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1-05: Lernen und Unterrichten mit Videos: Wirkung auf motivationale und lernbezogene Prozesse
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Symposium
Lernen und Unterrichten mit Videos: Wirkung auf motivationale und lernbezogene Prozesse Dieses Symposium versammelt drei Beiträge, in denen der Einsatz von Videos in Lehr-Lern-Prozessen experimentell erforscht wird. Gemeinsames Ziel aller Beitragenden ist es, Aspekte zu untersuchen, die den didaktisch effektiven Einsatz von Videos zur Vermittlung fachspezifischer Inhalte in schulischer und universitärer Lehre determinieren. Aktuelle Forschung betont, dass sowohl Gestaltungselemente innerhalb eines Videos (z.B. die Sichtbarkeit und das Verhalten einer Lehrperson) als auch Merkmale der Lernenden selbst (z.B. ihr Vorwissen oder spezifische Kompetenzen) einen Einfluss darauf haben, wie Videos wahrgenommen werden und Lernerfolge unterstützt werden können. Das vorliegende Symposium trägt zum aktuellen Diskurs um den effektiven Einsatz von Videos in Lehr-Lern-Prozessen bei, indem es Ergebnisse dreier experimenteller Studien zusammenführt, die unterschiedliche Einflussfaktoren bezüglich des Lernens mit und durch Videos in den Blick nehmen. In Beitrag 1 wird experimentell untersucht, ob die Einblendung eines ‚Talking Head‘, also des Gesichts einer Lehrperson im Video, die Wahrnehmung von Studierenden hinsichtlich verschiedener Videomaterialien in einer Lernphase beeinflusst (z.B. Zufriedenheit und soziale Präsenz). Zudem wurde die Sichtbarkeit des ‚Talking Head‘ auch in einer sich anschließenden Testphase systematisch variiert, in der Informationen aus den gesehenen Lernvideos erfragt wurden. Die statistischen Analysen konnten weder Haupteffekte noch Interaktionseffekte des ‚Talking Head‘ in der Lern- und Testphase aufzeigen. Diese Befunde deuten in Übereinstimmung mit früheren Forschungsergebnissen darauf hin, dass mögliche positive Wirkungen der Einblendung einer Lehrperson (z.B. Abrufhinweise) durch negative Wirkungen (z.B. kognitive Überlastung) aufgehoben werden. Beitrag 2 fragt danach, wie sich die Körperhaltungen einer Lehrperson als ‚Social Cue‘ in einem Video auf die Wahrnehmung Studierender und ihren Einstellungen gegenüber der Lehrperson und dem Thema des Videos auswirken. Experimentell wurde die Körperhaltung der Lehrperson systematisch bezüglich der Dimensionen Vertikalität (aufrecht/zusammengesunken) und Horizontalität (offen/geschlossen) in einem Lehrvideo variiert. Die Analysen zeigten, dass beide Dimension die Wahrnehmung der Lehrperson durch Studierende hinsichtlich Enthusiasmus, Agency und Communion sowie empfundener Sympathie gegenüber der Lehrperson signifikant prägten. Der empfundene Respekt gegenüber der Lehrperson wurde hingegen nur durch die horizontale Dimension beeinflusst. Zudem wirkten beiden Dimensionen der Körperhaltung indirekt, mediiert durch den wahrgenommenen Enthusiasmus, auf das Interesse und die Motivation der Lernenden. Weitere Mediationsanalysen ergaben, dass die vertikale und die horizontale Dimension die Sympathie und den Respekt der Studierenden gegenüber der Lehrperson beeinflussten, wiederum indirekt mediiert durch deren Wahrnehmung von Agency und Communion der Lehrperson. Beitrag 3 widmet sich geschichtsbezogenen 360°-Videos, die auf Grund ihrer immersiven Merkmale herausfordernd für Lernende sein können. In einem universitären Schülerlabor wurde untersucht, ob sich durch ein kognitives Strategietraining, experimentell variiert bezüglich der Hinzunahme von Inhalten zu spezifischen Emotionsregulationsstrategien, die kognitive Verarbeitung der Schüler:innen in Bezug auf die vermittelten Inhalte stärken, sowie deren emotionale Verarbeitung abmildern lässt. Zudem wurde die Sozialform einer video-analytischen Arbeitsphase der Schüler:innen (Einzelarbeit vs. Kollaboration) variiert. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass kollaborative Arbeitsgruppen die kognitive und kritisch-reflexive Verarbeitung geschichtsbezogener 360°-Videos begünstigen. Das explizite Emotionsregulationsstrategien-Training führte während der Trainingsphase zu einer verstärkten Berücksichtigung emotionsbezogener Aspekte, hatte aber darüber hinaus keine weiteren Effekte. Zusammengenommen bieten die Beiträge wichtige Hinweise für den effektiven Einsatz von Videos in Lehr-Lern-Prozessen, indem sie differenzierte Befunde bieten, die sowohl die didaktische Gestaltung von Videos adressieren, als auch kontextuelle Merkmale wie z.B. die Förderung spezifischer Kompetenzen zur Rezeption von Videos in den Blick nehmen. Die Studien werden im Hinblick auf ihre Übertragbarkeit in schulische und außerschulische Lehr-Lern-Praxis, ihre Stärken und methodischen Limitationen diskutiert. Ebenso werden Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschungsarbeiten herausgearbeitet. Beiträge des Symposiums Ein Talking Head als Abrufhinweis? Sichtbarkeit der Lehrperson in der Lern- und Testphase Theoretischer Hintergrund Das Einblenden einer Lehrperson in Lernvideos kann sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Einerseits können soziale Hinweisreize im Lernmaterial gemäß der Social-Agency-Theory (Mayer, 2014a) soziale Reaktionen, eine vertiefte Verarbeitung und somit besseres Lernen auslösen. Andererseits kann die sichtbare Lehrperson laut des Kohärenz-Prinzips der Cognitive Theory of Multimedia Learning (Mayer, 2014a) zu kognitiver Überlastung führen. Die empirische Evidenz zu Lehrpersonen in Lernvideos ist heterogen (Henderson & Schroeder, 2021). Beispielsweise beobachten einige Studien lernförderliche Effekte (Pi & Hong, 2016), während andere keine (Kizilcec et al., 2014) oder lernhinderliche Effekte (Wilson et al., 2018) berichten. Auch für Maße wie soziale Präsenz oder Zufriedenheit ergibt sich ein heterogenes Befundbild (Sondermann & Merkt, 2023a,b). Eyetracking-Studien zeigen jedoch übereinstimmend, dass sichtbare Lehrpersonen häufig angesehen werden (Kizilcec et al., 2014). Bisherige Forschung konzentriert sich dabei aber vornehmlich auf in der Lernphase sichtbare Lehrpersonen. Offen bleibt, welchen Einfluss es hat, wenn Lehrpersonen (zusätzlich) in der Testphase sichtbar sind. Häufiges Ansehen der Lehrperson könnte dazu führen, dass die vermittelten Lerninhalte eng mit der Lehrperson verknüpft werden (Tulving & Thomson, 1973). So könnte ein Bild der Lehrperson in der Testphase als Hinweisreiz den Abruf von Informationen aus dem Video erleichtern. Bisherige Forschung zeigte bereits, dass dekorative Bilder aus der Lernphase den Abruf von Informationen in der Testphase verbessern konnten (Schneider et al., 2020). Fragestellung Unser Onlineexperiment untersucht die Effekte einer sichtbaren Lehrperson in Form eines Talking Heads (TH) in der Lernphase (in einem Lernvideo) und/oder in der Testphase (im anschließenden Wissenstest). Basierend auf bisheriger Forschung haben wir für Lernen (Abruf) eine Interaktion erwartet, indem der sichtbare TH nur dann lernförderliche Effekte hat, wenn er sowohl in der Lern- als auch in der Testphase sichtbar war, weil er so als Abrufhinweis den Abruf erleichtern kann. Explorative Analysen sollten außerdem potenzielle Effekte des TH in der Lernphase auf verschiedene Bewertungsmaße (z.B. soziale Präsenz, Zufriedenheit) untersuchen. Hypothesen, explorative Forschungsfragen sowie die Prozedur wurden präregistriert (https://aspredicted.org/FN7_3C2). Methode Im Rahmen eines 2x2-Between-Designs (Lernphase: TH vs. kein TH; Testphase: TH vs. kein TH) wurden die Teilnehmenden randomisiert einer der vier Bedingungen zugewiesen. Insgesamt sahen 161 Studierende (109 weiblich, 50 männlich, 1 divers, 1 keine Angabe, MAlter=33.32, SDAlter=11.84) vier Lernvideos zu verschiedenen Themen (z.B. Burkina Faso), die jeweils aus verschiedenen Folien bestanden. Dabei sahen die Lernenden entweder alle Videos mit TH, der die Inhalte vortrug, oder alle Videos ohne TH. Die Tonspur und die visuellen Lerninhalte in den Lernvideos waren jeweils komplett identisch. Als zweiter Faktor wurde variiert, ob beim Wissenstest neben dem jeweiligen Wissensitem ein Bild des TH zu sehen war oder nicht. Nach einer anfänglichen Selbstauskunft zu Vorwissen und Interesse bzgl. der vier Videothemen sahen die Lernenden die vier Lernvideos. Anschließen wurden verschiedene Bewertungsmaße (u.a. soziale Präsenz, Zufriedenheit) erfragt. Darauf folgte der Wissenstest, der aus 24 offenen Fragen (6 pro Thema) bestand und Fakten aus den Videos abfragte. Abschließend folgten Kontrollfragen und demografische Angaben. Ergebnisse und Diskussion Vorläufige Analysen zeigten keine vorab bestehenden Bedingungsunterschiede bzgl. Vorwissen und Interesse. Eine zweifaktorielle ANOVA zeigte außerdem weder Haupteffekte der Sichtbarkeit des TH während der Lern- und Testphase noch eine Interaktion hinsichtlich der Lernergebnisse, alle F<2.17. Auch auf Bewertungsmaße (z.B. soziale Präsenz, Zufriedenheit) hatte der in der Lernphase sichtbare TH keinen Einfluss, alle F<1. Folglich liefern unsere vorläufigen Ergebnisse keine Hinweise darauf, dass ein zusätzliches Einblenden der Lehrperson in der Testphase den Abruf von Informationen erleichtern kann. Die ausbleibenden Effekte auf Lernen und verschiedene Bewertungsmaße konnten die Ergebnisse einer früheren Studie mit ähnlichen Materialien (Sondermann & Merkt, 2023b) replizieren. Eine potenzielle Erklärung für die ausbleibenden Effekte könnte darin liegen, dass sich potenzielle positive Effekte der Lehrperson (sozialer Hinweisreiz, Abrufhinweis) und negative Effekte (kognitive Überlastung) gegenseitig aufgehoben haben. Straighten your back, open your arms! Wirkung der Körperhaltung einer Lehrperson auf Lernende Theoretischer Hintergrund Aktuelle Forschung zur Sichtbarkeit von Lehrpersonen in Erklärvideos betont die Wirkung von ‚Social Cues‘ (Mayer, 2014b) auf Lernende (Alemdag, 2022). So zeigen Studien, dass Lernleistungen durch Blickkontakt (Fiorella et al. 2019), Körperorientierung (Beege et al. 2017) und Gestik der Lehrperson (Dargue et al., 2019) beeinflusst werden können. Die Wirkung der Köperhaltung in Erklärvideos wurde unseres Wissens bisher nicht systematisch untersucht, obschon sie eine zentrale Komponente nonverbaler Kommunikation darstellt (Collier, 2021). Bisherige Forschung demonstriert positive Einflüsse von ‚High-Power-Posen‘ versus ‚Low-Power-Posen‘ auf die Wahrnehmung agentischer Merkmale wie Kompetenz und Dominanz (Abele & Yzerbyt, 2021; Rennung et al., 2016) und Sympathie (Waldron, 1975); sowie negative Einflüsse auf Mitleid (Rennung et al., 2016) und kommunale Eigenschaften (Abele & Yzerbyt, 2021). Körner und Schütz (2020) verweisen darauf, dass frühere Forschung zur Wirkung von Körperhaltungen durch uneinheitliche Differenzierungen geprägt ist. Dies berücksichtigend haben wir die Körperhaltung einer Lehrperson in einem Videotutorial bezüglich der Dimensionen Vertikalität (aufrecht/zusammengesunken) und Horizontalität (offen/geschlossen) variiert, um zu untersuchen, wie sich unterschiedliche Ausprägungen auf Lernende auswirken. Den Variationen entsprechend gab es eine ‚High-Power‘-Bedingung (aufrecht/offen), eine ‚Low-Power‘-Bedingung (zusammengesunken/geschlossen) sowie zwei unbestimmte Bedingungen (aufrecht/geschlossen; zusammengesunken/offen). Hypothesen Wir haben angenommen, dass eine aufrechte und offene Körperhaltung (versus einer zusammengesunkenen und geschlossenen) einen positiven Einfluss auf das Interesse (H1) und die Motivation (H2) von Studierenden hat. Wir haben erwartet, dass diese Effekte durch wahrgenommenen Enthusiasmus der Lehrperson mediiert werden (H1.1 und H2.1). Weiterhin haben wir angenommen, dass eine aufrechte (versus einer zusammengesunkenen) Körperhaltung einen ausgeprägteren Respekt der Studierenden erwirkt (H3) und dieser Effekt durch wahrgenommene Agency der Lehrperson mediiert wird (H3.1). Außerdem haben wir angenommen, dass eine offene (versus einer geschlossen) Körperhaltung zu einer ausgeprägteren Sympathie der Studierenden führt (H4) und dieser Effekt durch wahrgenommene Communion der Lehrperson mediiert wird (H4.1). Methode Nach einer randomisierten Zuordnung Studierender in eine der vier Experimentalbedingungen, in der sie eine Variation des Videotutorials sahen, wurden die Teilnehmenden gebeten, ihre Einschätzung hinsichtlich Themen-Interesse (Pawek, 2009), Themen-Motivation (Velayutham et al., 2011), Respekt und Sympathie gegenüber der Lehrperson (Wojciszke et al., 2009) sowie die Wahrnehmung der Lehrperson bezüglich Enthusiasmus (Kunter et al., 2008), Agency und Communion (Abele & Yzerbyt 2021) anzugeben. Die Stichprobe bestand aus 434 Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen (47.7% männlich, 51.2% weiblich, 1.2% divers; MAlter=24.5, SDAlter=4.21), die über www.prolific.com rekrutiert wurden. Das Experiment wurde präregistriert (Author & Author, 2023). Ergebnisse Zweifaktoriellen ANOVAs zeigten keine direkten Einflüsse der Dimensionen Vertikalität und Horizontalität auf Interesse und Motivation (H1 und H2). Respekt gegenüber der Lehrperson wurde durch Horizontalität beeinflusst, F(1, 430)=4.51, p=.028, η2=.011, nicht aber durch Vertikalität oder eine Interaktion beider Dimensionen (H3). Sympathie gegenüber der Lehrperson wurde durch Vertikalität, F(1, 430)=6,132, p=.014, η2=.014, Horizontalität, F(1, 430)=21.741, p<.001, η2=.048, und eine Interaktion beider Dimensionen, F(1, 430)=10.060, p=.002, η2=.023, beeinflusst (H4). Die Mediator-Variable wahrgenommener Enthusiasmus wurde durch Vertikalität, F(1, 430)=7.105, p=.008, η2=.016, Horziontalität, F(1, 430)=34.033, p < .001, η2 = .073, und eine Interaktion beider Dimensionen, F(1, 430) = 25.418, p<.001, η2=.056, beeinflusst. Gleiches galt für wahrgenomme Agency (Vertikalität: F(1, 430)=18.385, p<.001, η2=.041; Horizontalität: F(1, 430)=7.289, p=.007, η2=.017; Interaktion: F(1, 430)=4.927, p=.027, η2=.011) und Communion (Vertikalität: F(1, 430)=9.087, p=.003, η2=.021; Horizontalität: F(1, 430)=63.046, p<.001, η2=.128; Interaktion: F(1, 430)=16.161, p<.001, η2=.036). Kontrast-Analysen bezüglich aller Effekte zeigten, dass die ‚Low-Power‘-Bedingung jeweils zu den geringsten Bewertungen führte, während Gruppenunterschiede zwischen den anderen Bedingungen uneindeutiger waren. Analysen bestätigten alle Mediations-Hypothesen, gleichwohl direkte Effekt teilweise ausblieben (H1, H2 und H3). Diskussion Die Ergebnisse betonen die Wirkungen von Körhaltungen als ‚Social Cues‘ in Erklärvideos. Insbesondere die Abwesenheit einer ‚Low-Power-Pose‘ scheint zu positiven Effekten zu führen (Elkjær et al., 2022). Wir diskutieren die Ergebnisse bezüglich möglicher Geschlechter-Effekte (Hoogerheide et al., 2018) und Suppressor-Effekten bei den Mediations-Analysen (Rucker et al., 2011). Auswirkungen von Emotionsregulation und Kollaboration auf den Umgang mit geschichtsbezogenen 360°-Videos Geschichtsbezogene Virtual Reality (VR) Medien, wie 360°-Videos, werden zunehmend entwickelt (Bunnenberg, 2020). Die ZDF History 360° Reihe verspricht beispielsweise “eine virtuelle Reise zu historischen Orten” (https://history360.zdf.de/). Das virtuelle Time&History Museum möchte mit VR-Dokumentationen, wie dem Führerbunker, Anwendern ermöglichen, “Geschichte hautnah erleben” zu können (https://nordxr.de/fuehrerbunker-vr-de/). Auch auf YouTube sind zahlreiche geschichtsbezogene 360°-Videos frei verfügbar. Obwohl solche VR-Medien von Bildungspolitikern als innovative Ansätze für den Geschichtsunterricht angepriesen werden (Schulministerium NRW, 2021), können geschichtsbezogene VR-Medien aufgrund ihrer immersiven Merkmale und emotionalisierenden Darstellung der Inhalte herausfordernd für Lernende sein (Bunnenberg, 2018). So besteht die Gefahr, dass Lernende die Inhalte eher emotional als kognitiv verarbeiten (Parong und Mayer, 2021). Um einer emotionalen Überwältigung (Brauer, 2019) zu begegnen, zeigten sich in einer Vorstudie der Autor:innen erste positive, jedoch weiter ausbaubare Effekte eines Strategietrainings auf die Nutzung kognitiver Strategien (z.B. Inhalt zusammenfassen) bei der Verarbeitung geschichtsbezogener 360°-Videos. Die vorliegende Studie untersucht, ob sich eine stärker kognitive und weniger emotionale Verarbeitung der Videos noch besser unterstützen lässt, wenn Schüler:innen ein Strategietraining erhalten, welches sowohl kognitive Strategien als auch Emotionsregulationsstrategien (z.B. Aufmerksamkeitsstrategien zur Fokussierung auf nicht emotionale Aspekte; McRae & Gross, 2020) vermittelt. Da Emotionsregulation sowohl die Regulation eigener Emotionen als auch die anderer umfassen kann (McRae & Gross, 2020), könnte eine gemeinsame Verarbeitung geschichtsbezogener 360°-Videos womöglich besonders förderlich sein. Bisherige Befunde zu Effekten des Co-Viewings (Zillich, 2014, Tal-Or, 2016) und zur Wirksamkeit kollaborativen Lernens (Nokes-Malach, 2015) sind jedoch inkonsistent. Daher soll zudem exploriert werden, wie sich eine kollaborative Videoanalyse auf die Verarbeitung auswirkt. Methode: 157 Schüler:innen aus zehn Schulklassen der Jahrgangsstufen 11 und 12 nahmen an einer experimentellen Studie im 2x2 Design mit Gruppen-Randomisierung auf Klassenebene in einem universitären Schülerlabor teil. Variiert wurden die Trainingsart (kognitive Strategien & Emotionsregulationsstrategien vs. nur kognitive Strategien) und die Sozialform (kooperativ vs. individuell). Am Tag des Experiments analysierten Schüler:innen zunächst ein geschichtsbezogenes 360°-Video in Kleingruppen oder Einzelarbeit. Darauf folgte das Strategietraining mit einer Instruktions- und Übungsphase. Die Instruktion vermittelte die Funktion von nur kognitiven Strategien oder zusätzlich Emotionsregulationsstrategien für das Analysieren geschichtsbezogener 360°-Videos. Während der Übung wendeten die Schüler:innen in Kleingruppen- oder Einzelarbeit die Strategien mithilfe einer Checkliste für die Korrektur ihrer eingangs erstellten Videoanalysen an. Nach dem Training analysierten die Schüler:innen ein zweites 360°-Video in Einzelarbeit. Die vor, während und nach dem Training angefertigten schriftlichen Videoanalysen der Schüler:innen wurden mit Blick auf inhalts- und medienbezogene (z.B. Medium charakterisieren), aufgabenbezogene (z.B. Schlussfolgerungen ziehen), reflexive-evaluative (z.B. distanzierte Beschreibung des Eintauchens) sowie emotionsbezogene Aspekte (z.B. Emotionen beschreiben) analysiert. Zwei Rater kodierten 100% der Daten und erreichten vor der Diskussion ihrer Unstimmigkeiten eine zufriedenstellende Übereinstimmung für alle Codes (κ = 0.72 - 1.0). Ergebnisse und Diskussion: Vor dem Training wiesen die Analysen von Kleingruppen mehr aufgabenbezogene (BF10 = 1,11) sowie reflexive-evaluative (BF10 = 1,64) Elemente auf als die in Einzelarbeit angefertigten Analysen. Unter den instruktionalen Bedingungen der Übung führte Kollaboration zu einer verstärkten Berücksichtigung von inhalts- und medienbezogenen (BFincl = 2,54) sowie aufgabenbezogenen (BFincl = 2,11) Aspekten. Zusammengenommen sprechen diese Ergebnisse (von Bayesian ANOVAs) für zwar kleine, aber positive Effekte von Kollaboration auf die kognitive und vor allem auch kritisch-reflektierte Verarbeitung geschichtsbezogener 360°-Videos. Nach dem Training zeigte sich ein Effekt von vorheriger Kollaboration auf einen erhöhten Einbezug emotionsbezogener Elemente (BF10 = 1,32). Dies könnte auf eine zuvor erfahrene soziale Akzeptanz emotionaler Reaktionen zurückzuführen sein. Das Training mit Emotionsregulationsstrategien führte lediglich unter instruktionalen Bedingungen zu einer verstärkten Berücksichtigung emotionsbezogener Elemente (BFincl = 8,74). Demnach führte das Training mit Emotionsregulation zu einer erhöhten Aufmerksamkeit auf emotionale Aspekte des Videos und dessen Wirkung (und dies nur während des Trainings), jedoch nicht zu einer stärkeren (im Vergleich zum Training mit nur kognitiven Strategien) Umlenkung dieser Aufmerksamkeit auf nicht-emotionale Aspekte. |