11. GEBF-Tagung
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Haupttagung: 18. - 20.03.2024 | Nachwuchstagung: 21.03.2024
Universität Potsdam
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Sitzungsübersicht | |
Ort: H06 Hörsaal, 91 TN |
Datum: Montag, 18.03.2024 | |
10:30 - 12:10 | 1-08: Zum Einfluss von Kohärenzbildungshilfen auf das fachliche Verständnis und motivational-emotionale Merkmale von Lernenden Ort: H06 |
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Symposium
Zum Einfluss von Kohärenzbildungshilfen auf das fachliche Verständnis und motivational-emotionale Merkmale von Lernenden Zentrales Element von Lehr-Lern-Prozessen ist die Fähigkeit der Lehrkräfte, Lerngegenstände durchdacht, logisch-sachlich strukturiert, fachdidaktisch aufbereitet und sprachlich kohärent zu vermitteln (Aebli, 2006). Die sprachliche Kohärenz bezieht sich dabei auf lokaler Ebene auf den Zusammenhang zwischen aufeinanderfolgenden Sätzen und auf globaler Ebene auf den Zusammenhang zwischen größeren Sinnabschnitten (Schnotz, 1994). Durch diese Zusammenhänge sollen die zu lernenden Fachinhalte in eine geordnete, logische Begriffsstruktur gebracht werden, damit Lernende die dem Lerngegenstand innewohnende fachliche Struktur erfassen, verstehen und im Gedächtnis speichern können. Als potenziell bedeutsame sprachliche Merkmale für die kohärente Gestaltung von Lerngegenständen konnten Kohärenzbildungshilfen identifiziert werden. Kohärenzbildungshilfen erfüllen die Funktion, inhaltliche Relationen von Sachverhalten zu verdeutlichen und Lernenden während des Verstehens eine Orientierung anzubieten. Klassische Kohärenzbildungshilfen sind u. a. die Wiederholung von Begriffen, Verbindung von Sätzen, Zwischenüberschriften, Explikation von Fachbegriffen und fachlichen Relationen (Schnotz, 1994). In (inter-)nationalen Schulleistungsstudien sowie Untersuchungen zum Einfluss sprachlicher Merkmale auf das fachliche Verständnis zeigen sich wiederholt hohe korrelative Zusammenhänge zwischen fachlichen und sprachlichen Kompetenzen der Lernenden (Johnson-Laird, 1983; Kintsch & van Dijk, 1978; Leutner et al., 2004; Schnotz & Dutke, 2004), die als ein möglicher Beleg für die Bedeutung sprachlicher Gestaltung der Lerngegenstände im Unterricht angesehen werden können. Eine systematische Betrachtung des kausalen Zusammenhangs zwischen sprachlicher Gestaltung von Lerngegenständen und dem Erwerb fachlichen Verständnisses steht jedoch, insbesondere im Kontext mündlicher Erklärungen, aus. Neben dem fachlichen Verständnis von Erklärungen ist anzunehmen, dass Unterschiede in der Kohärenz von Erklärungen auch mit motivational-emotionalen Merkmalen der Lernenden zusammenhängen. Allerdings gibt es nur wenige Studien, die sich mit entsprechenden Zusammenhängen auseinandersetzen (Wirth et al., 2022). Dabei stellen Ness-Maddox et al. (2022) die Bedeutung der Emotionen Lernender für Kohärenzbildungsprozesse in Leseverstehensaufgaben heraus. In Bezug auf motivationale Merkmale zeigt sich, dass weniger kohärente Texte zu einem stärkeren thematischen Interessenverlust führen als kohärente Texte (Soemer & Schiefele, 2019) und dass negative Zusammenhänge zwischen Textverständnis und Interesse am gelesenen Text bestehen (Wade et al., 1999). Den genannten Forschungsbedarfen widmet sich dieses Symposium. Anhand von vier Beiträgen wird aus verschiedenen disziplinären Perspektiven untersucht, wie sich die systematische Variation von Kohärenzbildungshilfen in mündlichen Erklärungen und Textaufgaben auf das fachliche Verständnis Lernender sowie auf motivationale und emotionale Merkmale auswirkt. Der erste Beitrag ist im Mathematikunterricht der Primarstufe verortet und untersucht den Einfluss von Prosodie, Konnektoren und nominaler Rekurrenz als Kohärenzmerkmale mündlicher Erklärungen. Beitrag 2 befasst sich mit Sport- und bewegungsbezogenen Erklärungen von Lehrkräften. Es wird der Einfluss von Kohärenzbildungshilfen in mündlichen Erklärungen auf das Bewegungsverständnis von Kindern und Jugendlichen der Sekundarstufe I untersucht. Der dritte Beitrag geht der Relevanz von Konnektoren, Explikation und nominaler Rekurrenz als Kohärenzbildungshilfen in mündlichen Erklärungen im Fach Geschichte der Sekundarstufe I nach. Der vierte Beitrag schließlich untersucht, wie die Motivation und Emotionen von Sekundarstufenschüler:innen situational mit dem Einsatzes von Konnektoren in mathematischen Textaufgaben zusammenhängen. Die Befunde der vier Beiträge werden abschließend hinsichtlich der verständnis- sowie emotions- und motivationsförderlichen sprachlichen Gestaltung von Lerngegenständen diskutiert werden. Beiträge des Symposiums Der Ton macht die Musik!? – Bedeutsamkeit der Prosodie im Mathematikunterricht der Grundschule Zahlreiche empirische Befunde belegen den Zusammenhang sprachlicher und mathematischer Leistungen, insbesondere auch im Primarbereich (u. a. Bochnik & Ufer, 2016; Greisen et al., 2021; Kempert et al., 2011; Kempert et al., 2019; Merkert & Lenske, 2023; Paetsch et al., 2016; Ufer & Bochnik, 2020). Die Komplexität der im Mathematikunterricht verwendeten Sprache bzw. sprachbedingte Hürden (siehe dazu u. a. Brown, 2005; Daroczy et al., 2015; Dröse & Prediger, 2020; Franke & Ruwisch, 2010; Weis, 2013) betreffen dabei sowohl erst- als auch zweitsprachig aufwachsende Lernende (Prediger, 2013; Prediger et al., 2019). Diese sprachbedingten Hürden können auf rezeptiver Ebene bspw. im Kontext mündlicher Erklärsituationen im Mathematikunterricht zu Schwierigkeiten im Verstehensprozess von Lernenden führen. Neben der sprachlichen Komplexität auf lexikalischer und syntaktischer Ebene (Weis, 2013; Brown, 2005) wird die Informationsverarbeitung bei der Rezeption mündlicher Erklärungen allerdings auch durch die Prosodie beeinflusst, wie aus der psycholinguistischen Forschung abzuleiten ist (siehe Cutler, 1996; Cutler et al., 1997; Steinhauer et al., 1999). Zur Prosodie zählen bspw. Intonation, Akzentuierung und Sprechrhythmus (u. a. Bockmann et al., 2020; Steinhauer et al. 1999). Sie kann damit potenziell sowohl die Segmentierung des Lautstroms als auch die Identifikation wesentlicher durch den Satz transportierter Informationen erleichtern (z. B. durch die Hervorhebung von Schlüsselwörtern). Im Sinne der Cognitive Load Theorie (van Merrienboër & Sweller, 2005) sollte ein gezielter Einsatz prosodischer Merkmale selbst bei gleicher sprachlicher Gestaltung zur Reduzierung der kognitiven Belastung beitragen und somit den Lernprozess unterstützen sowie in der Folge die Verstehensleistung steigern. Anzunehmen sind außerdem Einflüsse auf motivationale Faktoren, die ihrerseits wiederum im Zusammenhang mit der Verstehensleistung stehen (Lau, 2017; Pichora-Fuller et al., 2016; Wade et al., 1999). Deshalb beschäftigt sich der vorliegende Beitrag mit der Frage, welchen Einfluss die Prosodie auf Motivation und Leistung im Mathematikunterricht der Grundschule hat. In einem experimentellen Design wurde eine Erklärung zur Einführung der japanischen Multiplikation bezüglich der Prosodie (insbesondere Intonation, Sprechgeschwindigkeit und Sprechpausen) variiert, während alle anderen sprachlichen Parameter (z. B. Begriffe, Konnektoren, Stimme bzw. sprechende Person, etc.) unverändert blieben. Um die Erklärung in den untersuchten Klassen hinsichtlich der sprachlichen Parameter zu standardisieren sowie bezüglich der Prosodie systematisch zu variieren, wurde die Erklärung in den beiden Varianten zuvor auf Video aufgezeichnet. Die zugrundeliegende Stichprobe unserer Pilotstudie umfasst 38 Schüler:innen der vierten Klasse (18 weiblich, 20 männlich). Eine Klasse lernte anhand der prosodisch günstig gestalteten Variante, während die Parallelklasse eine prosodisch ungünstig gestaltete Variante der Erklärung erhielt. Bevor die japanische Multiplikation erklärt wurde, wurde die fachliche Motivation (Skala zur Lernmotivation in Mathe, IGLU, 3 Items, alpha = .62) sowie die mathematische Leistung in Bezug auf die Multiplikation erfasst (Eigenentwicklung). Die beiden Klassen unterscheiden sich in diesen Variablen nicht signifikant (und auch deskriptiv nur marginal). Die aktuelle Motivation wurde mit einem Fragebogen zum situationalen Interesse erfasst (IMI, adaptiert, 7 Items, alpha = .73), die Mathematikleistung in Bezug auf die japanische Multiplikation mittels Papier-Bleistift-Test (Eigenentwicklung) und die. subjektiv empfundene Verständlichkeit der Erklärung ebenfalls per Fragebogen (Eigenentwicklung, 2 Items). Zur Analyse wurden Mittelwertsunterschiede berechnet. Es zeigt sich mittels Mann-Whitney-U-Test ein signifikanter Unterschied in Bezug auf das situationale Interesse (U = .012) sowie bei der subjektiven Einschätzung hinsichtlich der Verständlichkeit für sich selbst und andere (U = .010) zugunsten der prosodisch besseren Variante. Hinsichtlich der Leistung in Bezug auf die japanische Multiplikation zeigte sich kein signifikanter Effekt zwischen den beiden Bedingungen. Die Pilotstudie unterliegt verschiedenen Limitationen (z.B. Stichprobengröße). Dennoch verdeutlichen die Ergebnisse die Bedeutsamkeit der Prosodie, insbesondere in Bezug auf die aktuelle Motivation von Schüler:innen sowie die subjektiv empfundene Verständlichkeit. In Folgeuntersuchungen sollen differenzielle Effekte sowie Mediations- und Moderationseffekte untersucht werden. Kohärenzbildungshilfen in Erklärungen von Sportlehrkräften Theoretischer Hintergrund Empirische Studien weisen darauf hin, dass es einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen sprachlichen und fachlichen Kompetenzen von Schüler*innen im Fach Sport gibt (Krieger et al., 2019). Geht man davon aus, dass sprachliche Verstehensprozesse mit entsprechendem Lernerfolg einhergehen, so verweisen diese Befunde auch auf die Bedeutung verständlicher mündlicher Lehrkrafterklärungen im Sportunterricht (Krüger & Wahl, 2018). Eine kausale Betrachtung zwischen Merkmalen einer mündlichen Erklärung und dem fachlichen Verständnis von Schüler*innen, z. B. ihrem Spielverständnis, hat hier jedoch bis dato nicht stattgefunden. Dabei kann angenommen werden, dass die Verständlichkeit einer Erklärung insbesondere von Kohärenzbildungshilfen abhängt. So erscheint eine sprachliche Segmentierung (z. B. durch temporale Relationen, Averintseva-Klisch, 2008) insbesondere für die Erklärung sportlicher Handlungsfolgen bedeutsam, die durch eine zeitliche Struktur gekennzeichnet sind. Eine Segmentierung könnte die lerngegenstandsunabhängige kognitive Beanspruchung einer Erklärung hier verringern und so die Verstehensprozesse erleichtern (Schmitz, 2016; Sweller et al., 1998). Zudem scheinen abschließende Zusammenfassungen, in denen wesentliche Informationen einer Erklärung nochmals kondensiert formuliert werden, als Kohärenzbildungshilfe geeignet (Averintseva-Klisch, 2008). Dies erscheint insbesondere für Fach Sport bedeutsam, in dem das Reflektieren über (zusammenfassende) Situationsbeispiele eine zentrale Rolle spielt (z. B. Harvey & Jarrett, 2014). Unklar ist jedoch, welche Qualität diese zusammenfassenden Situationsbeispiele – etwa mit eher regelkonformen oder regelwidrigen Spielhandlungen – haben sollten. Auch könnten Erklärungen mit geringer sprachlicher Segmentierung stärker von Zusammenfassungen mit gelungenen Situationsbeispielen profitieren als Erklärungen mit höherer sprachlicher Segmentierung. Vor diesem Hintergrund stellen sich für den Beitrag folgende Forschungsfragen: (1) Inwieweit bedingt die sprachliche Segmentierung oder die Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele das Spielverständnis von Schüler*innen? (2) Inwieweit moderiert die sprachliche Segmentierung den Einfluss der Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele das Spielverständnis? Methode Es wurde eine experimentelle Studie mit N = 356 Schüler*innen der Klassenstufen 7 bis 9 und mit einem 2 × 2-Design durchgeführt. Dabei wurden die Kohärenzbildungshilfen sprachliche Segmentierung (hoch vs. gering) und Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele (regelkonform vs. regelwidrig) systematisch im Rahmen einer Erklärung des Sportspiels Kinball variiert. Die Schüler*innen wurden randomisiert einer der vier verschiedenen Experimentalgruppen zugeordnet, die jeweils eine videographierte, ca. vierminütige mündliche Spielerklärung, betrachteten: EG1 = hohe Segmentierung + regelkonforme Situationsbeispiele; EG2 = geringe Segmentierung + regelkonforme Situationsbeispiele; EG3 = hohe Segmentierung + regelwidrige Situationsbeispiele; EG4 = geringe Segmentierung + regelwidrige Situationsbeispiele. Im Anschluss wurde erstens das Regelwissen über sieben MCQ-Items erhoben. Hier wurden jeweils nach einer kurzen Kontextualisierung vier Distraktoren präsentiert, die danach zu bewerten waren, ob regelkonforme oder regelwidrige Spielhandlungen beschrieben werden ( = .60). Zweitens wurde das Regelanwenden gemessen, indem die Schüler*innen nacheinander vier kurze videographierte Spielsituationen des Spiels Kinball betrachteten und im Anschluss beurteilten, ob und welcher Regelverstoß hier vorliegt. Die offenen Antworten wurden durch zwei unabhängige Rater codiert (Cohens Kappa im Bereich von .91 bis .99). Die Reliabilität beim Regelanwenden liegt bei = .61. Zur Analyse wurden Haupt- und Interaktionseffekte der Faktoren sprachliche Segmentierung und Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele auf das Regelwissen und das Regelanwenden im Rahmen von Varianzanalysen betrachtet. Ergebnisse und Diskussion Die Befunde zeigen, dass das Regelwissen unterstützt wird, wenn die Erklärung mit regelwidrigen statt mit regelkonformen Spielsituationen zusammengefasst wird (F(1,354) = 4.59, p = .033, r = .11). Das Regelanwenden profitiert zudem von einer Kombination aus hoher sprachlicher Segmentierung und regelkonformen Situationsbeispielen, wie die Betrachtung des Interaktionseffekts zeigt (F(1,354) = 5.23, p = .022, r = .12). Der Grad der sprachlichen Segmentierung hat weder einen Haupteffekt auf das Regelwissen (F(1,354) = .04, p = .836) noch auf das Regelanwenden (F(1,354) = 0.45, p = .501). Insgesamt kann die Studie zu einem besseren Verstehen vermeintlich bedeutsamer sprachlicher Kohärenzbildungshilfen in mündlichen Erklärungen im Fach Sport beitragen. Ein Ausblick sowie Limitationen der Studie werden im Vortrag angeboten. Konnektoren, Explikation und nominale Rekurrenz als Kohärenzbildungshilfe in mündlichen Erklärungen im Fach Geschichte Obwohl der Geschichtsunterricht sich wesentlich durch mündliche Erklärungen (Ruck & Memminger, 2019) vollzieht, sind bislang v.a. schriftliche Schulbuchtexte dahingehend untersucht worden, wie zentrale Konzepte des Geschichtsunterrichts, v.a. ein fachadäquates Verständnis von Zeit und Zeitlichkeit, am besten an Schülerinnen und Schüler vermittelt werden kann. In historischen Erklärungen ist eine Auffassung von Zeit bedeutsam, die Kausalitäten in historischen Bedingungsgefügen und die Relativität von Erkenntnissicherheit als zentrale fachliche Konzepte beinhaltet. Bisherige Forschung konnte zeigen, dass für ein schülerseitiges Verstehen solcher fachlicher Bezüge die Art der Versprachlichung in Erklärungen bedeutsam ist (Schrader, 2013; Schmellentin, 2020). Hierbei haben sich u.a. Aspekte der Textkohärenz wie Konnektivität, aber auch der Grad der Explizitheit und nominale Rekurrenz als wichtige Dimensionen erwiesen. Für mündliche Erklärungen in unterrichtlichen Settings, die durch ihre Flüchtigkeit geprägt sind, liegen allerdings noch kaum Hinweise darauf vor, welche Art und welcher Grad an sprachlich ausgedrückter Verdeutlichung für welche Schüler_innen am optimalsten sind. In diesem Beitrag stellen wir erste Ergebnisse aus einem Pilotprojekt vor, das derzeit durchgeführt wird, zu dem aber zum Zeitpunkt der Präsentation Resultate vorliegen werden. Eine unterrichtstypische mündliche Erklärung zu einem für ein curricular nicht verankertes Themengebiet („Römische Stadtgründungen in Europa“) wird dazu systematisch in vier verschiedenen Versionen erstellt: A): eine Basisversion mit sehr sparsamer Verwendung von Kohärenzbildungsmarkern, B1): eine Version, in der gezielt Konnektoren eingesetzt werden, B2): eine Version, die nominal auf wichtige Elemente rekurriert, wo die anderen Versionen z.B. nur Proformen einsetzen und B3): eine Version, die fachlich bedeutsame Vorwissenskonzepte nicht, wie die anderen Versionen, voraussetzt, sondern sie erläutert. Schlussendlich soll untersucht werden, ob und wie stark die jeweiligen Kohärenzbildungsmarker sich auf ein geschichtsadäquates Verständnis der fachlichen Zusammenhänge auswirken. In der hier berichteten Pilotstudie soll explorativ untersucht werden, inwiefern der Einsatz kohärenzbildender Elemente auch tatsächlich auf Verständlichkeit von mündlich dargebotenen geschichtlichen Erklärungen wirkt; die bisherigen Erkenntnisse beziehen sich nämlich alle auf schriftliche Texte. Studierende unterschiedlicher Fächer hören verschiedene Versionen derselben mündlichen Erklärung und werden um ihre subjektive Einschätzung der Zugänglichkeit der jeweiligen Version gebeten. Sollte sich zeigen, dass die Erklärversionen mit Kohärenzbildungshilfen als einfacher verständlich wahrgenommen werden als die Basisversion ohne diese Hilfen, so lässt dies vermuten, dass sie sich in der Hauptuntersuchung auch auf die dort gemessene Verstehensleistung auswirken werden. In der Pilotierung werden dazu immer jeweils die Basisversion A und eine der anderen Textversionen (B1, B2 oder B3) in gesprochener Form Studierenden verschiedener Fächer in randomisierter Reihenfolge vorgespielt. Sie werden sodann in einem Fragebogen mit geschlossenen und halboffenen Frageformaten gebeten, intuitiv einzuschätzen, welche der beiden Versionen für sie besser verständlich erschienen. Zusätzlich wird erfragt, ob sie die Unterschiede zwischen den beiden gehörten Textversionen benennen können. Außerdem werden Hintergrundvariablen erhoben. Pro Bedingung und Reihenfolge der Texte werden jeweils ca. 30 Studierende befragt. Wir vermuten, dass die drei Versionen B1, B2 und B3 von den Teilnehmenden als besser zugänglich eingestuft werden als die Basisversion A. Außerdem haben wir die Annahme, dass B3, die fachliche Explizierung, von den Studierenden als am höchsten in der Zugänglichkeit gerankt wird. Der situationale Einfluss von Textkohärenz auf die Emotionen und Motivation von Schüler:innen während des Lösens mathematischer Textaufgaben Theoretischer Hintergrund Das Verstehen von Texten basiert maßgeblich auf Kohärenzbildung (Kintsch, 2009). Kommt es zu Fehlern in der Kohärenzbildung kann dies zu Fehlern in der weiteren Arbeit mit den Texten, bspw. bei der Bearbeitung mathematischer Textaufgaben, führen (Reusser, 1989). Eine Möglichkeit, die Kohärenzbildung zu unterstützen, ist die Verwendung von Kohärenzbildungshilfen, die inhaltliche Relationen von Sachverhalten verdeutlichen, fachliche Konzepte, Begriffe und Relationen explizieren oder wiederholen, und Texte strukturieren (Averintseva-Klisch, 2008; Linderholm et al., 2000; Neuber, 2002; Schmitz, 2016). Beispiel für Kohärenzbildungshilfen sind Konnektoren, mit denen sich (Teil-)Sätze und Abschnitte durch Konjunktionen (z.B. weil, obwohl) oder Adverbien (z.B. kaum, folgendermaßen) inhaltlich sinnvoll miteinander verbinden lassen. Während Forschungsbefunde zur Textverständlichkeit, die die Bedeutung solcher sprachlichen Merkmale betonen, vorliegen (z.B. Göpferich, 1998; Schmitz, 2016), ist bislang unzureichend untersucht, inwieweit Unterschiede in der Textkohärenz auch mit emotionalen und motivationalen Merkmalen der Lernenden zusammenhängen (Wirth et al., 2022). Auf Grundlage der Kontroll-Wert-Theorie (Pekrun, 2006) und der (situationalen) Erwartungs-Wert-Theorie (Eccles, 1983; Eccles & Wigfield, 2020) ist ein solcher Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Kohärenzhilfen mit der emotionalen und motivationalen Befindlichkeit der Lernenden anzunehmen. Durch die verständnisfördernde Funktion ist beispielsweise von höherer subjektiver Kontrolle über Textaufgaben auszugehen, die mit positiven Emotionen, wie Freude oder Hoffnung, einhergeht. Auch ist ein höheres und motivationsförderliches Kompetenzerleben erwartbar und damit einhergehende höhere Erwartungen, Textaufgaben erfolgreich bewältigen zu können. Erfolgserwartungen wiederum gelten u.a. als Prädiktor einer höheren Anstrengungsbereitschaft. Bei Lernenden, für die schulische Erfolge von hoher Bedeutung sind, kann auf diese Weise die Konstruktion von Nützlichkeits- und Wichtigkeitswerten gefördert werden. Zudem ist anzunehmen, dass die Arbeit mit kohärenten Texten mit geringeren Anstrengungskosten und einer geringeren Beanspruchung kognitiver Ressourcen einhergeht, die als negative Aufgabenwerte eher motivationshinderlich sind. Fragestellungen Basierend auf dem theoretischen Hintergrund untersucht diese Studie, (1) wie sich – zunächst grundlegend – die Emotionen und die Motivation von Schüler:innen situational während des Lösens mathematischer Textaufgaben entwickeln, und, (2) inwieweit sich differentielle Verläufe in den Emotionen und der Motivation in Abhängigkeit des Einsatzes von Konnektoren in mathematischen Textaufgaben identifizieren lassen. Da nachweislich insbesondere für sprachschwache Schüler:innen einen höheren Nutzen aus Kohärenzmitteln ziehen (Prediger et al., 2012) wird außerdem untersucht, (3) inwieweit die sprachlichen Kompetenzen der Schüler:innen in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Methode Die dieser Studie zugrundliegenden Daten wurden durch eine Online-Befragung mit N = 83 Schüler:innen der Klassen 7 bis 10 einer niedersächsischen Gesamtschule erhoben. Im Rahmen eines experimentellen Untersuchungsdesigns wurden sechs mathematische Textaufgaben zu verschiedenen Themen sprachlich so manipuliert, dass sie jeweils einmal mit Konnektoren und einmal ohne Konnektoren vorlagen. Die Schüler:innen bearbeiteten vier dieser Textaufgaben in zwei Blöcken (2x2 Aufgaben), die ihnen pro Block zufallsbasiert entweder mit oder ohne Verwendung von Konnektoren vorgelegt wurden. Die sprachliche Kompetenz der Schüler:innen wurde durch einen verkürzten C-Test erfasst. Emotionen und Motivation wurden zu drei Zeitpunkten – vor, zwischen und nach den Aufgabenblöcken – erfasst. Ergebnisse Bezüglich (1) zeigt sich keine signifikante Veränderung in der Entwicklung der Emotionen und Motivation für die Gesamtstichprobe während des Lösens der mathematischen Textaufgaben. Auch die systematische Variation des Einsatzes von Konnektoren hat (2) keine differentiellen Entwicklungsverläufe gezeigt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die sprachlichen Kompetenzen der Schüler:innen relevant dafür sind, inwieweit der Einsatz von Konnektoren die emotionalen und motivationalen Merkmale begünstigt. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der Relevanz sprachlicher Gestaltung von Lernaktivtäten im Unterricht für Leistungen sowie das emotionale Wohlbefinden und die Motivation von Schüler:innen diskutiert. |
13:10 - 14:50 | 2-07: Diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften im Bereich des selbstregulierten Lernens Ort: H06 |
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Symposium
Diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften im Bereich des selbstregulierten Lernens Selbstreguliertes Lernen (SRL) hat sich als entscheidende Fähigkeit für schulischen Erfolg und lebenslanges Lernen herausgestellt. Vielen Schüler:innen fällt es jedoch schwer, ihr Lernen erfolgreich selbst zu regulieren, da dies ein komplexer und anstrengender Prozess ist (Wirth et al., 2020). Damit Schüler:innen Fähigkeiten im SRL entwickeln können, ist es bedeutsam, dass die Lehrkräfte das SRL angemessen im Klassenzimmer fördern (Dignath & Veenman, 2021). Hierfür müssen Lehrkräfte einschätzen, welche Schüler:innen SRL beherrschen und welche Schüler:innen mehr Mühe im SRL haben, um einen adaptiven Unterricht zu gestalten, der auf das SRL-Fähigkeitsniveau aller Lernenden zugeschnitten ist (Corno, 2008). Ob Lehrkräfte Lernumgebungen bereitstellen, die das SRL der Schüler:innen anregen und fördern, hängt somit von ihren professionellen Kompetenzen ab, insbesondere von ihren diagnostischen Kompetenzen in Bezug auf das SRL (Karlen et al., 2020). Allerdings gibt es bisher nur wenige Untersuchungen zu den diagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften zum SRL und damit zur Urteilsgenauigkeit von Lehrkräften zum SRL. Hier setzt das Symposium an und geht der übergeordneten Frage nach, inwieweit es Lehrkräften gelingt, die SRL-Kompetenzen von Schüler:innen einzuschätzen. Es wird überprüft, welche lehrpersonenbezogenen (z. B. Wissen; Überzeugungen) und aufgabenbezogenen (z. B. nicht-diagnostische Informationen) Merkmale die Urteilsleistung der Lehrkräfte beeinflussen. In der ersten Studie des Symposiums wurden (angehende) Lehrpersonen aus drei Ländern einer der drei verschiedenen experimentellen Bedingungen für die Präsentation von diagnostischen Hinweisen zugeteilt: a) nur diagnostische Hinweise, b) sowohl diagnostische als auch nicht-diagnostische Hinweise oder c) diagnostische und nicht-diagnostische Hinweise mit Informationen darüber, welche Hinweise nicht-diagnostisch sind. In jeder Bedingung musste jede Lehrkraft die SRL-Kompetenzen (verschiedene Strategien) von vier fiktiven Schülerinnen bewerten. Es wurden unterschiedliche fiktive Lernproben der Schülerinnen präsentiert, u. a. Lerntagebucheinträge, handschriftliche Abschriften aus dem Unterricht und soziale Schulberichte. Zudem wird untersucht, inwiefern Lehrpersonenmerkmale (u. a. Vorwissen, Selbstwirksamkeit) die Urteilsgenauigkeit beeinflussen. In der zweiten Studie wird geprüft, wie akkurat Lehrkräfte den Einsatz von SRL-Strategien bei Schüler:innen beurteilen können und inwiefern diese Einschätzungen durch verschiedene professionelle Kompetenzen der Lehrkräfte (u. a. Wissen, Überzeugungen, Selbstwirksamkeit) beeinflusst werden. Zur Messung der Urteilsgenauigkeit bezüglich SRL wurde ein Instrument genutzt, das im Sinne des Verfahrens des Simulierten Klassenzimmers der Lehrkraft Lernproben (Strategieinterview) einer fiktiven Schülerin darbietet. Die dritte Studie untersucht in einem längsschnittlichen Design, inwieweit es Lehrkräften gelingt, verschiedene SRL-Kompetenzen ihrer eigenen Schüler:innen einzuschätzen und inwiefern sich die Urteilsgenauigkeit der Lehrkräfte über die Zeit verändert. Die Lehrkräfte mussten hierbei sowohl Selbstberichte (Mindsets, Beharrlichkeit) als auch Wissenscores, die mit einem Online-Diagnosetool erhoben wurden, ihrer Schüler:innen einschätzen. Insgesamt zeichnet sich das Symposium durch unterschiedliche Untersuchungsdesigns (Querschnitts-, Längsschnitt- und experimentelle Studien) und durch die Berücksichtigung verschiedener Aspekte des SRL (u. a. Strategien, metakognitives Wissen) aus, die in unterschiedlichen Formen (Lerntagebucheinträge, Lerninterviews, Wissenstests) und mit Bezug auf fiktive und reale Schüler:innen präsentiert wurden. Alle Beiträge betonen, dass für gewisse Lehrkräfte die akkurate Einschätzung des SRL von Schüler:innen herausfordernd ist. Gleichzeitig wird deutlich, dass weiterer Forschungsbedarf besteht, um das Zusammenspiel verschiedener Kompetenzaspekte von Lehrkräften und aufgabenbezogenen Merkmalen und deren Bedeutung für die Urteilsgenauigkeit besser zu verstehen und daraus Implikationen für die professionelle Entwicklung von Lehrkräften im Bereich SRL abzuleiten. Beiträge des Symposiums Nicht-diagnostische Hinweise bei der Diagnose selbstregulierten Lernens durch Lehrkräfte Die Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen (SRL) ist entscheidend für Lernende, da eng mit akademischem Erfolg verbunden (Dent & Koenka, 2016). Leider bleibt die Fähigkeit zum SRL trotz ihrer Bedeutsamkeit oft unterentwickelt (Karlen, 2016) und wird in Schulen nicht konsequent vermittelt (Dignath & Veenman, 2021). Lehrkräfte stehen vor der Herausforderung, sowohl ihre eigenen professionellen SRL-Kompetenzen zu entwickeln als auch die entsprechenden Kompetenzen bei ihren Lernenden gezielt zu fördern (Karlen et al., 2020). Ein Teilaspekt dieser professionellen Kompetenzen umfasst die Diagnose der SRL-Fähigkeiten von Lernenden. Studien zu den allgemeinen diagnostischen Kompetenzen haben gezeigt, dass Lehrpersonen Mühe mit der Einschätzung nicht kognitiver Merkmale haben (Oudman et al., 2018; Van de Pol 2021; Furnari et al., 2017; Paleczek et al., 2017) und gelegentlich auf falsche Hinweise zurückgreifen, insbesondere wenn Fehlkonzepte und Wissenslücken zur einzuschätzenden Fähigkeit vorhanden sind (Glogger-Frey et al., 2018; Oudman et al., 2018). Diese Studie hat zum Ziel die diagnostischen Kompetenzen (angehender) Lehrpersonen im Hinblick auf das SRL zu untersuchen. Es wird angenommen, dass die Lehrpersonen nicht-diagnostische Hinweise verwenden, wenn diese verfügbar sind, was zu ungenauen diagnostischen Einschätzungen führt. Darüber hinaus wird erwartetet, dass Informationen über die Nicht-Diagnostizität dieser nicht-diagnostischen Hinweise die Urteilsgenauigkeit der Lehrkräfte verbessern würden. Insgesamt nahmen 262 (angehende) Lehrpersonen aus drei Ländern an dieser Studie teil und wurden zufällig einer der folgenden drei Bedingungen für die Präsentation von Hinweisen zugeteilt: a) nur diagnostische Hinweise, b) sowohl diagnostische als auch nicht-diagnostische Hinweise oder c) diagnostische und nicht-diagnostische Hinweise mit Informationen darüber, welche Hinweise nicht-diagnostisch sind. Jede Versuchsperson bewertete die SRL-Fähigkeiten von vier fiktiven Schülerinnen einmal global auf einer siebenstufigen Skala und einmal getrennt nach den einzelnen SRL-Aspekten (Wiederholung, Organisation, Vertiefung, metakognitive Planung, Überwachung und Evaluation). Diagnostische Hinweise waren sorgfältig erstellte Lerntagebucheinträge, während nicht-diagnostische Hinweise handschriftliche Abschriften aus dem Unterricht und soziale Schulberichte waren, die z.B. die Teilnahme der Lernenden am Unterricht bewerteten. Die Analyse ergab signifikante Unterschiede in der Genauigkeit der globalen Bewertungen (F(2, 260) = 10,91, p < .001) und der Bewertungen einzelner Aspekte (F(2, 260) = 8,51, p < .001) der SRL-Fähigkeiten in den experimentellen Bedingungen. Die Bedingung mit ausschließlich diagnostischen Hinweisen erzielte die höchste Genauigkeit, mit einer durchschnittlichen globalen Genauigkeit von mglobal = 0.79 und einer durchschnittlichen Genauigkeit für Einzelaspekte von meinzel = 0.49. Im Gegensatz dazu führte die nicht-informierte Bedingung, die sowohl diagnostische als auch nicht-diagnostische Hinweise enthielt, zu der niedrigsten Diagnosegenauigkeit, mit mglobal = 0.71 und meinzel = 0.39. Darüber hinaus wurde ein signifikanter Unterschied in den globalen Bewertungen zwischen der informierten und nicht-informierten Bedingung festgestellt (T(178) = 1,68, p < .05, einseitig). Interessanterweise zeigten die Versuchpersonen bessere Urteilsfähigkeit bei der Bewertung metakognitiver Aspekte im Vergleich zu kognitiven Aspekten des SRL (T(262) = 3,68, p < .01). Unter den einzelnen Kategorien erhielten Wiederholung und Planung die genauesten Bewertungen, während die geringste Genauigkeit bei der Bewertung der Fähigkeit der Lernenden zur Organisation ihres Wissens festgestellt wurde (F(5, 1566) = 10,64, p < .001). Bemerkenswerterweise beeinflussten weder Selbstwirksamkeit noch Einstellungen zur Bedeutung des SRL die Urteilsleistung oder die Gruppenunterschiede. Wichtig ist, dass es keine signifikante Korrelation zwischen Vorwissen und Urteilsgenauigkeit gab, weder in den globalen noch in den Einzelaspekten. Die Ergebnisse sind konsistent zu früheren Befunden zur Nutzung nicht-diagnostischer Hinweise (Oudman et al., 2018; Van de Pol 2021; Furnari et al., 2017; Paleczek et al., 2017). Die Abwesenheit einer Korrelation zwischen Urteilsgenauigkeit und Vorwissen jedoch steht im Widerspruch zu früheren Befunden (Kramer et al., 2021; Renkl et al., 2009). Als mögliche Erklärungen werden der sehr niedrige Mittelwert und die fehlende Varianz diskutiert. Darüber hinaus wird die Möglichkeit besprochen, dass eher das Vorwissen über Diagnoseprozesse, welches nicht erfasst wurde, die Diagnosegenauigkeit beeinflusst (Pickal et al., 2023). Was macht einen guten Diagnostiker aus? Zum Zusammenhang der SRL-Kompetenz von Lehrkräften mit ihrer Urteilsgenauigkeit beim Erkennen von SRL-Strategien Selbstregulation beim Lernen (SRL) wirkt sich positiv auf Lernerfolg und Lernmotivation aus und ihre Förderung stellt einen wesentlichen Bildungsauftrag von Lehrkräften dar. Hierzu brauchen diese eine konkrete Vorstellung davon, wie selbstreguliert ihre Schüler bereits lernen (Dignath & Karlen, 2023). Nur sehr wenig Forschung hat sich bislang mit der Diagnose von SRL durch Lehrkräfte beschäftigt und womit diese zusammenhängt (Van de Pol et al., 2019). Ziel der Studie war daher zu untersuchen, welche Aspekte professioneller SRL-Kompetenz die Urteilsgenauigkeit von Lehrkräften bzgl. SRL vorhersagen. Die folgenden Forschungsfragen wurden untersucht: (1) Wie akkurat können Lehrkräfte den Einsatz von SRL-Strategien beurteilen? (2) Wird diese SRL-Urteilsgenauigkeit durch professionelle SRL-Kompetenzen der Lehrkraft vorhergesagt? Messung der SRL-Urteilsgenauigkeit. Zur Messung der Urteilsgenauigkeit wurde ein Instrument genutzt, das der Lehrkraft im Sinne des Verfahrens des Simulierten Klassenzimmers Lernproben einer fiktiven Schülerin darbietet, die bzgl. des Einsatzes von SRL-Strategien beurteilt werden soll (Dignath & Van de Pol, in Begutachtung). Die hier eingesetzte Lernprobe bestand aus einem Strategieinterview, in dem die Schülerin zu ihrem Lernverhalten befragt wurde, und wurde als Audiodatei und Transkript dargeboten. Für alle 14 Aussagen der Schülerin muss die Lehrkraft entscheiden, ob diese ein Indikator für ein strategisches Vorgehen ist. Messung der professionellen SRL-Kompetenz. Zur Erfassung des SRL-Wissens beantworteten die Lehrkräfte in einem offenen Antwortformat die Frage, was Sie unter Selbstregulation beim Lernen verstehen. Die Antworten wurden mit einem systematischen Kodierschema ausgewertet (Dignath & Sprenger, 2020), κ = .77, 95% CI [.70, .84]. Die Überzeugungen bzgl. SRL (Beliefs about Teaching and Learning (BALT) Questionnaire [Darmawan et al., 2020], Ω = .89) sowie die Selbstwirksamkeit der Lehrkraft, SRL effektiv fördern zu können (Teacher Self-Efficacy Scale to Implement SRL [TSES-SRL, De Smul et al., 2018], Ω = .94) wurden mithilfe von Fragebögen erfasst. Auch die eigene Selbstregulation der Lehrkraft beim Arbeiten (Dörrenbächer & Perels, 2016, Ω = .82) sowie die selbstberichtete Förderung von SRL im Unterricht (Self-Regulated Learning Inventory for Teachers [SRLIT; Lombaerts et al., 2007], für direkte Förderung: Ω = .83, für indirekte Förderung: Ω = .88) wurden mittels Fragebögen erhoben. Stichprobe. Insgesamt nahmen 206 Lehrkräfte an der Online-Datenerhebung teil (MAlter = 37.46 Jahre, SDAlter = 10.02, 82% weiblich, Unterrichtserfahrung: M = 10.62 Jahre, SD = 8.96). Ergebnisse. Mit Blick auf die SRL-Kompetenz erzielten die Lehrkräfte relativ niedrige Werte beim Wissen über SRL (M = 2.31, SD = 2.22 auf einer Skala von 1-10). Wie erwartet hatten sie im Durchschnitt mehr mit SRL-Theorie konsistente Überzeugungen (M = 4.98, SD = 0.49 auf einer 6-stufigen Skala) als inkonsistente Überzeugungen (M = 2.22, SD = 0.52). Die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen waren überdurchschnittlich hoch (M = 3.52, SD = 0.55 auf einer 5-stufigen Skala), wie auch ihre Einschätzung ihrer eigenen Selbstregulation (M = 3.13, SD = 0.47 auf einer 4-stufigen Skala). Für die Förderung von SRL im Unterricht gaben die Lehrkräfte im Durchschnitt eine mittlere Einschätzung ab (für direkte Förderung: M = 3.28, SD = 0.55; für indirekte Förderung: M = 3.26, SD = 0.49 auf einer 5-stufigen Skala). Die Daten zur SRL-Urteilsgenauigkeit werden derzeit ausgewertet. Bis zur Konferenz werden die Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der SRL-Urteilsgenauigkeit vorliegen. Wie schätzen Lehrkräfte die Kompetenzen im selbstregulierten Lernen ihrer Lernenden ein? Selbstreguliertes Lernen (SRL) ist entscheidend für erfolgreiches lebenslanges Lernen und ein wichtiges Bildungsziel (OECD, 2019). Selbstregulierte Schüler:innen setzen sich angemessene Ziele und regulieren ihren Lernprozess durch den Einsatz verschiedener kognitiver, metakogniti-ver, motivationaler und ressourcenbezogener Strategien (Pintrich, 2000). Erfolgreiche selbstregulierte Lernende sind motiviert, ihren Lernprozess zu überwachen und zu regulieren und ihr metakognitives Wissen zu aktivieren, um Strategien zielgerichtet einzusetzen (Pressley et al., 1989). Darüber hinaus haben sie ein "growth Mindset", d.h. sie sind davon überzeugt, dass ihre SRL-Kompetenzen durch Übung und Anstrengung verbessert werden können (Hertel & Karlen, 2021). Viele Schüler:innen bekunden jedoch Mühe bei der Selbstregulation ihres Lernens und benötigen eine angemessene Unterstützung durch ihre Lehrkräfte. Dies setzt voraus, dass die Lehrkräfte die SRL-Kompetenzen ihrer Schüler:innen genau einschätzen können. Es gibt nur wenige Untersuchungen zur diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften im Bereich des SRL. Diese deuten darauf hin, dass diese Aufgabe für die Lehrkräfte anspruchsvoll ist und dass sie Schwierigkeiten haben, ein genaues Urteil zu fällen (Karlen et al., 2023; Stang & Urhahne, 2016; van de Pol & Oudman, 2023). Ziel dieser Studie ist es zu untersuchen, 1) wie genau Lehrkräfte verschiedene SRL-Kompetenzen ihrer Schüler:innen einschätzen und 2) inwiefern sich die Ur-teilsgenauigkeit der Lehrkräfte über die Zeit verändert. An dieser Längsschnittstudie nahmen N = 40 Lehrkräfte (60.00% weiblich) der Sekundarstufe I (M = 13.51 Jahre Berufserfahrung, SD = 10.85) mit ihren Klassen teil. Die Lehrpersonen schätz-ten verschiedene SRL-Kompetenzen der ersten vier Schüler:innen auf ihrer Klassenliste ein. Von diesen Schüler:innen nahmen N = 155 (42.58% weiblich) mit einem Alter von M = 14.15 Jahren (SD = 0.86) an der Studie teil. Die Schüler:innen füllten einen Online-Fragebogen (u.a. zu demographischen Angaben) aus und bearbeiteten in einem Online-Diagnosetool Selbstberichtaufgaben (Mindsets und Beharrlichkeit) und metakognitive Wissenstests zu verschiedenen SRL-Kompetenzbereichen (kognitive Strategien, Motivationsregulation, Zeitplanung, Nachdenken über das Lernen und Lernumgebung). Um den Grad der Übereinstimmung zwischen den Ein-schätzungen der Lehrkräfte und den tatsächlichen Merkmalen der Schüler:innen zu bestimmen, wurden Differenzwerte und Korrelationen berechnet. Die Mehrebenenstruktur der Daten wurde berücksichtigt, indem Analysen mit in Klassen geclusterten Schüler:innen berechnet wurden. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Einschätzungen der Lehrkräfte mit den Selbstberichten und den Wissensscores der Schüler:innen nur in geringem Umfang überein-stimmen (t1 r = .11. bis r = .34; t2 r = .03. bis r = .36). Die berechneten Differenzwerte zwischen den Einschätzungen der Lehrpersonen und den tatsächlichen Merkmalen der Schüler:innen un-terscheiden sich zwischen t1 und t2 nur beim Kompetenzbereich Motivationsregulation. Hier zeigt sich eine signifikant schlechtere Urteilsgenauigkeit zum zweiten Messzeitpunkt (Mdiff = -0.29, p < .05). Hinsichtlich der Entwicklung der Urteilsgenauigkeit kann unterschieden werden zwischen Lehrkräften mit zu t1 hoher versus niedriger Urteilsgenauigkeit in einem Kompetenzbereich (Median-Split). So zeigt sich bei tiefer Urteilsgenauigkeit zu t1 in den meisten SRL-Kompetenzbereichen (ausser bei Mindsets) eine Verbesserung der Urteilsgenauigkeit zu t2. Bei den Lehrpersonen mit zu t1 höherer Urteilsgenauigkeit gab es keine Veränderung über die Zeit. Es könnte demnach sein, dass die Nutzung des Online-Tools insbesondere für Lehrkräften mit geringer Urteilsgenauigkeit hilfreich ist. Insgesamt machen diese Ergebnisse deutlich, dass Lehrkräfte bei der Entwicklung ihrer diagnostischen Kompetenz im Bereich des SRL mehr Unterstützung benötigen. |
15:20 - 17:00 | 3-08: Lehrkrafteinstellungen zu LGBTIQ Schüler:innen Ort: H06 |
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Symposium
Lehrkrafteinstellungen zu LGBTIQ Schüler:innen Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere (verbreitetes englischsprachiges Akronym: LGBTIQ) Schüler:innen erleben aufgrund ihrer sexuellen und/oder geschlechtlichen Identität nach wie vor Marginalisierung und Diskriminierung in der Schule (Gegenfurtner & Gebhardt, 2017). Forschungsergebnisse zeigen, dass Lehrkräfte eine wesentliche Rolle bei der Prävention und Unterbindung von (subtilen oder offenen) Formen homo- und transphobem Verhaltens spielen können (Klocke et al., 2019). Dabei scheinen die individuellen Einstellungen einer Lehrkraft gegenüber LGBTIQ Schüler:innen von zentraler Bedeutung zu sein (Hall & Rodgers, 2019; Glock & Kleen, 2020; Gegenfurtner et al., 2023). Lehrkräfte mit positiven Einstellungen gegenüber LGBTIQ Schüler:innen neigen eher dazu, sich verschiedenen Formen der Diskriminierung von LGBTIQ Schüler:innen entgegenzustellen; so können sie maßgeblich helfen, Schule zu einem sicheren Ort des Lernens und der Persönlichkeitsentfaltung für LGBTIQ Schüler:innen zu gestalten (Page, 2017; Zotti et al., 2019). Unser Symposium vereint drei Beiträge, die Lehrkrafteinstellungen zu LGBTIQ Schüler:innen untersuchen. Im ersten Beitrag wurden angehende Lehrkräfte im luxemburgischen Bildungskontext befragt und deren Einstellungen zu lesbischen, schwulen und bisexuellen Schüler:innen untersucht. Dabei fokussiert der Beitrag auf der Frage, welche Rolle soziale Kontakte der angehenden Lehrkräfte mit lesbischen, schwulen und bisexuellen Personen spielen und welchen Einfluss deren politische Orientierung, Religiosität sowie deren Vorstellungen von Geschlechterrollen haben. Der zweite Beitrag nutzt ein Multi-Method-Design, um implizite und explizite Einstellungen von Lehramtsstudierenden gegenüber lesbischen und schwulen Schüler:innen zu untersuchen. Dabei wurde analysiert, inwiefern implizite (gemessen mittels eines impliziten Assoziationstests) und explizite Einstellungen zusammenhängen und ob Vorurteile, soziale Kontakte, die eigene sexuelle Orientierung, Geschlecht, politische Haltung und Religiosität implizite Einstellungen statistisch vorhersagen. Weiterhin wurde untersucht, ob sich während der Bearbeitung des impliziten Assoziationstests Fixationsdauer und Pupillendurchmesser beim Lesen konsistenter und inkonsistenter Kategorie/Attribut-Paare als Indikator für automatische Assoziationen unterscheiden. Der dritte Beitrag vereint zwei Studien, in denen jeweils Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte im deutschen Bildungskontext befragt wurden. Der Beitrag geht dabei der Frage nach, welche Faktoren Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte darin unterstützen, gegen Diskriminierung queerer Schüler:innen vorzugehen und sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu berücksichtigen. Dieses Symposium umfasst drei Beiträge, die sich mit den Einstellungen von Lehrkräften gegenüber LGBTIQ Schüler:innen beschäftigen und geht den Fragen nach, wie positiv deren Einstellungen insgesamt sind und welche Faktoren einen Einfluss auf diese Einstellungen haben. Dabei nutzen die Beiträge komplementäre Forschungsansätze und sind in verschiedenen Bildungssystemen verortet. Auf diese Weise trägt das Symposium dazu bei, wichtige neue Erkenntnisse in einem wenig beforschten Feld zu gewinnen, verbunden mit dem Anspruch, die Forschung auf diesem Gebiet insgesamt voranzutreiben. Beiträge des Symposiums Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Schüler:innen: Eine prä-registrierte Fragebogenstudie mit luxemburgischen Lehramtsstudierenden Theoretischer Hintergrund: Lesbische, schwule und bisexuelle (englisch: lesbian, gay, and bisexual, im Folgenden daher LGB) Schüler:innen sind in verschiedenen Kontexten mit Viktimisierung konfrontiert, auch im Bildungskontext. Inwieweit Lehrer:innen hier eine wichtige Ressource darstellen können, scheint mit ihren Einstellungen gegenüber sexuellen Minderheiten zusammenzuhängen. Dies äußert sich beispielsweise darin, dass Lehrer:innen mit ungünstigen Einstellungen seltener eingreifen, wenn sie mit homophoben Verhaltensweisen in der Schule konfrontiert werden (Zotti et al., 2019). Dementsprechend ist es wichtig, mehr über die Einstellungen von Lehrer:innen und deren Korrelate herauszufinden, da dies Ansatzpunkte für sensibilisierende Interventionen in der Lehrerbildung liefern kann, die die Situation von LGB Schüler:innen im schulischen Umfeld weiter verbessern könnten. Fragestellung: In enger Anlehnung an eine Studie von Gegenfurtner et al. (2021) mit deutschen Lehramtsstudierenden gingen wir u.a. der Frage nach, welche Rolle vorheriger sozialer Kontakt mit LGB Personen sowie die eigene politische Orientierung und Religiosität für Einstellungen gegenüber LGB Schüler:innen spielen. Dabei berücksichtigten wir methodische Mängel, die von Gegenfurtner et al. (2021) identifiziert wurden, nahmen Hypergendering-Tendenzen (d. h. die Tendenz, traditionelle Vorstellungen von Geschlechterrollen zu befolgen) als möglichen weiteren Prädiktor in den Blick und platzierten die Untersuchung in den luxemburgischen Bildungskontext. Methode: Details zu Forschungsfragen und -hypothesen sowie zum Studiendesign können der Prä-Registrierung zur Studie entnommen werden (https://osf.io/24ajg). In unsere Analysen gingen die Antworten von 138 angehenden Lehrer:innen ein, die im Wintersemester 2022 an der Universität Luxemburg in einem der Lehramtsstudiengänge eingeschrieben waren (52.2% waren zwischen 21 und 23 Jahre alt) und eine Einladung zur Teilnahme an einer Onlinebefragung über SoScisurvey zugestimmt hatten. Einstellungen gegenüber LGB Schüler:innen wurden jeweils sowohl als Einzelitem per „Gefühlsthermometer“ (Gegenfurtner et al., 2021) als auch umfassender erfragt (z.B. “Attitudes Toward Lesbians and Gay Men Scale, Revised 5-Item Version”, Herek & McLemore, 2011) . Außerdem wurden Hypergendering, frühere soziale Kontakte mit LGB Personen (innerhalb von Familien- und Freundesnetzwerken), Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Religiosität und Rechtskonservatismus per Selbstbericht erfasst. Ergebnisse: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch die angehenden luxemburgischen Lehrer:innen überwiegend positive Einstellungen gegenüber LGB Schüler:innen aufweisen. Dennoch konnten wir anhand von Korrelations- und multiplen Regressionsanalysen die Häufigkeit der Kontakte mit LGB Personen in Familien- oder Freundeskreisen, Hypergendering-Tendenzen sowie die eigene sexuelle Orientierung und Religiosität als zuverlässige Prädiktoren für die Einstellung gegenüber LGB Schüler:innen identifizieren. Alter, Geschlecht und Rechtskonservatismus sagten die Einstellungen der angehenden Lehrer:innen nicht zuverlässig vorher. Diskussion: Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die zukünftigen luxemburgischen Lehrer:inner dieselben (positiven) expliziten Einstellungen gegenüber Schüler:innen mit einer der drei untersuchten sexuellen Orientierungen aufweisen, also kaum zwischen den verschiedenen sexuellen Minderheiten unterscheiden. Weiterhin deuten unsere Befunde auf eine Bestätigung der Theorie des Intergruppenkontakts (z.B. Pettigrew & Tropp, 2006) hin und identifizieren Hypergendering-Tendenzen als weitere mögliche Ausgangsbedingung für Einstellungen gegenüber LGB Schüler:innen. Dabei deutete sich an, dass die Erfassung von Einstellungen per umfassender Skala der Erfassung per Gefühlsthermometer überlegen ist. Zukünftige Forschung sollte dennoch darüber hinaus auch verstärkt implizite Einstellungsmaße nutzen, um den Einfluss der sozialen Erwünschtheit zu reduzieren. Für die Lehrerbildung deuten unsere Befunde an, dass es sinnvoll sein könnte, Kontakt zwischen angehenden Lehrer:innen und der LGBTQIA+-Gemeinschaft zu fördern sowie Maßnahmen in die Ausbildung einzubinden, die helfen Geschlechtsstereotype zu hinterfragen. Implizite und explizite Einstellungen von Lehramtsstudierenden gegenüber homosexuellen Schüler*innen Theoretischer Hintergrund In der Ausübung von gutem Unterricht sind positive Einstellungen von Lehrkräften von hoher Bedeutung. Im Moment sind Einstellungen zu homosexuellen Schüler*innen jedoch noch wenig untersucht (Gegenfurtner et al., 2023; Hall & Rodgers, 2019; Klocke, in press). Auf Basis der Einstellungstheorie (Eagly & Chaiken, 2007), der Intergruppenkontakttheorie (Pettigrew & Tropp, 2006) und der Selbstkategorisierungstheorie (Turner et al., 1987) untersucht die vorliegende Arbeit in einem Multi-Method-Design das Ausmaß und die Prädiktoren impliziter und expliziter Einstellungen von Lehramtsstudierenden gegenüber homosexuellen Schüler*innen. Fragestellung Drei Fragestellungen wurden adressiert. Konkret wurde untersucht, inwiefern implizite und explizite Einstellungen korrelieren (Forschungsfrage 1), ob Vorurteile, sozialer Kontakt, eigene sexuelle Orientierung, Geschlecht, politische Haltung und Religiosität implizite Einstellung prädizieren (Forschungsfrage 2) und ob sich Fixationsdauer und Pupillendurchmesser beim Lesen konsistenter und inkonsistenter Kategorie/Attribut-Paare während der Bearbeitung des impliziten Assoziationstests als Indikator für automatische Assoziationen unterscheiden (Forschungsfrage 3). Methode Teilnehmende waren 78 Lehramtsstudierende (52 weiblich) mit einem Durchschnittsalter von 21.3 Jahren (SDAlter = 3.8). Von den Teilnehmenden stuften sich 53 als heterosexuell und 24 als nicht-heterosexuell ein. Eine Person gab keine Auskunft und wurde daher von den weiteren Analysen exkludiert. Implizite Einstellungen gegenüber homo- und heterosexuellen Schüler*innen wurden mit einem impliziten Assoziationstest gemessen (Greenwald et al., 1998). Für die Zielkategorie „sexuelle Orientierung“ wurden fünf Begriffe mit je einer homosexuell (z.B. lesbisch) beziehungsweise heterosexuell (z.B. heterosexuell) bezeichnenden Orientierung verwendet. Für die Attributkategorie wurden angenehme (z.B. moralisch) bzw. unangenehme (z.B. böse) Adjektive gewählt. Explizite Einstellungen gegenüber homosexuellen und heterosexuellen Schüler*innen wurden mit je einem modifizierten 101-punktskalierten Gefühlsthermometer erhoben (Norton & Herek, 2013), das von 0 bis 100 skaliert war. Vorurteile (α = .92) wurden mit adaptierten Items von Hachfeld et al. (2012) auf einer 7-stufigen Likert-Skala erhoben. Politische Orientierung wurde mit einem dichotomen Item erhoben und die Antworten wurden als 0 = “Links der Mitte“ und 1 = „Rechts der Mitte“ kodiert (Gegenfurtner et al., 2023). Subjektive Religiosität wurde mit der Frage „Wie religiös sind Sie?“ mit den Ausprägungen 1 = „sehr unreligiös“ bis 7 = „sehr religiös“ erhoben (Gegenfurtner et al., 2023). Sozialer Kontakt wurde mit drei siebenstufigen Likert-Items zur Häufigkeit des Kontakts zu homosexuellen Personen in der Familie, im Freundeskreis und im weiteren Bekanntenkreis gemessen (Gegenfurtner et al., 2023). Die Augenbewegungen der Teilnehmenden wurden während der Bearbeitung des impliziten Assoziationstests mit einem Tobii Eye Tracker aufgezeichnet und als Fixationsdauer und Pupillendurchmesser während der Betrachtung konsistent und nicht-konsistent wahrgenommener Textstimuli analysiert. Ergebnisse Die erste Forschungsfrage fokussierte den Zusammenhang zwischen impliziten und expliziten Einstellungsmessungen. Die Korrelationen der impliziten und expliziten Einstellungen waren weder für homosexuelle Schüler*innen, ρ = .02, p = .85 noch für heterosexuelle Schüler*innen statistisch signifikant, ρ = -.12, p = .30. Die zweite Forschungsfrage fokussierte die Prädiktoren der impliziten Einstellungen. Das gesamte Modell ist statistisch signifikant, F (8, 56) = 2.34, p < .05, allerdings war keine der Prädiktorvariablen signifikant, möglicherweise aufgrund der geringen Stichprobengröße. Die dritte Fragestellung adressierte Unterschiede in Fixationsdauer und Pupillendurchmesser beim Lesen konsistenter und inkonsistenter Kategorie/Attribut-Paare im impliziten Assoziationstest. Die Ergebnisse zeigen einen statistisch signifikanten Unterschied bei der Variable Pupillendurchmesser, F (1, 56) = 5.28, p = .03, η2 = .086, mit einer größeren Pupillendilation beim Lesen inkonsistenter Paare. Diskussion Eine geringe Korrelation impliziter und expliziter Einstellungen deckt sich mit Befunden zu anderen Heterogenitätsdimensionen (Kleen, 2021; Pit-ten Cate & Glock, 2019). Die Studie trägt zum noch geringen Forschungsstand über Lehrkrafteinstellungen zu nicht-heterosexueller Orientierung bei (Gegenfurtner et al., 2023; Hall & Rodgers, 2019; Klocke, in press). Limitationen der Studie liegen in der geringen Stichprobengröße und in der Fokussierung auf Homosexualität—Analysen zu den Einstellungen gegenüber bisexuellen oder trans’ Schüler*innen würden die Ergebnisse weiter vertiefen. Interessant wäre zudem der Vergleich der Lehramtsstudierenden mit erfahrenen Lehrkräften. Oft beschimpft, aber selten sichtbar: Was bewegt pädagogische Fachkräfte an Schulen dazu, sich für queere Jugendliche einzusetzen? Queere Jugendliche, hier verstanden als Jugendliche, die Geschlechternormen nicht erfüllen, haben ein deutlich höheres Suizidrisiko, auch weil sie in der Schule oft Ablehnung erwarten oder erleben. Pädagogische Fachkräfte (PF), insbesondere Lehrkräfte haben daher ihnen gegenüber eine besondere Verantwortung. Doch was bewegt PF dazu, gegen Diskriminierung queerer Personen vorzugehen und sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (SGV) zu berücksichtigen? Angelehnt an die die Theorie geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991) haben wir vor allem spezifische verhaltensrelevante Überzeugungen und Bewertungen als mögliche Einflussfaktoren untersucht: PF sollten sich demnach umso mehr für queere Jugendliche einsetzen, je mehr sie dadurch Konsequenzen erwarten, die sie positiv bewerten (z.B. Akzeptanzsteigerung), je weniger sie negativ bewertete Konsequenzen erwarten (z.B. Konflikte), je überzeugter sie sind, dass andere Personen (z.B. Schüler*innen) ihr Verhalten wertschätzen und je mehr verhaltenserleichternde Bedingungen (z.B. Verfügbarkeit passender Lehrmaterialien) sie wahrnehmen. Zudem haben wir Faktoren berücksichtigt, die in existierender, oftmals qualitativer Forschung oder in eigenen Vorstudien (s.u.) identifiziert wurden, beispielsweise die Überzeugung, dass queere Jugendliche durch ihr Auftreten Diskriminierung provozieren (Preston, 2016) oder die Existenz von Unisextoiletten an der Schule. Für Studie 1 haben wir mit Hilfe von Verbänden, Kultusministerien und Schulleitungen deutschlandweit online Lehrkräfte befragt (Klocke, Latz & Scharmacher, 2019). Analysiert werden konnten 1,102 Lehrkräfte aller Jahrgangsstufen, die hinsichtlich Geschlecht und Alter repräsentativ für Lehrkräfte in Deutschland waren. Kriteriumsvariablen waren die Thematisierung von SGV gegenüber den Schüler*innen und die Intervention gegen Diskriminierung queerer Personen. Prädiktoren waren spezifische Überzeugungen und Bewertungen, vor allem aus der Theorie geplanten Verhaltens und situative Variablen (Teilnahme an Fortbildungen, Schulleitbild, unterrichtete Fächer und Jahrgänge und Kontakt zu queeren Personen). Für Studie 2 haben wir eine nach Bezirk und Schulart geschichtete Zufallsstichprobe von 43 Schulen (Rücklaufquote 42%) aus allen Berliner Schulen gezogen, in denen ein Online-Fragebogen an sämtliche PF weitergeleitet wurde (Klocke, Salden & Watzlawik, 2020). Analysiert wurden Antworten von 534 PF (Rücklaufquote 20%), darunter 82% Lehrkräfte. Hinsichtlich Geschlecht war die Stichprobe repräsentativ für Berliner Lehrkräfte, unter 40-Jährige waren allerdings überrepräsentiert. Kriteriums- und Prädiktorvariablen aus Studie 1 wurden anhand qualitativer Vorstudien (vier Fokusgruppen mit 30 Expert*innen und elf problemzentrierte Interviews mit PF) ergänzt. Die deskriptiven Ergebnisse zeigen, dass queere, insbesondere trans* und inter* Personen an Schulen nach wie vor wenig sichtbar sind: Nur eine Minderheit der PF wusste von offen lebenden queeren Schüler*innen. Die meisten PF identifizierten die aktuellen Definitionen von Trans- und Intergeschlechtlichkeit nicht korrekt und wussten nicht, dass die Mehrheit queerer Personen bis zum Alter von 15 Jahren ihr inneres Coming Out haben. Fast alle PF hatten erlebt, dass queer-bezogene Begriffe (z.B. „Schwuchtel“) von Schüler*innen als Schimpfwörter verwendet wurden. Etwa die Hälfte gab an, daraufhin jedes Mal ihre Missbilligung deutlich gemacht zu haben. Allerdings verwendete nur eine Minderheit Materialien oder erwähnte Beispiele, in denen auch queere Personen vorkommen. Wünschten Schüler*innen mit Vornamen oder Pronomen angesprochen zu werden, die nicht dem Geschlecht in ihrer Geburtsurkunde entsprachen, gaben acht von zehn PF an, diese zu verwenden. Die regressionsanalytischen Ergebnisse (Studie 1) bzw. Mehrebenenanalysen (Studie 2) zeigen, dass PF sich vor allem für queere Schüler*innen einsetzen, wenn sie an entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen haben und (daher) annehmen, dass sie bei Diskriminierung kompetent intervenieren können und mit ihrem Verhalten etwas bewirken können. Auch der Zugang zu passenden Lehrmaterialien, das Unterrichten von Biologie, gesellschaftswissenschaftlichen Fächern oder Sprachen, persönlicher Kontakt zu queeren Personen und die Annahme, dass die eigene Schule ein queer-inklusives Antidiskriminierungsleitbild hat, erhöhten die Wahrscheinlichkeit, sich zu engagieren. Keine Effekte zeigten sich u.a. für die Wahrnehmung von Diskriminierung sowie das Wissen um erhöhte Suizidalität und Alter des inneren Coming-outs queerer Jugendlicher. Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass queer-inklusive Rahmenbedingungen und die Steigerung der Selbstwirksamkeit von PF wirkungsvoller sind als die Sensibilisierung für die schwierige Situation queerer Jugendlicher. |
Datum: Dienstag, 19.03.2024 | |
10:30 - 12:10 | 4-07: Wie kann Wissenstransfer zwischen Schulpraxis und Bildungsforschung gelingen? Neue Erkenntnisse zu Wissenschaft-Praxis-Kooperationen Ort: H06 |
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Symposium
Wie kann Wissenstransfer zwischen Schulpraxis und Bildungsforschung gelingen? Neue Erkenntnisse zu Wissenschaft-Praxis-Kooperationen Die Forderung nach Evidenzorientierung im Bildungswesen wird sowohl in Deutschland als auch international seit gut zwei Jahrzehnten intensiv diskutiert (Schrader, 2014; Farley-Ripple et al., 2018; Sjölund et al., 2022). Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind in den letzten Jahren vielfältige bildungspolitische Maßnahmen – oftmals Top-Down (vgl. Gräsel, 2010) ergriffen worden – nicht immer erfolgreich. Immer wieder wird vom sogenannten „research-practice gap“, gesprochen und es gilt, Wege und Möglichkeiten zu finden, diese Lücke zu verringern (Phelps, 2019), um wirksame Methoden und aktuelle Erkenntnisse für die Schulpraxis nutzbar und implementierbar zu machen. In den letzten Jahren beginnt sich eine Vorstellung durchzusetzen, dass die Bildungsforschung sich während des gesamten Konzeptions- und Forschungsprozesses stärker an den tatsächlichen Bedarfen der Bildungspraxis orientieren müsse. Theoretische Modelle, die sich damit befassen, wie dies gelingen kann, betonen die Relevanz eines bidirektionalen Wissenstransfers zwischen Bildungsforschung und Schulpraxis (Brühwiler & Leutwyler, 2020; Farley-Ripple et al., 2018). Eine Möglichkeit dafür wird in engen Kooperationen zwischen Forschenden und pädagogisch tätigen Personen gesehen, die darauf abzielen, Bildungsforschung und Schulpraxis gemeinsam zu gestalten. Coburn und Penuel (2016) sprechen in diesem Zusammenhang von Research-Practice Partnerships (RPP), im Deutschen meistens als Wissenschaft-Praxis-Kooperationen bezeichnet. In der engeren Auslegung des Begriffs werden RPP als langfristige Kooperationen beschrieben, die gemeinsam praxisorientierte Forschungsfragen formulieren und bearbeiten. Die Partnerschaften arbeiten gezielt zusammen an der Erhebung, Analyse und Aufbereitung von Daten, wobei die jeweiligen Expertisen anerkannt werden. In den USA sind solche Partnerschaften an der Schnittstelle zwischen Bildungsforschung und Bildungspraxis bereits eine gängige Methode, um Herausforderungen der Schulpraxis zu begegnen. Das Forschungsfeld, das sich mit RPP, ihren Eigenschaften und Erfolgsaussichten beschäftigt, wächst stetig (Penuel et al., 2020). In Deutschland hingegen findet sich ein breites Spektrum vornehmlich lokaler Wissenschafts-Praxis-Kooperationen. Sie reichen von Projekten einzelner universitärer Fach- oder Arbeitsbereiche und engagierten Einzelschulen (z.B. Design-Based-Research) über längerfristig angelegte Kooperationen im Kontext von Universitäts- oder Versuchsschul-Programmen. Großangelegte BMBF-Vorhaben wie beispielsweise das Schule macht stark oder lernen:digital versuchen darüber hinaus, Ko-Konstruktionsprozesse zwischen Bildungsforschung und Schulpraxis auf struktureller/institutioneller Ebene anzuregen. Dennoch haben RPP in Deutschland bisher vergleichsweise wenig Beachtung hinsichtlich ihrer Beforschung erfahren. Auch international ist das Wissen über Gestaltungsmerkmale von entsprechenden Partnerschaften sowie über Gelingensbedingungen und Herausforderungen, die mit ihnen einhergehen, insgesamt noch lückenhaft (Coburn & Penuel, 2016). Das hier vorgestellte Symposium wird dazu beitragen, aktuelle Forschungsbefunde aus Deutschland über Wissenschaft-Praxis-Kooperationen zusammenzufassen. Basierend auf vier Einzelbeiträgen wird ermittelt, wie ko-konstruktive Transferaktivitäten zwischen Schulpraxis und Wissenschaft in Form von RPP gelingen können bzw. welche Aspekte dabei hinderlich sind. In Beitrag 1 wird am Beispiel des Schulversuchs Universitätsschule Dresden der Austausch zwischen Forschenden und pädagogisch tätigen Personen beschrieben. Dabei wird insbesondere darauf eingegangen, welche Relevanz die Konzepte Dialog und Resonanz in diesem Kontext haben. In Beitrag 2 wird die Frage von Gegenseitigkeit im Rahmen von RPP thematisiert. Anhand von vier Leitfragen wird ermittelt, welche Stakeholder beteiligt sind, welche Ziele die verschiedenen Stakeholder verfolgen, welche Rollen sie einnehmen und wie Wissen zwischen Wissenschaft und Praxis ausgetauscht wird. Mithilfe der Fragen wird reflektiert, inwiefern Gegenseitigkeit, als ein zentrales Merkmal von Wissenschafts-Praxis Kooperationen im groß angelegten BMBF-Verbund Schule macht stark beachtet und umgesetzt wird. In Beitrag 3 werden Befunde einer systematischen Literaturrecherche vorgestellt. In dem Review werden die komplexen Mechanismen von RPP untersucht und es wird ermittelt, welche Funktionen RPP anstreben, welche Einheiten und Eigenschaften dabei eine Rolle spielen und welche Interaktionen zwischen Einheiten und Eigenschaften dabei zu beobachten sind. Beitrag 4 widmet sich der Frage nach Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in RPP im Kontext der Lehrer*innenausbildung. Hier wird die Arbeit von Entwicklungsteams in der Lehrer*innenbildung evaluiert und Befunde einer Fragebogenerhebung vorgestellt. Im Anschluss werden die vier Einzelbeiträge durch einen Diskutanten hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Forschungsfeld und eine evidenzorientierte Schulpraxis reflektiert. Beiträge des Symposiums Dialog und Resonanz zwischen Schulpraxis und Wissenschaft am Beispiel des Schulversuches Universitätsschule Dresden Die Universitätsschule ist ein 15jähriger Schulversuch beantragt durch Wissenschaftler:innen der TU Dresden und genehmigt durch das Sächsische Kultusministerium und der KMK angezeigt. Die Universitätsschule ist eine Gemeinschaftsschule vom 1. bis zum 12. Jahrgang in Trägerschaft der Stadt Dresden (Langner & Heß, 2020). Gestartet ist der Schulversuch 2019, die Schule wird vollaufgewachsen sein mit ca. 1000 Schüler:innen im Schuljahr 2026/27. Die Universitätsschule stellt ein Real-Labor (Schäpke et al., 2018) dar, die Forschung an dem Schulversuch lässt sich mit dem Design Based Research Ansatz (Gess et al., 2014) wie aber auch dem Ansatz der gestaltenden Bildungsforschung (Tulodziecki, 2019) charakterisieren (vgl. Langner et al., 2020). Im Rahmen des Beitrags im Symposium wird vor allem die Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und wissenschaftlicher Leitung für vier ausgewählten Themen genauer betrachtet. Drei dieser vier Themen stehen exemplarisch für die nach Rolff (2016) beschrieben Schwerpunkte der Schulentwicklung: Organisationsentwicklung, Unterrichtsentwicklung und Personalentwicklung, darüber hinaus spielt ein viertes Thema – die Bildungspolitik – eine bedeutende Rolle. Diese Themen sind das Ergebnis der Analyse des Chatverlaufs zwischen Schulleitung und wissenschaftliche Leitung im 2. Schuljahr des Schulaufbaus. Hinsichtlich des Themas der Bildungspolitik wird herausgearbeitet, dass das Zusammenspiel der beiden Rollen – Schulleitung und wissenschaftliche Leitung - wesentlicher Bestandteil für die Etablierung dieses Schulversuches und damit auch für die Umsetzung von Schulentwicklung ist. Die Darstellung der Zusammenarbeit von wissenschaftlicher Leitung und Schulleitung an Hand der exemplarischen Themen zielt darauf ab, herauszuarbeiten, dass das Verhältnis von Schulpraxis und Wissenschaft mehr als ein Rückmelden von Evidenz und/oder Datenanalyse ist, wenn die Gestaltung von Bildungsinnovation das Ziel sein soll. Vielmehr muss es darum gehen, dass sowohl Praxis als auch Forschung gemeinsam für das Gelingen von Schule Verantwortung übernimmt – jeweils in ihrer Rolle als Schulleitung und in ihrer Rolle als wissenschaftliche Leitung - und ein Scheitern eine mögliche Option sein kann. Die gegenseitige Anerkennung der Expertise des anderen ist unabdingbar wie Resonanz im Handeln und im Dialog (Rosa, 2019) miteinander. Gemeinsames Gestalten und Entwickeln von Schule bedarf Respekt und Wertschätzung, es ist nicht institutionell anzulegen. Die notwendige Resonanz zwischen den beiden Akteur:innen soll für die ausgewählten Themen herausgearbeitet werden. Die Gegenseitigkeit im Fokus: Vier Fragen an Research-Practice-Partnerships Der Transfer zwischen Bildungsforschung und Bildungspraxis hat in den vergangenen Jahren besondere Aufmerksamkeit bekommen und wird aktuell als zentrale Voraussetzung diskutiert, um den Herausforderungen im Bildungssystem begegnen zu können. Um zu verstehen, wie erfolgreicher Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis gelingen kann, ist es notwendig, die unterschiedlichen Handlungslogiken, Mechanismen und Strukturen beider Seiten zu betrachten (Blatter & Schelle, 2022). Theoretische Ansätze wie der “Conceptual Framework on the Research-Practice-Gap” von Farley-Ripple et al. (2018) oder das Konzept der „Knowledge Mobilization“ von Cooper et al. (2020) beschreiben dieses ambivalente Verhältnis und nennen Bidirektionalität, Reziprozität und Partnerschaft als zentrale Eigenschaften gelingender Zusammenarbeit. In ähnlicher Weise betont das Positionspapier der Landesinstitute und Qualitätseinrichtungen der Länder zum Transfer von Forschungswissen, dass es beim Transfer von wissenschaftlichem Wissen in die Bildungspraxis einer ko-konstruktiven Zusammenarbeit und der Wertschätzung der Expertisen der jeweils beteiligten Wissenschafts- und Praxisvertretr:innen bedarf (Bieber et al., 2018). Research-Practice-Partnerships (RPPs) sind eine Möglichkeit ko-konstruktive Beziehungen zwischen Wissenschaft und Praxis umzusetzen. In RPPs bearbeiten Wissenschafts- und Praxisvertretr:innen gemeinsam und langfristig Probleme der Praxis. Die Zusammenarbeit beruht dabei auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und es werden gezielt Strategien genutzt, um die Partnerschaft zwischen den Beteiligten zu fördern (Coburn et al., 2013). Wie aber kann das Gegenseitigkeitsprinzip in RPPs umgesetzt und vor allem für die Praxisvertreter:innen sichtbar werden? In unserem Beitrag möchten wir die Gegenseitigkeit in RPPs konkretisieren und konzeptuell ausleuchten. Wir arbeiten dazu vier Fragen heraus, die es ermöglichen, die Gegenseitigkeit im Kontext von RPPs umzusetzen oder zu untersuchen. Anschließend wenden wir die vier Fragen auf das SchuMaS-Projekt an, ein aktuelles Beispiel für RPPs aus der deutschen Forschungslandschaft. Zunächst gehen wir davon aus, dass die Stakeholder in RPPs von Seite der Wissenschaft in der Regel homogener in ihren persönlichen Hintergründen, Einstellungen und beruflichen Erfahrungswelten sind, als die Stakeholder aus der Praxis. Diese Heterogenität der Stakeholder sollte Berücksichtigung in der Planung und Durchführung von RPPs finden, indem als erstes die Frage gestellt wird: Welche Stakeholder sind in der RPP vertreten? Mit der Heterogenität der Stakeholder aus der Praxis geht möglicherweise eine Heterogenität der Ziele in RPPs einher. Da Schule von Komplexität und Unsicherheit geprägt ist, was ambigue Ziele produziert (Mintrop & Zumpe, 2019), sollten die Ziele aller Akteure klar definiert werden. Daraus ergibt sich die zweite Frage: Welche Ziele verfolgen die Stakeholder in der RPP? Je nach Zielsetzung der RPPs können die Rollen der Stakeholder aus Wissenschaft und Praxis unterschiedlich ausgestaltet sein. Verschiedene Rollenkonstellationen gehen dabei mit jeweils unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen einher (Sjölund et al., 2022). Die Rollen können sich dabei im Verlauf eines Projekts ändern und an verschiedenen Stellen zu Konflikten führen (Farrell et al., 2019). Mit unserer dritten Frage plädieren wir dafür, Rollen aktiv in RPPs zu thematisieren: Welche Rollen haben die Stakeholder in der RPP? Schließlich wird in theoretischen Modellen und empirischer Forschung zu RPPs häufig der Fokus auf den Transfer von wissenschaftlichem Wissen in die Praxis gelegt. Seltener wird untersucht, wie Praxiswissen in die Wissenschaft gelangt. Soll die Zusammenarbeit auf Augenhöhe ernst genommen werden und in RPPs auch die Wissenschaft durch die Praxis verändert werden, kann unsere vierten Frage angeführt werden: Wie fließt Wissen zwischen Praxis und Wissenschaft in der RPP? Anhand des SchuMaS Projekts, in dem ko-konstruktiv Schulentwicklungsmaßnahmen entwickelt, umgesetzt und verbreitet werden sollen, zeigen wir exemplarisch, wie die vier Fragen helfen können, das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis im Rahmen von RPPs in den Blick zu nehmen. Insbesondere reflektieren wir, inwiefern Gegenseitigkeit zwischen Wissenschaft und Praxis in SchuMaS bislang umgesetzt wurde. Wissenschafts-Praxis-Partnerschaften im Bildungswesen – Eine systematische Literaturanalyse ihrer Mechanismen Wissenschafts-Praxis-Partnerschaften (WPP) sind ein aufstrebendes Forschungs- und Praxisfeld, um die Brücke zwischen Theorie und Praxis im Bildungsbereich zu schlagen (Coburn et al., 2013). In den letzten zehn Jahren hat es einen exponentiellen Anstieg bildungswissenschaftlicher Veröffentlichungen zu WPP gegeben (Denner et al., 2019). Obwohl WPP zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist unser Verständnis der komplexen sozialen Dynamiken, die diese Partnerschaften von ihrer Entstehung bis zu wirkungsvollen Ergebnissen prägen, immer noch begrenzt (Farrell et al., 2022). Es besteht somit Bedarf an einer systematischen Übersicht, die die Komplexität von WPP erfasst und die verschiedenen Aspekte und Wege berücksichtigt, die ihre Funktionsweise und ihren Erfolg bei der Erreichung ihrer beabsichtigten Ergebnisse gestalten (Coburn et al., 2016; Penuel et al., 2019; Welsh, 2021). Diese Studie hat das Ziel, durch eine systematische Literaturanalyse relevante Mechanismen von WPP zu identifizieren (Illari et al., 2012). Die Ergebnisse dieser Analyse können dazu beitragen, die Theoriebildung über die komplexen Funktionsweisen von WPP voranzubringen und die Umsetzung von WPP, ihre Evaluation und die empirische Forschung in diesem Bereich zu unterstützen. Wir greifen auf einen theoretischen Ansatz von Illari und Kolleg*innen (2012) zurück, um die angenommenen Wirkungen von WPP in ihre Einzelteile zerlegen zu können. WPP können demnach als komplexe soziale Mechanismen verstanden werden (Penuel et al., 2019), also Strukturen mit Komponententeilen und Prozessen, die jeweils bestimmte Funktionen erfüllen (Bechtel et al., 2005; Machamer et al., 2000). Um diese Mechanismen zu verstehen, müssen sie in ihre Komponententeile zerlegt werden (Illari et al., 2012). Diese Komponententeile umfassen die angestrebten Funktionen (Outcomes) der WPP, relevante Einheiten und ihre Eigenschaften (Einflussgrößen) sowie Interaktionen zwischen diesen Komponententeilen (Prozesse). Unsere Studie zielt darauf ab, diese Komponententeile im Rahmen einer Literaturanalyse zu identifizieren. Daraus ergeben sich drei zentrale Forschungsfragen: (F1) Was sind laut bestehender Literatur Outcomes von WPP? (F2) Welche zentralen Einflussgrößen stellt die Literatur heraus, die das Erreichen der Ziele beeinflussen? (F3) Was sagt die Literatur über die Prozesse zwischen diesen Komponententeilen im WPP-Mechanismus aus? Unsere Literaturanalyse orientiert sich an den PRISMA-Richtlinien (Liberati et al., 2009) und den EPPI-Center-Richtlinien (Gough et al., 2017), um einen umfassenden und reproduzierbaren Überblick über die Forschungsliteratur zu WPP zu erstellen. Dazu wurden relevante Veröffentlichungen in den Datenbanken EBSCO Education Research Complete und Social Science Citation Index (SSCI) von Web of Science gesucht und ausgewählt. Von den anfänglich gefundenen 3.444 Veröffentlichungen wurden nach mehreren Auswahlrunden 578 Artikel für unsere Analyse ausgewählt, darunter konzeptionelle, empirische, Übersichts- und Hybridveröffentlichungen. Unsere Analyse ergab, dass die meisten Artikel empirische Studien waren, wobei Einzelfallstudien den Großteil dieser Kategorie ausmachten. Derzeit führen wir qualitative Inhaltsanalysen durch, um die relevanten Komponententeile des WPP-Mechanismus zu identifizieren. Unsere vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die Outcomes (F1) von WPP vielfältig sind, aber in den meisten Fällen auf die Schüler*innen- und Lehrer*innen-Ebene abzielen. Auf Schüler*innenebene konzentrieren sie sich auf verschiedene Lernbereiche und die Förderung der Chancengleichheit. Auf Lehrkraftebene zielen sie vor allem auf die berufliche Weiterentwicklung der Lehrenden ab. Wir haben eine große Menge an Einflussgrößen (F2) in sechs Kategorien identifiziert, wobei der "strategische Aufbau der Partnerschaft", konkret die dokumentierte Institutionalisierung, die Infrastruktur für berufsfeldübergreifendes Arbeiten, die Unterstützung von übergeordneten institutionellen Führungskräften und ein kollaborativer praxisorientierter Forschungsansatz – neben den "sozialen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Partnerschaft" besonders wichtig erscheinen. Die Einflussgrößen interagieren auch untereinander (F3): Zum Beispiel wirkt sich laut Literatur der strategische Aufbau der Partnerschaft auf die sozialen Beziehungen zwischen den Partnerschaftsmitgliedern aus. Unsere systematische Übersicht trägt dazu bei, ein umfassenderes Verständnis der komplexen Mechanismen von WPP zu entwickeln. Diese Erkenntnisse können zukünftige Forschung sowie die Umsetzung von WPP unterstützen. Im Vortrag werden methodischer Zugang und Analysen im Detail vorgestellt und angesichts der gefundenen sehr heterogenen Literatur zu WPP kritisch diskutiert. Zur Arbeit in Entwicklungsteams: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in Research-Practice Partnerships in der Lehrkräftebildung Kollaborativen Formaten zwischen Schule und Universität, häufig mit Integration weiterer Partner*innen „mit unterschiedlichen Hintergründen, Rollen und Funktionen" (Lillejord & Børte, 2016, S. 556), wird das Potenzial zugesprochen, die Lehrkräftebildung durch eine verbesserte Theorie-Praxis-Verzahnung weiterzuentwickeln (Autor*innen A, 2022; Lillejord & Børte, 2016; Villiger, 2015). Research-Practice Partnerships (RPPs) sind eines dieser kollaborativen Formate, die auf Innovationen in der Lehrkräftebildung durch Kooperation zwischen Praxis und Forschung setzen (Farrell et al., 2021). Die mit RPPs einhergehenden Prozesse sowie auch die Erträge jenseits der entwickelten Produkte oder Lösungen sind jedoch noch weitestgehend unerforscht (Coburn & Penuel, 2016). Im Projekt „Zukunftszentrum Lehrkräftebildung – Netzwerk (ZZL-Netzwerk)“ der Leuphana Universität Lüneburg wurden als Teil der Qualitätsoffensive Lehrerbildung seit 2016 neun institutionenübergreifende Entwicklungsteams (ETs) konstituiert, die sich aus Vertreter*innen der folgenden vier Akteur*innengruppen zusammensetzen: Universität (Forscher*innen), Schule (insbesondere Lehrkräften), außerschulische Partnerorganisationen und Lehramtsstudierende. Das Design dieser ETs vereint alle Prinzipien von RPPs nach Farrell et al. (2021). Die Teams arbeiten in ko-konstruktiver Zusammenarbeit vor allem an der Konzeption von Lernmodulen und an der Entwicklung von Unterrichtsmaterialien (Autor*innen B, 2022). Ziele und Methode Eine in 2021 mit den ETs durchgeführte Fragebogenerhebung mit n=78 Teilnehmer*innen (n=105 kontaktiert; Vollerhebung; Rücklaufquote 74%) zielte u.a. darauf ab, Erkenntnisse zu Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der Zusammenarbeit in RPPs zu gewinnen. Dafür waren folgende Forschungsfragen zu beantworten: 1) Welches sind die Herausforderungen, Enttäuschungen und Erfolgsfaktoren der Zusammenarbeit sowie die größten persönlichen Nutzen, die die Teilnehmer*innen wahrnehmen? 2) Gibt es Unterschiede zwischen den vier Akteur*innengruppen hinsichtlich der Herausforderungen, Enttäuschungen und Erfolgsfaktoren der Zusammenarbeit sowie hinsichtlich der größten persönlichen Nutzen? 3) Welche Auswirkungen ergeben sich für die Arbeitsstätte der Teilnehmer*innen (z.B. die Schule, das Studienseminar oder die Universität) durch die Beteiligung an der ET-Arbeit? Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen wurden Fragen mit offenem Antwortformat in den Fragebogen integriert. Dabei sollten die Teilnehmer*innen jeweils maximal drei Aspekte benennen. Die Daten wurden mit Hilfe der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2022) ausgewertet. Ergebnisse und Implikationen Folgende relevante Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit in RPPs konnten identifiziert werden: a) gegenseitiger Austausch & Kommunikation (57,63%); b) Entwicklung konkreter Produkte (40,68%); c) Multiperspektivität (38,98%); d) Wertschätzung (38,98); e) Kompetenzerweiterung & Wissenstransfer (37,29%) sowie f) Praxisorientierung (35,59%). Als größte Herausforderungen werden von den Teilnehmer*innen wahrgenommen: a) Zielfokussierung in den Sitzungen (45,28%); b) Arbeitsaufwand (37,74%); c) Planung und Organisation der Treffen (37,74%); d) Theorie-Praxis-Gap (30,19%) sowie e) Onlinetreffen / Covid (24,53%). Enttäuschungen spielen eine untergeordnete Rolle (Rücklaufquote 37%). Wenn sie genannt werden, dann beziehen sie sich zumeist auf die Planung und den Fokus der Treffen sowie auf fehlende Zeit (51,72%). Akteur*innengruppenspezifische Unterschiede bei den Wahrnehmungen sind insgesamt gegeben. Finale Ergebnisse zu den größten persönlichen Erträgen sowie zu den Auswirkungen auf die Arbeitsstätte der Teilnehmenden (primär Forschungsfrage 3) werden in Kürze erwartet. Die Ergebnisse tragen wesentlich zu Erkenntnissen über Gelingensbedingungen und Verbesserungspotenziale in der Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams in der Lehrkräftebildung bei. Sie deuten darauf hin, dass ko-konstruktive Zusammenarbeit in RPPs kein Selbstläufer ist, sondern komplex. Eher widersprüchliche Ergebnisse wie Multiperspektivität als Erfolgsfaktor und die Lücke von Theorie und Praxis als Herausforderung verstärken diese Schlussfolgerung. Akteur*innengruppenspezifische Unterschiede können für zukünftige Zusammenarbeiten sowie für die Gewinnung neuer Mitglieder berücksichtigt werden, um die Zufriedenheit der Teilnehmenden und Lerneffekte weiter zu verstärken. Die Ergebnisse zu den Wirkungen auf die beteiligten Organisationen (z.B. Schulen, Studienseminare oder die Universität) erweitern den Analyserahmen auf Effekte jenseits der direkt Beteiligten. Sie adressieren daher insbesondere Forschungslücken, die das Fehlen von Studien zu RPPs über die jeweilige Innovation hinaus kritisieren. Weitere Forschung über die Gestaltung und Umsetzung von RPPs sind erforderlich. |
13:10 - 14:50 | 5-07: Lived diversity: The role of parents in the education and socialization of children in multicultural school settings. Ort: H06 |
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Symposium
Lived diversity: The role of parents in the education and socialization of children in multicultural school settings. Approximately 40% of children and adolescents living in Germany today come from families with migration experiences, a number that is set to increase in coming years. Despite the fact that the majority of these children are themselves born in Germany, they face persistent and recently even increasing educational disparities compared to their peers without familial migration experiences (e.g., Henschel et al., 2023). To address these educational disparities and foster educational achievement for all children and adolescents, they need adequate support from schools and families. In fact, positive family-school-cooperation is highlighted as a promising factor in reducing existing disparities in educational achievement (Wild, 2021). Previous research shows that ethnic-racial minority parents are generally highly motivated to support their children in this endeavor and have high aspirations for their children’s educational achievements and qualifications (e.g., Kim et al., 2020). However, they are also less likely to be actively involved in their children’s educational processes than parents from majorities, partly because they face greater barriers to involvement (e.g., Wild, 2021). This symposium looks at processes that may help to bridge this gap between parental motivation and involvement and ultimately children’s educational achievements, by focusing on parental approaches to diversity (their identities, attitudes, strategies, and socialization practices) and their effects for themselves and their children. We bring together four contributions from Germany and, in one case, the UK. The studies draw on small datasets tailored to assess these issues, as well as more representative samples, incorporate several viewpoints (of children and/or their parents, from ethnic minority and majority groups) and examine different indicators of parenting (e.g., acculturation gaps, familial and school ethnic racial socialization, and attitudes towards school diversity approaches) and outcomes (e.g., cultural identification, school belonging and school involvement). The first study by Lilla and colleagues aims to extend the well-known finding that immigrant children’s acculturation orientations affect their academic achievement. Drawing on dyadic data from the (German) National Education Panel Study (NEPS), the study examines the manifestations of acculturation gaps, i.e. the overlap or discrepancy between 415 children and parents in their cultural identity, cultural habits and language use and the conditions of these acculturation gaps. Taking the parents more strongly into focus, Harms and colleagues (Abstract 2) apply a mixed methods approach to the ethnic-racial socialization practices of both ethnic minority and majority parents in Germany and the UK (N = 1159), generating new insights regarding the contextual applicability and breadth of the concept (qualitatively), as well as its relationship to parental and child school belonging (quantitatively). The third contribution to the symposium by Aral and colleagues provides a complementary perspective to the previous contributions by considering the separate and interacting relations of family and school socialization with cultural identity among 311 early to midteen ethnic minority adolescents using survey data from -adolescents in Germany. The fourth contribution by Benbow and colleagues takes a closer look at how ethnic minority parents’ views on school approaches to cultural diversity are related to several aspects of their school involvement. Taken together, these studies expand our understanding of how parents and schools help children to negotiate the benefits and challenges of ethnically diverse school settings and may therefore ultimately contribute to a reduction of educational disparities. The findings and their implications for educational processes are discussed by Birgit Leyendecker, a renowned expert on family, acculturation and education. Beiträge des Symposiums Acculturation gaps in parent-child-dyads: Shedding some light on a blind spot in research on immigrant families in Germany. The acculturation gap-distress model suggests that acculturation gaps, i.e. discrepancies in acculturation orientations between parents and their children, result in negative consequences for children with an immigrant background (Portes & Rumbaut, 1996), including less favorable academic outcomes (e.g., Telzer, 2016). According to a common two-dimensional approach (e.g., Berry, 2006), these orientations refer to the mainstream culture and to the heritage culture. While existing studies predominantly focus on consequences of when children adjust faster and stronger to the mainstream culture than their parents, little is known about the manifestations of these gaps and the conditions under which they emerge, particularly in the German context (but see Aumann & Titzmann, 2018). This seems particularly relevant as findings from international studies have shown that different types of acculturation gaps exist and that the causes and consequences of these gaps vary depending on the cultural context (cf. Aumann & Titzmann, 2018; Telzer, 2010). The present study addresses this issue and investigates the manifestations and conditions of acculturation gaps in multiple domains in immigrant families in Germany of different heritage. We do this through a person-centered approach, conducting Latent Profile Analysis (LPA), which enables us to empirically identify significantly meaningful acculturation gaps. Research questions read: 1) What acculturation gaps can be identified in different domains of acculturation? 2) What profiles of acculturation gaps can be empirically determined by LPA? 3) What conditions at the individual, family, and school level are related to the identified profiles in different domains? The study analyzes data from Starting Cohort 3 of the National Educational Panel Study (NEPS). There are data on several domains of acculturation (cultural identity, language competence, language use) which have been assessed bi-dimensionally, i.e. pertaining to German culture and pertaining to heritage culture. Acculturation orientations were reported independently by the students from immigrant families and one of their parents, resulting in about N = 415 parent-child dyads. First, we descriptively analyze acculturation gaps in multiple domains. Subtracting the parent’s level of acculturation from their child’s, we calculated (1) matches (if parent-acculturation equals child-acculturation) and mismatches (if parent-child-acculturation is discrepant), and (2) difference scores to examine the direction of the mismatch. Next, we identify distinct acculturation gaps in multiple cultural domains running latent profile analysis. Finally, we conduct regression analysis to investigate possible interrelations with characteristics at the individual, family, and school level. Initial inspection of the data reveals matching as well as discrepant acculturation orientations in both directions, indicating four types of acculturation gaps. In terms of cultural identity, one third of children matches with their parent regarding German identity (33.2%), and about a quarter matches regarding ethnic identity (27.2%). Interestingly, in only 19.9% of dyads children identified more strongly with Germany than their parent, whereas in 46.9% of dyads children were less identified. On the opposite, in 46.5% of dyads children identified more strongly with their ethnic origin than their parents, whereas in 26.3% of dyads children were less identified. Relating to subjective language competence, 27.3% of dyads have matching competencies in German language and 17.0% in heritage language. Calculating difference scores shows that in the majority of dyads, children’s self-reported competencies in German language exceed those of their parent (51.8%), while in 20.9% parents exceed their children’s competencies. The opposite is the case with regard to heritage language competencies: In 65.3% of dyads parents exceed their children, while in 17.7% children exceed their parents. Fully investigating multiple domains of acculturation and running LPA will shed more light on the prevalence of acculturation gaps in immigrant families in Germany. The study’s hypotheses and planned analyses will be preregistered at the Open Science Framework (https://osf.io). Comparing Ethnic-Racial Socialization Practices: Minority and Majority Parents in Germany and the UK. Theoretical background In an increasingly diverse world, conversations about race, ethnicity, and discrimination are imperative for parents. Psychological research recognizes these dialogues as ethnic-racial socialization (ERS; Wang et al., 2020). Yet, a significant knowledge gap exists concerning the content and effects of ERS, particularly within majority families and beyond the US. ERS has been mostly studied among ethnic-racial minority families in the US, focusing on its components cultural socialization, preparation for bias, and promotion of mistrust (Huguley et al., 2019; Umaña-Taylor & Hill, 2020). Extensive research has shown the positive impact of some dimensions of ERS, specifically cultural socialization, on identity development, psychosocial adjustment and academic outcomes of children from minority families (Huguley et al., 2019; Umaña-Taylor & Hill, 2020; Wang et al., 2020). However, the meaning of ERS for children from majority families, particularly in the context of education, remains poorly understood (but see Seider et al., 2023). Furthermore, existing scales of ERS have been developed with a focus on ethnic minorities. Recent studies examining how White American parents discuss race with their children identified two broad themes distinct from the previously described components: most White parents seem to endorse a colour-blind approach and only some communicate colour-consciousness (Abaied & Perry, 2021; Cox et al., 2022). While some studies summarize downplaying the importance of race and actively avoiding discussions of race under colour-blindness (Zucker & Patterson, 2018), others support a distinction of those strategies (Pahlke et al., 2021). Additionally, many parents seem to communicate mixed messages, which further supports extending the above-mentioned binary (Abaied & Perry, 2021; Freeman et al., 2022). Overall, White parents’ ERS practices seem to be multi-layered but distinct from those of ethnic minorities and continue to be under-researched, especially outside the US. Little is known also about the effects of ERS on majority children. Accordingly, the current study investigates the content of minority and majority parents’ ERS practices and their associations with school belonging in Germany and the UK. Method A mixed-methods approach is used. Associations between ERS and parents’ belonging to their children’s school and parent-reported child school belonging are analysed quantitatively. Then, the content of ERS is examined via thematic analysis (Braun & Clarke, 2006). Identified themes will be linked to an ERS scale, verifying whether it fully captures ERS, specifically in majority families. Data in the UK stems from N = 525 parents of school aged children (n = 273 majority; n = 252 minority; 73.1% female; mean age 39.87). In Germany, N = 643 parents were questioned (n = 301 majority; n = 342 minority; 56.5% female; mean age 39.83). Results Regression analysis confirmed prior findings on effects of ERS dimensions in ethnic minority families: Cultural socialization was associated with higher parental and child school belonging in both countries. Conversely, preparation for bias was negatively related to both outcomes. In the UK, mistrust was associated with lower parental school belonging only while in Germany it was associated with lower parental and child school belonging. Looking at majority families, only the positive effect of cultural socialization on child school belonging was significant in both countries. In majority families in Germany, this was true also for parental school belonging. Furthermore, here mistrust was related to lower parental and child school belonging. Qualitative results showed that majority parents in both countries endorse similar approaches to ERS which do not fully map on ethnic minority ERS practices. Additionally, two new themes emerged: schools’ responsibility for ERS and ERS as a joint learning context. Overall, results illuminate nuances in ERS practices and their effects in ethnic minority and majority families across different national contexts. The social contexts of cultural identity among adolescents of immigrant descent: Separate and interacting relations of family and school ethnic-racial socialization. For minorized adolescents, those with higher attachment to their ethnic-racial or cultural identity demonstrate higher academic achievement than those with lower attachment to their ethnic-racial or cultural identity (Miller-Cotto & Byrnes, 2016). We know that adolescents develop an understanding of their ethnic-racial and cultural identity through ethnic-racial socialization, defined as “the myriad ways that varied agents of socialization transmit messages about ethnicity, culture, and race to children (Hughes & Watford, 2021, p. 3). Ethnic-racial socialization occurs in various social contexts, such as families, schools, and peer groups. Most research has focused on social contexts separately. For instance, family (especially parental) (Umaña‐Taylor & Hill, 2020) and school ethnic-racial socialization (Saleem & Byrd, 2021; Schachner et al., 2021) relate to adolescents’ ethnic-racial or cultural identity development. Nevertheless, because adolescents negotiate the complex socialization messages from both family and school, it is important to examine the two contexts together. The ways adolescents understand and define their ethnic-racial or cultural identity may differ if the messages they receive in one context (e.g., family) and the messages they receive in another context (e.g., school) are congruent or incongruent (Wang & Benner, 2016). Our study explored the separate and interacting relations of family (cultural socialization/pluralism, preparation for bias, promotion of mistrust) and school (equal treatment, intercultural learning) socialization with cultural (heritage culture and German) identity among adolescents of immigrant descent. Analyses were based on survey data from 311 early to mid-adolescents in Germany (Mage= 13.85, SD = 1.82). We tested the direct paths and added the interaction terms one at a time. Later, we performed simple slope analyses to explore significant interactions. Higher family cultural socialization/pluralism and intercultural learning at school were related to higher heritage culture identity and higher equal treatment at school was related to lower heritage culture identity. Higher intercultural learning and equal treatment at school were related to higher German identity. Family preparation for bias and promotion of mistrust had no direct relation to heritage culture and German identity. Thus, school socialization had more direct relations to cultural identity than family socialization. Interactions of the two contexts had enhancing and compensating relations to heritage culture but not to German identity. These findings highlight the importance of school context and expand our understanding of the complementary roles of school and family in supporting cultural identity development. The role of perceived school diversity approaches in the school involvement of ethnic minority parents. In times of increasing diversity and continuing heritage-based educational disparities schools are particularly challenged with creating a climate where pupils, staff and parents can thrive, feel able to engage and belong. Parental involvement, as one indicator of an effective, positive school climate, generally refers to parents cognitive, affective and behavioral involvement in school matters at home and at school. It is thought to be especially beneficial for the school adaptation of children who have ethnic-racial minority backgrounds, because it can help to reduce educational disparities in school belonging and achievement (Jeynes, 2003; Kim et al., 2020). However, ethnic minority parents have been found to be less likely to be actively involved in their children’s schooling than majority parents (Kim et al., 2020). This may be due to several barriers to involvement, such as low income, language gaps and concerns regarding their ability to provide educational assistance to their children (e.g., Desforges & Abouchaar, 2003). Other barriers may be more strongly related to interethnic relations within the school context (e.g., perceptions of racism or disparate cultural values, Wild, 2021). Research on how schools promote interethnic relations, has considered several diversity approaches, including discrimination, assimilation, and multiculturalism. These approaches are known to have differential consequences for students’ school adjustment, as demonstrated by school policy statements (e.g., Celeste et al., 2019), student perceptions (e.g., Baysu et al., 2016; Schachner et al., 2016) and teacher beliefs and self-reported behavior (Schotte et al., 2021; Schwarzenthal et al., 2023). However, parental perceptions of school diversity and diversity approaches are currently under-researched, and little is known about whether and how they can promote or inhibit parental involvement. Our study therefore considered the following research questions: 1.) How do ethnic minority parents perceive the diversity approaches of their children’s schools? 2.) How is the perceived school diversity approach related to parental involvement? Specifically, we investigated the perceptions of the diversity approaches of their child’s school in 342 minority parents (68% female, Mage = 37, SD = 9) and examined their relations to several aspects of their school involvement (e.g., their volunteering, school endorsement, relationship to the teacher, and feelings of inclusion). Regression analysis largely supported our assumptions: Perceptions of a multicultural school diversity approach were positively related to all aspects of parental involvement (βs > .19, ps ≤ .001), highlighting the importance of creating school environments that discuss and include cultures represented within them. A discriminatory climate was negatively related to parental involvement (βs > -.19, ps ≤ .009), except for volunteering where the relationship was positive (β = .196, p < .001). Thus, parents who perceived discrimination feel less included, report lower relationship quality to teachers, and endorse their children’s schools less, while getting more involved. Follow-up exploratory analyses indicate that this is especially true for their provision of supplementary school materials. Unexpectedly, an assimilationist climate was positively related to all facets of parental involvement (βs > .12, ps ≤ .026), though less strongly than multiculturalism. Our findings show first evidence that school diversity approaches matter for parental involvement. Thus, schools wanting to increase parental involvement from ethnic minority groups may benefit from explicitly evaluating and communicating their approaches to diversity. This may, in turn, help to address existing educational disparities. |
15:20 - 17:00 | 6-08: Von Wissen zu Performanz von Lehrkräften: Beiträge zu den Korrelationen sowie der Entwicklung der Performanz im integrativen Kompetenzverständnis Ort: H06 |
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Symposium
Von Wissen zu Performanz von Lehrkräften: Beiträge zu den Korrelationen sowie der Entwicklung der Performanz im integrativen Kompetenzverständnis In den vergangenen Jahren hat sich In der kompetenzorientierten Lehrer:innenbildungsforschung ein Zweig entwickelt, welcher sich der Erforschung der Wirkungs- und Entwicklungsannahmen bezüglich des integrativen Kompetenzstrukturmodells von Blömeke et al. (2015) widmet. Die Fragestellungen beziehen sich auf die Zusammenhänge und die Entwicklung der drei Kompetenzfacetten der a) Kompetenzaspekte (z.B. Professionswissen), b) der Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungsprozesse (WIE) sowie c) der Performanz. Die Befunde zu den Wirkungszusammenhängen sind jedoch inkonsistent und es bedarf weiterer Forschung (z.B. Junker et al., 2021; Blömeke et al., 2022; König et al., 2021). Des Weiteren gründet das Kompetenzstrukturmodell auf der Entwicklungsannahme, dass die Verbesserung der Performanz einer Lehrkraft (AV) durch die drei Entwicklungskomponenten a) der qualitativen Verbesserung der Kompetenzaspekte (UV1), b) der Verbesserung der WIE (UV2) sowie c) der gezielten Übung der Umsetzung von Qualitätskriterien (z.B. Qualitätskriterien einer guten Klassenführung) in der eigenen Unterrichtspraxis (UV3) erfolgt (z.B. Baumgartner, 2022; Hecker, Falkenstern & Lemmrich, 2020). Die Datenlage bezüglich der (Teil-)Erforschung der dargelegten Entwicklungsvermutung ist jedoch dünn (z.B. Blömeke et al., 2022). Insbesondere über die Faktoren effektiver Interventionen bezüglich der Verbesserung der Zielvariable der Performanz einer Lehrkraft ist noch wenig bekannt (z.B. König et al., 2022). Deshalb werden im Rahmen des (disziplinenübergreifenden) Symposiums sowohl Beiträge zur modellbezogenen Zusammenhangsannahmen als auch zur Entwicklungsvermutung lanciert. Im Spezifischen fokussieren Weyers et al. auf ein neu entwickeltes Beobachtungsinstrument zur Erfassung effektiver Klassenführung im Lese- und Rechtschreibunterricht der Primarstufe. Sie demonstrieren, dass die beobachtete Klassenführung mit dem pädagogischen Wissen, aber nicht mit dem fachdidaktischen Wissen von Primarstufenlehrkräften in Zusammenhang steht. Dabei diskutiert der Beitrag nicht nur Herausforderungen der standardisierten Unterrichtsbeobachtung, sondern regt auch den ergänzenden Einbezug von selbstberichteter Unterrichtsqualität an. Müller et al. werden im dritten Beitrag mit Blick auf angehende Lehrkräfte drei verschiedene Erfassungsformate zur Messung von situationsspezifischen Fähigkeiten in Bezug auf Klassenführung vergleichen und deren Zusammenhänge untereinander sowie mit der Klassenführungsqualität vorstellen. In den beiden letzten Beiträgen wird ein vom Schweizerischen Nationalfonds gefördertes Forschungsprojekt zum Transformationsprozess von Wissen zu Performanz bei (angehenden) Sportlehrkräften am Beispiel der Klassenführung (WiPe-Sport) vorgestellt. Anhand von inhaltlich abgestimmten Mess- und Testinstrumenten zur Erfassung des klassenführungsbezogenen Wissens, der diesbezüglichen WIE und der klassenführungsbezogenen Performanz bei angehenden Sport unterrichtenden Lehrkräften untersuchen Berthold et al. die Zusammenhangsvermutungen des Kompetenzstrukturmodells von Blömeke et al. (2015). Diesbezüglich bleiben die theoretisch erwarteten Zusammenhänge aus. Professionelles Wissen, WIE und Performanz zeigen bei den Teilnehmern der Interventionsstudie (n = 90) weder vor noch nach der Intervention signifikante Zusammenhänge. Diese Ergebnisse werden im Kontext der theoretischen Annahmen, der vorhandenen empirischen Belege und dem Studiendesign kritisch diskutiert. Im Anschluss richten Baumgartner et al. ihren Fokus dabei auf die modellbezogene Entwicklungsannahme (vgl. Blömeke et al., 2015). In einer quasi-experimentellen Interventionsstudie wurde u.a. anhand von vier Untersuchungsgruppen (UG) angehender Lehrkräfte erschlossen, welche Wirkung die jeweiligen Entwicklungskomponenten auf die klassenführungsbezogene Performanzentwicklung haben. Es wird aufgezeigt, dass einzig in der höchsten Interventionsstufe, in welcher die UG die Umsetzung der Qualitätskriterien einer guten Klassenführung in der eigenen Unterrichtspraxis üben konnten, ein signifikanter Performanzzuwachs (z(17) = 12.0, p = 0.002) mit einem grossen Effekt (r = 0.741) festgestellt werden konnte. Beiträge des Symposiums Zur Beobachtung effektiven Classroom Managements in der Primarstufe: Vorstellung eines Rating-Instruments und Bezüge zu Wissen und selbstberichteter Unterrichtsqualität Theoretischer Hintergrund Effektives Classroom Management gilt als Basisdimension der Unterrichtsqualität und bedingt maßgeblich schulisches Lernen (Hattie, 2012; Klieme, 2018; Korpershoek et al., 2016). Es umfasst die Handlungen der Lehrkraft zur Gestaltung einer störungsarmen und die Lernzeit nutzenden Lernumgebung, beispielsweise mithilfe von Regeln und Routinen (Doyle, 2006; Kounin, 1970; Ophardt & Thiel, 2013). Die standardisierte Erfassung von Classroom Management spielt in Forschungsarbeiten zur Unterrichtsqualität und Lehrkräftekompetenz eine zentrale Rolle (König et al., 2021; König & Kramer, 2016; Lenske et al., 2016). Generell ist die Messung von Unterrichtsqualität jedoch herausfordernd und verlangt eine adäquate Konzeption und Erhebungsmethode (Praetorius et al., 2012; Strong et al., 2011). Obwohl Erfassungen aus Sicht der Schüler*innen sowie als Selbstbericht der Lehrkraft möglich sind, werden Beurteilungen durch geschulte Beobachter*innen favorisiert (Praetorius et al., 2012). Allerdings liegen nur wenige Rating-Instrumente für den Primarstufenunterricht vor (z. B. Gabriel-Busse et al., 2021; Pianta & Hamre, 2009). Der Beitrag fokussiert auf ein neu entwickeltes Rating-Instrument zur Beobachtung effektiven Classroom Managements im basalen Lese- und Rechtschreibunterricht (Projektkontext: WibaLes). Das Instrument soll Zusammenhänge zwischen Kompetenzaspekten (z. B. Wissen), Unterrichtsqualität und Lernfortschritt aufdecken. Diese Verwendung setzt passgenaue Validitätsbelege voraus, insbesondere theoriekonforme Zusammenhänge zum professionellen Wissen, aber auch zur selbsteingeschätzten Unterrichtsqualität (Bell et al., 2012; Fauth et al., 2014; Hartig et al., 2020). Fragestellung Zentrale Befunde zum Instrument werden anhand von drei Forschungsfragen dargestellt: Forschungsfrage 1: Erlaubt das Rating-Instrument eine reliable Messung von Classroom Management als eine Basisdimension der Unterrichtsqualität? Forschungsfrage 2: Zeigen sich theoriekonforme Korrelationen zum pädagogischen und fachdidaktischen Wissen? Forschungsfrage 3: Zeigen sich Korrelationen (a) zum selbstberichteten Classroom Management und (b) zu Unterrichtsstörungen im Selbstbericht? Methode Acht Kategorien des Classroom Managements wurden erarbeitet, die insbesondere in der Primarstufe bedeutsam sind: (1) Unterrichtstörungen, (2) Allgegenwärtigkeit, (3) effektive Zeitnutzung, (4) klare Regeln, (5) klare Routinen, (6) Wertschätzung, (7) Strukturierung und (8) Zielklarheit. Dem beobachteten Unterricht wird für jede Kategorie ein Wert zwischen 1 (niedrige Qualität) und 4 (hohe Qualität) zugeordnet. Das Instrument wurde anhand des Unterrichts von 35 Primarschullehrkräften im Lese- und Rechtschreibunterricht erprobt (jeweils bis zu drei Messzeitpunkte). Zusätzlich wurden das pädagogische Wissen und das fachdidaktische Wissen (Schwerpunkt: Lese- und Rechtschreibunterricht) sowie das selbstberichtete Classroom Management erfasst. Die Analysen umfassten Reliabilitäts- und Faktorenanalysen (Ansatz virtueller Fälle; n = 170) sowie Rangkorrelationen zu Wissen und Selbsteinschätzungen. Ergebnisse Das eindimensionale Faktormodell mit acht Beobachtungskategorien zeigte verbesserungswürdige Modellpassung (CFI = .848), aber akzeptable bis gute Reliabilitäten über die Beobachtungszeitpunkte hinweg (.50 ≥ α ≥ .89). Eine theoriegeleitete Unterscheidung zwischen organisationalen (Kategorien 1-6) und instruktionalen Aspekten (Kategorien 7-8) des Classroom Managements verbesserte die Modellpassung (CFI = .949), was Annahmen zu einer mehrdimensionalen Struktur stützt (Clausen et al., 2003; Gilberts & Lignugaris-Kraft, 1997). Erwartungskonform zeigten sich signifikante Korrelationen zum pädagogischen Wissen (r = .385; p < .05), sodass die Ratings valide als Maß fächerübergreifender Performanz von Lehrkräften interpretierbar sein dürften (König & Kramer, 2016; Lenske et al., 2016). In Einklang mit vorherigen Befunden (Baumert et al., 2010; Voss et al., 2014) zeigte sich kein Zusammenhang zum fachdidaktischen Wissen (r = .103; p > .10). Die Unterrichtsbeobachtungen korrelierten signifikant mit der selbstberichteten Intensität der Unterrichtsstörungen (r = .385; p < .05), aber nicht mit dem selbstberichteten Classroom Management insgesamt (r = .265; p > .10). Zusammenfassend zeigen sich vielversprechende Ergebnisse für den weiteren Einsatz des Instruments, wobei auch Limitationen und Weiterentwicklungspotentiale hervorzuheben sind, beispielsweise mit Blick auf (ggf. stichprobenbedingt) vorhandene Deckeneffekte. Auch das Potential der Erfassung von Classroom Management im Selbstbericht ist weiter zu prüfen (z. B. Fauth et al., 2014) – so zeigten explorative Analysen auch Zusammenhänge zwischen pädagogischem Wissen und selbstberichtetem Classroom Management (r = .421; p < .05). Zusammenhänge zwischen analytischer und holistischer Erfassung situationsspezifischer Fähigkeiten in Bezug auf Klassenführung und Klassenführungsqualität von Lehramtsstudierenden In den letzten Jahren stieg die Anzahl der Instrumente zur Erfassung von situationsspezifischen Fähigkeiten (SSF) erheblich an (König et al., 2022; Weyers et al., 2023). Diese unterscheiden sich jedoch hinsichtlich verwendeter Terminologie sowie ihrer Operationalisierung der SSF. So existieren Instrumente, die zwischen einer analytischen (=Betrachtung einzelner SSF-Prozesse wie Beschreibung, Interpretation, etc.) und einer holistischen (=Betrachtung von SSF als ganzheitlicher Prozess) Auslegung von SSF variieren (König et al., 2022). Meist verwenden Instrumente kurze authentische Unterrichtsvideos als Teststimulus, welche von hochstandardisierten geschlossenen Aufgaben wie Ratingitems (z.B. Seidel & Stürmer, 2014) bis hin zu weniger standardisierten offenen Aufgabenformaten (z.B. Jamil et al., 2015) begleitet werden. Dabei konnten nur geringe bis moderate Zusammenhänge zwischen verschiedenen Aufgabenformaten identifiziert werden (z.B. Frommelt et al., 2019; Mischo et al., 2023), die für eine geringe konvergente Validität sprechen. Zudem ist die Evidenz für die Vorhersagevalidität nach wie vor begrenzt, da Zusammenhänge zwischen SSF und Unterrichtsqualität nur vereinzelt gefunden werden konnten ¬¬– unabhängig vom Erfassungsformat (Gold et al., 2021; König & Kramer, 2016; König et al., 2021; Krauss et al., 2020). Davon ausgehend werden in der vorgestellten Studie mittels drei verschiedener Formate zur Erfassung der SSF folgende Fragestellungen fokussiert: Wie hängen die unterschiedlichen Formate zur Messung der SSF (1) untereinander und (2) mit Unterrichtsqualität bei Lehramtsstudierenden zusammen? Inhaltlich wird das Unterrichtsqualitätsmerkmal Klassenführung fokussiert, da sich eine effektive Klassenführung wiederholt als bedeutsam für die Entwicklung der Lernenden erwies (Hattie, 2009; Praetorius et al., 2016). Die Stichprobe bestand aus 85 Masterstudierenden des Lehramtes (70.6% weiblich, MAlter=23.51 Jahre [SD=1.89 Jahre]). Die Auswahl der drei verschiedenen videobasierten Erfassungen orientierte sich an üblichen Verfahren quantitativer Instrumente der bereits erwähnten Unterteilung in eine analytische und holistische Konzeptualisierung von SSF (König et al., 2022). Es wurden zwei typische Formate gewählt, die den analytischen Ansatz repräsentieren (Ratingitems, adaptiert nach Gold & Holodynski, 2017, Cronbachs α=.87, Kodierung einzelner SSF-Prozesse in einer schriftlichen Analyse auf Prompts, adaptiert nach Gippert et al., 2022, .74 < Cohens ĸ < .82). Die Ratingitems deckten das wissensbasierte Interpretieren von unterrichtsrelevanten Events ab, während die schriftlichen Analysen auf die Prompts in erkannte Events, deren wissensbasierte Interpretation und Generierung begründeter Handlungsalternativen kodiert wurden. Der holistische Ansatz wurde durch die Kodierung von Expertisemerkmalen (z.B. Integration verschiedener Perspektiven, Offenheit für alternative Erklärungen) in einer globalen Einschätzung der gezeigten Unterrichtssequenz repräsentiert, adaptiert nach Wolff et al., 2015, .81 < Cohens ĸ < .84. Zur Erfassung der Klassenführungsqualität lagen Schüler*inneneinschätzungen zur wahrgenommenen Klassenführung aus Unterrichtsstunden während des Praxissemesters der Studierenden vor (Subskalen: Präsenz, α=.62; Regelklarheit, α=.55; Strukturierung, α=.62; Mitarbeit, α=.85). Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Erfassungsformaten der SSF wurden mittels Korrelationsanalysen berechnet. Zusammenhänge zwischen den SSF der Lehramtsstudierenden mit den Schüler*innenratings wurden mittels Mehrebenenregressionsmodellen geschätzt. (1) Zwischen den Erfassungsformaten konnten nur einzelne Zusammenhänge identifiziert werden: Die Ratingitems korrelierten mit den Kodierungen der SSF-Prozesse Erkennen (r=.31, p<.01) und wissensbasierte Interpretation (r=.25, p<.01). Zudem hingen die Generierung begründeter Handlungsalternativen der schriftlichen Analyse und die Integration verschiedener Perspektiven im Globalrating geringfügig zusammen (r=.25, p<.05). (2) Hinsichtlich der zweiten Fragestellung zeigte die wissensbasierte Interpretation erfasst mittels Ratingitems einen negativen Zusammenhang mit der von Schüler*innen wahrgenommenen Präsenz (β=-.31, p<.05). Das wissensbasierte Interpretieren aus den Kodierungen der schriftlichen Analyse korrelierte negativ mit der wahrgenommenen Regelklarheit (β=-.29, p<.05). Positive Korrelationen waren nur im holistischen Ansatz identifizierbar: Je offener die angehenden Lehrkräfte für alternative Erklärungen und Kontexteffekte waren, desto besser bewerteten die Schüler*innen die Strukturiertheit des Unterrichts (β=.27, p<.05) sowie die Regelklarheit (β=.40, p<.01). Das unklare Zusammenhangsmuster steht im Einklang mit inkonsistenten Befunden aus bestehenden Untersuchungen zur konvergenten und prädiktiven Validität videobasierter Instrumente. Die Ergebnisse weisen darauf hin, neben der notwendigen Analyse einzelner relevanter Events auch holistische Ansätze zu fokussieren und somit die unterrichtliche Komplexität stärker einzubeziehen. Von Wissen zu Performanz am Beispiel der Klassenführung im Fach Bewegung und Sport: Zu den Zusammenhangsvermutungen Theoretischer Hintergrund und Fragestellung Für die professionelle Kompetenz von Lehrpersonen lassen sich aus dem Kompetenzstrukturmodell nach Blömeke et al. (2015) Zusammenhangsvermutungen zwischen den drei Kompetenzfacetten 1) der Kompetenzaspekte (z.B. Professionswissen), 2) der situativen kognitiven Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungsfähigkeiten (WIE) sowie 3) die Performanz aufstellen. In jüngster Zeit sind verschiedene Forschungsbemühungen festzustellen, in welchen diese Zusammenhangsvermutungen empirisch erhellt werden. In den Studien werden niedrige bis hohe positive Korrelationen zwischen Professionswissen und der WIE dargestellt (r = 0,13 – 0,56; z.B. Müller & Gold, 2022). Auch bezüglich des Zusammenhanges zwischen dem Professionswissens und der Performanz konnten positive Zusammenhänge gezeigt werden (z.B. König & Pflanzl, 2016). Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der WIE und der Performanz ist die Datenlage je-doch inkonsistent (z.B. Blömeke et al., 2022; König et al., 2022). Für das Fach Bewegung und Sport liegen zurzeit keine Untersuchungen vor, welche die dargelegte Zusammenhangsvermutungen zwischen den verschiedenen Kompetenzfacetten systematisch und kompetenzbereichsbezogen erforschten. Im Rahmen des SNF-Projekts WiPe-Sport soll diese Forschungslücke am Beispiel der Klassenführung im Sportunterricht bearbeitet werden. Diesbezüglich steht die Fragestellung im Zentrum, ob und welche Zusammenhänge zwischen dem klassenführungsbezogenen Wissen, der klassenführungsbezogenen WIE und der klassenführungsbezogenen Performanz bei angehenden Lehrkräften bestehen. Methode Zur Messung der verschiedenen Kompetenzfacetten wurden im Rahmen der Untersuchung ein computerbasiertes Testinstrument zur Erfassung des klassenführungsbezogenen Wissens (eindimensionale 2pl - IRT Modellierung; Reliabilität: EAP = .603, WLE = .569) sowie ein videovignettenbasiertes Instrument zur Messung der diesbezüglichen WIE (eindimensionale 2pl - IRT Modellierung; EAP = 0.647, WLE = 0.639) entwickelt (Baumgartner et al., 2023). Diese Instrumente wurden von einem vorliegenden Beobachtungsinstrument zur Erfassung der klassenführungsbezogenen Performanz im Sportunterricht (9 latente Variablen mit 27 Items; Baumgartner et al., 2020) abgeleitet und sind dementsprechend inhaltlich abgestimmt. Die Daten wurden im Rahmen der projektbezogenen Interventionsstudie (Pre-Post-Control-Design mit 4x2-Faktorenstufen) erhoben, an welcher angehende Lehrkräfte partizipierten (n = 90); vgl. Beitrag 4: Baumgartner et al.). Zur Auswertung der erhobenen Daten wurden Korrelationsanalysen gerechnet. Ergebnisse Während sich im Rahmen der Pilotierung der Testinstrumente die erwarteten, wenn auch kleinen Zusammen-hänge zwischen Wissen und WIE zeigten (r = 0.13, p < 0.001), sind diese bei den Interventionsteilnehmenden (Hauptuntersuchung) nicht festzustellen. Es liegen bei den Ergebnissen der Teilnehmenden der Interventionen keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Wissen, WIE und Performanz vor. Im Beitrag werden die-se Ergebnisse vor dem Hintergrund der theoretischen Annahmen, den empirischen Belegen und des Studiendesigns kritisch diskutiert. Daran anschliessend werden weitere Überlegungen zur Erfassung professioneller Kompetenzen bei (angehenden) Lehrkräften angestellt. Klassenführung angehender Lehrkräfte: Welche Entwicklungskomponenten fördern die Performanz? Einleitung und Fragestellung Die Wirksamkeit der Ausbildung von Lehrkräften lässt sich letztlich daran messen, wie effektiv angehende Lehrkräfte die für den Lehrberuf relevanten professionellen Kompetenzen erwerben können, um die Förderung der Entwicklung der Schüler:innen zu unterstützen (SKBF, 2023). Der Transfer der Ausbildungsinhalte in die eigene Praxis bzw. der Transformationsprozess von den Kompetenzaspekten (z.B. Professionswissen) zu Performanz bei angehenden Lehrkräften nimmt dementsprechend einen relevanten Stellenwert ein (Baumgartner, 2022). Blömeke et al. (2015) legen diesbezüglich ein Kompetenzstrukturmodell vor, das diesen Transformationsprozess darstellt. Das Modell basiert dabei auf der Entwicklungsvermutung, dass die Qualität der Performanze (AV) durch die drei Entwicklungskomponenten der Verbesserung der 1) der Kompetenzaspekte, 2) der situativen kognitiven Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungsfähigkeiten (WIE) von Lehrkräften sowie 3) der Übung der Umsetzung der Qualitätskriterien (z. B. Qualitätskriterien der Klassenführung) in der eigenen Unterrichtspraxis erhöht werden kann (Baumgartner, 2022). Bisher liegen keine Studien vor, in welchen die Wirkung aller drei Entwicklungskomponenten hinsichtlich des Performanzzuwachses von Lehrpersonen anhand von gezielten Interventionen untersucht wurde. Im Rahmen des vom SNF geförderten Forschungsprojekts zum Transformationsprozess von Wissen zu Performanz bei (angehenden) Sportlehrkräften (WiPe-Sport) soll diese Forschungslücke am Beispiel der Klassenführung bearbeitet wer-den. Es wird dabei die Frage gestellt, welche Wirkungen drei verschiedene Interventionen, in welchen die drei Entwicklungskomponenten gezielt angesteuert werden, auf den Performanzzuwachs haben. Methode Die quasi-experimentelle Interventionsstudie basiert auf einem vierstufigen Hauptfaktor Untersuchungsgruppe (UG) und einem zweistufigen Hauptfaktor Messzeitpunkt (Pre-Post-Control-Design mit 4x2-Faktorenstufen). In der Studie durchlaufen die vier UG (n = 20-25), die aus Lehramtsstudierenden der Pädagogischen Hochschule St.Gallen bestehen, verschiedene Interventionsstufen. Drei UG erhalten jeweils eine zunehmend gesteigerte Dosis (UG1: Förderung klassenführungsbezogenen Wissens; UG2: Intervention 1 und Förderung klassenführungsbezogene WIE; UG3: Intervention 1 und 2 sowie videobasiertes Feedback von Dozierenden auf das eigene klassenführungsbezogene Handeln; UG4: Gruppe Standardintervention, die nur ein Praktikum absolviert). Vor und nach der Durchführung der Interventionen wurden die drei Kompetenzfacetten (Professionswissen; WIE; Performanz) durch die für die Studie entwickelten klassenführungsbezogenen Instrumente erfasst (Baumgartner et al., 2020; Baumgartner et al., 2023). Die abhängige Variable (AV) stellt die klassenführungsbezogene Performanz im Sportunterricht dar, als unabhängige Variablen (UV) gelten die Interventionsstufen. Zur Datenauswertung wurden einfaktorielle ANCOVAs mit Messwiederholung, Wilcox-Tests und die jeweiligen Effektstärken berechnet. Ergebnisse Die Analysen zeigen Effekte der Interventionen bei Kontrolle für die Vorkenntnisse zu t0. Es liegen signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen nach der Intervention im Bereich der WIE (F(3, 64) = 4,80, p = 0.004, partielles η² = 0.144) und der Performanz (F(3, 65) = 4,20, p = 0.008, partielles η² = 0.087) vor, nicht jedoch im Bereich des Professionswissens (F(3, 65) = 2,17, p = 0.100, partielles η² = 0.055). Post-Hoc Analysen zeigen, dass durch die Interventionsmassnahmen die einzelnen Facetten spezifisch und direkt angesteuert werden konnten, während die Gruppe der Standardintervention in keiner der drei Facetten signifikante Entwicklungen zeigt. Einzig in der UG4 konnte ein signifikanter Performanzzuwachs (z(17) = 12.0, p = 0.002) mit einem starken Effekt (r = 0.741) festgestellt werden. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Performanzzuwachs bei den angehenden Lehrkräften dann erfolgt, wenn in der Ausbildung die eigene Unterrichtspraxis gezielt und kompetenzbereichsbezogen reflektiert wird. |
Datum: Mittwoch, 20.03.2024 | |
9:00 - 10:40 | 7-07: Teilhabe an Bildung und Gesellschaft in Zeiten der Digitalität Ort: H06 |
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Symposium
Teilhabe an Bildung und Gesellschaft in Zeiten der Digitalität Die Digitalisierung hat sich tief in sämtliche Funktionssysteme der Gesellschaft und Handlungspraktiken eingebettet und bewirkt somit umfassende gesellschaftliche Veränderungen in den Bereichen des täglichen Lebens, Lernens und Arbeiten (Kerres, 2020). Dieser (digitale) Transformationsprozess betrifft Menschen aller Altersgruppen und Lebensphasen - wir können ihm nicht mehr ausweichen, sondern müssen die Möglichkeit haben, an ihm teilzuhaben. Teilhabe an der (digitalen) Gesellschaft setzt die Befähigung zu einer informierten, aktiven und verantwortlichen Mitgestaltung der Welt voraus (Hafer, Mauch & Schumann, 2019). Die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen hierfür betreffen Aspekte auf individueller und institutioneller Ebene. Individuen müssen über Kompetenzen und Fertigkeiten verfügen, die ihnen eine aktive gesellschaftliche und berufliche Teilhabe in einer von Digitalisierung geprägten Welt ermöglichen. Die Europäische Kommission (2006) spricht in diesem Zusammenhang von „21st-Century-Skills“, die beschreiben, was Lernenden Heute und in Zukunft können sollten (Voogt et al., 2013). Der Erwerb dieser (Digital-)Kompetenzen hängt in erheblichem Maße von sozialer Herkunft und den damit verbundenen Chancen und Hindernissen ab (Eickelmann et al., 2019). Eine bedeutsame Aufgabe wird demnach Bildungsinstitutionen entlang der gesamten Bildungskette zugeschrieben, „Menschen in allen Lebensphasen zu unterstützen und zu begleiten sowie unterschiedliche Lernsettings zu nutzen, um digitale Kompetenzen zu vermitteln“ (Wilmers et al., in Druck). Bildung wird somit zur grundlegenden Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und erfordert von Bildungsinstitutionen, Organisations- und Schulentwicklungsprozesse unter dieser Verantwortlichkeit zu betrachten. Dieses Symposium untersucht Voraussetzungen von Teilhabe unter den Vorzeichen der Digitalisierung. Es widmet sich der Frage wie wirksame Bildungsprozessen zur Förderung von Teilhabe gestaltet werden können. Dabei beleuchtet es verschiedene Akteursebenen (Individuum und Institution) sowie Bildungsbereiche (Schule und Erwachsenen-/Weiterbildung. Das gemeinsame theoretisches Fundament bildet das Input-Prozess-Output-Model für Schulqualität (Eickelmann & Drossel, 2019), das von diversen Voraussetzungen (Input) und prozessorientierten Faktoren (Prozess) ausgeht, die den Output in Form von Kompetenzen der Lernenden (Kompetenzen) und deren gesellschaftliche Teilhabe sowie beruflichen Erfolg und Befähigung zum lebenslangen Lernen (Outcome) beeinflussen. Darüber hinaus teilen die Beiträge die Annahme, dass die Digitalisierung sowohl Treiber von gesellschaftlicher Veränderung ist als auch das Potenzial bietet, durch den Einsatz digitaler Medien und digitalsierungsbezogenen Entwicklungsprozessen Teilhabe an einer sich wandelnden Gesellschaft zu fördern. Beitrag 1 präsentiert Ergebnisse einer Forschungssynthese zur Frage, wie das Prüfen von Informationen von Schüler:innen durch den Einsatz digitaler Medien gefördert werden kann. Die Ergebnisse des Critical Reviews zeigen erfolgreiche didaktische Umsetzungen auf, um die Informationskompetenz und somit die Möglichkeit zur Teilhabe in einer digital geprägten Gesellschaft von Schüler:innen zu fördern. Beitrag 2 untersucht Schulen, die trotz einer besonders herausfordernder Schülerkomposition Schüler:innen mit unerwartet hohen digitalen Kompetenzen aufweisen. Die Autorinnen gehen der Frage nach, welche Voraussetzungen Schulträger an diesen organisational resilienten Schulen schaffen, um einen chancengerechten digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen zu ermöglichen. Die Ergebnisse der inhaltsanalytischen Analyse von fünf Interviews mit Vertreter:innen von Schulträgern zeigen, dass diese erheblich zur Chancengerechtigkeit auf allen Dimensionen der digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung beitragen können. Beitrag 3 stellt Ergebnisse einer Forschungssynthese vor, die die Voraussetzungen für die Teilnahme an Bildungsangeboten mit digitalen Medien durch benachteiligte Erwachsene herausarbeitet. Ein induktiv-thematisches Clustering führt zu drei Kategorien, die die Teilnahme an digitalisierungsbezogener Bildung benachteiligter Erwachsene beeinflussen können: Gestaltungsfaktoren, Faktoren aufseiten der Teilnehmenden sowie Ungleichheiten in Zugang und Nutzung. Beitrag 4 adressiert den Einsatz von digitalen Medien in Grundbildungskursen und untersucht die institutionellen Voraussetzungen hierfür. Die Ergebnisse der Mixed-Method Studie mit Institutionsleitenden, konzeptionell Tätigen sowie Kursleitungen bieten Erkenntnisse über den Status und die Entwicklungspotenziale im Bereich IT-Infrastruktur/Ausstattung sowie Professionalisierung des Personals. Die Autorinnen diskutieren die Ergebnisse in Hinblick auf ihre Implikationen für gesellschaftliche Teilhabe. Im Anschluss an das Symposium diskutieren Prof. Uta Hauck-Thum und Prof. Dr. Jana Heinz unter Einbezug der Teilnehmenden Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe in Zeiten der Digitalität aus einer übergeordneten und interdisziplinären Perspektive (vgl. Hauch-Thum, Heinz & Hoiß, 2023). Beiträge des Symposiums Förderung der Informationskompetenz von Schüler:innen im digitalen Kontext in Hinblick auf gesellschaftliche Teilhabe Hintergrund: Schüler:innen stoßen im Internet auf eine enorme Anzahl an Informationen. Für die effiziente Beschaffung relevanter und vertrauenswürdiger Informationen ist es deshalb wichtig, den Überblick über sie zu behalten und sie einordnen zu können. Informationskompetenz ist demnach für eine gesellschaftliche Teilhabe von zentraler Bedeutung, da sie dazu befähigt, fundierte Entscheidungen zu treffen, Daten kritisch zu analysieren und sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen. Bei der Förderung von Informationskompetenz haben Bildungsinstitutionen eine zentrale Aufgabe, denn sie sollen Lernende befähigen unabhängig und selbstbewusst mit Informationen in der digitalen Landschaft umzugehen (Griesbaum, 2022; Kerres, 2020; Senkbeil et al., 2019; United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization [UNESCO], 2013). Jedoch ist die Gestaltung von Interventionen für die Lehrenden herausfordernd, da sie diese Anforderung in konkrete (fach-)didaktische Konzepte übersetzen müssen. Digitale Medien können hierbei möglicherweise sinnvoll eingesetzt werden (Kerres, 2018). Dieser Beitrag betrachtet verschiedenen theoretische Zugänge von Informationskompetenz (z.B. ACRL; 1989 und Klingenberg, 2016) und verwandten Konzepten, wie Critical Thinking. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie Informationskompetenz von Schüler:innen durch den Einsatz digitaler Medien im Unterricht gefördert werden kann und diskutiert die Ergebnisse im Kontext von gesellschaftlicher Teilhabe. Methode: Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden Ergebnisse präsentiert basierend auf einer Forschungssynthese (Leber et al., 2023), die sich am Format des Critical Reviews (Grant und Booth, 2009) orientiert. Dieser beinhaltete eine systematische Recherche der Literatur mit relevanten Suchbegriffen, die in Anlehnung an das PICO-Schema (Petticrew & Roberts, 2006, S. 38) definiert wurden und die Themenblöcke Schule und Unterricht, digitale Medien sowie Informationskompetenz umfassten. Die Recherche wurde in den Datenbanken ERIC, ERC, WoS und IEEE Xplore für den Zeitraum 2016 bis 2023 von einer Informationswissenschaftlerin durchgeführt. Aufgrund des großen Datensatzes (4134 Publikationen) wurde die Treffermenge die Publikationszeitspanne auf 2018 bis 2023 eingegrenzt. Hieraus resultierte eine Gesamttreffermenge von 3098 Datensätzen für das Titel- und Abstractscreening. Schließlich flossen 533 Studien in die Volltextprüfung ein. 22 Studien wurden final in das Review aufgenommen und in Hinblick auf die Fragestellung analysiert und synthetisiert. Es wurden dabei ausschließlich Beiträge berücksichtigt, die empirisch vorgingen und konkrete Interventionen untersuchten. Ergebnisse: Die Ergebnisse verdeutlichen, dass digitale Medien sowohl als Lerninstrument, Lernumgebung und Lerninhalt zur Stärkung von Informationskompetenz eingesetzt werden können. Dabei können sie an bisherige Erkenntnisse über das Potenzial digitaler Medien zur Förderung von Informationskompetenzen anknüpfen (Kerres, 2018). Analysierte Studien deuten diesbezüglich u.a. darauf hin, dass die Nutzung von digitalen Tools die Bewertung von Informationen in bestimmten didaktischen Rahmen verbessern kann (Ackermans et al., 2021; Axelsson et al., 2021). Wurden Tools mit integrierten Funktionen zur Überprüfung von Informationen in der Intervention angeboten, wurden umso mehr Verbesserungen festgestellt (Nygren et al., 2021). Ein Desiderat, welches sich aus dem Review ergibt, sind Studien, die sich dem Forschungsgegenstand der Informationskompetenz einheitlich nähern, da so Ergebnisse besser synthetisiert und damit Übertragbarkeiten und Implikationen für die Schulpraxis sowie curriculare Umsetzungen klarer herausgearbeitet werden könnten. In diesem Sinne wäre auch die transparente Nutzung von Forschungsinstrumenten hilfreich, damit deutlich wird, was in den Studien gemessen wurde (Buntins et al., 2021) und um die Reproduzierbarkeit der Studien zu gewährleisten. Dies könnte sowohl auf Forschungsebene zu noch weitergehenden Erkenntnissen führen, als auch für die Schulpraxis von Relevanz sein, um mehr Klarheit darüber zu verschaffen, wie die Informationskompetenz von Schüler:innen und damit ihre Mündigkeit und Teilhabe in einer digital geprägten Welt im Schulraum unterstützt werden können. Voraussetzungen zur Unterstützung von chancengerechten digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen durch Schulträger Theoretischer Hintergrund und Fragestellung Schulische digitalisierungsbezogene Bildungsprozesse entfalten in Deutschland bisher nicht in erforderlicher Weise ihre Wirksamkeit (Scheiter, 2021). Dies betrifft vor allem auch die Förderung digitaler Kompetenzen von Schüler:innen aus sozial benachteiligten Lagen (Drossel et al., 2020). In diesem Zusammenhang zeigen beide bisherigen Zyklen der ‚International Computer and Information Literacy Study‘ (ICILS 2013, 2018) auf, dass die digitalen Kompetenzen von Achtklässler:innen in allen an der Studie beteiligten Bildungssystemen sozialen Disparitäten unterliegen und diese für Deutschland besonders deutlich ausfallen (Fraillon et al., 2019; Senkbeil et al., 2019). Dennoch lassen sich Schulen identifizieren, die die digitale Spaltung (van Deursen & van Dijk, 2015) überwinden und die digitalen Kompetenzen ihrer Schüler:innen besonders gut fördern (Drossel et al., 2020). Diese Schulen werden als organisational resilient angesehen (Schelvis et al., 2014). Schulträger, deren Handlungsrealität in Schulqualitätsmodellen (z. B. Eickelmann & Drossel, 2019) auf der Inputebene zu verorten ist, weisen dabei in der Mehrebenenstruktur des Schulsystems Entwicklungspotenziale zur Unterstützung der Überwindung von digitalisierungsbezogenen Bildungsdisparitäten auf (Schulze et al., 2022). Daher wird in diesem Beitrag unter Rückbezug auf die fünf Dimensionen der digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung (Organisationsentwicklung, Unterrichtsentwicklung, Personalentwicklung, Kooperationsentwicklung und Technologieentwicklung, vgl. Eickelmann & Gerick, 2017) der Frage nachgegangen, welche Voraussetzungen zur Unterstützung von chancengerechten digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen durch Schulträger an organisational resilienten Schulen geschaffen werden. Methodik Um die Forschungsfrage zu beantworten, werden Daten des BMBF-geförderten Projektes ‚Unerwartbar erfolgreiche Schulen im digitalen Wandel – eine qualitative Vertiefungsstudie zu ICILS 2018’ (UneS-ICILS 2018; Laufzeit 2020-2023) herangezogen. Schulen werden als ‚unerwartbar erfolgreich‘ bzw. als organisational resilient identifiziert, wenn der mittlere sozioökonomische Status (SES) der Achtklässler*innen in den Daten der Studie ICILS 2018 unterdurchschnittlich ausfiel (untere 40% im HISEI; Highest International Socio-Economic Index of Occupational Status) und die mittleren digitalen Kompetenzen (5 Plausible Values) sich überdurchschnittlich in der repräsentativen Gesamtverteilung für Deutschland einordnen ließen. Diese Kriterien erfüllen 17% (N=36) der teilnehmenden Schulen in ICILS 2018 in Deutschland (Drossel et al., 2020). In die hier vorgestellten, die ICILS-2018-Studie vertiefenden, inhaltsanalytischen Analysen (Mayring, 2010) fließen die Daten von qualitativen, leitfadengestützen Interviews ein, die im Sommer 2022 mit Vertreter:innen von Schulträgern (N=5) dieser organisational resilienten Schulen geführt wurden. Der Leitfaden wurde auf Basis von Schulqualitätsmodellen (z. B. Eickelmann & Drossel, 2019) sowie unter Berücksichtigung der fünf Dimensionen der digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung (vgl. Eickelmann & Gerick, 2017) entwickelt. Ergebnisse und Implikationen Mit Blick auf eine chancengerechte digitalisierungsbezogene Schulentwicklung auf der Ebene der Organisationsentwicklung (1) als eine der fünf Dimensionen der digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung (Eickelmann & Gerick, 2017) zeigt sich u.a., dass sich UneS-Schulträger vor allem als übergreifende Unterstützungsinstanz wahrnehmen, die die Verantwortung für die Umsetzung der (pädagogisch-technischen) Prozesse chancengerechter digitalisierungsbezogener Schulentwicklungsprozesse übernehmen. Bezüglich der Dimension der Unterrichtsentwicklung (2) passen UneS-Schulträger u. a. ihre Unterstützung der (pädagogisch-technischen) Prozesse flexibel an die diesbezüglichen Bedarfe der UneS-Schulen an. Hinsichtlich der Dimension Personalentwicklung (3) zeigt sich u. a., dass der Schwerpunkt der Schulträger bei Lehrkräftefortbildungen im Bereich der technischen Anwendungen im Multiplikator:innenverfahren liegt. Die Ergebnisse zeigen in Bezug auf die Kooperationsentwicklung (4), dass u. a. eine transparente, zuverlässige und wertschätzende Kommunikation zwischen Schulträgern und schulischen Akteuren hinsichtlich chancengerechter digitalisierungsbezogener Entwicklungsprozesse entscheidend ist. Im Hinblick auf eine chancengerechte digitalisierungsbezogene Technologieentwicklung (5) zeigen die Ergebnisse, dass die Schulträger u. a. neben allen Ausstattungs- und Anschaffungseinzelfragen im Grunde die organisatorische Hauptrolle bei der Planung der lernförderlichen IT-Ausstattung der Schulen spielen. Auf der Grundlage der UneS-Forschungsergebnisse ergibt sich, dass Schulträger einen maßgeblichen Beitrag leisten können, Chancengerechtigkeit im Kontext der Digitalisierung auf allen fünf Ebenen der Schulentwicklung zu unterstützen. Für nachhaltige und damit wirksame chancengerechte digitalisierungsbezogene Schulentwicklung sind Schulen darüber hinaus durch systematische Unterstützung auf der Prozess- und Systemebene zu begleiten. Dabei können die in dem UneS-Projekt entwickelten Transferprodukte zur Gestaltung chancengerechter digitalisierungsbezogener Schulentwicklungsprozesse genutzt werden. Chancen und Herausforderungen für die Teilnahme an Bildung mit digitalen Medien durch benachteiligte Erwachsene Hintergrund Die Teilnahme an Bildung ist ein zentraler Baustein für die Realisierung gesellschaftlicher Teilhabe. Teilnahme (auch Beteiligung) ist der messbare Indikator für Teilhabe und wird von vielen Large Scale Surveys und anderen großen Studien erfasst (Boeren, 2023). Im internationalen Diskurs bezeichnet Teilnahme nicht allein das Gegenteil von Nicht-Teilnahme, mit dem Begriff Teilnahme (engl. participation) wird hier das Versprechen auf positive Entwicklung impliziert (vgl. z.B. UNESCO Institute for Lifelong Learning, 2020). Die Verbreitung und der Einsatz digitaler Medien in der Erwachsenen- und Weiterbildung (EB/WB) nimmt zu und hat zuletzt bedingt durch die Pandemie einen Schub erfahren (Rohs, 2020). Zu den Menschen mit geringen digitalen Kompetenzen gehören u. a. Ältere, gering Literalisierte und gering Qualifizierte, drei Gruppen von Erwachsenen, die damit grundsätzlich als benachteiligt bei der Bildungsteilhabe betrachtet werden können (Bachmann et al., 2021). Im Rahmen dieses Beitrags verstehen Autorin und Autor unter Teilnahme sowohl den Fakt an sich (im Gegensatz zur Nicht-Teilnahme) als auch den Prozess hinsichtlich verschiedener qualitativer Aspekte, dessen Output entsprechende Digitalkompetenzen sind, die wiederum zur Realisierung gesellschaftlicher Teilhabe beitragen (vgl. Eickelmann & Drossel, 2019). Forschungsfrage und Methode Der Beitrag stellt Ergebnisse einer Forschungssynthese vor (Koschorreck & Gundermann, in Vorb.). Das Review wurde in Anlehnung an die Methode des Critical Review erstellt (Grant & Booth, 2009) und sichtet und analysiert empirische Arbeiten aus den Veröffentlichungsjahren 2016 bis Januar 2023, die sich auf die o. g. Gruppen beziehen. Die Forschungsfrage lautet: Welche Faktoren erleichtern oder erschweren benachteiligten Erwachsenen die Teilnahme an Bildung mit digitalen Medien? Die Recherche umfasst deutsche und englische Titel in den Datenbanken ERIC, ERC, Web of Science, Fachportal Pädagogik und IEEE Explore. In den Suchstrings wurden grundsätzlich die Schlagworte „Erwachsenenbildung/Adult Education“, „Digital*“, „Teilnahme/Participation“ sowie die fokussierten Gruppen (Ältere/Older, gering Literalisierte/low literacy, gering Qualifizierte/lower educated) integriert und passende Trunkierungen und Synonyme bzw. verwandte Begriffe eingesetzt. Die Suchterme bzw. ihre Kombinationen wurden in einem iterativen Prozess mehrfach angepasst, um die Trefferquote zu verbessern. Die Recherche ergab 3.321 Treffer. Nach dem initialen Screening verblieben 259 Titel, die im Volltext geprüft wurden. Ergebnisse Schlussendlich wurden 35 Studien synthetisiert. Die Studien sind ungleich über die Gruppen verteilt (Ältere: 23, gering Literalisierte: neun, gering Qualifizierte: sieben). Repräsentative Samples werden vor allem in den ermittelten Sekundäranalysen zugrunde gelegt, ansonsten werden überwiegend anfallende Stichproben berichtet. Mittels eines induktiven thematischen Clusterings konnten drei übergeordnete Kategorien ermittelt werden: Gestaltungsfaktoren, Faktoren aufseiten der Teilnehmenden sowie Ungleichheiten in Zugang und Nutzung. Hierunter konnten verschiedene weitere Aspekte identifiziert werden. Darin zeigen sich einige Gemeinsamkeiten, aber auch deutliche zielgruppenspezifische Unterschiede. Die teilnehmerorientierte Gestaltung von Angeboten und eingesetzter Technik bzw. Anwendungen spielen eine bedeutende Rolle für den Teilnahmeprozess, ebenso wie Motivationen, Erfahrungen und Kompetenzen, (Selbst-)Wahrnehmungen und soziale Unterstützung. Gruppenübergreifend werden Lernformate mit Präsenzanteilen (Blended Learning, generationenübergreifendes Lernen) sowie die barrierearme Gestaltung von Anwendungen und Technik empfohlen. Ungleichheiten in Zugang und Nutzung bleiben eine relevante Hürde für die (erfolgreiche) Teilnahme an Bildung mit digitalen Medien. Die ermittelte Empirie ist insgesamt sehr heterogen. Dennoch haben die Ergebnisse einen Orientierungswert für die Bildungspraxis, da Zielgruppenspezifika eine bedeutende Rolle bei der Ansprache und Teilnehmendengewinnung spielen (am Beispiel der Alphabetisierung und Grundbildung: Mania et al., 2022), insbesondere im Bereich der EB/WB. In diesem Zusammenhang können auch zielgruppenspezifische Modelle wie etwa das Medienkompetenzmodell für die Grundbildung (Koppel & Langer, 2020) und daran anschließend zum Digital Taste (David et al., 2022) sowie der Digital Identity von älteren Erwachsenen (Muñoz-Rodríguez et al., 2020) eine Orientierung bieten, um in der Gestaltung von Lernen mit digitalen Medien systematisch Brücken zur Lebenswelt aufzubauen. Ein wichtiges Desiderat sind empirische Studien zu den Gründen für die Nichtteilnahme benachteiligter Erwachsener sowie vergleichende Untersuchungen der Teilnahme von benachteiligten und nicht-benachteiligten Erwachsenen. Institutionelle Voraussetzungen für den Einsatz digitaler Medien in der Grundbildung und Implikationen für die gesellschaftliche Teilhabe Theoretischer Hintergrund und Fragestellung Ein Großteil der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland weist unzureichende digitale (Grund-)Kompetenzen auf (z.B. Grotlüschen & Buddeberg, 2020; Rammstedt et al., 2013): Personen mit Grundbildungsbedarf trauen sich beispielsweise im Bereich des Internets (z.B. im Internet angebotene Wohnungsbörsen) signifikant weniger zu im Vergleich zur Gesamtbevölkerung; zunehmend verlagern sich aber Angebote, die für das grundlegende Alltägliche lebensnotwendig sind – wie der Wohnungsmarkt, Terminvergaben bei Behörden oder Ärzt*innen – in das Internet (Buddeberg & Grotlüschen, 2020, S. 214). Damit besteht für diese Zielgruppe ein systematisch höheres Risiko des Teilhabeausschlusses und es ist ein hoher Bedarf an Weiterbildung im Bereich der Erwachsenengrundbildung festzustellen. Bildungsinstitutionen spielen demnach eine maßgebliche Rolle, Personen in ihrer Teilhabefähigkeit zu unterstützen, denn die institutionelle Ausstattung bildet den Rahmen für die Lehrtätigkeit in Bildungsinstitutionen. Mehrere Studien liefern Hinweise auf Bedingungsfaktoren für die erfolgreiche Integration digitaler Medien auf der institutionellen Ebene (vgl. z.B. Egetenmeyer, Lechner, Treusch & Grafe, 2020; Gerick & Eickelmann, 2017; Getto, Hintze, & Kerres, 2018). Auch wenn die Studien selbst z.T. kritisch zu hinterfragen sind, wird insgesamt deutlich, dass erst die Verbindung von Technologie und Organisationsentwicklungskonzepten eine qualitativ hochwertige, effektive Nutzung digitaler Medien in Schule und Unterricht erzielen kann (Schulz-Zander, 2001) und eine medienorientierte Entwicklung von Weiterbildungsorganisationen sowohl von den strukturellen Rahmenbedingungen (wie Organisationsgröße und Personalausstattung) als auch vom Engagement der Akteure und von der Organisationskultur abhängig ist (Stang, 2003, S. 229). Bisher wurden die institutionell geprägten Rahmenbedingungen in der durch heterogene Strukturen geprägten Grundbildung allerdings wenig explizit in den Blick genommen. Die Rahmenbedingungen umfassen üblicherweise rechtliche und finanzielle Regelungen sowie gesellschaftliche Erwartungen und Normvorstellungen (Jenner, 2023, 218); der Blick wird in diesem Beitrag daher konkret auf die technische Ausstattung, auf die Datenschutzmaßnahmen sowie die institutionell unterstützenden Weiterbildungsmöglichkeiten gerichtet und es wird folgende Frage bearbeitet: Welche institutionellen Voraussetzungen sind gegeben, um in Grundbildungskursen digitale Medien einsetzen zu können und welche Implikationen zeigen sich im Hinblick auf die Förderung einer digitalen Grundbildung? Methodik Für die Bearbeitung der in diesem Beitrag anvisierten Fragestellung werden im Sinne eines „Convergent“ Mixed Methods-Design (Creswell, 2022, S. 52-53) quantitative Befragungen mit Institutionsleitenden bzw. konzeptionell Tätigen (N=58) sowie Kursleitungen (N=49) deskriptiv und inferenzstatistisch ausgewertet; daran anknüpfend werden Interviews mit Institutionsleitenden bzw. konzeptionell Tätigen (N=14; 4m/10w) sowie Kursleitenden (N=18; 5m/13w) mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2018) ausgewertet. Die Daten wurden im Rahmen des BMBF-Projekts GediG (www.gedig.online) erhoben. Ergebnisse Für die Bearbeitung der Fragestellung werden die Ergebnisse den Themenbereichen IT-Ausstattung und -Infrastruktur (1) sowie Professionalisierung des Personals (2) zugeordnet: In den Bildungsinstitutionen ist zwar eine digitale Grundausstattung vorzufinden, allerdings variieren Erweiterungs-/Aktualisierungsbedarfe bezüglich der IT-Ausstattung und der IT-Infrastruktur stark. Ein Großteil der Lehrpersonen hat grundsätzlich Zugang zu Fort- und Weiterbildung, allerdings zeichnen sich Unterschiede zwischen fest angestellten Personen und Honorarkräften ab, was zu einem Ungleichgewicht hinsichtlich der Professionalisierung in der Erwachsenengrundbildung führen kann. Beide dargestellten Aspekte können zu paradoxen Situationen in Bezug auf die didaktische Gestaltung von Kursen in der Grundbildung führen: Dem Anspruch, den Umgang mit digitalen Geräten bzw. Anwendungen zu vermitteln, kann aufgrund mangelnder IT-Ausstattung/Infrastruktur nicht begegnet werden. Lernsettings können somit nicht genutzt werden, um digitale Kompetenzen zu vermitteln und die Teilhabefähigkeit zu fördern. Des Weiteren kann es auf unzureichende Professionalisierung zurückgeführt werden, wenn Lehrpersonen aufgrund mangelnder Möglichkeiten zur Teilnahme an Fort- und/oder Weiterbildungen den Einsatz digitaler Medien im Kurs meiden. Damit haben die institutionelle Ausstattung und die Professionalisierungsmöglichkeiten nicht nur einen Einfluss auf die methodischen und didaktischen Gestaltungsmöglichkeiten in Grundbildungskursen, sondern auch auf mögliche motivationale Aspekte sowie die Teilhabefähigkeit der Kursteilnehmenden. |
11:10 - 12:50 | 8-08: „Leistung macht Schule“(LemaS): Ausgewählte Ergebnisse aus Phase I des Bund-Länder-Projekts Ort: H06 |
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Symposium
„Leistung macht Schule“(LemaS): Ausgewählte Ergebnisse aus Phase I des Bund-Länder-Projekts Das Symposium stellt ausgewählte Ergebnisse der ersten Phase des interdisziplinären, vom BMBF geförderte Forschungsverbund „Leistung macht Schule“ (LemaS) vor. Der LemaS-Verbund nahm im Jahr 2018 im Rahmen der auf 10 Jahre angelegten Bund-Länder-Initiative seine Arbeit auf. Beteiligt waren in der ersten, fünfjährigen Förderphase Forschendenteams von 18 Universitäten. Das Ziel der Arbeit bestand darin, Konzepte, Strategien, Maßnahmen und Materialien (sog. P3rodukte) für eine begabungs- und leistungsfördernde Schulentwicklung und die Förderung leistungsstarker und potenziell besonders leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler im Unterricht forschungsbasiert zu entwickeln. Diese Entwicklungsarbeit erfolgte gemeinsam mit Lehrkräfteteams aus 122 Grundschulen und 178 weiterführenden Schulen aus dem gesamten Bundesgebiet (Weigand et al., 2020; Weigand et al., 2022). Ausgangspunkt für das Projekt war die Erkenntnis, dass Schulen in Deutschland Schülerinnen und Schüler im oberen Teil des Leistungsspektrums oft nicht hinreichend fördern. Zwar entwickelten die Länder in den vergangenen Jahren zunehmend Förderangebote für Hochbegabte oder sehr Leistungsstarke und besonders Motivierte, diese erfolgten jedoch in der Regel in separaten Settings wie Spezialschulen/Spezialklassen, durch akzelerative Maßnahmen oder in Form von außerunterrichtlichen Zusatzangeboten (z. B. Ferienprogramme, Schülerwettbewerbe) (vgl. Vock, Preckel & Holling, 2007; Preckel & Vock, 2020). Für die Schulentwicklung und die Weiterentwicklung der Schulen und des Unterrichts zur differenzierten Förderung der Leistungsstarken und potenziell besonders Leistungsfähigen fehlte es jedoch an wissenschaftlich basierten und praxiserprobten Ansätzen. Zugleich zeichnet sich in der Begabungsforschung ein Paradigmenwechsel sowohl hin zu einer chancengerechten Potenzial- und Leistungsförderung für alle Kinder, unabhängig von Herkunft, Geschlecht und sozialem Status über alle Schularten hinweg (Weigand, Preckel & Fischer, 2022) als auch hin zu einer Talententwicklungsperspektive ab (Dai & Chen, 2013), welche die Diagnostik und Förderung von Begabungen dynamischer und domänenspezifischer begreift (Preckel et al., 2020). Diese beiden Perspektiven spiegeln sich auch in den in LemaS entwickelten Konzepten. Der LemaS-Forschungsverbund hat sich zum Ziel gesetzt, Konzepte für die Entwicklung schulischer Leitbilder und für die Unterrichtsentwicklung zu erarbeiten, letztere sowohl fachübergreifend als auch fachspezifisch in den Bereichen MINT und Sprachen. Der Forschungsverbund strukturierte sich in der ersten Förderphase in 22 Teilprojekte mit je pädagogischer, fachdidaktischer oder pädagogisch-psychologischer Ausrichtung. Im Symposium werden im ersten Beitrag zunächst die Anlage, Ziele und ausgewählte Ergebnisse des LemaS-Verbunds präsentiert. In den Beiträgen 2 bis 5 werden Ergebnisse aus ausgewählten Teilprojekten vorgestellt: Beitrag 2 stellt Erkenntnisse zu Gelingens- und Hinderungsfaktoren für die Implementation und den Transfer des LemaS-diFF-Projekts (diagnosebasiertes individualisiertes Fordern und Fördern) der Universität Münster dar, das sich an die Jahrgangsstufen 3 bis 6 richtet. Berichtet wird über eine Interviewstudie mit den 32 an diFF beteiligten Projektschulen. In Beitrag 3 berichtet das Team der Humboldt-Universität zu Berlin über ihr Projekt zur Anregung begabungsförderlicher Schulentwicklungsprozesse. Im Fokus ihrer Studie mit leitfadengestützten Fokusgruppeninterviews mit 16 am Projekt beteiligten Grund- und weiterführenden Schulen stehen Fragen nach günstigen Rahmenbedingungen und der Art der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis. In Beitrag 4 wird über die Erfahrungen mit der Implementation der Lesson Study Methode an 19 Projektgrundschulen berichtet. Vorgestellt werden Ergebnisse aus einer Fragebogenstudie des Projekts der Universität Potsdam, in der die Lehrkräfte nach fünf Jahren Erfahrung mit der Methode danach gefragt wurden, inwieweit sich ihre Motivation für das Unterrichten leistungsstarker und potenziell leistungsstarker Kinder sowie ihre Einstellung zu Kooperation verändert hat. Beitrag 5 nimmt die fachbezogene Begabungsförderung im naturwissenschaftlichen Unterricht in den Blick. Es wird eine qualitativ angelegte Studie des Teams der Universität Hamburg vorgestellt, die zum Ziel hat, Leitlinien für Fortbildungen zu fachbezogener Unterrichtsentwicklung zu entwickeln. Ausgehend vom Modell der Didaktischen Rekonstruktion für die Lehrkräftebildung werden Vorstellungen von Lehrpersonen erhoben und analysiert. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Perspektiven aus Schulpraxis und Wissenschaft sowie deren Bedeutung für die Gestaltung von Professionalisierungsangeboten im Kontext fachbezogener Potenzial- und Begabungsförderung werden diskutiert. Beiträge des Symposiums LemaS: Anlage, Ziele und erste Erkenntnisse des Bund-Länder-Projekts In diesem Teilbeitrag wird zunächst die Gesamtanlage von LemaS kurz erläutert. Anschließend werden Grundlinien und Ziele von LemaS sowie zentrale Begrifflichkeiten und die besondere Art der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis in Research-Practice-Partnerships (auch: Wissenschaft-Praxis-Brücke) vorgestellt. Schließlich werden ausgewählte Ergebnisse aus der verbundübergreifenden Enderhebung unter der Frage: „Was bedeutet eigentlich Gelingen für LemaS?“, auch mit Blick auf die Transferphase, zur Diskussion gestellt. „Leistung macht Schule“ (LemaS) gründet auf einer gemeinsamen Initiative von Bund und Ländern aus dem Jahr 2016 und ist ein auf insgesamt zehn Jahre angelegtes Projekt zur begabungs- und leistungsfördernden Schul- und Unterrichtsentwicklung (BMBF/KMK, 2016). Gerahmt von BMBF und den Kultusministerien der 16 Länder hat der interdisziplinäre Forschungsverbund LemaS, bestehend aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Erziehungswissenschaft, empirischer Bildungsforschung, (Pädagogischer) Psychologie und Fachdidaktiken der am Projekt beteiligten Schulfächer (Deutsch, Englisch, MINT), in der 1. Phase des Projekts (1/2018-6/2023) mit 300 Schulen aller Schularten bundesweit an der Entwicklung und Optimierung von begabungs- und leistungsförderndem Unterricht und einer entsprechenden Gestaltung ihrer Schulkultur zusammengearbeitet. Dabei wurden Strategien, Konzepte, Maßnahmen und Materialien (sog. P3rodukte) erarbeitet, auf Praxistauglichkeit erprobt und formativ evaluiert. Diese sollen in der 2. Phase des Projekts (7/2023-12/2027) in Kooperation mit den 16 Ländern in bis zu 1000 weitere Schulen übertragen werden, wobei es hier insbesondere um die Beforschung der Transferprozesse geht. LemaS geht bildungs- und lerntheoretisch davon aus, dass Potenzialentfaltung und Leistungsförderung für alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig von Herkunft, Geschlecht und sozialem Status ein selbstverständlicher Auftrag jeder Schule sind (vgl. auch KMK, 2016). Als Ausgangspunkt schulischen Denkens und Handelns wird die Person des einzelnen Kindes und Jugendlichen und deren individueller Lern- und Bildungsweg betrachtet, wobei ein besonderer Fokus auf Schülerinnen und Schüler mit besonderen Begabungen und Leistungsstärken gelegt wird. Um den Kindern und Heranwachsenden in ihrer Diversität und (Lern- und Leistungs-)Heterogenität (Vock & Gronostaj, 2017) gerecht zu werden und dem Ziel von begabungs- und leistungsfördernden Schulen näher zu kommen, hat sich LemaS in einem intensiven interdisziplinären Diskurs mit den beiden Grundbegriffen Begabung und Leistung, beides soziokulturelle Konstrukte (Müller-Oppliger & Weigand 2021), auseinandergesetzt und sich schließlich auf einen mehrdimensionalen, entwicklungsbezogenen Begabungs- und Leistungsbegriff verständigt (LemaS Forschungsverbund, o. J.). Dabei werden die Begriffe Begabung und Leistungspotenzial gleichgesetzt, indem Begabung als leistungsbezogenes Potenzial definiert wird (vgl. iPEGE 2009). Eine Besonderheit von LemaS und der gesamten Initiative ist die Etablierung und Pflege einer kontinuierlichen Wissenschaft-Praxis-Brücke und einer besonderen Form von Research Practice Partnerships (Biesta, 2007; Coburn & Penuel, 2016). Wissenschaft und Praxis sind zwar zwei unterschiedliche Domänen mit je unterschiedlichen „Sprachspielen“ (Wittgenstein 1998, PU 7), in ihrer wechselseitig aufeinander abgestimmten Expertise zielen sie jedoch auf möglichst nachhaltiges Gelingen im Sinne eines „continuous improvement“ (Yurkofsky et al. 2020). Der Einblick in ausgewählte Ergebnisse aus den verbundübergreifenden Erhebungen, insbesondere der Enderhebung (2022), an den 300 Schulen zeigt Befunde aus Schulsicht zum Erreichen der Ziele und zu förderlichen und hinderlichen Bedingungen für die Arbeit in der Initiative – auch mit Blick auf die Transferphase. Gelingensbedingungen und Hinderungsfaktoren in der Projektdurchführung diagnosebasierter Förderformate – ein Blick zurück nach vorn Theoretischer Hintergrund Im Projektverbund der Teilprojekte 4-6 entstand in der ersten Förderphase das „diFF“-Projekt. Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 3-6 haben im „Rahmen adaptiver Formate des diagnosebasierten individualisierten Forderns und Förderns (diFF)“ die Möglichkeit, „mit Blick auf die subjektive Bedeutsamkeit des Lerngegenstandes (…) ein Thema oder eine Forschungsfrage ihrer Wahl [zu] benennen und sich diesem/dieser selbstreguliert forschend anzunähern“ (Fischer et al., 2021, S. 77). 32 der 300 LemaS-Schulen absolvierten die erste Förderphase im diFF-Projekt. Viele dieser Schulen stehen in der zweiten Förderphase (2023-2027) vor einem Perspektivwechsel und werden zukünftig eine Multiplikatorenrolle übernehmen. Hierbei werden sie neue Netzwerkschulen in der Durchführung des diFF-Projektes begleiten. Ziel dieser Transferphase ist es, die bisherigen LemaS-Ergebnisse und Produkte zu transferieren, „wobei die erfolgreich erprobten und evaluierten Konzepte, Maßnahmen und Strategien in die Breite getragen werden“ (LemaS Forschungsverbund, 2023). Einen zentralen Bestandteil der ersten Förderphase bildete die enge Zusammenarbeit zwischen dem diFF-Team (Universität Münster), das die wissenschaftliche Begleitung gestaltete, und den Lehrkräften der 32 Projektschulen, an denen die Projektdurchführung umgesetzt wurde. Im Kontext einer Wissenschafts-Praxis-Brücke (Coburn & Penuel, 2016) und mit dem Ziel einer ko-konstruktiven Zusammenarbeit auf Augenhöhe (Bietz et al., 2020) scheint es besonders wichtig, neben den Produkten die zentralen Erkenntnisse und Erfahrungen der bisher beteiligten Projektlehrkräfte zu erfassen, zusammenzutragen und in die Breite zu transportieren. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, zentrale Aspekte zu generieren, die von den projektdurchführenden Lehrkräften als förderlich (Gelingensbedingungen) oder hinderlich (Hinderungsfaktoren) für die Projektdurchführung der ersten Förderphase beschrieben wurden. Somit sollen individuelle Erfahrungen, die von den jeweiligen Lehrkräften in den eigenen Schulen gemacht wurden, gesammelt analysiert und im Sinne eines „Erfahrungskataloges“ zur gelingenden Unterrichts- und Schulentwicklung zusammengetragen werden, um auf dieser Basis wichtige Implikationen für die Akteur*innen der Transferphase sowie eine Weiterentwicklung von Fortbildungsmaterialien und -inhalten zu gestalten. Fragestellung Um Erkenntnisse der ersten Förderphase für den Transfer in der zweiten Förderphase aktiv zu nutzen und diesen gemeinsam mit den Multiplikatoren zu gestalten, wird in diesem Beitrag folgenden Forschungsfragen nachgegangen: (1) Welche Gelingensbedingungen und Hinderungsfaktoren benennen Lehrkräfte des schulinternen LemaS-Teams der ersten Förderphase für eine gelingende Durchführung des diFF-Projektes? (2) Wie können die berichteten Gelingensbedingungen und Hinderungsfaktoren für die Gestaltung der Transferphase (beispielsweise für die Fortbildung neuer Netzwerkschulen) genutzt werden? Methode Die an 32 Schulen tätigen projektdurchführenden Lehrkräfte sowie in Teilen auch die zuständigen Schulleitungen bildeten die Zielgruppe der vorliegenden Erhebung. Die Datengrundlage wurde in einer Vollerhebung in Form leitfragengestützter Interviews (N = 32) mit Akteur*innen aller beteiligten diFF-Schulen der ersten Förderphase in der ersten Hälfte des Jahres 2023 generiert und durchgeführt. Insgesamt entstanden über 23 Stunden Interviewmaterial, das transkribiert und mit Hilfe von MAXQDA (2022) computergestützt qualitativ-inhaltsanalytisch (MAXQDA 2022) ausgewertet wurde. Das Prinzip der Kategorienbildung folgt grundlegend einem deduktiven A-priori-Ansatz (Kuckartz, 2018, S. 63). Ergebnisse Insbesondere die Rolle der Schulleitung sowie der Rückhalt im Kollegium stellen zentrale Gelingensbedingungen für die Durchführung des diFF-Projektes in Rahmen der ersten Förderphase dar. Außerdem weisen die Ergebnisse darauf hin, dass zeitliche, personelle und räumliche Ressourcen wichtige Faktoren bilden. Als hinderlich für die Projektdurchführung wurden hingegen vor allem die Corona-Pandemie sowie der fehlende Rückhalt von Kollegium und Schulleitung beschrieben. Die Auswertung einzelner Subkategorien differenziert die jeweiligen Gelingensbedingungen und Hinderungsfaktoren zudem. Die vorliegenden Ergebnisse bieten, neben einem konzentrierten Blick in die Umsetzungs-Praxis des Projektes aus der Perspektive schulseitiger Akteur*innen, zahlreiche Implikationen für die Gestaltung der Transferphase an. So führten die ausgewerteten Rückmeldungen der schulinternen Projektlehrkräfte und die daraus gewonnenen Erkenntnisse zu ersten Anpassungen in der Fortbildungsgestaltung sowie zur Erstellung von weiterführenden Materialien für die Multiplikator*innen, um die erhobenen Erkenntnisse für alle (zukünftigen) Projektschulen sichtbar zu machen und somit für die Transferphase gezielt zu nutzen. (Was) Kann wissenschaftliche Beratung zur Entwicklung innovativer Schulpraxis beitragen? Theoretischer Bezugsrahmen Untersucht werden Entwicklungsprozesse, die Begabungsförderung in Schulen zum Ziel haben und im Rahmen des Forschungsverbundprojektes Leistung macht Schule (LemaS) wissenschaftlich begleitet wurden (Weigand et al. 2022). Begabungsförderliche Schulentwicklung wird verstanden als die systematisierte Weiterentwicklung von Einzelschulen mit dem Ziel, dass Begabungen der Schüler*innen besser erkannt und gefördert werden können. Unter Schulentwicklung wird eine bewusste und absichtsvolle Veränderung verstanden, die von den Mitgliedern der Einzelschulen selbst vorgenommen wird (Dedering 2012). Angenommen wird, dass die wissenschaftliche Begleitung von Schulentwicklungsmaßnahmen dazu beitragen kann herauszustellen, inwiefern die angewandten Ansätze effektiv und langfristig Wirkung entfalten (können) und tatsächlich zur Verbesserung der Bildungsqualität beitragen (für erste Befunde siehe Hennen 2021, S. 71) – wobei dies gleichsam mit Herausforderungen verbunden ist (siehe dazu Buchberger et al. 2023). Im Rahmen von LemaS wurde die externe Schulentwicklungsberatung über einen Zeitraum von fünf Jahren von ausgewählten Hochschulen durchgeführt; die involvierten Wissenschaftler*innen wurden im Zuge dessen als „schulferne Berater*innen“ tätig (Dedering et al. 2022, S. 349). In der Praxis stellt dieses Vorgehen eine Ausnahmeerscheinung dar. So bestehen Forschungsdes¬iderate nicht nur im Hinblick darauf, welche Faktoren Prozesse der Schulentwicklungsberatung begünstigen oder beeinträchtigen (Dedering et al. 2022, S. 358), sondern ferner, inwiefern insbesondere eine wissenschaftliche Begleitung zum Gelingen begabungsförderlicher, innovativer Schulentwicklung beiträgt. Fragestellung In der vorliegenden Studie wurde untersucht, welche innovativen Entwicklungen sich in den beteiligten Schulen ergeben haben. Dabei wird diskutiert, welche Rahmenbedingungen und Maßnahmen begabungsförderliche Schulentwicklungsprozesse unterstützt und/oder beeinträchtigt haben. Zudem wird herausgearbeitet, welche Bedeutung die Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen in LemaS hatte. LemaS eröffnet einen geeigneten Rahmen, diese Fragestellungen zu untersuchen, da das Verbundprojekt eine „Wissenschaft-Praxis-Brücke“ (Weigand et al. 2022, S. 20) schafft, in dessen Rahmen wissenschaftliche Forschung und schulische Praxis auf eine langfristig angelegte Weise zusammengebracht und eine engmaschige Zusammenarbeit ermöglicht werden. Methode Im Zuge der Studie wurden an 16 Grund- und weiterführenden Schulen insgesamt 18 leitfadengestützte Fokusgruppeninterviews geführt (Döring & Bortz 2016, S. 361ff.). Interviewt wurden Lehrpersonen und Schulleitungen, die zum Zeitpunkt der Erhebungen (2020 und 2021) in Steuer- oder Arbeitsgruppen in die Prozessdurchführung involviert waren. Die Auswertung des Datenmaterials erfolgte gemäß der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2008). Ergebnisse Die befragten Lehr- und Schulleitungspersonen nannten förderliche und hinderliche Bedingungen, die insgesamt acht Dimensionen zugeordnet wurden; diese wiederum wurden unterschieden in projektbezogene und schulinterne Bedingungen. Unter den schulinternen Bedingungen wurden etwa die strukturell sinnvolle Verortung des Themas in der Schule, spezifische, fokussierte Arbeitsweisen aller Beteiligten, Charakteristika des Schulleitungshandelns sowie ausreichende zeitliche und personelle Ressourcen genannt. Unter den projektbezogenen Bedingungen wurden eine stärkenorientierte, wertschätzende Prozessberatung, innovative inhaltliche Impulse, verbindliche Arbeitsweisen sowie Möglichkeiten zum Praxis- und Erfahrungsaustausch zwischen Schulen angeführt. Die besondere Rolle von Wissenschaftler*innen in der Beratung und Begleitung der Schulen wird vor dem Hintergrund dieser empirischen Ergebnisse zur Schulentwicklungsberatung diskutiert. Die Befunde weisen unter anderem darauf hin, dass die wissenschaftliche Begleitung vermag, nicht allein Räume – in und zwischen Schulen – für innovative Entwicklungsprozesse zu (er)öffnen und aufrechtzuerhalten, sondern darüber hinaus Verbindlichkeiten zwischen den Beteiligten herzustellen, derer es im Hinblick auf Kontinuität in der Schulentwicklungsarbeit bedarf. Resümiert wird schließlich, dass Entwicklung und Einführung begabungsförderlicher Maßnahmen sich nicht grundlegend von anderen pädagogischen Innovationsprozessen in Schulen unterscheiden. Abgeleitet werden Schlussfolgerungen sowohl zur Schulentwicklungsberatung als auch zur Gestaltung wissenschaftlicher Beratung und Begleitung in Modellprojekten. Kooperative Unterrichtsentwicklung durch Lesson Study: Effekte auf die berufsbezogene Motivation und Einstellungen zur Kooperation von Lehrkräften Theoretischer Hintergrund Im Teilprojekt 22 wurde die Methode Lesson Study, eine Form der kollegialen Unterrichtsentwicklung, an 19 Grundschulen des LemaS-Projekts eingeführt, um begabungs- und leistungsförderlichen Unterricht umzusetzen und zu erproben. Lesson Study stammt ursprünglich aus dem japanischen Bildungskontext und bietet einen systematischen Rahmen für Lehrkräfte, um selbstgesteuert und kontinuierlich den eigenen Unterricht im Team weiterzuentwickeln (Lewis, 2009). Dazu formuliert ein Team von 3–6 Lehrkräfte eine Leitfrage, plant gemeinsam eine Unterrichtsstunde, unterrichtet und hospitiert diese Stunde und reflektiert anschließend im Team, wie Schüler*innen in der Unterrichtsstunde gelernt haben. Lesson Study umfasst daher eine Vielzahl von Aspekten, die als wesentliche Merkmale effektiver Fortbildung von Lehrkräften gelten (Lipowsky, 2014). Laut dem adaptierten Angebots-Nutzungs-Modell für die Evaluierung von Lesson Study (Kalinowski et al., 2021) lässt sich durch die Teilnahme an Lesson Study ein positiver Effekt auf die affektiv-motivationalen Merkmale von Lehrkräften vermuten. Verschiedene Studien konnten einen positive Effekte auf die Selbstwirksamkeitserfahrung (Schipper et al., 2018) und die Kooperationsbereitschaft von Lehrkräften (Quaresma & Da Ponte, 2021) durch die Teilnahme an Lesson Study zeigen. Fragestellungen Ziel der vorliegenden quantitativen Evaluation des Teilprojekts ist es, die von Lehrkräften wahrgenommene Veränderung zur Einstellung zur Kooperation und deren berufsbezogene Motivation seit der Einführung von Lesson Study zu erfassen. Die Forschungsfrage lautete daher: Wie schätzen Lehrkräfte die Veränderung von a) Aspekten ihrer berufsbezogenen Motivation sowie b) ihrer Einstellungen zur Kooperation seit Einführung von Lesson Study an ihrer Schule ein? Methode Die Datenerhebung erfolgte von Dezember 2022 bis März 2023 als Online-Befragung per standardisiertem Fragebogen an allen 19 Projektschulen und adressierte alle Lehrpersonen und Schulleitungen, die an Lesson Study beteiligt waren. Die Teilnahme an der Befragung war freiwillig und die Analysestichprobe umfasst N = 37 Personen. Die berufsbezogene Motivation von Lehrkräften wurde anhand von Skalen zur Selbstwirksamkeit für das Unterrichten Leistungsstarker (adaptiert nach Hachfeld et al., 2012), zum Enthusiasmus für das Unterrichten Leistungsstarker (adaptiert nach Hachfeld et al., 2012) und zur kollektiven Selbstwirksamkeit (Jerusalem et al., 2009) erhoben (je fünfstufiges Antwortformat). Die Einstellung zur Kooperation seit der Einführung von Lesson Study wurde durch adaptierte Skalen zur Teamorientierung (Hossiep & Paschen, 2003) und zur Kooperationsbereitschaft (Eder et al., 2011) erfasst. Ergebnisse Erste Ergebnisse zeigen, dass Lehrkräfte sowohl ihren Enthusiasmus für das Unterrichten Leistungsstarker (M = 3.64; SD = 0.72) und ihre Selbstwirksamkeitserwartung für das Unterrichten Leistungsstarker (M = 3.68; SD = 0.58) als auch ihre kollektive Selbstwirksamkeitserwartung (M = 3.49; SD = 0.47) nach der Teilnahme an Lesson Study mindestens eher höher als zuvor einschätzen. Die Teamorientierung wurde von Lehrkräften als eher hoch eingeschätzt (M = 3.75; SD = 1.1); die Kooperationsbereitschaft hingegen unverändert und als lediglich mittelstark ausgeprägt (M = 2.51; SD = 1.1). Die Ergebnisse deuten somit erwartungsgemäß darauf hin, dass die Teilnahme an Lesson Study eine positive Wirkung auf Lehrkräfte im Hinblick auf ihre Selbstwirksamkeit für das Unterrichten von leistungsstarken Schüler*innen und ihren Enthusiasmus sowie die Motivation haben kann. Die Bereitschaft der Lehrkräfte, mit Kolleg*innen zusammenzuarbeiten, scheint sich jedoch weder in positiver noch in negativer Hinsicht zu verändern. Implikationen für Lesson Study als Fortbildungskonzept in der zweiten LemaS-Projekt Phase werden diskutiert. Potenzial- und Begabungsförderung im Biologieunterricht – Wissenschaftliche Perspektiven und Lehrpersonenperspektiven im Vergleich und Konsequenzen für die Konzeption von Professionalisierungsangeboten Schulleistungsstudien haben eindrücklich aufgezeigt, dass in Deutschland ein Nachholbedarf im Erkennen und Fördern leistungsstarker und potenziell leistungsfähiger Schüler:innen besteht (Vock et al., 2020). Diese Aufgabe kommt Schule als Ganzes, aber auch dem Fachunterricht zu (Weigand et al., 2022). Für den naturwissenschaftlichen Unterricht liegen Ansätze wie das Forschende Lernen als didaktische Leitideen für die Potenzial- und Begabungsförderung nahe. Jedoch haben sich diese Ansätze bisher nicht in der Unterrichtspraxis etabliert (Bruckermann et al., 2017; Käpnick, 2022). Um potenzial- und begabungsfördernde Ansätze im naturwissenschaftlichen Unterricht zu implementieren müssen konkrete Konzepte und Materialien entwickelt und erprobt werden. Zudem ist eine umfassende Professionalisierung der Lehrpersonen unerlässlich. Erfolgreiche Professionalisierungsangebote knüpfen dabei an den Wissensstand, die Vorstellungen, Einstellungen und Überzeugungen von Lehrpersonen an (Desimone, 2009). Die Entwicklung- und Forschungsarbeiten in Lemas-Bio zielten deshalb darauf ab (1) fundierte Konzepte und Materialien für den Fachunterricht partizipativ mit Lehrpersonen zu entwickeln und zu erproben und (2) Erkenntnisse zur Gestaltung von Professionalisierungsangeboten zu gewinnen. Im Vortrag wird der Fokus auf eine Studie gelegt, die Ziel (2) fokussiert. Ziel ist die Entwicklung von Leitlinien für Professionalisierungsangebote, wobei das Modell der Didaktischen Rekonstruktion für die Lehrkräftebildung als Forschungsrahmen dient (Engelmann & Woest, 2021). Das Modell umfasst drei iterativ verbundene Untersuchungsaufgaben: fachliche Klärung der wissenschaftlichen Perspektiven, Analyse der Vorstellungen von Lehrpersonen, Didaktische Strukturierung (Konzeption von Leitlinien für die Professionalisierung). Orientiert an diesen Aufgaben standen folgende Forschungsfragen im Fokus: (1 und 2): Welche Vorstellungen (Wissen, Einstellungen und Überzeugungen) lassen sich bei Lehrpersonen (1) sowie in wissenschaftlichen Quellen (2) zu Begabung und Begabungsförderung im naturwissenschaftlichen Unterricht und in Bezug auf fachdidaktische Ansätze zum Erkennen und Fördern von Begabungen identifizieren? (3) Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden beim Vergleich zwischen den Perspektiven der Lehrpersonen und der Wissenschaft deutlich? (4) Welche didaktisch-methodischen Schlussfolgerungen lassen sich aus dem Vergleich beider Perspektiven für die Strukturierung und Entwicklung von Professionalisierungsangeboten ableiten? Methode Zur Erfassung der Lehrpersonenvorstellungen wurden problemzentrierte, leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Der Interviewleitfaden umfasste u.a. Fragen zu (fachbezogener) Begabung und Begabungsförderung, Diagnose von Begabungen, begabungsförderlichen Haltungen und zum Forschenden Lernen im Kontext der Begabungsförderung. Die Interviews dauerten 54 -144 Minuten (M = 107.53 min, SD = 23.55). Die Stichprobe bestand aus N = 15 Lehrpersonen (12 weiblich, M = 44, SD = 8.70, 30-60 Jahre) mit den Fächern Sachunterricht oder Biologie. Die Lehrpersonen verfügten über 2-39 Jahre Berufserfahrung (M = 15.6, SD = 10.03). Die Fachliche Klärung umfasste die Analyse von N = 21 einschlägigen wissenschaftlichen Quellentexten (national/international) aus den Bereichen Begabungsforschung, Psychologie, Erziehungswissenschaft und Naturwissenschaftsdidaktik. Die Interviews wurden transkribiert und redigiert und wie die wissenschaftlichen Quellen mittels einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) computergestützt mit MAXQDA2022 ausgewertet. Ergebnisse Zentrale Ergebnisse sind auf beiden Seiten ein überwiegend breites Begabungsverständnis sowie Parallelen in den Vorstellungen zur Begabungsförderung und zum Forschenden Lernen, die auf eine Befürwortung des Forschenden Lernens zur Begabungsförderung schließen lassen. Dennoch weisen beide Perspektiven auf Herausforderungen beim Einsatz Forschenden Lernens hin. Die interviewten Lehrpersonen scheinen überwiegend über ein mehrdimensionales Begabungsverständnis zu verfügen, allerdings zeigt die Analyse Unterschiede: während neben der Mehrdimensionalität in der wissenschaftlichen Perspektive der dynamische Charakter von Begabung beschrieben wird (z.B. Stöger et al., 2018), zeigt die Analyse der Vorstellungen der Lehrkräfte eine eher statische Begabungsvorstellung. Unterschiede werden auch beim Verständnis Forschenden Lernens deutlich: während in der Perspektive der Wissenschaft das Forschende Lernen als Ansatz gesehen wird, der wissenschaftliches Denken fördert und Lernen über wissenschaftliche Methoden und die Nature of Science ermöglicht (z. B. Crawford, 2007), stellt er für die meisten Lehrpersonen ein offenes pädagogisch-didaktisches Konzept dar, dass Lernenden interessengeleitetes Arbeiten ermöglicht. Es werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Wissenschaft und Lehrpersonen dargestellt sowie deren Bedeutung für die Gestaltung von Lehrkräftefortbildungen im Kontext fachbezogener Potenzial- und Begabungsförderung diskutiert. |
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