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Sitzungsübersicht
Sitzung
2-02: Virtual Reality in der Lehrkräftebildung: Einblicke, Ergebnisse und Entwicklungspotenziale
Zeit:
Montag, 18.03.2024:
13:10 - 14:50

Ort: H04

Hörsaal, 400 TN

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Präsentationen
Symposium

Virtual Reality in der Lehrkräftebildung: Einblicke, Ergebnisse und Entwicklungspotenziale

Chair(s): Poldi Kuhl (Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Andreas Lachner (Universität Tübingen, Deutschland)

In der universitären Hochschullehre soll Studierenden eine breite und vernetzte Wissensbasis vermittelt werden, um sie bestmöglich auf ihre spätere berufliche Karriere vorzubereiten. Neben der bloßen Vermittlung deklarativen Fachwissens geht es dabei vor allem auch um den Aufbau von prozeduralem Wissen und Handlungskompetenzen, die es den Studierenden erlauben, flexibel und angemessen auf eine Vielzahl komplexer Situationen zu reagieren. Dieses prozedurale Wissen und die Handlungskompetenzen lassen sich nur bedingt rein theoretisch vermitteln. Vielmehr sind dafür alternative didaktisch-methodische Tools notwendig, die den Studierenden ein „learning by doing“ mit anschließender Reflexion des eigenen Verhaltens ermöglichen (Scott 2015).

Für ein stärker erfahrungsbasiertes, praxisnäheres Lernen gibt es zahlreiche Ansätze, z. B. die Nutzung von Rollenspielen, Simulationen oder situativen Fallstudien (Kadel et al., 2023). All diese Formate können für den Kompetenzaufbau förderlich sein, sind jedoch im Hinblick auf gewisse Dimensionen wiederum selbst auch limitiert. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass echte Situationen nur unzureichend abgebildet werden, etwa durch fehlenden Realismus oder zu geringe Komplexität. Als Resultat haben Studierende auch nach ihrer universitären Ausbildung häufig noch Schwierigkeiten, komplexe Situationen zu analysieren, geeignete Handlungsalternativen überlegt auszuwählen, Handlungsentscheidungen zu treffen sowie das Verhalten und die Situation abschließend zu bewerten und zu reflektieren.

Um Studierende in der universitären Hochschullehre möglichst effektiv beim Aufbau von relevanten Handlungskompetenzen zu unterstützen und sie bestmöglich auf herausfordernde berufliche Situationen vorzubereiten, entstehen durch technologische Innovationen neue Möglichkeiten (Saavedra & Opfer, 2012). Aktuell wird vor allem der Einsatz von Virtual Reality (VR)-Anwendungen diskutiert, um Studierende mit hoher Kontrollierbarkeit und Standardisierung mit möglichst realen Situationen zu konfrontieren (Huang et al., 2023). Studierende können so in realitätsnahen und geschützten Umgebungen Entscheidungen treffen, Handlungen erproben und deren Konsequenzen reflektieren und somit Handlungskompetenzen für ihre weitere Karriere aufbauen. Insofern wird VR zu einer aussichtsreichen Technologie für die Hochschulbildung (Billingsley et al., 2019), was in diesem Symposium anhand von Beispielen aus der Lehrkräftebildung verschiedener Standorte illustriert und empirisch belegt werden soll:

Beitrag 1 nutzt das VR-Klassenzimmer als Umgebung für Entwicklung von Wissen zum Klassenmanagement und zeigt diesbezüglich positive Entwicklungen auf. Zudem liefern die Auswertungen der qualitativen Daten Hinweise zu den wahrgenommenen Chancen und Herausforderungen der Nutzung von VR-Umgebung sowohl für die Lehrkräftebildung als auch für die Gestaltung des eigenen Unterrichts.

Ebenfalls auf Grundlage des VR-Klassenzimmers geht Beitrag 2 der Frage nach, inwiefern die Art des Feedbacks (adaptiv, statisch, keins) mit der Verbesserung der Fähigkeiten Lehramtsstudierender im Bereich des Noticing einhergeht. Hierzu wurde in einer randomisiert-kontrollierten Studie in einem standardisierten VR-Klassenzimmer Eye und Motion-Tracking eingesetzt und deutlich, dass adaptives Feedback zum einen mit besserem Noticing verbunden war, zum anderen von den Studierenden selbst auch positiver eingeschätzt wurde als die Varianten statisches oder kein Feedback.

Beitrag 3 berichtet Ergebnisse eines VR-Trainings für Elterngespräche und deutet auf Grundlage der Pilotierungsdaten aus einer Pre-Post-Studie auf positive Entwicklungen selbsteingeschätzten Beratungskompetenzen, Selbstwirksamkeit und Angst vor Elterngesprächen unter den Studierenden hin und zeigt Potentiale für die Weiterentwicklung hinsichtlich der Implementation von VR in die Lehrkräftebildung auf.

In Beitrag 4 schließlich wird der Vergleich zwischen 3D- und VR-Technologien thematisiert sowie der Zusammenhang zu Selbstwirksamkeitserwartungen der Studierenden hinsichtlich des Einsatzes der Technologien im künftigen eigenen Unterricht betrachtet. VR wird dabei hinsichtlich der Immersion und Authentizität der Erfahrungen positiver eingeschätzt als 3D, hinsichtlich des Zusammenhangs mit der Selbstwirksamkeit der Studierenden im Kontext des eigenen Technikeinsatzes sich aber jedoch differentiellen Befunde zwischen beiden Modi.

Das Ziel dieses Symposium ist es damit insgesamt, Umsetzungsmöglichkeiten an mehreren Beispielen des Einsatzes von VR aufzuzeigen und verschiedene Potenziale von VR in der universitären Hochschulbildung zu diskutieren. Abschließend werden weitere Forschungsbedarfe beschrieben und nächste Entwicklungsschritte exploriert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Wie lernen Studierende Klassenmanagement in der Uni? Wissensvermittlung und Nützlichkeitsaspekte beim Einsatz einer Virtual Reality Lernumgebung

Florentine Hickethier, Alexander Gröschner
Universität Jena, Deutschland

Theoretischer Hintergrund

Virtual Reality (VR) als Ansatz des simulationsbasierten Lernens kann die Motivation von Lernenden steigern (Pan et al., 2006) und zu einem Lernzuwachs beitragen (Gutierrez et al., 2007). Auch in der Lehrerbildung kommen bereits VR-basierte Lernumgebungen zum Einsatz, die verschiedene Unterrichtsszenarien nachstellen (Huang et al., 2023). Erste Ergebnisse zeigen positive Effekte hinsichtlich Interesse und Selbstwirksamkeit im Lernen zum Thema Klassenmanagement durch den Einsatz einer VR-Umgebung im Vergleich zu einem Unterrichtsvideo (Huang et al., 2022). Auch werden VR-Umgebungen als relevant für den späteren Beruf und das Lernen von Schüler*innen erachtet (Hickethier et al., in Vorb.). Diese Erkenntnisse lassen die Frage aufkommen, inwiefern sich die Nutzung von VR in der universitären Lehre noch stärker einbinden lässt, damit Lehramtsstudierende von diesen praxisnahen und immersiven Erfahrungen profitieren können und sich zugleich positive Einstellungen zum Einsatz neuartiger Technologien im Schulkontext ausprägen.

Fragestellung

In der aktuellen Studie untersuchen wir die Wirkung einer VR-Umgebung für die Lehrkräftebildung in Bezug auf die Entwicklung von Wissen zum Klassenmanagement. Zudem sollen Erkenntnisse über den wahrgenommenen Nutzen einer derartigen VR-Umgebung für die Lehrkräftebildung und generell von VR-Technologie für den Unterricht gewonnen werden.

Methode

Im Wintersemester 2022/23 und im Sommersemester 2023 wurde die VR-Umgebung „Virtuelles Klassenzimmer“ im Rahmen eines Seminars mit Studierenden des Lehramts erprobt. Ein Großteil der Studierenden bekam erstmalig die Möglichkeit, eine selbst geplante Unterrichtssequenz von ca. zehn Minuten instruktional durchzuführen. Im Anschluss erhielt jede*r Studierende*r sowohl von Kommiliton*innen als auch zwei Dozierenden ein Feedback zur Umsetzung der Simulation in der VR-Umgebung. Die Realisierung erfolgte in separaten Kleingruppensitzungen mit etwa zwei bis vier Studierenden, die nacheinander ihre Unterrichtseinheit mit der virtuellen Klasse durchführten. Zwei Dozierende beobachteten dabei das Verhalten und steuerten parallel die virtuellen Schüler*innen in der Klasse, wobei unterschiedliche Unterrichtsstörungen angewählt werden konnten (u.a. Lärm, Fremdbeschäftigung von Schüler*innen, Falschmeldungen etc.). Die Kommiliton*innen waren ebenfalls dazu angehalten, ihre Beobachtungen zum Verhalten der jeweiligen Studierenden mit Fokus auf das Klassenmanagement zu machen.

Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurde eine Prä- und Postbefragung der Studierenden durchgeführt. Erhoben wurden Skalen zum Wissen über Klassenmanagement adaptiert nach Thiel et al. (2013) und Piwowar et al. (2013), zur Perceived Usefulness (Teo, 2009) sowie zur Intention to Use (Teo, 2009). Speziell die Skala zum Klassenmanagement mit 24 Items auf einer achtstufigen Likert-Skala (1 = „stimme gar nicht zu“ bis 8 = „stimme genau zu“) bezieht sich auf Wissen zu verschiedenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zur optimalen Anleitung einer Klasse. Zum Abschluss des Seminars bestand die Aufgabe der Studierenden darin, die gesammelte Erfahrung mit der VR im Hinblick auf die Bedeutung für die Lehrkräftebildung sowie für den Einsatz im Unterricht im Rahmen eines kurzen Berichts (2-3 Din A4-Seiten) zu reflektieren.

Insgesamt nahmen N = 37 Studierende des Lehramts für die Sekundarstufe I und II (Alter: M = 20.78 Jahre, SD = 1.94 Jahre; Geschlecht: 45.9% weiblich, 51.4% männlich, 2.7% ohne Angabe) mit unterschiedlichen Fächerkombinationen an der Studie teil. 67.6 % der Teilnehmenden hatten zuvor noch nie eine VR-Umgebung ausprobiert.

Ergebnisse und Diskussion

Hinsichtlich der quantitativen Befunde wurde ein Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test berechnet, um die Wirkung des VR-Trainings auf das Wissen über Klassenmanagement zu überprüfen. Es zeigte sich eine statistisch signifikante positive Veränderung der Wissenswerte (Mdn = .77) vom Prätest (Mdn = 4.71), zum Posttest (Mdn = 5.46), z = 4.43, p < .001, r = .78.

Qualitative Auszüge aus den Reflexionsberichten werden im Vortrag illustrierend herangezogen, um Facetten des Lernens der Studierenden im Bereich des Klassenmanagements darzustellen. In der Diskussion wird anhand der quantitativ sowie qualitativ gewonnenen Ergebnisse den Fragen nachgegangen, welche Potenziale und Grenzen Studierende in der Nutzung VR-basierter Lernumgebungen in der Lehrer*innenbildung sehen. Zudem wird der Beitrag von VR im Kontext der Anforderung praxisbezogener Lerngelegenheiten in der Lehrer*innenbildung beleuchtet (Gröschner et al., 2022).

 

Effectiveness of adaptive versus static feedback on improving teacher noticing: A randomized controlled virtual reality study

Yizhen Huang1, Eric Richter1, Mira Hansen2, Thilo Kleickmann2, Katharina Scheiter1, Dirk Richter1
1Universität Potsdam, Deutschland, 2Universität Kiel, Deutschland

Theoretical Background

Preservice teachers often struggle with noticing student disruptions and “teachable moments” (König et al., 2022). Numerous professional learning environments have been designed to facilitate the acquisition of this crucial noticing skill, most of which are video- (e.g., Seidel et al., 2011) and animation-based (e.g., Bastian et al., 2022). Lately, virtual reality (VR) classrooms that enable authentic teaching simulation with experimental controllability and multimodal process-data collection has also gained great traction as a learning environment for teachers (Authors, 2023).

Despite the fact that aforementioned learning environments are usually organically coupled with performance feedback for teachers (e.g., Kleinknecht & Gröschner, 2016), the influence of feedback, particularly adaptive feedback, on the development of teachers’ noticing abilities is rarely investigated. Adaptive feedback is “generated in response to learners’ actions” and “personalized based on key variables” to support their individual needs (Plass & Pawar, 2020, p. 288), as contrast to static feedback which provides all learners with the same generic information (Sailer et al., 2022). Particularly, real-time process data is often necessary to achieve high level of adaptivity (Merk et al., 2023).

Research Question

To investigate the potential benefits of adaptive feedback driven by real-time process data for enhancing the noticing skill of preservice teachers, the present study utilized a standardized VR classroom with eye and motion tracking to compare noticing performances among participants receiving adaptive, static, or no feedback.

Method

A hundred preservice teachers were recruited from a public German university (Mage = 24.4 years, 65.7% cisgender female, 93.5% bachelor program) who were randomly assigned to three feedback conditions (Nadaptive = 35, Nstatic = 33, Ncontrol = 30). Participants were immersed in a VR classroom with standardized student agents (see Figure 1) through the HTC Vive Pro Eye system. Each participant would offer a 10-minute lesson on note-taking for two times (see Figure 2) with either adaptive, static or no feedback in between (see Table 1). Both feedback conditions provided the same recommendations on factors influencing noticing performance, but adaptive feedback made use of the process data (see Figure 3) collected through eye and motion tracking in VR to aid participants in making connections between the recommendations and their own experiences.

During the VR sessions, participants’ eye movements were collected continuously and later used to evaluate their noticing performance: number and speed of fixations on student disruptions. After the second VR session, participants rated their perceptions of received feedbacks (if applicable) with the Feedback Perceptions Questionnaire rated from 0 (does not apply at all ) to 10 (fully applies) (Strijbos et al., 2021) (see Table 2).

Results

First, we used linear mixed (-effects) modeling (LMM) to evaluate the effect of feedback conditions on change of noticing performance from pre to posttest. The adaptive feedback condition yielded significantly higher change in increased number of fixations (Figure 4; Madaptive = 1.58, Mstatic = 1.07, Mcontrol = 1.04) and reduced time to first fixation (Figure 5; Madaptive = 7.01, Mstatic = 9.34, Mcontrol = 10.96) than static and no feedback groups. The differences between static and no feedback were not statistically significant. Second, participants perceived adaptive feedback more positively than static ones with significant differences in fairness (F(36.63) = 6.07, p = .02), usefulness (F(29.65) = 4.37, p = .05), and acceptance (F(35.64) = 6.31, p = .01). Both groups had high positive affects (Madaptive = 7.42, Mstatic = 7.91) and low negative affects (Madaptive = 1.74, Mstatic = 1.60).

The present study revealed that the utilization of data-driven adaptive feedback significantly enhances preservice teachers' noticing performances, offering valuable implications for the design of teacher education programs, and learning environments.

 

Wirkungen des Einsatzes eines VR-Trainings zur Kompetenzentwicklung und Reflexion im Kontext von Elterngesprächen

Friederike Knabbe, Yannik Escher, Hannes Petrowsky, David Loschelder, Poldi Kuhl
euphana Universität Lüneburg, Deutschland

Theoretischer Hintergrund

Die Aufgaben zukünftiger Lehrkräfte beinhalten zahlreiche Herausforderungen, von denen die Kommunikation mit Eltern ein wichtiger Teilaspekt ist. Das Führen von Elterngesprächen erfordert von Lehrpersonen spezifische Beratungskompetenz, die Gerich (2016) in die vier Kompetenzdimensionen Kommunikation, Diagnostik, Problemlösen und Bewältigung unterteilt. Zudem beeinflussen auf Seiten der Lehrkräfte auch Faktoren wie die Angst, die Selbstwirksamkeitserwartung und die Motivation das Gelingen solcher Gespräche. Obwohl Beratung im Rahmen von Elterngesprächen zu den zentralen Aufgaben im Berufsalltag von Lehrkräften gehört (KMK-Standards Bildungswissenschaften, 2004; Hertel, 2009), gelingt es im universitären Kontext kaum, Lehramtsstudierende über die theoretische Auseinandersetzung hinaus hierauf vorzubereiten. Neuere technologische Entwicklungen, insbesondere Virtual Reality (VR), bieten hier eine innovative Möglichkeit, Lehramtsstudierenden eine realitätsnahe, aktive Übungsplattform für das Führen von Elterngesprächen zu bieten, sind aber bislang kaum im Hinblick auf ihre Wirkung evaluiert worden.

Hier setzt die vorliegende Studie an und überprüft in einem Pre-Post-Design die selbst eingeschätzten Wirkungen eines neu entwickelten VR-Trainings für Elterngespräche auf die selbsteingeschätzte Beratungskompetenz, die Angst vor Elterngesprächen, die Selbstwirksamkeitserwartung bezüglich Beratungsgesprächen im schulischen Kontext, die Motivation und auch die Affinität der Studierenden zur eingesetzten Technologie.

Methode

Im Sommersemester 2023 erfolgte eine erste Pilotierung mit N= 15 Lehramtsstudierenden. (Alter: M= 25.4 Jahre, SD = 3.40 Jahre; Geschlecht: 86.7% weiblich, 13.3% männlich; Studiengänge: 13.3% Lehren und Lernen (B.A.), 13.3% Sozialpädagogik (B.A.), 6.7% Lehramt an Haupt- und Realschulen (M.Ed.), 66.7% Lehramt an Grundschulen (M.Ed.) mit verschiedenen Fächerkombinationen. 60% der Proband*innen hatten zuvor keine Vorerfahrung bezüglich VR und lediglich 13.3% bereits Erfahrungen mit Elterngesprächen.

Vorbereitend bekamen die Studierenden eine Fallvignette mit Informationen über das zu führende Elterngespräch. Sie tauchten dann mittels einer VR-Brille in ein 3D-180°-virtuelles Klassenzimmer ein, um ein problemorientiertes Beratungsgespräch mit einer virtuellen Elternfigur zu führen. Die Durchführung fand videobasiert statt und die virtuelle Elternfigur, die durch eine professionelle Schauspielerin dargestellt wurde, wurde mittels Auswahl des geeigneten Videos durch die Versuchsleitung gesteuert. Zur Beantwortung der Forschungsfrage nach den Wirkungen des VR-Trainings wurde eine Pre- und Postbefragung der Studierenden durchgeführt. In beiden Fragebögen wurde die Selbsteinschätzung erhoben, u.a. zur Beratungskompetenz (Kücholl et al., 2018), Angst (McCarthy und Goffin, 2004), Selbstwirksamkeitserwartung (Kücholl et al., 2018), Motivation und zur Affinität zu Technologie (Franke et. al, 2019).

Ergebnisse und Diskussion

Zur Überprüfung der Veränderungen durch das VR-Training im Pre-Post-Vergleich wurden Wilcoxon- Tests durchgeführt, um die Wirkung des Trainings auf die Beratungskompetenz, die Angst, die Selbstwirksamkeitserwartung, die Motivation und Affinität zu Technik der Proband*innen zu überprüfen. Die Beratungskompetenz insgesamt stieg über die Messzeitpunkte bedeutsam an (Mdn1 = 4.64, Mdn2 = 4.81, z = -2.21, p = .027), was auf die signifikanten Veränderungen bezogen auf die Problemlöse- und Bewältigungskompetenzen zurückgeht, sich aber nicht in gleicher Weise für die Subskalen Kommunikations- und Diagnostikkompetenzen zeigte. Im Vergleich der Messzeitpunkte vor und nach dem VR-Training ging die Angst bezogen auf Elterngespräche bedeutsam zurück (Mdn1 = 3.00, Mdn2 = 2.14, z = -2.59, p = .009). Auch bezüglich der Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf Elterngespräche zeigten sich zum zweiten Messzeitpunkt bedeutsame Zuwächse (Mdn1 = 4.33, Mdn2 = 5.00, z = - 2.06 , p = 0.039). Die Studierenden zeigten eine sehr hohe Motivation (Mdn1 = 5.75, Mdn2 = 5.75), die sich über das Training hinweg nicht bedeutsam veränderte. Ein tendenzieller Zuwachs hingegen war für die Affinität zu Technologie durch das VR-Training zu verzeichnen (Mdn1 = 2.80, Mdn2 = 3.60, z = - 1.85 , p = 0.063).

Im Vortrag werden die Ergebnisse der Pilotierung vorgestellt und die Auswirkungen des VR-Trainings auf die Beratungskompetenz und Wahrnehmungen im Hinblick auf die Beratung im Kontext von Elterngesprächen diskutiert und die potentielle Bedeutung von VR für die Lehrkräftebildung reflektiert.

 

Zusammenhänge zwischen Immersions- und Authentizitätserleben, Emotionen und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen hinsichtlich der Integration von VR-Anwendungen bzw. 3D-Modellen im Unterricht

Anne Schlosser1, Jennifer Paetsch2, Theresia Witt1, Ilona Maidanjuk1, Karl-Heinz Gerholz1, Tino Lindner1
1Universität Bamberg, Deutschland, 2Universität Potsdam, Deutschland

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung

Durch ihren immersiven Charakter und die Möglichkeit der Interaktion bieten virtuelle Realitäten (VR) vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in Lehr- und Lernumgebungen (z. B. Huang et al., 2021). Empirische Ergebnisse zeigen die Wirksamkeit VR-basierter Trainingseinheiten auf den Lerngewinn (z. B. Lei et al., 2021) und auf die Selbstwirksamkeit von Studierenden (z. B. Wiepke 2022). Ein Ziel der Lehrkräftebildung ist zudem, (angehende) Lehrkräfte zum Umgang und Einsatz der VR Technologie zu befähigen, damit solche Lehr-Lernarrangements im Unterricht von ihnen angewendet werden können (z. B. Doll & Meyer, 2021; Huang et al., 2021).

Ziel des vorliegenden Forschungsvorhabens ist es, im Kontext von VR- (Erkundung mit der VR-Brille) und 3D-basierten Lernumgebungen (Erkundung über die Bildschirmansicht, z. B. PC), die Veränderung der Selbstwirksamkeit hinsichtlich der Technologie-Integration in den eigenen Unterricht bei angehenden Lehrkräften zu untersuchen. Die Umgebungen stellen Use-Cases für den Religionsunterricht und den beruflichen Fachunterricht dar und wurden in regulären Lehrveranstaltungen eingesetzt.

Basierend auf dem Selbstwirksamkeitsmodell nach Bandura (1997) kann davon ausgegangen werden, dass Lernende von authentischen Erfahrungen profitieren und auch emotionales Erleben eine Quelle der Entwicklung von Selbstwirksamkeit darstellt. Mithilfe neuer Technologien können authentische Erfahrungen oder zumindest die Annäherung an authentische Erfahrungen in universitären Lehrveranstaltungen unterstützt werden. Diesbezüglich spielt das Präsenzerleben eine entscheidende Rolle, welches u.a. durch Immersionserleben beeinflusst wird (z. B. Huang et al., 2021; Tcha-Tokey et al., 2016). Demzufolge stellt sich die Frage, inwieweit VR-Anwendungen und 3D-Modelle die Chance bieten, authentische Erfahrungen in die Hochschullehre zu integrieren und somit die Selbstwirksamkeit zur Integration von VR-Anwendungen und 3D-Modellen in den eigenen Unterricht fördern. Folgende Hypothesen werden untersucht:

Hypothese 1: (a) Immersionserleben und (b) Authentizitätserleben sind in der VR-Erkundung ausgeprägter als in der 3D-Erkundung (Posttest).

Hypothese 2: Selbstwirksamkeitserwartungen zur unterrichtlichen Integration sind in der VR-Erkundung höher als in der 3D-Erkundung (Posttest).

Hypothese 3: Immersion, Authentizitätserleben, Emotionen und Selbstwirksamkeit korrelieren signifikant miteinander (Posttest).

Hypothese 4: (a) Authentizitätserleben und (b) Emotionen erweisen sich als signifikante Prädiktoren der Veränderung der unterrichtsbezogenen Selbstwirksamkeit, unter Kontrolle der unterrichtsbezogenen Selbstwirksamkeit im Prätest sowie der selbsteingeschätzten digitalen Kompetenzen.

Methode

Im Sommersemester 2023 nahmen insgesamt 37 Lehramtsstudierende (Theologie oder Wirtschaftspädagogik) an den Lehrveranstaltungen (Intervention) teil, wobei 24 sowohl am Prä- als auch am Posttest teilnahmen. Insgesamt sind 18 Teilnehmende der VR-Bedingung (48,6%) und 19 Teilnehmende der 3D-Bedingung (51,4%) zuzuordnen (Selbstselektion in die Seminare). Die Studierenden sind im Mittel 25,6 Jahre alt (SD=7.4) und befinden sich im 5. Semester (M=4.5, SD=1.8). Zur Überprüfung der Hypothesen wurden folgende Instrumente verwendet: Selbstwirksamkeit im Hinblick auf die unterrichtliche Integration digitaler Technologie (αpre=.85; αpost=.86; adaptiert Doll & Meyer, 2021); Immersion (αpost=.82; selbstentwickelte Items, vgl. Gerwens, 2018); Authentizitätserleben (αpost=.82; adaptiert nach Gulikers, 2006), Emotionsgitter (1-Item-Skala; Russel et al., 1989); selbsteingeschätzte digitale Kompetenzen (Subskala Unterrichten und Implementieren αpre=.51, αpost=.57; Subskala Analysieren und Reflektieren αpre=.62, αpost=.57; Subskala Problemlösen und Handeln αpre=.74, αpost=.71; Subskala Produzieren und Präsentieren αpre=.92, αpost=.92; Subskala Kommunizieren und Kollaborieren αpre=.62, αpost=.85; Rubach & Lazarides, 2019).

Vorläufige Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Immersionserleben (Mann-Whitney-U-Test: U=9.5, Z=-4.1, p<.001) als auch Authentizitätserleben (Mann-Whitney-U-Test: U=31.5, Z=-3.1, p=.002) in der VR-Umgebung (MImmersion=6.0, SD=.67; MAuthentizität=3.83, SD=1.06) ausgeprägter ist als in der 3D-Umgebung (MImmersion=4.6, SD=.77; MAuthentizität=3.25, SD=1.4). Hinsichtlich der Selbstwirksamkeitserwartung zeigen sich vergleichbare Werte im Posttest (MVR=3.6, SD=.88; M3D=3.44, SD=.79). Korrelationsanalysen zeigen, dass zum einen Immersion signifikant mit Authentizitätserleben (r=.65, p<.001) und emotionaler Valenz (r=.64, p<.001) korreliert, zum anderen korreliert Authentizitätserleben mit emotionaler Valenz (r=.60, p<.001) und emotionalem Arousal (r=.63, p<.001) signifikant. Es zeigen sich keine signifikanten Zusammenhänge der Konstrukte Emotion, Immersion und Authentizität mit Selbstwirksamkeit (p=1). Weitere Analysen stehen noch aus. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der Selbstwirksamkeitstheorie (Bandura, 1997) sowie einschlägiger Theorien zu Virtual Reality (z. B. Huang et al., 2021; Tcha-Tokey et al., 2016) diskutiert.



 
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