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1-07: "Ach, das bist du!" - Perspektiven auf gelingende Transferprozesse zwischen Wissenschaft und Praxis im Kontext der Digitalisierung
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Präsentationen | ||
Offenes Beitragsformat
"Ach, das bist du!" - Perspektiven auf gelingende Transferprozesse zwischen Wissenschaft und Praxis im Kontext der Digitalisierung 1Universität Potsdam, Deutschland; 2Forum Bildung Digitalisierung; 3Bergische Universität Wuppertal Die digitale Transformation von Schule und Unterricht hält zahlreiche Herausforderungen für Lehrkräfte (Scheiter, 2021) und Entscheidungsträger*innen im Bildungssystem (McCarthy et al., 2023) bereit und nimmt auch die Bildungsforschung in die Pflicht, Erkenntnisse über digitalisierungsbezogene Lehr-Lernprozesse für den Transfer in Bildungspraxis bereitzustellen. Transfer kann (aus bildungswissenschaftlicher Perspektive) als „Verbreitung wissenschaftlich fundierter Innovationen im Bildungswesen“ (Gräsel, 2010, S. 7) verstanden werden. Holtappels (2019) betont ergänzend, dass Transfer aber auch ein interaktiver Prozess ist, bei dem die Übertragung bestimmter innovativer Ansätze „in kommunikativer Weise“ (S. 276) erfolgt. Transferprozesse betreffen diverse beteiligte Akteur*innen in unterschiedlichem Maße und unterschiedlicher Art und Weise – auch und speziell im komplexen Prozess des digitalen Wandels (Endberg et al., 2022). Neuere Ansätze gehen davon aus, dass die partizipative Begleitung und Weiterentwicklung von Innovationsprozessen über einen ko-konstruktiven Aushandlungsprozess erreicht werden kann, in dessen Rahmen „Akteure unterschiedlicher Bezugssysteme gleichermaßen an der Lösung eines Bildungsanliegens […] zusammenarbeiten“ (Kerres et al., 2022, S. 1). Der Kompetenzverbund lernen:digital unterstützt eine solche Weiterentwicklung in der digitalen Schulentwicklung und digitalisierungsbezogenen Lehrkräftebildung. In vier Kompetenzzentren werden dazu Erkenntnisse aus rund 180 Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu je spezifischen Themenfeldern gewonnen und gebündelt. Eine Transferstelle unterstützt über einen systematischen Dialog zwischen Stakeholdern im Mehrebenensystem des Bildungswesens die nachhaltige Implementierung in das System Schule. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es zum einen, verschiedene Akteur*innen, welche die digitale Transformation adressieren bzw. durch diese adressiert sind, zu identifizieren und in Beziehung zueinander zu setzen. Dazu soll zum anderen erreicht werden, mögliche Perspektiven auf deren Handlungslogiken sicht- und erlebbar zu machen („Ach, das bist du!“), um ein akteur*innentheoretisch begründetes Verständnis über Kommunikations- und Kooperationsprozesse im Kontext der digitalen Transformation des Bildungswesens aufzubauen. Schließlich sollen Logiken und Erfahrungen der Dialoggestaltung im Kompetenzverbund lernen:digital abgebildet werden. Aus governance-theoretischer Perspektive (Altrichter & Maag Merki, 2016) unterliegen die verschiedenen Bezugssysteme spezifischen Eigenlogiken, die eine schlichte Übertragung von Erkenntnissen von einem in den anderen Kontext unmöglich machen (Cooper et al., 2019, Rolff, 2016). Missverständnisse über die eingenommenen Rollen sowie damit zusammenhängende Möglichkeiten und Grenzen können Transferprozesse zwischen diesen Akteur*innen entscheidend behindern (Farrell et al., 2019). Insbesondere die Verantwortlichkeit gegenüber der Innovation von Bildungsprozessen ist als kritisches Spannungsfeld zwischen den unterschiedlichen Perspektiven Praktizierender und Forschender sowie Vertreter*innen der Bildungsadministration anzusehen (Cooper et al., 2019). Dies lässt eine bewusste Perspektivübernahme gewinnbringend erscheinen, in deren Rahmen die beteiligten Akteur*innen die Verantwortlichkeiten und Erwartungen reflektieren und diskutieren können. Damit können „die Differenz der Sichten, Interessen und Handlungslogiken der Akteure von Bildungsforschung und -praxis in den Vordergrund“ (Kerres et al., 2022, S. 12) gestellt, gleichzeitig aber auch produktiv bearbeitet werden. Die Perspektivübernahme kann nachweislich die Kreativität in heterogenen Arbeitsgruppen erhöhen, indem sie eine ausführlichere Erläuterung von Ideen und das gegenseitige Verständnis begünstigt (Hoever et al., 2012). Es erscheint sinnvoll, in einem derlei komplexen Beziehungsgefüge zwischen verschiedenen Stakeholdern von bildungsbezogenen Innovationen zu vermitteln. Mit dem Knowledge Brokering ist eine ebensolche Vermittlungsarbeit umschrieben (Cooper et al., 2019). Über die bloße Weitergabe von (Forschungs-) Wissen hinaus besteht die Rolle von so genannten Knowledge Broker*innen zuvorderst darin, Beziehungen zwischen den verschiedenen Stakeholdern aufzubauen sowie Netzwerke und sonstige Kollaborationen zu unterstützen. Das erfordert ein solides Verständnis von Forschung, ein Bewusstsein für die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der beteiligten Akteur*innen sowie einen profunden Blick für systemische Zusammenhänge. Mithin bezeichnen Cooper et al. (2019) die Aufgaben von Broker*innen als „incredibly demanding work“ (S. 95). All die genannten Aspekte werden im offenen Beitragsformat aufgegriffen. In einem ersten Schritt wird eine Stakeholderanalyse vorgestellt: Um die Akteurskonstellationen in den verschiedenen Bezugssystemen sowie die in ihnen aufscheinenden „unterschiedlichen Beteiligungs- und Einflusschancen“ (Altrichter & Maag Merki, 2016, S. 9) beschreiben und analysieren zu können, haben wir in einem ersten Schritt eine systematische Stakeholderrecherche anhand öffentlich zugänglicher Dokumente in den einzelnen Bundesländern durchgeführt. Deren Zwischenergebnisse möchten wir im Sinne von „Informationslandschaften“ (Krempel 2005, S. 196; zitiert nach Kolleck, 2014, S. 174) als Ausgangspunkt der weiteren Schritte visualisieren. Auf der Grundlage der Mehrebenenstruktur des Bildungswesens im Kontext der Digitalisierung (Breiter et al., 2021, S. 4f.) unterscheiden wir dabei in einer ersten Heuristik in administrative Ebene (Land), administrative Ebene (Kommune), wissenschaftliche Ebene (Land) und zivilgesellschaftliche Ebene (Land oder länderübergreifend). Aufbauend auf den Ergebnissen der Stakeholderrecherche sollen in einem zweiten Schritt spezifische Handlungslogiken erarbeitet werden: Um ein kohärentes Verständnis für die jeweiligen Handlungslogiken aufzubauen, sollen in einer gemeinsamen Erarbeitungsphase Prozesse der Perspektivübernahme angeregt werden. In Anlehnung an Elemente der Design Thinking-Methodik (Chon & Sin, 2019) geht es insbesondere darum, unterschiedliche Perspektiven relevanter Akteur*innen sichtbar zu machen und deren Wünsche und Bedürfnisse zu beleuchten. Ziel ist es hierbei, Momente für (neue) Ideen zu schaffen und nutzer*innenorientierte Formate, Produkte und Forschungssynthesen ggf. noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten. In einem moderierten und interaktiven Prozess sollen in Anlehnung an die Thinking-Hats-Methode verschiedene Rollen eingenommen werden. Aus diesen heraus sollen Leitfragen diskutiert werden, um diese Rollen und Bereiche, die für eine zukunftsweisende digitale Transformation wichtig sind, zu verstehen und gemeinsam zu definieren. Auf diese Weise werden gemeinsame Erkenntnisse generiert sowie neue Anregungen dazu entwickelt, wie der Transfers zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Bildungspraxis in einem ko-konstruktiven Austausch gestaltet werden kann. In der Zusammenschau des Austauschs sollen die erarbeiteten Erkenntnisse durch Vertreter*innen aus den jeweiligen Bezugssystemen authentisch kommentiert werden. Hierfür werden Vertreter*innen ausgewählter Stakeholder (Schulleitungen, Lehrkräfte, Landesinstitute) eingeladen, um Ihre Perspektiven und Ihre Erwartungen an gelungenen Transfer gleichsam in Reaktion auf die Ergebnisse der Erarbeitungsphase darzustellen. Im Anschluss an die gemeinsame Erarbeitung der jeweiligen Handlungslogiken sollen in einem dritten Schritt anhand der Rolle von Broker*innen im Kompetenzverbund lernen:digital Möglichkeiten der Dialoggestaltung nachgezeichnet werden: Es wird kurz auf den Kompetenzverbund lernen:digital im Allgemeinen sowie auf die Rolle von Broker*innen im Besonderen eingegangen. Es kann davon ausgegangen werden, dass im Rahmen eines groß angelegten Transferprojektes eine derartige Integration einer solchen Rolle erstmalig explizit vorgesehen ist. Um ein Verständnis auch von dieser Rolle zu entwickeln, wird in Anknüpfung an Cooper et al. (2019) die Funktion von Broker*innen vorgestellt und auf Grundlage der bisherigen Aktivitäten im Projektkontext diskutiert. Den Beitrag abschließend wird ein Ausblick darüber gegeben, wie die transferbezogenen Maßnahmen in lernen:digital die Perspektiven der beteiligten Stakeholder berücksichtigen und somit ein role model für zukünftige Transferaktivitäten darstellen können. |