgenauigkeit beeinflussen. In der zweiten Studie wird geprüft, wie akkurat Lehrkräfte den Einsatz von SRL-Strategien bei Schüler:innen beurteilen können und inwiefern diese Einschätzungen durch verschiedene professionelle Kompetenzen der Lehrkräfte (u. a. Wissen, Überzeugungen, Selbstwirksamkeit) beeinflusst werden. Zur Messung der Urteilsgenauigkeit bezüglich SRL wurde ein Instrument genutzt, das im Sinne des Verfahrens des Simulierten Klassenzimmers der Lehrkraft Lernproben (Strategieinterview) einer fiktiven Schülerin darbietet. Die dritte Studie untersucht in einem längsschnittlichen Design, inwieweit es Lehrkräften gelingt, verschiedene SRL-Kompetenzen ihrer eigenen Schüler:innen einzuschätzen und inwiefern sich die Urteilsgenauigkeit der Lehrkräfte über die Zeit verändert. Die Lehrkräfte mussten hierbei sowohl Selbstberichte (Mindsets, Beharrlichkeit) als auch Wissenscores, die mit einem Online-Diagnosetool erhoben wurden, ihrer Schüler:innen einschätzen.

Insgesamt zeichnet sich das Symposium durch unterschiedliche Untersuchungsdesigns (Querschnitts-, Längsschnitt- und experimentelle Studien) und durch die Berücksichtigung verschiedener Aspekte des SRL (u. a. Strategien, metakognitives Wissen) aus, die in unterschiedlichen Formen (Lerntagebucheinträge, Lerninterviews, Wissenstests) und mit Bezug auf fiktive und reale Schüler:innen präsentiert wurden. Alle Beiträge betonen, dass für gewisse Lehrkräfte die akkurate Einschätzung des SRL von Schüler:innen herausfordernd ist. Gleichzeitig wird deutlich, dass weiterer Forschungsbedarf besteht, um das Zusammenspiel verschiedener Kompetenzaspekte von Lehrkräften und aufgabenbezogenen Merkmalen und deren Bedeutung für die Urteilsgenauigkeit besser zu verstehen und daraus Implikationen für die professionelle Entwicklung von Lehrkräften im Bereich SRL abzuleiten.

 

Beiträge des Symposiums

 

Nicht-diagnostische Hinweise bei der Diagnose selbstregulierten Lernens durch Lehrkräfte

Swantje Tannert1, Yves Karlen2, Engin Ader3, Inga Glogger-Frey1, Silke Hertel4
1Universität Erfurt, 2Universität Zürich, 3Boğaziçi Universität, 4Universität Heidelberg

Die Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen (SRL) ist entscheidend für Lernende, da eng mit akademischem Erfolg verbunden (Dent & Koenka, 2016). Leider bleibt die Fähigkeit zum SRL trotz ihrer Bedeutsamkeit oft unterentwickelt (Karlen, 2016) und wird in Schulen nicht konsequent vermittelt (Dignath & Veenman, 2021). Lehrkräfte stehen vor der Herausforderung, sowohl ihre eigenen professionellen SRL-Kompetenzen zu entwickeln als auch die entsprechenden Kompetenzen bei ihren Lernenden gezielt zu fördern (Karlen et al., 2020). Ein Teilaspekt dieser professionellen Kompetenzen umfasst die Diagnose der SRL-Fähigkeiten von Lernenden. Studien zu den allgemeinen diagnostischen Kompetenzen haben gezeigt, dass Lehrpersonen Mühe mit der Einschätzung nicht kognitiver Merkmale haben (Oudman et al., 2018; Van de Pol 2021; Furnari et al., 2017; Paleczek et al., 2017) und gelegentlich auf falsche Hinweise zurückgreifen, insbesondere wenn Fehlkonzepte und Wissenslücken zur einzuschätzenden Fähigkeit vorhanden sind (Glogger-Frey et al., 2018; Oudman et al., 2018). Diese Studie hat zum Ziel die diagnostischen Kompetenzen (angehender) Lehrpersonen im Hinblick auf das SRL zu untersuchen. Es wird angenommen, dass die Lehrpersonen nicht-diagnostische Hinweise verwenden, wenn diese verfügbar sind, was zu ungenauen diagnostischen Einschätzungen führt. Darüber hinaus wird erwartetet, dass Informationen über die Nicht-Diagnostizität dieser nicht-diagnostischen Hinweise die Urteilsgenauigkeit der Lehrkräfte verbessern würden.

Insgesamt nahmen 262 (angehende) Lehrpersonen aus drei Ländern an dieser Studie teil und wurden zufällig einer der folgenden drei Bedingungen für die Präsentation von Hinweisen zugeteilt: a) nur diagnostische Hinweise, b) sowohl diagnostische als auch nicht-diagnostische Hinweise oder c) diagnostische und nicht-diagnostische Hinweise mit Informationen darüber, welche Hinweise nicht-diagnostisch sind. Jede Versuchsperson bewertete die SRL-Fähigkeiten von vier fiktiven Schülerinnen einmal global auf einer siebenstufigen Skala und einmal getrennt nach den einzelnen SRL-Aspekten (Wiederholung, Organisation, Vertiefung, metakognitive Planung, Überwachung und Evaluation).

Diagnostische Hinweise waren sorgfältig erstellte Lerntagebucheinträge, während nicht-diagnostische Hinweise handschriftliche Abschriften aus dem Unterricht und soziale Schulberichte waren, die z.B. die Teilnahme der Lernenden am Unterricht bewerteten. Die Analyse ergab signifikante Unterschiede in der Genauigkeit der globalen Bewertungen (F(2, 260) = 10,91, p < .001) und der Bewertungen einzelner Aspekte (F(2, 260) = 8,51, p < .001) der SRL-Fähigkeiten in den experimentellen Bedingungen.

Die Bedingung mit ausschließlich diagnostischen Hinweisen erzielte die höchste Genauigkeit, mit einer durchschnittlichen globalen Genauigkeit von mglobal = 0.79 und einer durchschnittlichen Genauigkeit für Einzelaspekte von meinzel = 0.49. Im Gegensatz dazu führte die nicht-informierte Bedingung, die sowohl diagnostische als auch nicht-diagnostische Hinweise enthielt, zu der niedrigsten Diagnosegenauigkeit, mit mglobal = 0.71 und meinzel = 0.39. Darüber hinaus wurde ein signifikanter Unterschied in den globalen Bewertungen zwischen der informierten und nicht-informierten Bedingung festgestellt (T(178) = 1,68, p < .05, einseitig). Interessanterweise zeigten die Versuchpersonen bessere Urteilsfähigkeit bei der Bewertung metakognitiver Aspekte im Vergleich zu kognitiven Aspekten des SRL (T(262) = 3,68, p < .01). Unter den einzelnen Kategorien erhielten Wiederholung und Planung die genauesten Bewertungen, während die geringste Genauigkeit bei der Bewertung der Fähigkeit der Lernenden zur Organisation ihres Wissens festgestellt wurde (F(5, 1566) = 10,64, p < .001). Bemerkenswerterweise beeinflussten weder Selbstwirksamkeit noch Einstellungen zur Bedeutung des SRL die Urteilsleistung oder die Gruppenunterschiede. Wichtig ist, dass es keine signifikante Korrelation zwischen Vorwissen und Urteilsgenauigkeit gab, weder in den globalen noch in den Einzelaspekten.

Die Ergebnisse sind konsistent zu früheren Befunden zur Nutzung nicht-diagnostischer Hinweise (Oudman et al., 2018; Van de Pol 2021; Furnari et al., 2017; Paleczek et al., 2017). Die Abwesenheit einer Korrelation zwischen Urteilsgenauigkeit und Vorwissen jedoch steht im Widerspruch zu früheren Befunden (Kramer et al., 2021; Renkl et al., 2009). Als mögliche Erklärungen werden der sehr niedrige Mittelwert und die fehlende Varianz diskutiert. Darüber hinaus wird die Möglichkeit besprochen, dass eher das Vorwissen über Diagnoseprozesse, welches nicht erfasst wurde, die Diagnosegenauigkeit beeinflusst (Pickal et al., 2023).

 

Was macht einen guten Diagnostiker aus? Zum Zusammenhang der SRL-Kompetenz von Lehrkräften mit ihrer Urteilsgenauigkeit beim Erkennen von SRL-Strategien

Charlotte Dignath, Antonia Fischer
TU Dortmund

Selbstregulation beim Lernen (SRL) wirkt sich positiv auf Lernerfolg und Lernmotivation aus und ihre Förderung stellt einen wesentlichen Bildungsauftrag von Lehrkräften dar. Hierzu brauchen diese eine konkrete Vorstellung davon, wie selbstreguliert ihre Schüler bereits lernen (Dignath & Karlen, 2023). Nur sehr wenig Forschung hat sich bislang mit der Diagnose von SRL durch Lehrkräfte beschäftigt und womit diese zusammenhängt (Van de Pol et al., 2019). Ziel der Studie war daher zu untersuchen, welche Aspekte professioneller SRL-Kompetenz die Urteilsgenauigkeit von Lehrkräften bzgl. SRL vorhersagen.

Die folgenden Forschungsfragen wurden untersucht:

(1) Wie akkurat können Lehrkräfte den Einsatz von SRL-Strategien beurteilen?

(2) Wird diese SRL-Urteilsgenauigkeit durch professionelle SRL-Kompetenzen der Lehrkraft vorhergesagt?

Messung der SRL-Urteilsgenauigkeit. Zur Messung der Urteilsgenauigkeit wurde ein Instrument genutzt, das der Lehrkraft im Sinne des Verfahrens des Simulierten Klassenzimmers Lernproben einer fiktiven Schülerin darbietet, die bzgl. des Einsatzes von SRL-Strategien beurteilt werden soll (Dignath & Van de Pol, in Begutachtung). Die hier eingesetzte Lernprobe bestand aus einem Strategieinterview, in dem die Schülerin zu ihrem Lernverhalten befragt wurde, und wurde als Audiodatei und Transkript dargeboten. Für alle 14 Aussagen der Schülerin muss die Lehrkraft entscheiden, ob diese ein Indikator für ein strategisches Vorgehen ist.

Messung der professionellen SRL-Kompetenz. Zur Erfassung des SRL-Wissens beantworteten die Lehrkräfte in einem offenen Antwortformat die Frage, was Sie unter Selbstregulation beim Lernen verstehen. Die Antworten wurden mit einem systematischen Kodierschema ausgewertet (Dignath & Sprenger, 2020), κ = .77, 95% CI [.70, .84]. Die Überzeugungen bzgl. SRL (Beliefs about Teaching and Learning (BALT) Questionnaire [Darmawan et al., 2020], Ω = .89) sowie die Selbstwirksamkeit der Lehrkraft, SRL effektiv fördern zu können (Teacher Self-Efficacy Scale to Implement SRL [TSES-SRL, De Smul et al., 2018], Ω = .94) wurden mithilfe von Fragebögen erfasst. Auch die eigene Selbstregulation der Lehrkraft beim Arbeiten (Dörrenbächer & Perels, 2016, Ω = .82) sowie die selbstberichtete Förderung von SRL im Unterricht (Self-Regulated Learning Inventory for Teachers [SRLIT; Lombaerts et al., 2007], für direkte Förderung: Ω = .83, für indirekte Förderung: Ω = .88) wurden mittels Fragebögen erhoben.

Stichprobe. Insgesamt nahmen 206 Lehrkräfte an der Online-Datenerhebung teil (MAlter = 37.46 Jahre, SDAlter = 10.02, 82% weiblich, Unterrichtserfahrung: M = 10.62 Jahre, SD = 8.96).

Ergebnisse. Mit Blick auf die SRL-Kompetenz erzielten die Lehrkräfte relativ niedrige Werte beim Wissen über SRL (M = 2.31, SD = 2.22 auf einer Skala von 1-10). Wie erwartet hatten sie im Durchschnitt mehr mit SRL-Theorie konsistente Überzeugungen (M = 4.98, SD = 0.49 auf einer 6-stufigen Skala) als inkonsistente Überzeugungen (M = 2.22, SD = 0.52). Die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen waren überdurchschnittlich hoch (M = 3.52, SD = 0.55 auf einer 5-stufigen Skala), wie auch ihre Einschätzung ihrer eigenen Selbstregulation (M = 3.13, SD = 0.47 auf einer 4-stufigen Skala). Für die Förderung von SRL im Unterricht gaben die Lehrkräfte im Durchschnitt eine mittlere Einschätzung ab (für direkte Förderung: M = 3.28, SD = 0.55; für indirekte Förderung: M = 3.26, SD = 0.49 auf einer 5-stufigen Skala). Die Daten zur SRL-Urteilsgenauigkeit werden derzeit ausgewertet. Bis zur Konferenz werden die Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der SRL-Urteilsgenauigkeit vorliegen.

 

Wie schätzen Lehrkräfte die Kompetenzen im selbstregulierten Lernen ihrer Lernenden ein?

Yves Karlen1, Sabrina Brunner1, Martina Conti1, Ferdinand Stebner2, Kerstin Bäuerlein1
1Universität Zürich, 2Universität Osnabrück

Selbstreguliertes Lernen (SRL) ist entscheidend für erfolgreiches lebenslanges Lernen und ein wichtiges Bildungsziel (OECD, 2019). Selbstregulierte Schüler:innen setzen sich angemessene Ziele und regulieren ihren Lernprozess durch den Einsatz verschiedener kognitiver, metakogniti-ver, motivationaler und ressourcenbezogener Strategien (Pintrich, 2000). Erfolgreiche selbstregulierte Lernende sind motiviert, ihren Lernprozess zu überwachen und zu regulieren und ihr metakognitives Wissen zu aktivieren, um Strategien zielgerichtet einzusetzen (Pressley et al., 1989). Darüber hinaus haben sie ein "growth Mindset", d.h. sie sind davon überzeugt, dass ihre SRL-Kompetenzen durch Übung und Anstrengung verbessert werden können (Hertel & Karlen, 2021). Viele Schüler:innen bekunden jedoch Mühe bei der Selbstregulation ihres Lernens und benötigen eine angemessene Unterstützung durch ihre Lehrkräfte. Dies setzt voraus, dass die Lehrkräfte die SRL-Kompetenzen ihrer Schüler:innen genau einschätzen können. Es gibt nur wenige Untersuchungen zur diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften im Bereich des SRL. Diese deuten darauf hin, dass diese Aufgabe für die Lehrkräfte anspruchsvoll ist und dass sie Schwierigkeiten haben, ein genaues Urteil zu fällen (Karlen et al., 2023; Stang & Urhahne, 2016; van de Pol & Oudman, 2023). Ziel dieser Studie ist es zu untersuchen, 1) wie genau Lehrkräfte verschiedene SRL-Kompetenzen ihrer Schüler:innen einschätzen und 2) inwiefern sich die Ur-teilsgenauigkeit der Lehrkräfte über die Zeit verändert.

An dieser Längsschnittstudie nahmen N = 40 Lehrkräfte (60.00% weiblich) der Sekundarstufe I (M = 13.51 Jahre Berufserfahrung, SD = 10.85) mit ihren Klassen teil. Die Lehrpersonen schätz-ten verschiedene SRL-Kompetenzen der ersten vier Schüler:innen auf ihrer Klassenliste ein. Von diesen Schüler:innen nahmen N = 155 (42.58% weiblich) mit einem Alter von M = 14.15 Jahren (SD = 0.86) an der Studie teil. Die Schüler:innen füllten einen Online-Fragebogen (u.a. zu demographischen Angaben) aus und bearbeiteten in einem Online-Diagnosetool Selbstberichtaufgaben (Mindsets und Beharrlichkeit) und metakognitive Wissenstests zu verschiedenen SRL-Kompetenzbereichen (kognitive Strategien, Motivationsregulation, Zeitplanung, Nachdenken über das Lernen und Lernumgebung). Um den Grad der Übereinstimmung zwischen den Ein-schätzungen der Lehrkräfte und den tatsächlichen Merkmalen der Schüler:innen zu bestimmen, wurden Differenzwerte und Korrelationen berechnet. Die Mehrebenenstruktur der Daten wurde berücksichtigt, indem Analysen mit in Klassen geclusterten Schüler:innen berechnet wurden.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Einschätzungen der Lehrkräfte mit den Selbstberichten und den Wissensscores der Schüler:innen nur in geringem Umfang überein-stimmen (t1 r = .11. bis r = .34; t2 r = .03. bis r = .36). Die berechneten Differenzwerte zwischen den Einschätzungen der Lehrpersonen und den tatsächlichen Merkmalen der Schüler:innen un-terscheiden sich zwischen t1 und t2 nur beim Kompetenzbereich Motivationsregulation. Hier zeigt sich eine signifikant schlechtere Urteilsgenauigkeit zum zweiten Messzeitpunkt (Mdiff = -0.29, p < .05). Hinsichtlich der Entwicklung der Urteilsgenauigkeit kann unterschieden werden zwischen Lehrkräften mit zu t1 hoher versus niedriger Urteilsgenauigkeit in einem Kompetenzbereich (Median-Split). So zeigt sich bei tiefer Urteilsgenauigkeit zu t1 in den meisten SRL-Kompetenzbereichen (ausser bei Mindsets) eine Verbesserung der Urteilsgenauigkeit zu t2. Bei den Lehrpersonen mit zu t1 höherer Urteilsgenauigkeit gab es keine Veränderung über die Zeit. Es könnte demnach sein, dass die Nutzung des Online-Tools insbesondere für Lehrkräften mit geringer Urteilsgenauigkeit hilfreich ist. Insgesamt machen diese Ergebnisse deutlich, dass Lehrkräfte bei der Entwicklung ihrer diagnostischen Kompetenz im Bereich des SRL mehr Unterstützung benötigen.