Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
1-09: Empirische Evidenz zur Wirksamkeit von Klimabildung
Zeit:
Montag, 18.03.2024:
10:30 - 12:10

Ort: S17

Seminarraum, 70 TN

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen
Symposium

Empirische Evidenz zur Wirksamkeit von Klimabildung

Chair(s): Martin Schwichow (PH Freiburg, Deutschland), Werner Rieß (PH Freiburg, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Alexander Renkl (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland)

Zahlreiche wissenschaftliche Belege weisen darauf hin, dass menschliche Aktivitäten und Handlungen wesentlich zum Klimawandel beitragen und sich dieser negative auf natürliche und gesellschaftliche Systeme auswirkt (IPCC 2018; Cook et al. 2013). Um die individuellen und gesellschaftlichen Folgen des Klimawandels abzuschwächen bzw. sich an diese anzupassen, kommt der Bildung als einem social tipping Element eine entscheidende Rolle zu (Otto, et al., 2020). Konzepte aus der Klimabildung (englisch Climate Change Education, CCE) und der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) vermitteln den Lernenden Wissen zu den Ursachen und Folgen des Klimawandels und fördern Einstellungen und Handlungskompetenzen, die zur Bewältigung und Abschwächung seiner Folgen notwendig sind (UNFCCC 2016). Während das theoretische Potential von Bildungsmaßnahmen im Kontext des Klimawandels unstrittig ist, gibt es bislang nur wenige empirische Befunde zu ihrer tatsächlichen Wirkung. Die existierenden Studien haben zudem eine deutlich begrenzte Gültigkeit, da sie oft nur Teilaspekte der Wirkung von Klimabildung untersuchen. Bislang fehlt eine integrative Perspektive, welche im Sinne eines Angebots-Nutzungs-Modelles (Seidel, 2014) empirische Befunde zur Wirksamkeit von Lernangeboten, deren Nutzung durch die Lernenden sowie deren Wirkung auf die Lernenden in realen Unterrichtssetting zusammenführt. Ziel des Symposiums ist es vier aktuelle empirische Studien zur Klimabildung, welche die Elemente Wirkung, Unterrichtsangebot, und Kontextbedingungen des Angebot-Nutzen-Modells adressieren, zusammenzuführen. Die übergeordnete Fragestellung des Symposiums lautet: Wie wirksam ist die Klimabildung?

Der erste und zweite Beitrag des Symposiums beschreiben Studien, zu medialen Angeboten in der Klimabildung. Aufgrund der Komplexität der systemischen Zusammenhänge im Kontext des Klimawandels und seiner Folgen, werden interaktive und motivierende mediale Darstellungsformen in der Klimabildung als besonders lernförderlich angesehen. Der erste Beitrag beschreibt eine experimentelle Studie zur Wirkung motivational designter Lernvideos (Emotional Design) zum Kohlenstoffkreislauf und deren Verbindung mit abrufbasiertem Lernen (Retrieval Practice) Die Ergebnisse bestätigten, dass eine motivationale Gestaltung der Lernvideos nicht nur das Lernern erleichtert, sondern auch die Motivation für anschließende Festigungsaufgaben (Retrieval Practice). Der zweite Beitrag des Symposiums beschreibt eine quasi-experimentelle Studie mit Grundschulkindern, welche die Wirksamkeit eines dynamischen computerbasierten Systemmodells zum Klimawandel mit für den (Sach-)Unterricht in der Grundschule häufig empfohlenen statischen Systemmodellen (Vernetzungskreise) vergleicht. Es zeigt sich, dass ein dynamisches Systemmodell zu größeren Zuwächsen im Fachwissen und im systemischen Denken führt als ein statisches.

Der dritte Beitrag des Symposiums befasst sich mit der Wirkung von Klimabildungsmaßnahmen auf Wissen, Einstellung und Verhalten von Schüler*innen im Kontext des Klimawandels. Er stellt die Befunde einer Meta-Analyse vor, die die Ergebnisse von 53 Interventionsstudien zur Klimabildung zusammenfasst. Es zeigt sich, dass Maßnahmen zur Klimabildung einen großen Effekt auf das Wissen der Lernenden bezüglich der Ursachen und Folgen des Klimawandels (g = 0.77) hat, jedoch nur kleine Effekte auf Einstellungen (g = 0.39) und Verhalten (g = 0.36). Allerdings ist gleichzeitig eine hohe Heterogenität in den in die Metaanalyse einbezogenen Studien und ein Bedarf an qualitativ höherwertigen Wirksamkeitsstudien im Feld der Klimabildung festzustellen.

Der vierte Beitrag des Symposiums erweitert die Perspektive, indem er den Einfluss von schulischen Kontextbedingungen auf die Wirkung von Klimabildung beleuchtet. Er stellt eine Mehrebenenanalyse von Daten des Projekts „BNE im Unterricht – Gelingensbedingungen für die Entwicklung von Nachhaltigkeitskompetenz“ (BUGEN) vor. Ziel der Analysen ist es den Einfluss von Schulformen und weiterer Kontextbedingungen auf die Entwicklung von kognitiven (Nachhaltigkeitswissen), affektiven (nachhaltigkeitsbezogene Einstellungen) und verhaltensbezogenen (selbstberichtetes nachhaltigkeitsbezogenes Verhalten) Aspekte der Nachhaltigkeitskompetenz zu untersuchen. Es zeigt sich, dass nicht alle Schüler*innen gleichermaßen von Angeboten zur Klimabildung profitieren, da schulformspezifische Schereneffekte zugunsten der Gymnasien sowie zu Ungunsten der Gemeinschaftsschulen vorliegen. Der Beitrag diskutiert mögliche Ursachen und Folgen dieser Scherreneffekte.

Die Vortragenden sind Mitglied des “Consortium for Climate Change Education and Education for Sustainable Development (ICCE)” und kooperieren in der empirischen Beforschung der Klimabildung und BNE. Die Beiträge werden von einem externen Diskutanten kritisch reflektiert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Lernerfolg und Metakognition in der Bildung für nachhaltige Entwicklung durch kognitive und motivationale Lernmechanismen fördern - Emotional Design und Retrieval Practice in der BNE

Tino Endres, Charlotte Vössing, Alexander Renkl
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland

Theoretischer Hintergrund: In der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sind komplexe systematische Zusammenhänge eine erhebliche Herausforderung für die Lernenden. Um diese komplexen Inhalte zu verstehen, brauchen die Lernenden häufig lange Lernzeiten und müssen sich anschließend in Übungs- und Festigungsaufgaben anstrengen. Um diesen motivationalen Herausforderungen zu begegnen können Lehrende effektive Lernangebote anbieten, die sowohl längere Lernzeiten als auch hohes Engagement in nachfolgenden Festigungsaufgaben wahrscheinlicher machen. In der vorliegenden Studie beabsichtigen wir, zwei bewährte didaktische Methoden einzusetzen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Erstens vergleichen wir emotional gestaltete Lernvideos mit neutralen Lernvideos. Vorangegangene Untersuchungen zeigen, dass emotional gestaltete Videos das situative Interesse der Lernenden steigern können (Endres et al., 2020). Dieses gesteigerte Interesse erleichtert es den Lernenden, sich länger mit komplexen Inhalten auseinanderzusetzen, fördert eine anhaltende Motivation für das Thema und den Lernerfolg über die Dauer des Videos. Zweitens untersuchen wir, ob die Kombination von Emotional Design Lernvideos mit Retrieval Practice (abrufbasiertem Lernen, Roelle et al. 2022) zu einer verbesserten und nachhaltigeren Lerneffektivität führt. Retrieval Practice ist besonders effektiv, wenn die Lernenden sich anstrengen, so viel wie möglich abzurufen (Carpenter, 2009). Diese wünschenswerte Schwierigkeit (desirable difficulty) wird jedoch oft nicht optimal genutzt (Rivers, 2021). Durch die gesteigerte Motivation nach den Emotional Design Videos könnte auch diese Festigungsaufgabe einen noch größeren Lernerfolg erzielen. Eine gezielte Kombination der beiden Methoden könnte somit den Lernerfolg nachhaltig verbessern.

Hypothesen: Wir erwarten eine Interaktion der beiden didaktischen Methoden Emotional Design Videos und Retrieval Practice, die Kombination sollte zum besten Lernerfolg führen. Wir erwarteten das die Emotional Design Videos das situative Interesse der Lernenden erhöht und das diese Erhöhung die Anstrengung in den Festigungsaufgaben verbessert, was schlussendlich zu einem besseren ausdauernden Lernerfolg nach zwei Wochen führt (Mediationshypothese).

Methode: In einem 2x2x2-Design lernten 120 Gymnasiasten aus einem Lernvideo, das entweder emotional oder neutral gestaltet war (Zwischensubjekt Faktor). Den zweiten Faktor stellen die Festigungsaufgaben dar. Lernende festigten ihr Wissen entweder durch Retrieval Practice oder durch erneutes Lernen (Zwischensubjekt Faktor). Den dritten Faktor stellte eine Messwiederholung des Lernerfolgs dar (Lernleistung im ersten Abschnitt vs. Lernleistung im zweiten Abschnitt).

Nach dem Erheben relevanter demographischer Daten sahen Lernende entweder ein Lernvideos das emotional oder neutral gestaltet war. Anschließend wurden das situationale Interesses sowie der investierte mentale Aufwand, sowie metakognitives Monitoring erhoben. Abschließend festigten die Lernenden ihr Wissen entweder über Retrieval Practice oder über erneutes Lernen des Lernmaterials. Erneut wurden das situationale Interesses sowie der investierte mentale Aufwand, sowie metakognitives Monitoring erhoben. Nach zwei Wochen wurde der erzielte Lernerfolg mit offenen Lernaufgaben gemessen für beide abschnitte gemessen.

Ergebnisse: Die Lernenden in der kombinierten Bedingung erzielten den höchsten Lernerfolg (p < .05). Die Mediationsanalysen bestätigten ein erhöhtes situatives Interesse in der Bedingung der Emotional Design Videos, welches zu einer erhöhten mentalen Anstrengung in den Festigungsaufgaben und letztendlich zu einer erhöhten Lernleistung führte (Indirekter Effekt, Mediationshypothese). Die Lernenden in der Festigungsaufgaben Bedingung zeigten einen verbesserte metakognitive Akkuratheit. Eine Überprüfung, ob die Daten eine Multilevel-Struktur aufweisen, steht noch aus.

Diskussion: Motivational gestaltetes Material kann das Lernen von komplexen Inhalten wie die Systemischen zusammenhänge in der BNE verbessern. Insbesondere zeigt sich eine positive Wechselwirkung zwischen Emotional Design und Retrieval Practice. Die Verbindung dieser beiden Methoden konnte komplexes , systematisches Wissen am besten fördern. Zusätzlich zu diesem Lernerfolg ist die erhöhte metakognitive Bewusstheit der Abrufübung zu betone. Lernende die genauer wissen was sie noch nicht wissen können ihre Wissenslücken besser schließen und dadurch in folgenden Lernaufgaben noch besser profitieren. Dieser Vorteil ist besonders relevant, wenn weiterführende Konzepte auf dieses Wissen aufbauen. Zukünftige Forschung könnte nun untersuchen ob diese motivationale Steigerung auch über längere Zeit besteht und die Einstellung zur BNE nachhaltig verändert.

 

Systemisches Denken lernen mit Systemmodellen zum Klima(wandel) in der Grundschule

Sven Frey1, Nadine Tramowsky1, Maik Beege1, Alexander Renkl2, Werner Rieß1
1PH Freiburg, Deutschland, 2Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland

1. Theoretischer Hintergrund

Der anthropogene Klimawandel und seine Folgen zählen zu den größten Herausforderungen für uns und die nachfolgenden Generationen. Um diesen gerecht zu werden, bedarf es systemischen Denkens – der „Fähigkeit komplexe Wirklichkeitsbereiche als Systeme erkennen, beschreiben und modellieren zu können“ (Mischo & Rieß, 2008, S. 348–349). Möglichkeiten einer Erfassung und Förderung systemischen Denkens zur Lösung komplexer Probleme in Nachhaltigkeitskontexten wurden bislang vor allem bei SchülerInnen der Sekundarstufen und bei Studierenden untersucht (Brockmüller, 2019; Fanta et al., 2020). Es wurde jedoch nachgewiesen, dass sich systemisches Denken bereits in der Grundschule grundsätzlich fördern lässt (Sommer, 2005; Assaraf & Orion, 2009). Die in diesen Studien getesteten Interventionen fokussierten sich auf vergleichsweise einfache Systeme mit einer überschaubaren Anzahl von Systemelementen und Wechselwirkungen (Sommer, 2005).

Es stellt sich die Frage, ob sich systemisches Denken in der Grundschule auch in einem komplexen sowie im aktuellen Diskurs hoch relevanten System, wie dem Klimasystem, fördern lässt. Ein Argument hierfür ist, dass angesichts der globalen Auswirkungen auch schon Kinder für den Klimawandel sensibilisiert und in ihren Kompetenzen gestärkt werden sollten, damit sie sich grundlegend mit dem Klimawandel auseinandersetzen und in ihren noch eingeschränkten Verantwortungsbereichen zur Zielerreichung der Klimaneutralität beitragen können (Bassen et al., 2021). Für das Verständnis der komplexen Dynamiken des Klimawandels, bietet der Einsatz digitaler Systemmodelle besondere Vorteile, da diese einen aktiven Umgang mit dem Klimasystem ermöglichen. In der hier vorgestellten Studie geht es darum, die Wirksamkeit eines computerbasierten, einfachen Systemmodells zum Klimawandel im Vergleich zu in der Primarstufe häufig verwendeten Systemmodellen (z.B. Vernetzungskreis, Wirkungs- und Zeitdiagramme) zur Förderung systemischen Denkens bei GrundschülerInnen zu untersuchen. Durch den Einsatz verschiedener Systemmodelle sollen gewichtige Erkenntnisse für das unterrichtliche Handeln gewonnen werden.

2. Fragestellung

Welche Wirkungen gehen vom Einsatz alternativer (digitaler) Systemmodelle mit variierender Veranschaulichung zeitlicher Entwicklungen auf die Förderung verschiedener Facetten systemischen Denkens bei Schülerinnen und Schüler der Grundschule aus?

3. Methode

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde ein Quasi-Experiment mit 293 ViertklässlerInnen an Grundschulen durchgeführt. Mit einem Prä-Posttest-Design ermittelten wir sowohl das themenspezifische Wissen zum Klimawandel als auch die Fähigkeit systemischen Denkens und das lernbezogene Interesse. Die digital gestützte Intervention umfasste insgesamt fünf Unterrichtsstunden. In den letzten beiden Stunden wurden in vier Experimentalgruppen variierte Systemmodelle eingesetzt: Ein Vernetzungskreis ohne Zeitdiagramm, ein Vernetzungskreis mit Zeitdiagramm, ein Simulationsmodell mit Zeitdiagramm und eine Kontrollgruppe ohne Intervention.

4. Ergebnisse

Die digitale Lernumgebung hat sich insgesamt als wirksam erwiesen. Alle drei Experimentalgruppen verbesserten sich über die Zeit signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe, sowohl im Fachwissen, F(3, 289) = 25.39, p <.001, ηp2 = .21, als auch im systemischen Denken, F(3, 289) = 20.35, p <.001, ηp2 = .17. Im Posttest unterschieden sich die Gruppen im Fachwissen: F(3, 289) = 10.23, p <.001, ηp2 = .10; und systemischen Denken, F(3, 289) = 10.07, p <.001, ηp2 = .10. Post-hoc-Tests zeigen, dass der Einsatz des Systemmodells „Vernetzungskreis mit Zeitdiagramm“ im Fachwissen deskriptiv zu höheren Lernzuwächsen als in den anderen beiden Experimentalgruppen führt, jedoch nicht signifikant. Auch im systemischen Denken zeigen sich Vorteile des Einsatzes dieses Systemmodells. So konnten die SchülerInnen, die damit arbeiteten, einen signifikant höheren Kompetenzzuwachs erzielen als die Kontrollgruppe (p < .001) und die Experimentalgruppe „Vernetzungskreis ohne Zeitdiagramm“ (p = .003). Auch gegenüber der Experimentalgruppe „Simulationsmodell mit Zeitdiagramm“ zeigten sich marginale Unterschiede zugunsten des Systemmodells „Vernetzungskreis mit Zeitdiagramm“ (p = .321). In Bezug auf das heuristische Kompetenzmodell (Rieß et al., 2015) zeigen sich die Vorteile dieses Systemmodells besonders in der Systemmodellierungsfähigkeit und im Lösen komplexer Probleme mit Hilfe von Systemmodellen. Eine potenzielle Erklärung liegt im themenspezifischen Interesse, welches durch das Systemmodell „Vernetzungskreis mit Zeitdiagramm“ gesteigert werden konnte, während es sich in den übrigen Experimentalgruppen über die Zeit tendenziell verringert, F(3, 273) = 3.70, p = .01, ηp2 = .04.

 

Evidenzakkumulierung zur Bestimmung einer wirksamen Klimabildung: Eine Meta-Analyse

Vanessa Aeschbach, Martin Schwichow, Werner Rieß
PH Freiburg, Deutschland

Hintergrund: Der Klimawandel ist eines der dringlichsten Themen unserer Zeit. Zahlreiche wissenschaftliche Belege weisen darauf hin, dass menschliche Aktivitäten und Handlungen wesentlich zum Klimawandel beitragen und mit Folgen für viele natürliche und gesellschaftliche Systeme einhergehen (IPCC 2018; Cook et al. 2013). Schätzungen legen nahe, dass uns weniger als zwölf Jahre verbleiben, um der sich anbahnenden Klimakatastrophe entgegenzuwirken (IPCC 2018; UNFCCC 2016). In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) sowie die Klimabildung (englisch Climate Change Education, CCE) eine wichtige Rolle (z.B. UNFCCC 2016). Die Klimabildung soll bei den Lernenden ein Bewusstsein für den Klimawandel, dessen Ursachen und Folgen entwickeln, sowie entsprechende Handlungskompetenzen fördern. In der Literatur finden sich zahlreiche Studien, die unterschiedliche methodische als auch inhaltliche Ansätze untersuchen, um solche Ziele zu fördern (z.B., Cartwright et al., 2021; Deisenrieder et al., 2020; Karpudewan & Mohd Ali Khan, 2017; Reinfried et al., 2012) sowie mehrere Reviews, welche diese Studien inhaltlich beschreiben und zusammenfassen (z.B., Bhattacharya et al., 2021; Kranz et al., 2022). Bislang existieren jedoch noch keine Meta-Analyse, welche die Wirksamkeit von Interventionen im Bereich der Klimabildung quantifizieren.

Fragestellung: Das Ziel der vorliegenden Meta-Analyse war es, die Wirksamkeit von Klimabildungsinterventionen auf unterschiedliche Personenmerkmale wie Wissen, Einstellung und Verhalten zu untersuchen. Dabei wurde einerseits der Frage nach der mittleren Wirksamkeit über alle Interventionsstudien hinweg nachgegangen und andererseits der Frage nach Moderatorvariablen, welche Unterschiede in der Wirksamkeit der Studien erklären können.

Methode: Das methodische Vorgehen richtete sich nach den typischen Schritten einer Meta-Analyse (PRISMA). Eine systematische Literatursuche wurde durchgeführt in den Datenbanken ERIC, PsycInfo und Web of Science. Zusätzlich wurden Studien auf früheren Reviews miteinbezogen. Die Studien mussten die folgenden Einschlusskriterien erfüllen: (1) eine Bildungsintervention mit einem expliziten Fokus auf das Thema Klimawandel untersuchen, (2) eine Population von Grund- oder Sekundarschülern untersuchen, (3) ein Prä-Post-Design, ein quasi-experimentelles oder ein randomisiertes kontrolliertes Design anwenden, (4) in einer preer-reviewten Zeitschrift veröffentlicht worden sein, (5) in englischer Sprache verfasst sein, sowie (6) ausreichend Daten zur Berechnung von Effektstärken enthalten. Die Daten wurden mittels eines Mehrebenen Ansatzes für Meta-Analysen untersucht. Konkret wurde ein Random-Effects-Modell mit vier Ebenen berechnet, welches Varianz zwischen den einzelnen Effektstärken (Level 1), Varianz innerhalb der einzelnen Subgruppen einer Studie (Level 2), Varianz innerhalb der einzelnen Studien (Level 3), sowie Varianz zwischen den Studien (Level 4) berücksichtigt. Zusätzlich wurden Moderatoranalysen durchgeführt um potentielle Faktoren identifizieren zu können, welche Unterschiede zwischen den einzelnen Effektstärken erklären können. Untersuchte Moderatorvariablen beinhalteten unter anderem die Dauer der Intervention, von wem die Intervention durchgeführt wurde, die Inhalte der Intervention, sowie das Studiendesign.

Ergebnisse: Die Datenbankrecherche ergab insgesamt 6 159 Treffer, von denen 53 Studien in die Meta-Analyse eingeschlossen werden konnten. Die Ergebnisse weisen auf einen signifikanten, großen Effekt auf kognitive Variablen hin (42 Studien mit 131 Effektstärken, standardisierte mittlere Differenz [SMD] = 0.77, 95% CI = 0.58, 0.96), einen kleinen, signifikanten Effekt auf einstellungsbezogene Variablen (17 Studien mit 46 Effektstärken, SMD = 0.39, 95% CI = 0.17, 0.62), sowie verhaltensbezogene Variablen (11 Studien mit 30 Effektstärken, SMD = 0.36, 95% CI = 0.12, 0.61).

Innerhalb der Moderatoranalysen gab es marginal signifikante Effekte für die Art des Studiendesigns (i.e., Prä-Post Designs erzeugten höhere Effektstärken als andere Designs), die Lehrperson, welche konkreten Inhalte behandelt wurden (i.e., Interventionen, welche die Grundlagen von Klimabildung behandelten, scheinen den Wissenszuwachs besonders effektiv zu fördern), sowie einen singifikanten Effekt für die Dauer der Intervention für einstellungsbezogene Variablen (i.e., 90-minütige oder kürzere Interventionen scheinen effektiver zu sein als längere).

 

Bildung für nachhaltige Entwicklung im gegliederten Schulsystem: Differenzielle Entwicklungsverläufe in der Nachhaltigkeitskompetenz von Schüler:innen?

Katja Scharenberg1, Eva-Maria Waltner2, Werner Rieß2, Christoph Mischo2
1LMU München, 2PH Freiburg, Deutschland

Theoretischer Hintergrund

Die Idee der nachhaltigen Entwicklung erfährt aktuell, mit Blick auf sich verschärfende globale Herausforderungen, neuen „Rückenwind“ und breite gesellschaftliche Akzeptanz. Beim Praxistransfer spielen Bildungsinstitutionen und das Programm einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an (Hoch)Schulen eine entscheidende Rolle (Rieß et al., 2022). Eine wirksam verankerte BNE vermittelt nachwachsenden Generationen Fähigkeiten, die sie benötigen, um die Herausforderungen der Gegenwart und die Transition in eine zukunftsfähige Gesellschaft zu bewältigen. Auch im Sinne intergenerationaler Gerechtigkeit sollten daher intensive Anstrengungen unternommen werden, die Entwicklung von Nachhaltigkeitskompetenz in einem ganzheitlichen Bildungskonzept zu unterstützen (Waltner et al., 2021).

In Baden-Württemberg wurde die Leitperspektive BNE mit dem neuen Bildungsplan für die Sekundarstufe I zum Schuljahr 2016/2017 eingeführt (MWK, 2016). Bislang ist jedoch noch nichts darüber bekannt, inwiefern die Einführung dieser Leitperspektive zur Entwicklung von Nachhaltigkeitskompetenz bei Schüler:innen beiträgt und inwiefern schulstrukturelle Rahmenbedingungen hierbei eine Rolle spielen. Charakteristisch für das deutsche Schulsystem in der Sekundarstufe ist die externe Differenzierung in Bildungsgänge mit unterschiedlichen Anforderungsniveaus. Zwar entwickeln sich die Bundesländer zunehmend hin zur Zweigliedrigkeit, in einigen Bundesländern wie z.B. in Baden-Württemberg gibt es allerdings nach wie vor neben dem Gymnasium eine Reihe weiterer nicht-gymnasialer Schulformen (Neumann et al., 2017; Nikolai, 2022). Eine solche externe Differenzierung kann einerseits zu sozialer Stratifizierung bzw. Segregation (Baumert et al., 2003, 2006) führen. Andererseits eröffnen differenzielle Lern- und Entwicklungsmilieus den Schüler:innen je nach besuchter Schulform unterschiedliche Entwicklungschancen, die dazu führen, dass ihre individuelle Entwicklung ungleich verläuft, erschwert oder sogar verhindert wird (Baumert et al., 2006). Schulformspezifische Schereneffekte im Verlauf der Sekundarstufe wurden wiederholt für die Kompetenzentwicklung von Schüler:innen in verschiedenen Domänen nachgewiesen (z.B. Baumert et al., 2006, 2009, 2010; Becker et al., 2006, 2012; Dumont et al., 2013; Gröhlich et al., 2010a, 2010b; Neumann et al., 2007; Scharenberg et al., 2014). Inwiefern solche Schereneffekte auch für die Entwicklung von Nachhaltigkeitskompetenz existieren, ist bisher jedoch nicht bekannt.

Fragestellung

Der Beitrag geht daher der Frage nach, inwiefern sich Effekte differenzieller Lern- und Entwicklungsmilieus für die Entwicklung der Nachhaltigkeitskompetenz von Schüler:innen in der Sekundarstufe I nachweisen lassen.

Daten und Methode

Datengrundlage ist eine Sekundäranalyse basierend auf der Studie „BNE im Unterricht – Gelingensbedingungen für die Entwicklung von Nachhaltigkeitskompetenz“ (BUGEN). Dabei wurden zu Beginn und Ende des Schuljahres 2018/2019 kognitive (Nachhaltigkeitswissen), affektive (nachhaltigkeitsbezogene Einstellungen), verhaltensbezogene (selbstberichtetes nachhaltigkeitsbezogenes Verhalten) Aspekte der Nachhaltigkeitskompetenz erfasst. Die Analysestichprobe umfasste n=1.178 Schüler:innen (Jahrgangsstufen 5–8) aus 63 Schulklassen aus zehn zufällig ausgewählten Schulen in Baden-Württemberg.

Methodisch wurde ein Mehrebenenmodell (Mplus 8.7.1; Muthén & Muthén, 2022) mit zwei Analyseebenen spezifiziert. Abhängige Variable war die Nachhaltigkeitskompetenz am Schuljahresende. Prädiktoren auf Individualebene waren das Geschlecht, die Sprache im Haushalt und die Nachhaltigkeitskompetenz zu Schuljahresbeginn. Auf Klassenebene wurde für über Aggregation gebildete Kompositionsmerkmale und die Schulformzugehörigkeit kontrolliert.

Ergebnisse

Die Varianzzerlegung ergab signifikante Unterschiede zwischen Schulklassen für das Wissen (ICC=0.376), die Einstellungen (ICC=0.114) und das Verhalten (ICC=0.112, jeweils p<.001), die auf die Bedeutsamkeit der Schulklassenzugehörigkeit hinweisen.

Mehrebenenanalysen zeigten für alle drei Facetten der Nachhaltigkeitskompetenz, dass das jeweilige Ausgangsniveau zu Schuljahresbeginn unter Kontrolle des Geschlechts und der Sprache im Haushalt der stärkste Prädiktor ist (Wissen: β=0.558; Einstellungen: β=0.521; Verhalten: β=0.511, jeweils p<.001). Auf Aggregatebene ließen sich für alle drei Kompetenzfacetten günstigere Entwicklungen bei höherem durchschnittlichen Ausgangsniveau zu Schuljahresbeginn (Wissen: β=0.448, p<.001; Einstellungen: β=0.406, p<.05; Verhalten: β=0.247, p<.10) nachweisen. Schulformspezifische Schereneffekte bestanden zugunsten der Gymnasien (Wissen: β=0.431, p<.05) sowie zuungunsten der Gemeinschaftsschulen (Einstellungen: β=-0.679, Verhalten: β=-0.637, jeweils p<.001).

Diskussion

Die vorliegende Studie belegt erstmals differenzielle Entwicklungsverläufe für verschiedene Facetten der Nachhaltigkeitskompetenz bei Schüler:innen in Abhängigkeit der besuchten Schulform. Die Befunde sind insofern problematisch, als es Schulen offenbar in unterschiedlichem Ausmaß gelingt, nachwachsende Generationen auf aktuelle, gesamtgesellschaftlich bedeutsame Herausforderungen vorzubereiten. Abschließend soll diskutiert werden, welche Rolle hierbei die Lehrkräfte spielen.