Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
Nach Track oder Beitragstyp der Sitzung filtern 
Nur Sitzungen am Veranstaltungsort 
 
 
Sitzungsübersicht
Ort: S19
Seminarraum, 60 TN
Datum: Montag, 18.03.2024
10:30 - 12:101-12: Belastungserleben und Studienerfolg in einer heterogenen Studierendenschaft: Die Rolle von Studienanforderungen, persönlichen und institutionellen Ressourcen
Ort: S19
 
Symposium

Belastungserleben und Studienerfolg in einer heterogenen Studierendenschaft: Die Rolle von Studienanforderungen, persönlichen und institutionellen Ressourcen

Chair(s): Julia Zimmermann (FernUniversität in Hagen, Deutschland), Dina Kuhlee (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg)

Diskutant*in(nen): Kathrin Jonkmann (FernUniversität in Hagen)

Die Themen Stress bzw. Belastungserleben haben im öffentlichen Diskurs der vergangenen Jahre zunehmend an Bedeutung gewonnen (Hahn et al., 2021). Universitätsstudierende sind zahlreichen Stressfaktoren ausgesetzt (Gusy et al., 2016; Ribeiro et al., 2018) und das junge Erwachsenenalter stellt einen Höhepunkt des Risikos für das Auftreten psychischer Störungen dar (Auerbach et al., 2016). Zugleich ist der erfolgreiche Abschluss eines Studiums von hoher individueller und gesellschaftlicher Bedeutung (Neugebauer, 2019). Vor diesem Hintergrund kommt der Untersuchung der Bedingungsfaktoren des Belastungserlebens von Studierenden und dessen Zusammenhang mit Kriterien des Studienerfolgs große Bedeutung für das Verstehen von Bildungsprozessen und -ergebnissen zu. Zu diesem Zweck wurde das in der arbeitspsychologischen Forschung entwickelte und etablierte Job-Demands-Resources-Modell (Demerouti et al., 2001; Bakker et al., 2023) in den vergangenen Jahren adaptiert, um die Gesundheit und den akademischen Erfolg von Studierenden im Hochschulkontext durch Studienanforderungen, institutionelle und persönliche Ressourcen zu erklären (Gusy et al., 2016; Lesener et al., 2020; Niewöhner et al., 2021). Jedoch stellt die heutige Studierendenschaft keine homogene Gruppe dar, sondern ist von sozialer und kultureller Heterogenität gekennzeichnet (Kroher et al., 2023), die mit Unterschieden in der Wahrnehmung von studienbezogenen Herausforderungen und Stesserleben in Verbindung steht (Sedatzki & Rathmann, 2021; Zimmermann et al., 2021). Seitens der Institutionen prägen studiengangsspezifische Anforderungsprofile das Belastungserleben der Studierenden, dabei konfrontieren beispielsweise die strukturellen Besonderheiten der Lehrer*innenbildung als Querschnittsaufgabe deutscher Universitäten diese Studierendengruppe mit besonderen Herausforderungen (Blömeke, 2009).

Hier setzt das vorgeschlagene interdisziplinäre Symposium an, in dem in drei Beiträgen aus der Perspektive von Soziologie, Wirtschaftspädagogik und Psychologie die Bedingungsfaktoren von studentischer Erschöpfung (Beitrag 1) sowie Studienabbruchintentionen von Lehramtsstudierenden (Beitrag 2) und internationalen Studierenden (Beitrag 3) unter Bezugnahme auf das Job-Demands-Resources Modell (Demerouti et al., 2001; Bakker et al., 2023) untersucht werden. Das gemeinsame Ziel dieser quantitativ-empirischen Forschungsarbeiten ist es, zum besseren Verständnis der Herausforderungen und Ressourcen unterschiedlicher Studierendengruppen an deutschen Hochschulen beizutragen und somit Grundlagen für deren Partizipation an einem erfolgreichen Bildungsprozess zu schaffen.

Der erste Beitrag adressiert aus einer soziologischen Perspektive soziale Ungleichheit in Bezug auf studentische Erschöpfung und untersucht anhand einer für die Studierendenschaft an Hochschulen in Deutschland repräsentativen Stichprobe, ob die Integration von private Anforderungen (Kinderbetreuungspflichten und Arbeitszeiten) und privaten Ressourcen (finanzielle, soziale und psychologische Ressourcen) in den Analyserahmen des Job-Demands-Resources Modells zur Erklärung von Unterschieden in studentischer Erschöpfung zwischen verschiedenen Studierendengruppen beiträgt.

Der zweite Beitrag eruiert wie die Studienanforderungen, die institutionellen Ressourcen und die Resilienz von Studierenden über das Belastungserleben und das Studienengagement auf die Studienabbruchintention bei Lehramtsstudierenden wirken. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Wirkung von Resilienz als individueller Ressource sowie deren Zusammenspiel mit den weiteren Wirkfaktoren des Job-Demands-Resources Modells.

Der dritte Beitrag legt den Fokus auf die Analyse der Bedingungsfaktoren von Belastungserleben und Studienabbruchintentionen internationaler Studierender an deutschen Hochschulen. Der Beitrag untersucht die Gültigkeit der zentralen Postulate des Job-Demands-Resources Modell für diese Studierendengruppe und weist auf Unterschiede im Unterstützungspotential institutioneller Ressourcen für internationale Studierende im Vergleich zur einheimischen Studierendenschaft hin.

Die Befunde werden abschließend von der benannten Diskutantin im Hinblick auf ihren Beitrag zum theoretischen Verständnis der Bedingungsfaktoren von Belastungserleben und Studienerfolg der heterogenen Studierendenschaft an deutschen Hochschulen sowie mit Blick auf ihre Bedeutung für die Gestaltung und Nutzung von institutionellen und individuellen Ressourcen der Studierenden diskutiert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Social inequalities in student exhaustion: The study-demands-resources model revisited

Mareike Rußmann1, Karsten Becker1, Nicolai Netz1, Marie-Christin Ehrhardt2
1German Centre for Higher Education Research and Science Studies (DZHW), 2Medizinische Hochschule Hannover (MHH)

Student exhaustion can cause considerable negative effects, such as dropout (Grützmacher et al., 2018; Marôco et al., 2020; Turhan et al., 2023) and health problems (Grützmacher et al., 2018; Niemeyer, 2020; Tomaszek & Muchacka-Cymerman, 2022). Critically, 42% of all students in Germany considered themselves to be exhausted by their studies in 2021 (Kroher et al., 2023). A first step to mitigate this potential student health crisis is to develop an understanding of the drivers of student exhaustion. To do so, the job demands-resources model (Bakker & Demerouti, 2007; Demerouti et al., 2001), which is well-established in occupational psychology, has been adapted to explain students’ health and performance in the higher education context (Gusy et al., 2016; Lesener et al., 2020).

Importantly, the resulting study demands-resources model has primarily been applied uniformly to the student body as a whole. This is questionable considering the large social stratification literature highlighting that present-day student bodies are not homogenous groups, but rather characterised by substantial social disparities. For instance, recent research highlights that female students feel more exhausted than males (Grützmacher et al., 2018; Kroher et al., 2023) and that students with lower subjective social status report higher stress levels than students with higher subjective social status (Sendatzki & Rathmann, 2022). With this in mind, we propose to theoretically extend the study demands-resources model by integrating ascriptive characteristics as markers of social inequality into the model.

We achieve this extension by drawing on the social stratification literature underscoring that social groups differ systematically regarding the demands they face and the resources they have at their disposal to cope with these demands (Grusky, 2019). This claim is backed by recent studies emphasising the importance of considering not only students’ conditions within their higher education institution but also their private demands and resources (see, e.g., Bean & Metzner, 1985; Müller & Klein, 2023; Rovai, 2003, for the case of student dropout). Consequently, we argue that both private demands (including childcare responsibilities and working hours) and private resources (including financial, social, and psychological assets) should be integrated into the study demands-resources model – and that they may explain the observed social inequalities in student exhaustion.

To test the proposed theoretical model, we use data from “The Student Survey in Germany”, which provides nationally representative information on students enrolled in German higher education institutions in the year 2021 (Beuße et al., 2022). Applying structural equation modelling (SEM), we investigate the role of both private and institutional demands and resources for student exhaustion within and across different student groups. We discuss the implications of our findings for the psychological student exhaustion literature and social stratification research. Moreover, we illustrate the potential of our extended study demands-resources model to produce effective policy recommendations.

 

Studienerfolg von Lehramtsstudierenden: Belastungserleben und Studierendenengagement auf dem Prüfstand

Edgar Hahn, Dina Kuhlee
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Der Beitrag eruiert unter Rückgriff auf das Job Demands-Resources-Modell (Bakker et al., 2023¸ Demerouti et al., 2001) wie die Studienanforderungen, die institutionellen Ressourcen und die Resilienz von Studierenden über das Belastungserleben und das Studienengagement auf die Studienabbruchintention bei Lehramtsstudierenden wirken. Eine Übertragbarkeit des Job Demands-Resources-Modell auf das Studium konnten Gusy et al. (2016), Lesener et al. (2020), Niewöhner et al. (2021) und Kuhlee et al. (im Erscheinen) zeigen. Mit Blick auf den bestehenden Forschungsstand hierzu können die folgenden zwei zentralen Prozesse bestätigt werden. (1) Der gesundheitsbeeinträchtigende Prozess, bei dem die Studienanforderungen positiv auf das Belastungserleben wirken sowie (2) der motivationale Prozess, bei dem die institutionellen Ressourcen positiv auf das Studierendenengagement wirken. Des Weiteren wird angenommen, dass die institutionellen Ressourcen negativ auf das Belastungserleben, und die Studienanforderungen negativ auf das Studierendenengagement wirken. Derzeit zeigt sich jedoch im Kontext des Studiums noch ein uneinheitliches Bild hinsichtlich dieser beiden letzten Annahmen. Neben der Betrachtung institutioneller Ressourcen können zudem personelle Ressourcen (z. B. die Resilienz) in die Überlegungen integriert werden (vgl. Bakker et al., 2023; Kuhlee et al., im Erscheinen; Xanthopoulou et al., 2007). Mit Blick auf die studien- und gesundheitsbezogenen Outcomes (z. B. Studienabbruchintention oder Lebenszufriedenheit) wird letztlich angenommen, dass diese wiederum negativ durch das Belastungserleben und positiv durch das Studierendenengagement beeinflusst werden; sie fungieren demnach als vermittelnde Variablen hinsichtlich der studien- und gesundheitsbezogenen Outcomes.

Anhand einer Teilstichprobe von nt2LA = 456 allgemein- und berufsbildenden Lehramtsstudierenden (Projekt LeBeS; Erhebungszeitraum 01/02/2023; Nt3 = 2152) wird mittels Strukturgleichungsmodellen untersucht, inwiefern die Studienanforderungen, die institutionellen Ressourcen und die Resilienz der Studierenden über das Belastungserleben und das Studienengagement auf die Studienabbruchintention wirken. Die Erhebung der beschriebenen Konstrukte erfolgt unter Rückgriff auf bereits bestehende Messinstrumente (vgl. u. a. Fliege et al, 2004; Sarubin et al. 2015; Schaufeli & Bakker, 2003). Mit Blick auf die Ergebnisse lässt sich die positive Wirkung der Studienanforderungen auf das Belastungserleben (gesundheitsbeeinträchtigender Prozess) bestätigen. Die negative (mindernde) Wirkung der institutionellen Ressourcen auf das Belastungserleben konnte nicht bestätigt werden. Bezugnehmend auf das Engagement der Studierenden konnte der motivationale Prozess (positive Wirkung der institutionellen Ressourcen auf das Engagement der Studierenden) sowie die negative Wirkung der Studienanforderungen auf das Engagement der Studierenden bestätigt werden. Für den untersuchten Einfluss der Resilienz ist zu erkennen, dass die Resilienz negativ auf das Belastungserleben und positiv auf das Engagement wirkt.

Der Beitrag diskutiert die generierten Befunde und ordnet sie vor dem Hintergrund des bestehenden Forschungsstandes ein. Im Weiteren werden diese Befunde aus der postpandemischen Phase (Projekt LeBeS; Erhebungszeitraum 01/02 2023; N = 2152, nt3LA = 456) mit Befunden einer vorangegangenen Erhebung unter pandemischen Bedingungen (Projekt LeBeS; Erhebungszeitraum 01/02 2021; Nt2 = 983; nt2LA = 510) verglichen und analysiert. Unter Rückgriff auf die Ergebnisse werden schließlich Ableitungen zur Förderung des Studienerfolgs von Lehramtsstudierenden vorgenommen und diskutiert.

 

Studienabbruchintentionen internationaler Studierender in Deutschland: (Wie) wirken Studienanforderungen, institutionelle und individuelle Ressourcen?

Julia Zimmermann, Juan Serrano-Sánchez
FernUniversität in Hagen

Mit einem Anteil von 12% sind internationale Studierende eine bedeutende, jedoch wenig beforschte Gruppe an deutschen Hochschulen (DAAD & DZHW, 2023). Über 50% der internationalen Studierenden studieren in MINT-Fächern und könnten somit dazu beitragen, den in Deutschland bestehenden Fachkräftemangel zu reduzieren (Hoffmeyer-Zlotnik & Grote, 2019). Jedoch brechen viele internationale Studierende ihr Studium ab (Bachelor: 41% versus 28% der deutschen Studierenden, Master: 28% versus 21% der deutschen Studierenden; Heublein et al., 2022). Ein Studienabbruch verursacht nicht nur persönliche, sondern auch gesellschaftliche und ökonomische Kosten (Neugebauer, 2019). Vor diesem Hintergrund kommt der Untersuchung der Bedingungsfaktoren von Studienabbruchintentionen internationaler Studierender in Deutschland eine besondere Bedeutung zu.

Der aktuelle Beitrag untersucht vor dem Hintergrund des Job Demands-Resources-Modell (Bakker & Demerouti, 2007; Bakker et al., 2023) die Bedeutung von Studienanforderungen, institutionellen Ressourcen (Handlungsspielraum, Unterstützung durch Lehrende, Unterstützung durch Mitstudierende), individuellen Ressourcen (Resilienz), Studienengagement und Belastungserleben für die Studienabbruchintention in dieser Studierendengruppe. Entsprechend der zentralen Postulate des Modells (Bakker et al., 2023) wurde ein indirekter positiver Effekt von Studienanforderungen über Belastungserleben auf Studienabbruchintentionen (gesundheitsbeeinträchtigender Prozess) erwartet. Ebenso erwartet wurden negative Effekte von institutionellen und individuellen Ressourcen auf die Studienabbruchintention, vermittelt über das Studienengagement (motivationaler Prozess) sowie kreuzweise negative Zusammenhängen zwischen Anforderungen und Engagement bzw. Ressourcen und Belastung.

Die Datengrundlage bildete eine Teilstichprobe von n = 673 internationalen Studierenden an mehr als 20 deutschen Hochschulen, die im Rahmen des Projekts LeBeS (Erhebungszeitraum Januar/Februar 2023; Nt3 = 2,152) anhand von Online-Fragebögen in deutscher und englischer Sprache befragt wurden. Analysen mittels latenter Strukturgleichungsmodelle bestätigten, dass höhere Studienanforderungen mit einer gesteigerten Studienabbruchintention, vermittelt über ein erhöhtes Belastungserleben, einherging (gesundheitsbeeinträchtigender Prozess).

Wenngleich institutionelle und individuelle Ressourcen das Studienengagement erwartungskonform positiv vorhersagten, konnte kein Zusammenhang zwischen Studienengagement und Abbruchintentionen identifiziert werden, die indirekten Effekte von institutionellen und individuellen Ressourcen über Engagement auf die Abbruchintention (motivationaler Prozess) konnte folglich nicht bestätigt werden. Mit Blick auf die kreuzweisen Zusammenhänge zeigte sich erwartungskonform ein negativer Zusammenhang zwischen Studienanforderungen und Engagement sowie zwischen Resilienz als individueller Ressource und Belastungserleben. Entgegen den Erwartungen waren institutionelle Ressourcen jedoch positiv mit dem Belastungserleben internationaler Studierender assoziiert. Ergänzende Analysen auf Ebene der einzelnen Facetten institutioneller Ressourcen zeigten, dass besonders ein hohes Ausmaß an individuellem Handlungsspielraum bei der Studiengestaltung sowie häufige (unterstützenden) Peer-Interaktionen das Belastungserleben der internationalen Studierenden – entgegen der Modellannahmen – verstärkten.

Mögliche Erklärungsansätze für diese Ergebnisse sowie Implikationen der Befunde – sowohl für das theoretische Verständnis der Bedingungsfaktoren von Studienerfolg und Studienabbruch internationaler Studierender als auch für die Gestaltung institutioneller Unterstützungsangebote für diese Studierendengruppe – werden abschließend diskutiert.

 
13:10 - 14:502-12: Benefits of generative learning activities for creating lasting knowledge
Ort: S19
 
Symposium

Benefits of generative learning activities for creating lasting knowledge

Chair(s): Veit Kubik (University of Würzburg), Mirjam Ebersbach (University of Kassel), Tobias Richter (University of Würzburg)

Diskutant*in(nen): Lennart Schalk (Schwyz University of Teacher Education)

A major goal of education is to create and foster lasting knowledge. To this end, the field of learning and instruction investigates conditions and interventions that enable learners to acquire knowledge they can access over a long time and use flexibly when needed. However, empirical research in psychology and education has focused almost exclusively on relatively short periods of time and often on memory performance as the preferred learning outcome, leaving a research gap on how to obtain durable and general benefits of learning and instructional techniques.

Prior research, specifically on instructional design, has highlighted the usefulness of generative activities that serve both knowledge elaboration and consolidation (Fiorella & Mayer, 2016) and in turn long-term and transfer-oriented learning. In particular, when combined with retrieval practice, generative learning tasks provide the instructional support that students often need to elaborate and consolidate the learned contents. For example, typical generative learning tasks prompt students to self-explain, write learning protocols (Nückles et al., 2020), explain the learned contents to fictitious others (i.e., Fiorella & Mayer, 2013), or create external visual representations such as drawings (Ainsworth & Scheiter, 2021). These generative learning tasks can help to build up coherent mental representations of new knowledge and to integrate it with learners’ prior knowledge (Roelle et al., 2023).

Against this background, the symposium will examine how generative learning (e.g., writing learning protocols, self-explanations, or generating a drawing) can be effectively implemented and also combined with practice in learning and instruction at both school and university levels to enhance long-lasting learning. Contribution 1 examines whether learning protocols are an effective instructional measure in the context of a follow-up course activity within a digital lecture among teacher university students. Specifically, the authors investigated the potential benefits of cognitive and metacognitive prompts, compared to a general prompt, as instructional support after 1 week in this unsupervised learning environment on both learning strategy use and comprehension performance. Contribution 2 examines the effectiveness of generating drawings as a generative learning strategy after 8 weeks in secondary school classrooms. Applying a pre-post-test experimental design, the authors compared explaining (to a fictitious peer) to restudy and examined the additive benefits of generating a drawing (explaining+drawing) or having access to an additional visualization (explaining+picture) for inquiry learning of physics contents. Contribution 3 investigates the effectiveness of combining self-explanation as a generative learning activity and retrieval practice as a desirable difficulty in the classroom of secondary education; the degree of retrieval practice was manipulated by implementing the retrieval task in a closed-book (vs. open-book) format. In two studies, the authors examined whether and how constructive retrieval (combined retrieval practice and self-explanation) benefits comprehension, retention, and future learning of complex physics content after 1 week and 12 weeks, compared to providing the two learning activities alone.

All contributions are based on sound experimental designs, measures of learning outcome at longer delays, and target partly different generative learning activities in different student populations, in part with integrating or measuring retrieval-practice activities. Taken together, these studies provide complementary perspectives on how to create lasting and flexible knowledge in school and university contexts. The three contributions will be discussed by an expert in the field of teaching methods, learning materials, and instructional design in learning. The expert’s views on the presented research will contribute to draw theoretical and practical conclusions on how to combine and integrate generative learning principles and desirable difficulties to enhance long-term learning and transfer of knowledge to the (high-)school context and more complex learning materials. These educationally relevant findings will provide an important basis for evidence-based decisions in educational practice and policy (Kultusministerkonferenz, 2015; Slavin, 2002).

 

Beiträge des Symposiums

 

Learning protocols in a digital lecture: Cognitive, but not metacognitive prompts enhance comprehension and transfer

Veit Kubik1, Markus H. Hefter2, Matthias Nückles3, Kirsten Berthold2
1University of Würzburg, 2Bielefeld University, 3Matthias Nückles, University of Freiburg

Background

Writing learning protocols can foster generative learning (Roelle et al., 2023). One prominent way to enhance the effectiveness of learning protocols is to provide explicit prompts for students to apply cognitive and metacognitive strategies (Nückles et al., 2020). However, prior studies were typically conducted in a traditional, lab-based setting that provides strict experimental control (Berthold et al., 2007; Nückles et al., 2009). In recent years, COVID-19 policy measures required lecturers to provide prerecorded lectures in a digital format and students to learn the lecture’s contents in a self-regulated fashion largely at home. Prompted learning protocols may not be as instructionally supportive in this unsupervised digital environment. For example, given the increased risks of interruptions and students’ lower engagement, the learning protocol quality may decrease and with it the learning outcome. The aim of this study was to investigate how effective cognitive and metacognitive prompts are when provided in learning protocols as unsupervised follow-up course work within a digital lecture.

Hypotheses

(1) Cognitive prompts foster the application of organization and elaboration strategies, and metacognitive prompts foster the application of metacognitive strategies.

(2) We tested the following hypotheses on the learning outcome.

- Cognitive prompts lead to higher learning outcomes than a general prompt, and this cognitive prompt benefit is mediated by students’ use of organization and elaboration learning strategies.

- Metacognitive prompts lead to higher learning outcomes than a general prompt. This predicted benefit of metacognitive prompts will be mediated by students’ use of metacognitive strategies.

Methods

We conducted an experimental field study during an online lecture. After a self-paced pretest, N = 97 student teachers watched a video lecture about Piaget and his Theory of Cognitive Development. In the second phase, they were instructed to write a learning protocol (30 min) and were randomly assigned to three experimental groups in which they received additional prompt(s) as instructional support: metacognitive prompts, cognitive prompts, versus a general prompt. In the third phase, student teachers provided with the lecture’s transcript to revise their learning protocols (30 min). In the final phase, they took a posttest after 1 week.

Preliminary Results

As compared to a general prompt, cognitive prompts specifically enhanced the students’ application of elaboration and organization strategies, while metacognitive prompts elicited the use of metacognitive strategies (ps < 0.05). Importantly, a one-factorial ANOVA on the overall posttest score revealed a significant main effect, F(2, 91) = 7.08, p < .001, ƞp2 = .135. A-priori contrast analyses showed that cognitive prompts, t = 3.57, p < .001, but not metacognitive prompts, t = 0.80, p = .425, lead to a higher learning outcome as compared to a general prompt. In addition, cognitive prompts resulted in a significant higher posttest performance than metacognitive prompts, t = 2.73, p = .008. This results pattern was existent for both comprehension and transfer performance, but there was no significant difference between experimental groups on retention, ps > .360. The benefit of cognitive prompts, compared to a general prompt, was fully mediated by the frequency of students’ use of elaboration strategies (β = .200, 95% CI [0.049, 3.746]).

Discussion

The results supported our hypothesis that cognitive and metacognitive prompts fostered the application of the learning strategies. Cognitive prompts resulted in higher comprehension and transfer but not higher retention performance. These findings suggest that prompts help to enhance the representations’ quality and elaboration rather than its consolidation (Nückles et al., 2020). The beneficial effects of cognitive prompts were related to students’ use of elaboration strategies. Similar to the results by Berthold et al. (2007), metacognitive prompts were not effective, despite the opportunity to revise the learning protocol–a finding that may be attributed to students’ low engagement in metacognitive strategies.

 

Fostering lasting learning from inquiry with non-interactive generative activities: Explaining and drawing matter

Heike Russ1, Leonie Sibley1, Salome Flegr2, Jochen Kuhn3, Vincent Hoogerheide4, Katharina Scheiter5, Andreas Lachner1
1Eberhard Karls University of Tübingen, 2Eberhard Karls University of Tübingen, Ludwig-Maximilians-University of Munich, 3Ludwig-Maximilians-University of Munich, 4University of Utrecht, 5University of Potsdam

Constructing elaborated and lasting knowledge is a crucial endeavor in inquiry-based learning in school (Pedaste et al., 2015). However, school performance studies such as PISA or TIMSS attested to German students’ comparatively low achievements, especially in terms of scientific literacy or science achievements. To foster these achievements and associated lasting learning, effective instructional strategies are required. In this regard, empirical research indicated that pure learning from inquiry often puts high cognitive demands on school students, which precludes the envisioned benefits regarding lasting knowledge acquisition. Therefore, students need support with the elaborating and consolidation processes involved, to which generative activities are regarded to contribute (Fiorella & Mayer, 2016). Generative learning comprises different activities, such as creating verbal representations when explaining the learned contents to fictitious others (i.e., Fiorella & Mayer, 2013) or creating external visual representations like drawings (Ainsworth & Scheiter, 2021). How combinations of these multiple representations should be orchestrated to foster inquiry and lasting learning in school, is still an open question.

In this study, we aimed to close this research gap and combined non-interactive explaining with drawing in an authentic classroom setting with secondary school students (7th and 8th grade, N = 590), focusing inquiry learning about the topic of converging lenses (physics, geometrical optics). We applied a pre-posttest experimental design, including an immediate and an eight-week delayed posttest, and four conditions: students either explained the learned contents to a fictitious peer (explaining), explained with having access to an additional visualization of the contents (explaining+picture), or explained with generating a drawing (explaining+drawing). A control group restudied the materials. We stated the following hypotheses: First, explaining (i.e., explaining, explaining+picture, explaining+drawing) should be more beneficial than restudy. Second, the combined visualization conditions (i.e., explaining+picture, explaining+drawing) should be more effective than the explaining condition. Third, explaining and actively generating a drawing (i.e., explaining+drawing) would be more beneficial than explaining with a provided picture. We assumed that the effects of our interventions would be more pronounced in the delayed posttest than in the immediate posttest. To answer our research questions, we performed planned contrast analyses.

Results revealed that students who explained outperformed students in the control condition regarding their immediate learning outcome (d = .06, p = .006). Regarding monitoring accuracy, the control group judged their knowledge more accurately than the explaining conditions (d = -.06, p = .011). There were no significant differences in the immediate learning outcome (d = -.06, p = .068) and monitoring accuracy (d = -.05, p = .128) between the combined visualization conditions and the explaining condition. As expected, students who explained and generated a drawing outperformed students who explained with a provided picture regarding their immediate learning outcome (d = .12, p = .032). However, there were no differences in immediate monitoring accuracy (d = -.03, p = .566). Overall, there were no differences in delayed learning outcomes and monitoring accuracy.

The findings highlight the crucial role of combining explaining with drawing tasks to enhance students’ mental representations during inquiry learning. However, the activities did not result in lasting learning. Further research is needed to explore how generative activities can be combined with consolidation activities, for instance, by inducing desirable difficulties (Richter et al., 2022), to fully enable lasting learning.

 

Constructive retrieval with complex learning contents – Does the combination of self-explanation and closed-book improve lasting learning and preparation for future learning?

Alexander Renkl1, Tino Endres1, Johanna Bohm1, Andreas Vorholzer2, Alexander Eitel3, Claudia von Aufschnaiter3
1University of Freiburg, 2Technical University of Munich, 3Justus-Liebig-University Giessen

Theoretical Background and Research Question

Learning in school involves two key instructional goals: (1) Comprehension: Students need to comprehend the learning content to be able to apply their knowledge to new and more complex contexts (Roelle et al., 2022). One way to promote comprehension, is to prompt generative learning activities such as (principle-based) self-explanations that lead to more elaborate processing (Renkl & Eitel, 2019). (2) Consolidation and future learning: In school, learning content often builds on each other (cumulative curriculum). Students therefore have to retrieve previously acquired knowledge after longer delays to expand their knowledge based on it. One way to support knowledge consolidation are desirable difficulties such as retrieval practice. Retrieval practice tasks require students to retrieve previously learned information from memory, thereby consolidating the respective content (Pan & Rickard, 2018). To investigate retrieval practice effects in the classroom, open-book tasks (students can look up information) and closed-book task (students have to retrieve / cannot look up information) can be used. Because students have to retrieve task-relevant information, closed-book tasks increase retrieval demands and thus improve learning (Rummer, 2019).

These studies investigate if and how combining retrieval practice and generative learning activities (e.g., self-explanations) – also known as constructive retrieval (Hinze et al., 2013) – promotes comprehension and consolidation of complex learning contents in physics, resulting in lasting learning.

Study 1

Method: As part of their regular physics lessons, students (11th grade; N = 120) learned about the topic of mechanics (linear movements) in a multimedia learning environment. All learning tasks within the learning environment were presented in closed-book format, creating high retrieval demands. Students were randomly assigned to one of two conditions (self-explanation vs. description prompts) and participated in three sessions: (1) Demographic data, pre-test (comprehension) and working on the learning environment; (2) one-week delayed posttest (retention, comprehension); (3) twelve-weeks delayed posttest (comprehension) and assessment of students’ preparation for future learning. To measure future learning and transfer, students worked on a multimedia instruction on circular motion that thematically builds upon the first learning environment. As a crucial influence on the success of constructive retrieval, task performance within the first learning environment is coded in terms of self-explanatory quality and retrieval success (Roelle et al., 2023).

Results: The analysis of the pre-test and post-test considers item response theory. Regarding comprehension, an ANOVA with 3 repeated measures reveals that additionally to an overall learning gain for all students, the learning gain in the self-explanation prompt condition after one week was higher than in the description prompt condition, F(1,101) = 4.276, p < .05, ƞp2 = .04. As compared to the pre-test, there is a tendency towards the latter effect even after 12 weeks, F(1,101) = 3.774, p = .055, ƞp2 = .04.

Discussion: The first study’s results show that constructive retrieval enhances long-term learning in complex physics content. In the subsequent study, we aim to explore how varying retrieval demands impact those benefits.

Study 2

In addition to the learning activity (self-explanation vs. description prompts), we vary retrieval demands (closed-book vs. open-book). Otherwise, the procedure is identical to Study 1. We will test the effects of constructive retrieval using a 2 x 2 analysis comparing lasting learning and preparation for future learning. A mediation analysis will examine mental effort and self-explanation quality as mediators. Data collection will be completed in January 2024. Thus, we will present first results and discuss implications in March.

General Discussion

Both studies will illuminate whether constructive retrieval is useful with complex knowledge structures as in physics. By investigating constructive retrieval in an authentic classroom setting, we can assess the pivotal role of construction and retrieval within cumulative curricula.

 
15:20 - 17:003-12: Fehlkonzepte und wie man diese überwindet: Konzeptueller Wandel als Herausforderung für das (natur-) wissenschaftliche Lernen
Ort: S19
 
Symposium

Fehlkonzepte und wie man diese überwindet: Konzeptueller Wandel als Herausforderung für das (natur-) wissenschaftliche Lernen

Chair(s): Maria Theobald (DIPF | Leibniz Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Ilonca Hardy (Goethe Universität Frankfurt)

Naive Theorien liefern oft plausible Erklärungen für Alltagsphänomene. Sie können aber auch formales Lernen erschweren und die Grundlage für robuste Fehlkonzepte bilden (Carey, 2000). Fehlkonzepte über (natur-)wissenschaftliche Phänomene sind weit verbreitet und stellen eine Herausforderung für das schulische Lernen dar, da der konzeptuelle Wandel von einer naiven Theorie zu einem wissenschaftlich akzeptierten Konzept eine Herausforderung darstellt (Vosniadou & Ioannides, 1998). Oft reicht es nicht aus, Belege zu präsentieren, die der naiven Theorie widersprechen (Limón, 2001), und falsche Konzepte können sogar neben dem richtigen Konzept existieren (Shtulman & Valcarcel, 2012). Ein besseres Verständnis darüber, welche Faktoren konzeptuellen Wandel begünstigen und wie konzeptueller Wandel im Unterricht gefördert werden kann, ist daher von zentralem Interesse. Das Symposium beleuchtet daher zwei Fragestellungen aus erziehungswissenschaftlicher, fachdidaktischer und psychologischer Perspektive:

(1) Welche individuellen (z.B. Personenmerkmale) und situativen (z.B. Lernumgebung) Faktoren begünstigen konzeptuellen Wandel?

(2) Welche Interventionen können konzeptuellen Wandel fördern?

Die Beiträge des Symposiums nutzten verschiedene methodische Ansätze (z.B. Bayesianische Diffusionsmodelle, Experimente), um die kurz- und langfristige Überwindung von Fehlkonzepten in verschiedenen Domänen (z.B. Physik, Mathematik) zu beschreiben, vorherzusagen oder durch Interventionen zu verändern.

Der erste Beitrag zeigt mit Hilfe eines Bayesianischen hierarchischen Diffusionsmodells, dass die Fähigkeit, eine automatische Antwort zu unterdrücken, die zentrale inhibitorische Kompetenz ist, die Lernenden hilft, intuitive Konzepte zu hemmen.

Der zweite Beitrag zeigt, dass Fehlvorstellungen über die Funktionsweise von Zahnrädern bei Vorschulkindern in einem angeleiteten Spiel durch implizite sprachliche Hilfen reduziert werden können. Explizite sprachliche und gestische Erklärungen zeigten dagegen keinen Effekt auf das konzeptuelle Lernen.

Der dritte Beitrag zeigt anhand des Konzepts der Wasserverdrängung, dass Reflexionsprompts bei Grundschulkindern die Konflikterkennung und damit das Lernen aus falschen Vorhersagen verbessern können. Die positiven Effekte der Prompts waren jedoch nur von kurzer Dauer.

Im vierten Beitrag wird getestet, ob der Konzeptwechsel von natürlichen zu rationalen Zahlen durch den Lernkontext beeinflusst wird. Es wird untersucht, ob die Aufforderung zur Nutzung digitaler Hilfsmittel (ja vs. nein) und empirisches Feedback (ja vs. nein) den Strategiegebrauch und den konzeptuellen Wandel beeinflussen.

Die Beiträge untersuchen somit individuelle Faktoren, die konzeptuellen Wandel begünstigen, wie individuelle Unterschiede in Inhibition (Beitrag 1), Konflikterkennung (Beitrag 3) und Strategiegebrauch (Studie 4), sowie situative Kontextfaktoren, wie die Gestaltung der Lernumgebung (Beiträge 2 & 4). Um zu verstehen, wie Fehlkonzepte erkannt, unterdrückt und überwunden werden, verwenden die Beitragenden eine Vielfalt von Messverfahren, wie z.B. Selbstberichte, Reaktionszeitmessungen und physiologische Daten und werfen dadurch Licht auf die Prozesse, die konzeptuellen Wandel begünstigen. Darüber hinaus werden verschiedene digitale und analoge Interventionen zur Förderung konzeptuellen Wandels untersucht, wie z.B. implizite und explizite Instruktionen und Prompts sowie Feedback (Beiträge 2, 3 und 4). Das Symposium untersucht Lernende unterschiedlichen Alters, von 5-jährigen Vorschulkindern (Beitrag 2) über Grundschulkinder (Beitrag 3), Kinder in der Sekundarstufe (Beitrag 4) bis hin zu erwachsenen Studierenden (Beitrag 1).

Zusammenfassend trägt das Symposium somit zu einem besseren Verständnis der Faktoren bei, die konzeptuellen Wandel begünstigen, und zeigt instruktionspsychologische Ansätze auf, wie konzeptueller Wandel in verschiedenen Altersgruppen und Kontexten gefördert werden kann. Durch die methodische Vielfalt und die Berücksichtigung der Prozessebene tragen die Studien zu einem besseren Verständnis der Erfolgsfaktoren, aber auch der Herausforderungen des konzeptuellen Wandels bei. Aus den Ergebnissen lassen sich somit praktische Implikationen für die Gestaltung des Unterrichts und die Förderung des konzeptuellen Wandels ableiten. Die Beiträge werden abschließend synthetisiert und im Hinblick auf Herausforderungen des konzeptuellen Wandels sowie mögliche Interventionsansätze diskutiert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Welche Inhibitionsprozesse tragen zur Unterdrückung überlernter Konzepte bei? Ein Bayesianisches hierarchisches Diffusionsmodell

Peter Edelsbrunner1, Gidon Frischkorn2
1ETH Zürich, 2Universität Zürich

Theoretischer Hintergrund

In einem einflussreichen Experiment fanden Shtulman und Valcarcel (2012), dass im Unterricht überlernte, intuitive Konzepte weiterhin erhalten bleiben und unter Zeitdruck wieder aktiviert werden können. Dies zeigt sich in erhöhten Reaktionszeiten und Fehlerraten bei der Bewertung von Aussagen, bei denen typische intuitive Konzepte dem wissenschaftlichen Konzept widersprechen (z.B. „ein Mantel erzeugt Wärme“ – intuitiv korrekt, wissenschaftlich falsch) im Vergleich zu Aussagen, bei denen beide kongruent sind (z.B. „ein Feuer erzeugt Wärme“). Die theoretische Erklärung für dieses Phänomen ist, dass intuitive und wissenschaftliche Konzept ko-aktiviert werden, wodurch bei inkongruenten Aussagen Interferenz entstehet, die gelöst werden muss. Dies hat weitreichende theoretische und pädagogische Implikationen und bringt die Frage auf, wie Lernende mit der Ko-Existenz sowie der Interferenz zwischen intuitiven und wissenschaftlichen Konzepten umgehen können (und sollen).

Der angenommene Prozess, der zur Auflösung der entstehenden Interferenz benötigt wird, ist Inhibition (Shtulman & Valcarel, 2012; Stricker et al., 2021). Studien, welche die Rolle von Inhibition bei der Auflösung der Interferenz untersuchten, fanden jedoch inkonsistente Ergebnisse (z.B. Stricker et al., 2021). Dies könnte mit der großen Heterogenität von Inhibitionsprozessen (z.B. Miyake & Friedman, 2004), der Unklarheit in Bezug auf analytische Entscheidungen (z.B. Modellierung von Reaktionszeit vs. Entscheidung, intra- vs. interindividuelle Modellierung, Domänenabhängigkeit des Effektes) sowie mit der geringen internen Konsistenz gängiger Inhibitionsmaße (z.B. Rey-Mermet et al., 2018) erklärbar sein.

Fragestellung

In der vorliegenden Studie wurde deshalb unter Vorlage mehrere Inhibitionsmaße untersucht, welche Art der Inhibition bei der Auflösung konzeptueller Interferenz eine Rolle spielt und ob sich unter Anwendung eines multivariaten kognitiven Modells, welches Messfehler und individuelle Unterschiede miteinbezieht, Effekte von Inhibitionsmaßen zeigen, die sich in typischen Regressionsanalytischen Ansätzen nicht zeigen.

Methode

Um diese Fragen zu untersuchen, wurden N = 178 (Alter: M = 22.52, SD = 2.78) Universitätsstudierenden unterschiedlicher Fächer zusätzlich zur Interferenztask von Shtulman und Valcarcel (2012; Omega RT/Decision = .35/.45) drei Inhibitionsmaße (Picture-Word; Omega RT/Decision = .45/.74; Anti-Sakkade; Omega = .74; Flanker; Omega = .35) vorgegeben, welche heterogene Inhibitionsprozesse nach Friedman und Miyake (2004) abdecken. Die Reaktionszeiten und Antworten aus der Interferenztask wurden anhand des Bayesianischen hierarchischen Wiener Diffusionsmodells (Vandekerckhove et al., 2011) mit schwach informativen Student t-Prioren für fokale Parameter modelliert, um für Messfehler, individuelle Unterschiede und Unterschiede zwischen Konzepten aus unterschiedlichen Domänen zu korrigieren. Das Modell schätzt vier Parameter: Nicht-Entscheidungszeit (Sprachverarbeitung und motorische Prozesse), Drift Rate (Informationsakkumulation; der zentrale Parameter des Entscheidungsprozesses, siehe Vandekerckhove et al., 2011), Distanz der Entscheidungsgrenzen (Vorsichtigkeit/Speed-Accuracy Trade-Off) und Bias (verstärkte Tendenz zu korrekt oder falsch-Entscheidung). In das Modell wurden Reliabilitäts-korrigierte Interferenzscores aus den drei Inhibitionsmassen sowie Leistung auf einer Arbeitsgedächtnisaufgabe (Binding; Kontrollvariable, Omega = .76) als Prädiktoren aufgenommen.

Ergebnisse

Das Diffusionsmodell zeigte anhand Trace Plots, Posterior Plots und Rhat-Maßen Konvergenz, sowie guten Modellfit für einzelne Personen und über diese hinweg. Die Regressionsparameter aus dem Modell zeigten, dass einzig die Anti Sakkade-Task prädiktiven Wert für Effekte auf der Interferenztask hatte (b = -0.05, 90% credible interval [-0.13, -0.01]); Individuen mit sehr hoher Anti Sakkade-Interferenz (+2SD) zeigten im Vergleich zu Personen mit sehr niedriger Anti-Sakkade Interferenz (-2SD) etwa 20% stärkere Effekte auf dem Drift Rate-Parameter (Informationsakkumulation) des Interferenz-Tasks.

Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Interferenz zwischen intuitiven und schulisch erworbenen Konzepten durch einen Inhibitionsprozess gelöst wird, welcher der Unterdrückung einer automatischen Antwort wie auf der Anti Sakkade-Task entspricht. Allgemeinere Arbeitsgedächtnisprozesse (Kapazitäts-abhängiges Binding), sowie auch die anderen erhobenen Arten von Inhibition (Aufmerksamkeitsreduktion auf ko-aktivierte Information [Flanker], Unterdrückung semantisch verwandter ko-aktivierter Konzepte [Picture-Word]), scheinen keine Rolle zu spielen. Es wird diskutiert, wie in experimentellen Folgestudien im Rahmen naturwissenschaftlichen Unterrichts der Umgang mit intuitiven Konzepten expliziert trainiert werden kann, welche Vorteile und Limitationen der analytische Ansatz für die empirische Bildungsforschung bietet und wie mit den moderaten Reliabilitäten der Inhibitionsmaße umgegangen werden kann.

 

Veränderung der Vorstellung zur Drehrichtung von Zahnrädern im Vorschulalter

Timo Reuter, Jonas Schäfer, Miriam Leuchter
RPTU Kaiserslautern-Landau

Theorie

Ein Ziel früher naturwissenschaftlicher Bildung ist es, bei Kindern einen Wandel von naiven zu wissenschaftlich anschlussfähigeren Konzepten über naturwissenschaftliche Phänomene anzubahnen (Leuchter, 2017). Zahnräder decken eine Reihe von physikalischen Eigenschaften ab (z.B. Bewegung, Kraft, Drehmoment), deren Verknüpfung als Konzeptwissen verstanden werden kann. Ein Aspekt des Konzepts ist die Drehrichtung (DR) von Zahnrädern, bei der Vorschulkinder naive Vorstellungen haben (Metz, 1991). Ein Konzeptwandel könnte in der Altersentwicklung auftreten und zusätzlich durch angeleitetes Spiel im Vorschulalter angeregt werden. Beim angeleiteten Spiel unterstützt ein Erwachsener verbal die Aktivitäten der Kinder in einer strukturierten Spielumgebung (Weisberg et al., 2015). Verbale Unterstützung kann sowohl implizite Hinweise (Hmelo-Silver et al., 2007) als auch explizite Erklärungen (Sylva et al., 2007) umfassen. Zudem kann verbale Unterstützung mit Gestik verknüpft werden. Zahlreiche Forschungsergebnisse zeigen, dass sprachbegleitende Gesten einen Konzeptwandel befördern können (vgl. Goldin-Meadow & Alibali, 2013).

Wir sind in drei Studien den Fragen nachgegangen, (1) welche Vorstellungen 5- bis 6-Jährige zur DR im Vergleich zu älteren Altersgruppen haben und ob wir die Vorstellungen mit (2) impliziten verbalen Hinweisen in einer angeleiteten Spielintervention bzw. mit (3) expliziten verbalen, gestischen oder verbal-gestischen Erklärungen fördern können?

Studie 1 untersuchte querschnittlich einen Konzeptwandel in der Altersentwicklung. Bei n=146 Vorschulkindern (M Alter=5,30 Jahre, SD=.557), n=61 Erstklässlern (M Alter=6,95 Jahre, SD=.664), n=153 Viertklässlern (M Alter=9,54 Jahre, SD=.650) und n=94 Erwachsene (M Alter=22,11 Jahre, SD=1,505) wurden die Vorstellungen zur DR mit einem standardisierten Test erhoben. Die Probanden mussten die DR von Zahnrädern in Getrieben mit bis zu vier verbundenen Zahnrädern vorhersagen. Richtige Vorhersagen gaben einen Punkt, wobei für den gebildeten Summenscore nur Vorhersagen für Zahnräder mit zum Antriebszahnrad entgegengesetzter Drehrichtung berücksichtigt wurden (Autoren, 2020).

Studie 2 untersuchte in einem experimentellen Prä-Post-Follow-Up-Test-Design einen Konzeptwandel bei Vorschulkindern (M Alter=69,50 Monate, SD=4.43) durch angeleitetes Spiel. In einer 45-minütigen Intervention erhielten eine angeleitete Spielgruppe (n=57) und eine Freispielgruppe (n=47) Zahnräder und entsprechende Bauelemente. Die angeleitete Spielgruppe konnte zusätzlich aus Aufgabenkarten unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades wählen und bekam implizite verbale Hilfestellungen (z.B. „Schau dir dieses Zahnrad genau an: In welche Richtung dreht es sich?"). Der Test aus Studie 1 wurde in gekürzter Version durchgeführt (Autoren, 2022a).

Studie 3 untersuchte bei Vorschulkindern (M Alter=74,85 Monate, SD=5,64) in einem experimentellen Prä-Post-Follow-Up-Test-Design einen Konzeptwandel durch explizite Instruktion. Ein Versuchsleiter erklärte die Drehrichtung von Zahnrädern sprachlich (EG1, n=81), gestisch (EG2, n=76) oder sprachlich-gestisch (EG3, n=77). Danach sollten die Kinder ein Antriebs- und ein Zielzahnrad so verbinden, dass sie in die gleiche Richtung drehen (Autoren, 2022b). Eine Kontrollgruppe (KG, n=69) erhielt keine Intervention. Der Test aus Studie 2 wurde durchgeführt.

Ergebnisse

Studie 1: ANOVAs zeigten, dass sich die Anzahl der richtigen Vorhersagen für die Altersgruppen signifikant unterschieden, Welch-F(3, 168.294)=186.762, p<.001. Je älter die Probanden waren, desto höher waren die Lösungsraten, wobei der stärkste Effekt (Hedges-G=1.118) für Erstklässler im Vergleich zu Vorschulkindern gefunden wurde, was auf einen Entwicklungssprung in dieser Altersspanne hinweist.

Studie 2: Ein Mehrebenen-Wachstumsmodell mit der angeleiteten Spielgruppe als Referenz zeigte einen signifikanten Anstieg der Lösungsrate, γ=0.07, p<0.01, SE=0.02, t=3.03, wobei sich der Zuwachs in der Freispielgruppe signifikant vom Zuwachs in der angeleiteten Spielgruppe unterschied, γ=-0.09, p<0.05, SE=0.03, t =-2.58. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine 45-minütige Intervention mit angeleitetem Spiel und impliziten verbalen Hinweisen einen Effekt auf das Konzept der DR hatte.

Studie 3: Friedman-ANOVAs (aufgrund nicht normalverteilter Daten) in den EG und der KG zeigten keine signifikante Veränderung über die Messzeitpunkte. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Erklärung durch den Versuchsleiter weder in verbaler, gestischer noch verbal-gestischer Form wirksam war.

Die Ergebnisse der Studien 1, 2 und 3 werden einander gegenübergestellt und diskutiert.

 

Fördern Reflexionsprompts das Erkennen von Konflikten und die Veränderung von Fehlvorstellungen bei Grundschulkindern?

Elfriede Diestel1, Maria Theobald1, Joseph Colantonio2, Igor Bascandziev2, Elizabeth Bonawitz2, Garvin Brod3
1DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, 2Harvard Graduate School of Education, 3DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Goethe Universität Frankfurt

Der konzeptuelle Wandel von einer Fehlvorstellung zu einer wissenschaftlich anerkannten Theorie ist schwierig (Carey, 2000), selbst wenn Evidenz präsentiert wird, die im Konflikt mit der Fehlvorstellung steht (Limón, 2001). Ein wichtiger Schritt zur Überwindung von Fehlvorstellungen ist, dass Lernende Widersprüche zwischen ihrer ursprünglichen Überzeugung und der präsentierten Gegenevidenz überhaupt als Konflikt erkennen (Limón & Carretero, 1997). Das Erkennen von Konflikten ist jedoch insbesondere für jüngere Kinder herausfordernd (Finn & Metcalfe, 2014).

Ziel der Studie ist es daher zu untersuchen, ob Reflexionsprompts, die Lernende dazu auffordern, ihr Wissen zu verknüpfen, das Erkennen von Konflikten und damit die Überwindung von Fehlvorstellungen erleichtern können. Obwohl Reflexion als ein wichtiges Element für den Erwerb wissenschaftlicher Konzepte gilt (Gunstone, & Mitchell, 2005), ist weitgehend unklar, ob Reflexionsprompts Prozesse der Konflikterkennung fördern, die zur Überwindung von Fehlvorstellungen beitragen. Basierend auf bisheriger Forschung erwarten wir, dass Reflexionsprompts das Erkennen von Konflikten zwischen der ursprünglichen Überzeugung und der richtigen Theorie verbessern (H1) und die Überwindung von Fehlvorstellungen erleichtern (H2).

Zur Überprüfung der Hypothesen wurden 97 Kinder im Alter von 6 bis 9 Jahren untersucht (M = 7.20; 56% weiblich). Die Kinder lernten das Konzept der Wasserverdrängung, da häufig die Fehlvorstellung vorherrscht, dass das Gewicht eines Objekts (und nicht seine Größe) das Ausmaß der Wasserverdrängung bestimmt. Zunächst wurden im Prätest Fehlvorstellungen zur Wasserverdrängung erfasst. In der anschließenden computerbasierten Lernphase (27 Aufgaben) sollten die Kinder immer vorhersagen, welches von zwei Objekten mehr Wasser verdrängt und erhielten anschließend Feedback zur richtigen Lösung. Dann gaben die Kinder an, ob sie das Ergebnis erwartet hatten (Erwartungsrating; ja/nein). Während der Lernphase wurden die Reaktionszeiten und die Pupillengröße mit Hilfe eines Eyetrackers aufgezeichnet. Als experimentelle Manipulation erhielt die Hälfte der Kinder während der Lernphase zusätzlich den Reflexionsprompt, darüber nachzudenken, wie ihre Vorhersagen zu dem passen, was sie bereits gelernt haben. Die Kontrollgruppe erhielt keinen Reflexionsprompt. Nach der Lernphase wurde in einem Posttest und einem Transfertest überprüft, ob die Kinder die Fehlvorstellung zur Wasserverdrängung abgelegt hatten.

Zunächst wurde untersucht, ob Kinder, die Reflexionsprompts erhielten, Konflikte während der Lernphase besser erkannten. Dazu verwendeten wir ein explizites Maß (das Erwartungsrating) und zwei implizite Maße der Konflikterkennung (Reaktionszeit für das Erwartungsrating und Pupillenerweiterung nach falsch vorhergesagten Ergebnissen). Kinder in der Reflexionsprompt-Gruppe zeigten längere Reaktionszeiten für das Erwartungsrating (b = .24, SE = 1.16, p=.033) sowie eine stärkere Pupillenerweiterung (b = .16, SE = .76, p=.032) nach falschen Vorhersagen im Vergleich zu Kindern in der Kontrollgruppe. Die explizite Klassifikation einer falschen Vorhersage als unerwartet war für alle Kinder gleichermaßen schwierig (b = -.27, SE = .30, p=.091); dennoch zeigte sich innerhalb der Reflexionsprompt-Gruppe, dass Kinder, die eine falsche Vorhersage als unerwartet klassifizierten in der Folgeaufgabe eher zum korrekten Konzept wechselten (b = .74, SE = .82, p=.004). Insgesamt sprechen die Ergebnisse für eine bessere Konflikterkennung in der Reflexionsprompt-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Bezüglich der zweiten Hypothese zeigten die Daten aus der Lernphase, dass die Vorhersagen der Kinder in der Reflexionsprompt-Gruppe näher an den Vorhersagen eines optimalen Bayesianischen Lerners lagen (χ2(2618) = 17.66, p<.001) und sich ihre Leistungen über die Lernphase stärker verbesserten als die der Kinder ohne Reflexionsprompts (b = .17, SE = .02, p=.015). Diese Bedingungsunterschiede hielten jedoch nicht bis zum Post- und Transfertest an. Hier zeigten beide Gruppen vergleichbare Leistungen (Veränderung Prä-Post: F(1, 95) = 1.79, p=.185; Unterschied Transfertest: t(95) = 1.35, p=.180).

Zusammenfassend deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Reflexionsprompts das Lernen aus falschen Vorhersagen verbessern können, indem sie die Konflikterkennung verbessern. Allerdings scheinen die Effekte von Reflexionsprompts zu kurzweilig zu sein, um eine nachhaltige Überarbeitung von Fehlvorstellungen zu fördern.

 

Förderung eines Konzeptwechsels durch digital gestütztes Experimentieren beim Übergang von natürlichen zu rationalen Zahlen

Rowena Merkel, Katharina Loibl, Frank Reinhold, Timo Leuders
Pädagogische Hochschule Freiburg

Theoretischer Hintergrund:

Schülerinnen und Schüler haben große Schwierigkeiten beim Übergang von natürlichen zu rationalen Zahlen, da ihre bisherigen Konzepte natürlicher Zahlen im erweiterten Kontext der rationalen Zahlen nicht mehr tragfähig sind (z.B. Hasemann, 1981; Ni & Zhou, 2005). Der Übergang zu den rationalen Zahlen verlangt eine radikale Veränderung des bestehenden Zahlenverständnisses im Sinne eines Konzeptwechsels. Hierzu müssen die Lernenden zunächst die Einschränkung des Gültigkeitsbereiches der bisherigen Konzepte akzeptieren und gleichzeitig neue tragfähige Konzepte, die in einem erweiterten Kontext gültig sind, aufbauen (Chi, 2013; Prediger, 2004; Reinhold, 2019).

Um einen Konzeptwechsel herbeizuführen, eignen sich Aufgabenstellungen, die die Lernenden mit ihrem bisherigen Wissen noch nicht lösen können und so neues Wissen aktiv konstruieren müssen. Im Kontext von SDDS (Scientific Discovery as Dual Search, Klahr & Dunbar, 1988) werden Schülerinnen und Schüler im Lösungsprozess aufgefordert, erste intuitive Hypothesen aufzustellen, diese im Experimentierraum zu überprüfen und daraufhin ihre eigen generierten Hypothesen zu revidieren, bevor sie ein Feedback erhalten. Durch den systematischen Aufbau von Aufgabenstellungen, stoßen die Lernenden ständig an ihre eigenen Grenzen, so dass Wissenslücken sichtbar werden (Loibl et al., 2017) und ein kognitiver Konflikt ausgelöst wird, der zur Ausbildung neuer Konzepte führt.

Forschungsfrage:

Die Studie untersucht, ob a) die zusätzliche Aufforderung zur Verwendung digitaler Tools zur stetigen Modifizierung des eigenen Konzepts führt - operationalisiert durch die verwendeten Strategien - , b) ob das empirische Feedback zu adäquaten Veränderungen der verwendeten Strategien im Sinne eines Konzeptwechsels führt und c) ob verschiedene Kontexte die Modifizierung des Zahlkonzepts unterschiedlich beeinflussen.

Studiendesign und Methode:

Zur Untersuchung der Forschungsfragen und zur Initiierung des notwendigen Konzeptwechsels (z.B. Spada, 1994; Vosniadou, 1994) wurde eine digitale Lernumgebung entwickelt, in der die Lernenden in einer ersten Problemlösephase, durch eigenständiges Experimentieren ein erstes konzeptuelles Bruchverständnis aufbauen. Die Aufgaben (Anteilsvergleich in grafischen Bruchdarstellungen in Kontexten) wurden so konzipiert, dass die Lernenden diese mit ihrem bisherigen Vorwissen zu natürlichen Zahlen nicht lösen können: Im Lösungsprozess werden sie entsprechend von SDDS zunächst zur Formulierung einer ersten intuitiven Hypothese zum Größenvergleich zweier Brüche aufgefordert, bevor sie diese im Experimentierraum durch die eigenständige Erstellung eines Situationsbildes mit dynamischen Bruchstreifen überprüfen können. Im Anschluss daran besteht die Möglichkeit der Revidierung der formulierten Hypothese, bevor eine Begründung als wichtige Form der Wissensorganisation (Prediger, 2013) gefordert wird. Anschließend erhalten die Lernenden ein empirisches Feedback im Experimentierraum und können ihre Hypothesen überprüfen.

Es handelt sich dabei um fünf aufeinanderfolgende Bruchvergleichsaufgaben, die sich nur bezüglich des verwendeten Zahlenmaterials unterscheiden und dadurch unterschiedliche Strategien des Größenvergleichs von Brüchen triggern. Dadurch werden Wissenslücken sichtbar, da die Lernenden stetig an ihre eigenen Grenzen stoßen.

Die digitale Lernumgebung liegt in zwei Kontexten vor (A: Farbmischkontext, B: Wurfballkontext) und variiert dahingehend, ob Lernende digitale Tools zur Manipulation der Bruchstreifen (z. B. Vervielfachen, Unterteilen) verwenden müssen oder nicht. Zudem wurde für jeden Kontext eine Kontrollgruppe etabliert, die kein empirisches Feedback zu den eigen formulierten Hypothesen erhält. Zur Überprüfung der Fragestellung werden die verbalen Begründungen aller Gruppen in der Lernumgebung entsprechend einem hierarchischen Stufenmodell der Strategien (Merkel et al., in Vorbereitung) kodiert, welches den Fortschritt des Konzeptwechsels (von natural number bias, Ni & Zhou, 2005 bis vollständiges Bruchkonzept) widerspiegelt. Dies ermöglicht Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden kognitiven Lernprozesse. Zudem werden die Ergebnisse der unterschiedlichen Gruppen in einem anschließenden Posttest verglichen.

Ergebnisse:

Es wurden Daten von 230 Lernenden erhoben. Die Auswertungen laufen noch. Ergebnisse aus Vorstudien zeigen, dass Lernende in den optionalen Bedingungen die digitalen Tools nicht nutzen und damit wenig Konzeptwechselprozesse angestoßen werden. Ebenso können ohne empirisches Feedback nur wenig Konzeptwechselprozesse beobachtet werden. Zudem legen unterschiedliche Kontexte die Verwendung verschiedener Strategien nahe, was sich auf Unterschiede in der Vorwissensaktivierung zurückführen lässt.

 
Datum: Dienstag, 19.03.2024
10:30 - 12:104-12: An interdisciplinary view on learners’ argumentation competences: empirical studies from Economics Education, Political Education and English.
Ort: S19
 
Symposium

An interdisciplinary view on learners’ argumentation competences: empirical studies from Economics Education, Political Education and English.

Chair(s): Stefan Daniel Keller (PH Zürich, Schweiz)

Diskutant*in(nen): Dorothee Gronostay (TU Dortmund)

Argumentative competences are an important goal of modern education. In the competence model for democratic culture and intercultural dialogue (European Council, 2021), argumentation skills are described as basic for “analytical and critical thinking skills”, “conflict resolution skills” and “knowledge and critical understanding of the world (politics, human rights, cultures, etc.)”. Argumentative competences play an important role in the curricula of different subjects. For that reason, research on argumentative competences is conducted in different subjects.

Previous research on argumentation in the classroom is mostly devoted to science subjects and language subjects in compulsory education (e.g., Budke et al., 2015; Duschl & Osborne, 2002; Erduran & Jiménez-Aleixandre, 2007; Osborne et al., 2004). Little is known so far about argumentation in social science subjects in compulsory and post-compulsory school. Especially for the domain "politics and economics", only few theoretical and empirical works are available (Ackermann & Kavadarli, 2022; Gronostay, 2019; Siegfried, 2021). Furthermore, these subject specific research traditions have been largely unconnected.

The main goal of this symposium is to bring together empirical work on argumentation skills from various school subjects and domains, and to analyse similarities and differences between them in empirical studies. There are two guiding questions: First, whether the argumentative competences are similar or different between subjects; and second, what the relationship is between argumentative competences in spoken or written form is. This symposium addresses both these questions in an interdisciplinary format by presenting 3 empirical studies from different school subjects: English, Economic Education, and Political Education.

In paper 1, Lohmann, Lötscher and Keller analyse argumentative competences in the context of argumentative essays in English at upper secondary level (“Gymnasium”). They show that in English, written English argumentative skills and receptive competences (reading and listening) are highly correlated, suggesting there is a common underlying language competence from which all of these abilities draw. Also, students need most support in language competence while elements such as structuring a text or finding content can be transferred from other domains (e.g. first language writing).

In paper 2, Ackermann and Siegfried focus on written and oral argumentation in a problem-oriented, cooperative teaching/learning setting in the subject "Politics and Economics" at upper secondary level. They analyse the structure and content of written arguments in short essays on a socio-economic problem, the change in written argument quality during the teaching/learning setting as well as the connection between oral contributions from the group discussion and written argument quality in short essays.

In paper 3, Aydin, Waldis & Wenger present a program for promoting oral argumentation in citizenship education. Their paper provides empirical insights into a strategy training course and classroom debates. They show that despite standardized argumentation training, debates in the observed class turned out very heterogeneous. This seems to be partly due to the diversity of thematic inputs and partly due to students’ linguistic competencies and the debate culture.

Based on these presentations, consequences and transfer for teacher education and practical teaching will be discussed.

 

Beiträge des Symposiums

 

Argumentation in English essays at upper-secondary level: linguistic and argumentative competences of foreign language learners

Stefan Keller1, Flavio Lötscher1, Julian Lohmann2
1PH Zürich, 2Uni Kiel

Background

Foreign language skills are vital for learners’ active participation in modern knowledge societies and integration in an international democratic system (Keller, 2023). Argumentative competences in English as a foreign language (EFL) are particularly important at secondary level. Yet they presuppose advanced skills of language proficiency, text structuring and argumentation which need to be explicitly instructed for students to master them (Keller et al., 2020).

This paper presents insights on the internal structure and development of EFL argumentative competences at upper secondary level. In particular, it has the following two research questions:

1) What competences of argumentative writing do learners at upper-secondary level reach?

2) What is the composite structure of argumentative writing competence in English in terms of use of language, structure and content / argumentation?

Data

This study was carried out as a repeated measurement design in upper secondary schools in Germany and Switzerland with an interval of eight to nine months between the two measurement points. Students completed computer-based tests on writing (two TOEFL argumentative writing tasks at each time point). Overall, data were collected from n=1882 students in Switzerland (58% female; age: x¯T1=17.56, SDT1=.91; x¯T2=18.27, SDT2=.91) and n=965 students in Germany (58.6% female; age: x¯T1=16.91, SDT1=.56; x¯T2=17.61, SDT2=.56).

Method

Two types of analyses were performed to analyse leaners’ argumentative writing competences. In a first study (Keller et al., 2020), holistic ratings were produced by two trained raters on the operational TOEFL iBT scoring rubrics. Inter-rater agreement, as measured by quadratic weighted kappa (QWK), was satisfying for all prompts and time points (QWK=.865/.775). In a second study, learners’ texts from the same dataset were analytically analysed by a new set of trained raters (both for T1 and T2). The analytic assessment of learner texts included the most important elements of an argumentative essay, based on relevant linguistic and pedagogical analyses of the genre. Furthermore, the rubric captured a range of criteria mentioned in upper-secondary EFL curricula in Germany and Switzerland, mostly control of grammatical and lexical language features and the ability to state one’s opinion in a large range of contexts (Fleckenstein et al. 2019). In terms of ICC, the weighted Kappa for language quality was .74, .70 for structure and .61 for content.

Results

For RQ1, results show that learners at upper secondary level mostly reach level B2 according to the CEFR in argumentative writing in terms of internal structure of their competences. For RQ2, analytic ratings show that students achieve highest scores for structure, lower ones for content and argumentation, and the lowest scores for language proficiency (i.e., spelling, grammar and lexical quality). Our study, however, also found considerable differences in development rates between the three aspects of writing quality: on average, learners gained half of a standard deviation in structure, a quarter of a standard deviation in content, and less than one fifth of a standard deviation in language quality, i.e., hardly anything at all.

Discussion and Relevance

In terms of fostering argumentative writing, the fact that the linguistic quality (in the sense of general language proficiency) of argumentative EFL essays hardly budges over one year would suggest learners need specific support in this area, and that linguistic structures should be taught in the specific context of EFL argumentative writing. By contrast it seems that the ability of finding content for argumentation and especially structuring of texts can be transferred from other languages or domains of learning.

 

Quality of written arguments on “energy policy” in a classroom intervention with upper secondary students: the role of individual learning characteristics and cooperative learning activities

Nicole Ackermann1, Christin Siegfried2
1PH Zürich, 2Uni Göttingen

Problem statement

An overarching educational goal of upper secondary education is that students acquire competences for present and future participation in society and economy (Eberle, 2015; Ross, 2021). To achieve this goal, content knowledge and argumentation skills on societal problems are, amongst other things, required (Ackermann & Siegfried, 2022). Whereas most empirical studies at upper secondary level in German-speaking countries focus on content knowledge of students in different school types and professional fields (e.g, Beck, 1993; Müller et al., 2007; Schumann & Eberle, 2014; Schumann et al., 2017) and the effect of different teaching/learning settings (e.g., traditional, action-oriented, self-organised) on performance and motivation (e.g., Seifried & Sembill, 2010; Sembill et al., 2007), a few recent studies examine argumentative competences in the domain “politics and economics” (e.g., Ackermann & Kavadarli, 2022; Gronostay, 2019; Siegfried, 2021).

Research goal and questions

Our study aims to investigate students’ written arguments before and after a problem-oriented, cooperative classroom intervention on a societal problem. We raise three research questions:

• (RQ1) What is the quality of written arguments regarding structural and content criteria before and after the intervention?

• (RQ2) How many profiles of written argument quality can be identified and characterised before and after the intervention?

• (RQ3) To what extent is written argument quality effected by individual learning requirements and group-based learning activities?

Methods

For the data collection, a problem-oriented, cooperative teaching/learning setting on the topic "energy policy" was developed and used in the subject "politics and economics". The sample was randomly drawn from high school students in the German state of Hesse (N=190, grade 10+11, age 16-18, female 46 %). Within the classroom intervention, students were confronted with the societal problem, then had to search for further information on the problem in the material given and discuss problem solutions in small groups (Siegfried, 2021). Before and after the classroom intervention an achievement test was used for domain-specific content knowledge (Ackermann, 2019) and a writing task on "energy policy measures" for domain-specific reasoning skills.

The textual data of the writing task were analysed qualitatively (Cohens κ = .84) using an analytical framework for domain-specific argumentative writing (Ackermann & Kavadarli, 2022). The video data of the group discussion were transcribed and coded (Cohens κ = .72 to .83) using an analytical framework for domain-specific argumentative discussing (Siegfried, 2021). With the quantified data (codings), frequency analyses, cluster analyses and regression analyses were conducted.

Results

Regarding RQ1, at the level of variables, the quality of the students’ arguments is rather low and did not significantly change by the intervention. Of all the arguments, about 80% were supportive justifications, 60% were specific, 12% were completely correct, 20% had scientific references and 35% contained multiple perspectives.

Regarding RQ2, at the case level, there are three distinct argument profiles before and after the invention. The profiles in the post-test are characterised as follows: Profile-1 (N1≈48 %) has a moderate argument quality, Profile-2 (N2≈43 %) shows a moderate to high argument quality, Profile-3 (N3≈9 %) has a very low argument quality.

Regarding RQ3, there is an effect of some individual learning requirements and some group-based learning activities on written argument quality. In the pre-test, argumentation quality is predicated by content knowledge and partly by the grade in German as first language. In the post-test, argumentation quality is partly predicted by content knowledge and by contributions in the group discussion.

Discussion

From these results, implications can be derived for both further subject specific research on argumentation in social sciences subjects and for teacher training to support argumentative competences.

 

Promoting Oral Argumentation in Citizenship Education. Empirical Insights into a Strategy Training Course and Classroom Debates

Açelya Aydin, Manuel Hubacher, Monika Waldis, Liliane Wenger
PH FHNW

Theories of deliberative democracy call for citizens to be communicatively activated in forming opinions on issues since the 1990s. Therefore, civic education is expected to introduce adolescents to deliberative processes and to promote their argumentative competence–understood as a linguistic and a political competence (Rapanta & Felton, 2022; Zohar & Nemet, 2002).

Empirical findings show that instructional interventions can promote oral reasoning and critical thinking in a variety of subjects. However, intervention effects are often small and inconsistent. Authors suggest moderately controversial topics for civic education goals in middle school (Gronostay, 2019). Empirical findings show that students in deliberative settings are more willing to engage opposing arguments and revise their own than in competitive settings (Felton et al., 2015). In addition, student dialogues in small groups are conducive to argumentation skills (Rapanta & Felton, 2022; Schuitema et al., 2011). There is limited information to date on the effectiveness of strategy training. In an intervention study (grade 8/9, Gymnasium), Gronostay (2019) combined thematic input with argumentation training that included analytical tasks and oral practice. This led to more transactive speech acts (counterarguments, objections) in the experimental group in the subsequent fishbowl discussion. However, revision and adaptation of own arguments remained largely absent. In this study, we investigate the extent to which an adapted version of this strategy training with additional dialogue exercises contributes to more transactive dialogues. The following research questions will be investigated:

RQ1: What it the distribution of different argumentative moves (e.g., counterarguments, integration) in processes of argumentative reappraisal?

RQ2: What is the complexity of argumentations (number of reply moves per argument) and the distribution of argumentative sequences (one-sided/critical/responsive)?

RQ3: To what extent are different patterns regarding argumentative moves and complexity visible in the observed classes?

RQ4: Are "political" arguments visible and how are they negotiated?

Method

Six teachers (4-27 years of teaching experience) participated with their classes in the testing of an argumentation training in the school year 2022/23. The students (aged 13-17, lower secondary (grade 8/9, different educational levels) exhibited heterogeneous linguistic competencies. The instructional setting consisted of a) the standardized argumentation training (90′), b) a thematic input on a controversial topic selected by the teachers (90′), c) a fishbowl debate about it in class (45′), and d) a written judgment task (45′). As a controversial topic, teachers chose either a topic close to everyday life (sustainable school) or a topic of social relevance (introduction of a cashless society).

Data collection included video recording of the fishbowl debates and written documentation of all lessons and teaching materials used. The analysis of the transcribed student debates was conducted in four steps: 1) analysis of argumentative structure (Toulmin, 1958/2003), 2) analysis of argumentative moves (Gronostay, 2019; Felton et al. 2015), 3) complexity per argumentative sequence (one-sided, critical, or responsive) (Gronostay, 2019), and 4) identification of political issues per sequence (table 1). All debates were coded in teams of two and then discursively cleaned up by the research team. Code definitions, anchor examples, and collaborative discussion of special cases and their documentation ensured standardization.

Results

The argumentative moves practiced in the argumentation training were visible in the fishbowl debates. Contradiction and integration of arguments occurred frequently. A larger proportion of the argumentations were responsive. Class-specific patterns emerged at both code levels (argumentative moves, complexity). Political issue were often pronounced in one-sided argumentation.

Conclusion

Despite standardized argumentation training, debates in the observed class turned out very heterogeneous. This seems to be partly due to the diversity of thematic inputs and partly due to students’ linguistic competencies and the debate culture (on/off-topic, meta-talk, commitment to topic) in the classes.

 
13:10 - 14:505-12: Soziale Netzwerke in Schulen: Einflüsse auf die Entstehung von Peerbeziehungen
Ort: S19
 
Symposium

Soziale Netzwerke in Schulen: Einflüsse auf die Entstehung von Peerbeziehungen

Chair(s): Claudia Neuendorf (Universität Tübingen, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Christian Huber (Bergische Universität Wuppertal)

Peerbeziehungen gewinnen im Jugendalter zunehmend an Bedeutung. Ihre Rolle sowohl für die Entwicklung psychischer und körperlicher Gesundheit, devianten vs. adaptiven Verhaltens und für die akademische Entwicklung ist nachgewiesen (Gifford-Smith & Brownell, 2003; Raufelder et al., 2021; Youniss & Haynie, 1992; Zander, Kreutzmann & Hannover, 2017). Da Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit in der Schule verbringen, kommt schulischen Peerbeziehungen eine besondere Bedeutung zu.

Die Schule zeichnet sich durch eine Reihe an Besonderheiten aus: Hier treffen Kinder und Jugendliche auf gleichaltrige, mit denen sie, anders als mit Erwachsenen, symmetrische Beziehungen eingehen und durch Aushandlungsprozesse selbstständig gestalten können (Youniss & Haynie, 1992). Schulische Peerbeziehungen zeichnen sich damit durch eine besondere Autonomie aus. Der Schulkontext ist allerdings gleichzeitig durch eine starke räumliche und zeitliche Strukturierung geprägt. Der Lehrkraft kommt im Klassenzimmer eine zentrale Rolle als Referenzperson, Beziehungsmanagerin und Gestalterin des sozialen Klimas zu (Farmer, McAuliffe Lines, & Hamm, 2011). Weiterhin sind Klassenzimmer durch die Komposition, also die Zusammensetzung im Hinblick auf Merkmale wie Geschlecht, Leistung, sozialer und ethnischer Hintergrund geprägt. So haben Schüler*innen zwar die Autonomie darüber, mit wem sie welche Art von Beziehung eingehen, sind in ihrer Wahl allerdings durch Opportunitätsstrukturen begrenzt.

Dieses komplexe Zusammenspiel aus individuellen Entscheidungen und kontextuell vorgegebenen Möglichkeiten zu untersuchen, stellt eine methodische Herausforderung dar. Die Soziale Netzwerkanalyse, bei der die Positionierung von Individuen in ein Netzwerk von Beziehungen im Fokus steht, gewinnt in den letzten Jahren auch in der empirischen Bildungsforschung zunehmend an Bedeutung, da sie dieser Herausforderung begegnet. In der Sozialen Netzwerkforschung werden die einzelnen Beziehungen zwischen den Schülerinnen und Schülern als Datengrundlage verwendet. Diese Beziehungen können unterschiedlich charakterisiert werden: so können Freundschaften und Feindschaften ebenso dargestellt werden wie instrumentelle Beziehungen, Beziehungen können in ihrer Qualität oder ihrer Stärke abgestuft bewertet werden und auch Beurteilungen von Peers (z.B. wahrgenommene Beliebtheit) können in einem Netzwerk dargestellt werden. Netzwerkanalysen können auf Ebene von Schulen, Klassen, Subgruppen, Individuen oder auf Ebene einzelner Beziehungen stattfinden.

Die in diesem Symposium versammelten Beiträge zeigen die methodische Breite auf, mit der soziale Netzwerke untersucht werden können, ergänzen sich aber auch inhaltlich, um einen facettierten Blick auf Bedingungen der Entstehung von Peerbeziehungen in der Schule aufzuzeigen.

Im Modell der Selektions- und Einflussmechanismen von Peerbeziehungen im Klassenzimmer (Zander et al., 2017) werden die Einflüsse der Lehrperson, Selektions- und Sozialisationsprozesse unterschieden, die über die entstehenden Peerbeziehungen vermittelt einen Einfluss auf lernförderliche und lernhinderliche Outcomes haben können. Die Beiträge des Symposiums lassen sich unter Bezugnahme auf das Modell einordnen: So befasst sich der erste Beitrag von Lorenz und Kronenberg mit Selektionsprozessen in Peerbeziehungen und fragt, welchen Einfluss die ethnische Komposition, insbesondere die Heterogenität in der Herkunft von Schülerinnen und Schülern auf die Entstehung von Freundschaften zwischen Angehörigen unterschiedlicher ethnischer Gruppen haben. So nähern sich die Autoren der Frage nach der Basis ethnischer Segregation an Schulen. Der zweite Beitrag von Schuster und Kuhnt befasst sich mit politischen Sozialisationsprozessen zwischen Schülerinnen und Schülern und untersucht den Zusammenhang zwischen Freundschaftsnetzwerken und Netzwerken politischen Austauschs.

Im dritten und vierten Beitrag stehen Einflussmöglichkeiten, die durch schulorganisatorische Maßnahmen bzw. durch Lehrpersonen geschaffen werden, im Fokus. So untersucht Kuhnt in Beitrag 3, welchen Einfluss die Auflösung des Klassenverbands zugunsten einer projektförmigen Organisation des Schulalltags auf die Entwicklung von Sozialkontakten hat. Beitrag 4 lenkt den Blick auf Prozesse im Unterricht und fragt, welchen Einfluss die Lehrkraft auf Freundschaftsbeziehungen im Klassenzimmer hat. Insbesondere wird untersucht, ob eine wahrgenommene konstruktive Unterstützung durch die Lehrkraft die leistungsbezogene Homophilie und die relative Beliebtheit leistungsstärkerer Schülerinnen und Schüler beeinflusst.

Das Symposium richtet sich an Forschende, die sich für das Potenzial der Sozialen Netzwerkanalyse zur Untersuchung von Mechanismen der Entstehung von Peerbeziehungen in der Schule interessieren.

 

Beiträge des Symposiums

 

Structural sources of segregation: How classroom composition shapes interethnic friendships

Georg Lorenz1, Clemens Kroneberg2
1Universität Potsdam, 2Universität Köln

Theory and Research Question

Research on ethnic heterogeneity underscores its pivotal role in fostering interethnic social relationships, a crucial component for both the equal participation of minorities (e.g., Lorenz et al. 2021) and enhancing social cohesion within schools (e.g., Portes and Vickstrom 2011). However, this extensive body of research, though often referencing the seminal work of Peter M. Blau and colleagues (Blau 1994, 1977), has largely overlooked the incorporation of a strand of formal theorizing necessary for a deeper investigation into the origins of interethnic relationships.

A prevalent focus in existing studies is on the indirect measurement of homophily preferences while accounting for meeting opportunities. These studies harness theories like social identity, competition, and threat to propose that an increase in school heterogeneity augments the propensity among adolescents to favor same-ethnic friendships (Moody 2001; Smith et al. 2016). However, this methodology, reliant on indirect measurement, doesn’t provide a robust foundation for concluding on the role social contexts play in shaping these preferences (Schaefer 2018; Schaefer and Kreager 2020; Wimmer and Lewis 2010).

Data and Methods

We advocate for a more restrained approach to theory development, rooted in a meticulous examination of how social contexts influence opportunities for establishing interethnic social relationships (Fararo 1989; Healy 2017), before delving into the complexities of endogenous preferences. Our work, building on the basic tenets of Blau’s structuralist theory, aims to fill this gap, offering both theoretical and empirical insights into the association between distinct dimensions of ethnic heterogeneity and the formation of interethnic and coethnic friendships within the school environment.

Empirically, we utilize unique, representative data from over 1,000 secondary schools in Germany, allowing for a comprehensive analysis of complete social networks on an unprecedented scale. We adapt and modify Blau's model to account for the distinct perspectives of majority and minority group members, a necessary evolution considering the recent findings which underscore the necessity of this dual perspective to unravel the intricate relationships between heterogeneity and intergroup ties (Koopmans and Schaeffer 2015; Smith et al. 2016).

Our data stems from the IQB Trends in Student Achievement Study 2018 (Stanat et al. 2019), encompassing 32,191 students from 1,319 classrooms in 1,028 schools. We reconstructed complete friendship networks and utilized the Blau index to measure ethnic heterogeneity at the classroom level. Ethnic origin differentiation was based on the birth countries of students and their parents.

Results and Conclusion

The findings of our descriptive analysis unveil potent associations between heterogeneity and intergroup friendships within schools. While opportunities for coethnic friendships diminish with increased ethnic heterogeneity for the majority group, they elevate for the minority group members. This pattern aligns with the observed consistency across both groups in utilizing available opportunities for coethnic friendships. Consequently, increased proportions of outgroup members correlate with rising fractions of intergroup friendships.

Our multivariate analyses elucidate that ethnic heterogeneity and class size account for 92% of the variation in coethnic friendships between classrooms. Consolidation in multiple heterogeneity dimensions amplifies the proportion of coethnic friendships more prominently in heterogeneous social contexts. These findings, which deviate from earlier research conclusions, accentuate the opportunity structures as central in mediating the relationship between ethnic composition and intergroup social relationships, relegating homophily preferences to a secondary role.

In essence, our study illuminates the nuanced dynamics and influences shaping the interplay between ethnic heterogeneity, consolidation, and the formation of coethnic and interethnic friendships in schools. The insights gleaned hold substantial implications for educational policies and practices aimed at fostering social integration and cohesion in increasingly diverse educational settings.

 

Let’s talk politics: Eine inferenzstatistische Netzwerkanalyse zu Determinanten politischen Austauschs unter Schüler*innen

Johannes Schuster1, Mathias Kuhnt2
1Universität Leipzig, 2TU Dresden

Fragestellung

Soziale Netzwerke spielen eine wichtige Rolle für die politische Meinungsbildung und Partizipation junger Menschen. So steigt bspw. die Wahrscheinlichkeit, politisch zu partizipieren, mit der Anzahl von Personen mit hoher politischer Kompetenzen in einem sozialen Netzwerk (Campbell, 2013). Auch zeigt sich, dass politisch homogene Netzwerke die eigenen Überzeugungen stärken, was wiederum die Teilnahme an politischen Veranstaltungen fördert (Mutz, 2002). Während diese Studien häufig voraussetzen, dass politische Themen innerhalb sozialer Gruppen diskutiert werden und daher bereits Freundschaftsnetzwerke eine gewisse Funktion in dieser Richtung erfüllen, wird bislang weitestgehend vernachlässigt, auf welche Weise Austausch über politische Themen stattfindet. Gerade unter jungen Menschen, die sich noch in einer ganz zentralen Phase der Entwicklung einer politischen Identität befinden, ist es daher von großer Bedeutung, politischen Austausch systematisch zu untersuchen. Diese Studie adressiert das Desiderat und beantwortet die Forschungsfrage: Wie lässt sich die Struktur eines Netzwerks politischen Austauschs unter Schüler*innen erklären?

Theoretischer Hintergrund

Theoretisch basiert die Studie auf der Sozialkapital-Theorie (Putnam, 2000). Diese geht von einem generellen Zusammenhang von individuellem Handeln und den sozialen Strukturen eines Individuums aus. In der Literatur finden sich verschiedene Mechanismen, nach denen ein Aufbau sozialer Beziehungen stattfindet. Mit Blick auf das Sozialkapital werden insbesondere drei Formen unterschieden: bonding, bridging und linking Sozialkapital (z.B. Rydin & Holman, 2004). Während sich bonding Sozialkapital eher auf das Bilden von Beziehungen innerhalb soziodemographisch homogener Gruppen bezieht, bezeichnet bridging die Interaktion über Gruppen hinweg. Linking Sozialkapital wiederum bezieht sich auf vertikale Beziehungen zwischen Individuen mit unterschiedlichen Ausprägungen von Macht und Autorität (Shin, 2022). Während Freundschaftsnetzwerke zwischen Schüler*innen häufig von Beziehungen innerhalb homogener Gruppen (z.B. auf Grund von Geschlecht oder ethnisch-kultureller Herkunft) und damit bonding geprägt sind (Zander et al., 2017), erwarten wir für das Netzwerk politischen Austauschs insbesondere bridging Sozialkapital, da für den politischen Austausch soziodemographische Homogenität weniger wichtig ist als bspw. ähnliche politische Meinungen (Mutz, 2002). Außerdem erwarten wir ein hohes Level an linking Beziehungen zwischen beliebten und weniger beliebten Schüler*innen, da generelle Beliebtheit weniger gewichtet werden dürfte als eine angenommene oder zugeschriebene politische Kompetenz.

Methode

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde eine inferentielle Netzwerkanalyse mit Hilfe von Exponential Random Graph Models (ERGMs) durchgeführt. Die Grundidee von ERGMs ist es, die Charakteristika eines theoretischen Netzwerks zu modellieren, die Gewichte dieser Charakteristika zu schätzen und darüber diejenigen Charakteristika eines empirisch beobachteten Netzwerks zu identifizieren, die statistisch häufiger vorkommen als rein zufällig zu erwarten wäre (Robins et al., 2007). Neben individuellen Faktoren der Schüler*innen, wie Geschlecht, politisches Interesse oder generelle Beliebtheit, und dyadischen Faktoren wie Freundschaftsbeziehungen werden auf netzwerkinhärente Dependenzen wie Reziprozität und Transitivität kontrolliert. Die empirische Grundlage unserer Untersuchung bildet eine Erhebung an der Universitätsschule Dresden, die im Mai 2023 durchgeführt wurde (N=353). Neben soziodemographischen Informationen wurden die Schüler*innen der Klassenstufen 4 bis 8 gefragt, mit wem sie sich über politische und soziale Themen austauschen (angelehnt an NEPS Network, 2022). Außerdem wurde das politische Interesse und die politische Partizipation mit Hilfe erprobter Instrumente erhoben (Abs & Hahn-Laudenberg, 2017).

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass sich Netzwerke politischen Austauschs unter Schüler*innen in ihrer Struktur substanziell von Freundschaftsnetzwerken unterscheiden, Freundschaftsbeziehungen aber gleichzeitig quasi das Substrat für den Austausch über politische Themen darstellen. Anders als bei anderen Peer-Netzwerken sind die generelle Beliebtheit und geteilte soziodemografische Merkmale (bonding) nicht so entscheidend dafür, ob sich Schüler*innen mit einer bestimmten Person über Politik austauschen. Viel wichtiger ist dagegen, ob der*die potenzielle Gesprächspartner*in sich für Politik interessiert bzw. sich generell viel damit befasst (bridging und linking). Die Ergebnisse sind von großer Relevanz, um den politischen Austausch zwischen Schüler*innen besser zu verstehen, zu fördern und bei demokratiegefährdenden Tendenzen entsprechend intervenieren zu können.

 

Jenseits des Klassenverbandes. Community lost, saved or liberated?

Mathias Kuhnt
TU Dresden

Zur Erprobung neuer Lern- und Lehransätze wurde 2019 die Universitätsschule an der Technischen Universität Dresden gegründet. Ein zentraler Reformansatz bei der Konzeption dieses Schulversuchs an der TU Dresden leitet sich aus der Überzeugung ab, dass das Lernen in festen Klassenverbänden einer individuellen Ausgestaltung von Lernprozessen im Wege steht. Durch die projektförmige Organisation des Schulalltags sollen den Schüler*innen in höherem Maße als an Schulen mit festen Klassenverbänden „‚passgenaue‘ pädagogische Angebote[...]“ (Projektgruppe der Universitätsschule, 2017, S.7) gemacht werden können.

Neben diesen intendierten Wirkungen sind in solchen Reformprojekten jedoch auch die nichtintendierten Folgen zu beachten (vgl. Dreeben & Lindquist, 1980). So ist zu erwarten, dass ein Eingreifen in die schulischen Strukturvorgaben auch einen Einfluss auf latente, d.h. auf nicht offensichtliche Funktionen der Schule hat, die jedoch beachtet werden müssen, um zu einem vollständigen Bild dieser sehr speziellen Institution zu kommen.

In diesem Zusammenhang ist dann oftmals von einem „heimlichen Lehrplan“ die Rede, der die Schülerinnen und Schüler, ohne dass dies einem offiziellen Lehrplan folgte, auf bestimmte gesellschaftliche Anforderungen vorbereitet, die nur indirekt, d.h. nicht als propositional zu lehrendes Wissen, erlernt werden können. Zu diesem heimlichen Lehrplan gehören nicht zuletzt Sozialisationserfahrungen die sich aus der Einbettung in das soziale Gefüge von Mitschüler*innen ergeben. Für dieses Gefüge sind jedoch Effekte zu erwarten, wenn, anders als in der „klassischen“ Schule, das Lehren und Lernen nicht mehr vornehmlich im Rahmen von Klassenverbänden stattfindet.

Weil der Klassenraum der Ort ist, in dem sich die immer gleichen Schülerinnen und Schüler immer wieder begegnen, eignet er sich in besonderer Weise dazu, Sozialkontakte zu knüpfen und zu pflegen; der Klassenraum stellt Opportunitätsstrukturen zur Verfügung, die als Katalysator für den Aufbau von sozialen Beziehungen dienen (Festinger et al., 1950; Gest et al., 2003). Verliert der Klassenverband wie im Falle der Universitätsschule an Bedeutung, sind entsprechende Konsequenzen für diese Opportunitätsstrukturen zu erwarten.

Durch die Auflösung von Klassengrenzen erhöht sich die effektive Größe des „sozialen Aggregats“ Schule (Dreeben & Lindquist, 1980, S. 77). Die Entgrenzung der Opportunitätsstrukturen führt jedoch gleichzeitig zu einer größeren Unübersichtlichkeit und Unsicherheit für jedes einzelne Individuum. Dies kann die Ausbildung von Ungleichheiten befördern, wenn einige Schüler*innen mehr, andere jedoch weniger gut in der Lage sind, Sozialkontakte aufzubauen und zu pflegen. Aus einem solchen Gespür dürften sich auch elterliche Vorbehalte gegenüber der Abschaffung des Klassenverbandes speisen: Ohne diese – so die Sorge – könnten Vereinzelungsprozesse einsetzen, die auch durch alternative Arrangements nicht mehr abgefangen werden können.

In diesem Beitrag untersuchen wir, ob sich diese Befürchtung bewahrheitet oder ob durch den Verzicht auf „statische“ Klassenverbände nicht vielmehr neuartige Gruppenformationen und Kontaktstrukturen entstehen, die keineswegs als „Vereinzelung“ aufzufassen sind. Die Forschungsfragen, die im Zuge dieser Studie beantwortet werden sollen, beziehen sich daher auf mögliche Konsequenzen für die Beziehungsstrukturen innerhalb der Schülerschaft: Finden sich an der Universitätsschule verglichen mit anderen Schulen in vermehrtem oder verringertem Maße solitäre Rollen – z.B. von „Außenseitern“, die sich auch und gerade in der Gruppendynamik des überkommenen Klassenverbands herausbilden? Verbessert sich die Zusammenarbeit von Schülerinnen und Schülern der gesamten Schule, wenn sich deren Sozialkontakte eher interessengeleitet und nicht anhand von Strukturvorgaben entwickeln? Erhalten oder bilden sich kleine Gruppen, die den Wegfall von Klassenverbänden kompensieren?

Um dies zu untersuchen, wurden alle ca. 200 Schüler*innen des ersten Jahres der Universitätsschule nach ihren Sozialkontakten befragt und die sich daraus ergebende Netzwerkstruktur mit entsprechenden Strukturen an vergleichbaren ‚regulären‘ Schulen verglichen. Dabei ergaben sich für die Universitätsschule dichtere und verästeltere Strukturen von Kontakten vergleichbarer Stabilität und einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass Nennungen von Sozialkontakten auch erwidert werden. Die Anzahl relativ wenig integrierter Schüler*innen war an der Universitätsschule etwas niedriger als der Durchschnitt der Vergleichsschulen.

 

Die soziale Integration leistungsstarker Schülerinnen und Schüler: Welchen Einfluss hat die Lehrkraft?

Claudia Neuendorf, Manuel Hopp
Universität Tübingen

Hintergrund und Fragestellung

Studien zur Entwicklung von Freundschaften in Schulklassen untersuchen häufig Determinanten auf Ebene des Individuums. Dabei zeigt sich immer wieder, dass Schülerinnen und Schüler solche Peers als Freunde haben, die ihnen in unterschiedlicher Hinsicht ähnlich sind (Gifford-Smith & Brownell, 2003; Goodreau, Kitts & Morris, 2009). Welche Eigenschaften dies sind, kann variieren – neben Geschlecht, ethnischem Hintergrund, Alter, Einstellungen und Verhaltensdispositionen ist ein relevantes Kriterium in der Schule die gezeigte Leistung. Dabei zeigt sich nicht nur eine leistungsbezogene Homophilie (Goodreau, Kitts & Morris, 2009; Smirnov & Thurner, 2017), sondern auch eine generell bessere soziale Integration leistungsstärkerer Schülerinnen und Schüler (Wentzel, Jablansky & Scalise, 2021). Allerdings kann die Stärke dieses Zusammenhangs von Kontextmerkmalen abhängen. So gibt es Arbeiten zum Einfluss von Klassennormen auf die Popularität unterschiedlich leistungsstarker Schülergruppen (z.B. Laninga-Wijnen, Ryan, Harakeh, Shin & Vollebergh, 2018) oder zum Einfluss, den Lehrkräfte auf das soziale Miteinander haben können (Farmer, McAuliffe Lines & Hamm, 2011).

Ein Mechanismus, der hinter dem Einfluss der Lehrkraft steht, wird durch die soziale Referenzierungstheorie beschrieben: Kinder wenden sich an andere, insbesondere an Erwachsene, um sich zu orientieren, welches Verhalten als vorbildlich gilt und welches nicht (Hertenstein, 2011). Wertet eine Lehrkraft ein Kind ab, dann kann es dazu führen, dass andere Kinder dieses Verhalten übernehmen (McAuliffe, Hubbard & Romano, 2009). Indem Lehrkräfte also positive und unterstützende Beziehungen mit ihren Schülerinnen und Schülern eingehen, befördern sie potenziell deren soziale Akzeptanz. Der vorliegende Beitrag untersucht diesen Zusammenhang mit netzwerkanalytischen Methoden.

Methode

Den Analysen liegt der Datensatz des IQB-Bildungstrend 2018 zugrunde, in welchem ca. 44,000 Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen in ihren Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften getestet wurden. Neben Hintergrundinformationen, motivationalen und kognitiven Merkmalen der Schülerinnen und Schüler liegen soziale Netzwerkdaten von ungefähr 2,000 Klassen vor. Mittels Latent Order Logistischen (LOLOG) Modellen (Fellows, 2018) schätzen wir für jede Klasse ein Netzwerkmodell, in welchem die Wahrscheinlichkeit für die Existenz einer Beziehung zwischen zwei beliebigen Personen auf Basis von Personenmerkmalen der beteiligten Personen (sozialer Hintergrund, Schulleistung, wahrgenommene konstruktive Unterstützung der Lehrkraft) und der Netzwerkstruktur des sozialen Netzwerks geschätzt wird. Die Ergebnisse wurden mit meta-analytischen Methoden aggregiert.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass Homophilie-Tendenzen bezüglich Leistungsstärke unabhängig von Einflüssen der Lehrkraft vorhanden waren: Ob leistungsstarke Schülerinnen und Schüler beliebter bei ihren Mitschülern waren, hing nicht mit deren Unterstützung durch die Lehrkraft zusammen. Es zeigen sich jedoch Unterschiede zwischen Schulklassen, die noch durch weitere Analysen qualifiziert werden.

 
15:20 - 17:006-12: Prozessqualität früher mathematischer und naturwissenschaftlicher Bildung im institutionellen und häuslichem Lernumfeld
Ort: S19
 
Symposium

Prozessqualität früher mathematischer und naturwissenschaftlicher Bildung im institutionellen und häuslichem Lernumfeld

Chair(s): Julia Barenthien (Universität Hamburg, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Katharina Kluczniok (Freie Universität Berlin)

Kompetenzen in Mathematik und Naturwissenschaften gelten als zentral für die gesellschaftliche Teilhabe (Falloon et al., 2020; OECD, 2018) und werden deswegen auch in der der Frühpädagogik als relevante Bildungsbereiche für Kinder benannt (KMK, 2004). Bereits lange vor dem Schuleintritt erwerben Kinder grundlegende Kompetenzen in den Domänen Mathematik und Naturwissenschaften und diese Kompetenzen sind ausschlaggebend für den weiteren Kompetenzerwerb der Kinder in der Schule. Voraussetzung für die Entwicklung früher Kompetenzen sind im Sinne des Angebot-Nutzungs-Modells (vgl. Angebot-Nutzungs-Modell nach Roux & Tietze, 2007) frühe Erfahrungen mit Mathematik und Naturwissenschaften (z.B. in Form von informellen Aktivitäten oder strukturierten Bildungsangeboten) in der Institution Kita und dem häuslichen Umfeld. Bisher ist national und international insgesamt wenig über die Qualität und Gestaltung von Interaktionen in Kita und häuslichem Lernumfeld bekannt. Dies trifft insbesondere für die bereichsspezifischen Interaktionen zu. Erste internationale Befunde weisen darauf hin, dass z.B. herausfordernde Fragen zu einem mathematisch oder naturwissenschaftlichen Lerngegenstand sowie geeignete Unterstützungsmaßnahmen durch Fachkräfte oder Erziehungsberechtigte die Kompetenzentwicklung von Kinder positiv beeinflussen können (Eberbach & Crowley, 2017; Gropen et al., 2017; Miller-Goldwater et al., 2023). Auf Grund der Unterschiede in der Ausbildung von Fachkräften sowie der weit verbreiteten Situationsorientierung in deutschen Kitas ist unklar, inwiefern diese Befunde auf Deutschland übertragbar sind und ob Effekte von Facetten der Prozessqualität auf die Leistungsentwicklung von Kindern in deutschen Studien repliziert werden können.

Im Rahmen dieses Symposiums werden daher Ergebnisse zur Prozessqualität und ihren Facetten in den Bildungsbereichen Mathematik und Naturwissenschaften vorgestellt. Dabei werden sowohl Ergebnisse aus dem institutionellen als auch häuslichem Kontext präsentiert. Im ersten Beitrag wird anhand von Videos die generische und naturwissenschaftsspezifische Prozessqualität bei der Umsetzung von naturwissenschaftlichen Bildungsangeboten mit Kindergartenkindern untersucht. Die Ergebnisse zeigen eine große Heterogenität in der Qualität der (domänenspezifischen) kognitiven Anregung der Kinder. Der zweite Beitrag untersucht, welchen Effekt Feedback als ein Aspekt der mathematischen Prozessqualität auf die mathematische Leistung von Kindern hat. Erweiternd zu bisherigen Forschungsarbeiten (Kamins & Dweck 1999, Zentall & Morris 2010) zeigt sich, dass prozessbezogenes Feedback einen signifikanten positiven Einfluss auf den mathematischen Leistungszuwachs zwischen Prä- und Posttest der Kinder hat. Der dritte Beitrag gibt anhand von Videos einer Vorlesesituation Einblick in naturwissenschaftliche Lernprozesse im häuslichen Lernumfeld und liefert erste Erkenntnisse darüber, wie Eltern Lernprozesse am Beispiel einer Vorlesesituation umsetzen.

Die drei Beiträge nehmen damit die Prozessqualität in verschiedenen Bildungsbereichen in den für die kindliche Entwicklung bedeutsamen Lernumgebungen (Institution Kita und häusliches Lernumfeld) in den Blick und geben erste Hinweise auf die Effekte von Prozessqualität auf die kindliche Kompetenzen. Die Beiträge werden anschließend von Katharina Kluczinok integrativ diskutiert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Prozessqualität von naturwissenschaftlichen Bildungsangeboten in der Kita

Julia Barenthien1, Henning Dominke1, Elisa Oppermann2, Lars Burghardt2, Yvonne Anders2, Mirjam Steffensky1
1Universität Hamburg, 2Universität Bamberg

Theoretischer Hintergrund

Naturwissenschaften sind in vielen Ländern ein wichtiger Bildungsbereich in der Kita (OECD, 2017). Die Entwicklung naturwissenschaftlicher Kompetenz junger Kinder hängt dabei neben individuellen Voraussetzungen stark von naturwissenschaftlichen Bildungsangeboten in Kita ab (vgl. Roux & Tietze, 2007). Als zentral für die Wirkung der Bildungsangebote wird dabei die Prozessqualität angesehen, die sich unter anderem auf die Qualität der Interaktionen zwischen Kind und Fachkraft bezieht. Indikatoren hoher naturwissenschaftsspezifischer Prozessqualität sind beispielsweise das Erfragen von Ideen, Vermutungen und Erklärungen der Kinder hinsichtlich eines naturwissenschaftlichen Lerngegenstands, die Diskussion naturwissenschaftlicher Sachverhalte sowie altersangemessene kognitiv anregende Versuche. Bisher ist nur wenig über die fachspezifische Prozessqualität von naturwissenschaftlicher Bildung bekannt, was u.a. auf den Mangel an geeigneten Ratingsystemen zurückzuführen ist. Die wenigen international vorliegenden Befunde weisen auf eine geringe Prozessqualität durch die Fachkräfte (Areljung, 2018) hin. Inwiefern diese Befunde auf Deutschland übertragbar sind, ist auf Grund von Unterschieden in der Ausbildung von Fachkräften sowie der weit verbreiteten Situationsorientierung in den Kitas unklar.

Fragestellung

Ziel dieses Beitrages ist es daher, zu prüfen, wie die (1) naturwissenschaftsspezifische und (2) generische Prozessqualität bei naturwissenschaftlichen Bildungsangeboten ausgeprägt sind und (3) wie diese miteinander zusammenhängen.

Methode

Im Rahmen der Studie liegen erste Daten für eine Teilstichprobe von N=49 Fachkräften in Deutschland vor (87.8% weiblich; MAlter=39.29 Jahre; SDAlter=11.25). Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden die Fachkräfte bei der Durchführung eines naturwissenschaftlichen Bildungsangebots videographiert. Zur Erfassung der generischen Prozessqualität wurden diese Videos durch zertifizierte Beobachtende mit dem standardisierten Beobachtungsrating CLASS Pre-K (Pianta et al., 2008) hinsichtlich der Prozessqualität auf einer 7er-Skala geratet. Dabei werden die Domänen emotionale Unterstützung, Gruppenführung und instruktionale Unterstützung durch verschiedene Dimensionen erhoben. Die naturwissenschaftsspezifische Prozessqualität wurde mittels eines selbst entwickelten Beobachtungsratings geratet und erzielte eine gute Reliabilität (α=.81). Auf einer 4er-Skala wurden dabei Aspekte kognitiver Aktivierung wie das Stellen von zum Denken anregender Fragen und Aufgaben mit Fokus auf Denk- und Arbeitsweisen, Anregung des Lernens über Denk- und Arbeitsweisen, inhaltliche Kohärenz, fachliche Richtigkeit, Verwendung von Fachsprache, Verstehenselemente, Integration des Inhalts, Alltagsbezug und Eignung der Materialauswahl geratet.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse zeigen im Durchschnitt eine niedrige mittlere Qualität der naturwissenschaftsspezifischen Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind (M=2.08; SD=0.43; Min=1.20, Max=3.00). Dies deckt sich mit den generischen CLASS-Ratings, die auf eine im niedrigen mittleren Qualitätsbereich zu verortende instruktionale Unterstützung (M=3.25; SD=0.93; Min=1.00, Max=5.67), eine hohe emotionale Unterstützung (M=5.79; SD=0.63; Min=4.50, Max=6.75) sowie Gruppenführung (M=5.87; SD=0.70; Min=3.33, Max=7.00) bei den Bildungsangeboten hinweisen. Ergebnisse der Korrelationsanalysen zeigen, dass die Ratings der naturwissenschaftsspezifischen Prozessqualität mit der mit der CLASS Pre-K gerateten instruktionalen Unterstützung signifikant korrelieren (r=.308, p<.05) aber nicht mit der emotionalen Unterstützung (r=.026, p>.05) sowie der Gruppenführung (r=-.013, p>.05).

Diskussion

Die beobachtete naturwissenschaftsspezifische Prozessqualität ist im Mittel im niedrigeren mittleren Bereich der Skala einzuordnen. Dies deckt sich mit der mit der CLASS beobachteten Qualität der instruktionalen Unterstützung, die durchschnittlich auch im niedrigen mittleren Qualitätsbereich zu verorten ist (Pianta et al., 2008) und damit konsistent mit bisherigen Studienergebnissen ist (Kauertz & Gierl, 2014; Stuck et al., 2016). Der signifikante positive Zusammenhang zwischen dem Rating der naturwissenschaftsspezifischen Prozessqualität und dem CLASS-Rating der instruktionalen Unterstützung weisen darauf hin, dass beide Skalen in denselben Situationen zu ähnlichen Qualitätsratings im Bereich der instruktionalen Unterstützung kommen. Dies kann auch als erster Validitätshinweis für das neu entwickelte Ratingsystems gedeutet werden.

Die große Streuung beider Ratings zur Prozessqualität weisen auf Unterschiede in den (naturwissenschaftsspezifischen) Interaktionen zwischen den Fachkräften bei der Implementation des Bildungsangebots hin, wobei die im niedrigen Qualitätsbereich einzuordnende Minima auf den Bedarf der Qualitätsentwicklung hindeuten können. Die Unterschiede zwischen den Fachkräften lassen sich möglicherweise durch unterschiedliche Lerngelegenheiten zu früher naturwissenschaftlicher Bildung in schulischer Bildung sowie Aus- und Fortbildung (Barenthien et al., 2020) sowie verschiedenen Ausprägungen der Einstellungen erklären.

 

Wirkung verschiedener Feedbackarten auf frühes mathematisches Lernen

Lena Aumann, Hedwig Gasteiger, Rosa Maria Puca
Universität Osnabrück

Die Bedeutung des frühen Mathematiklernens ist unbestritten. Mehrere Studien (z.B. Duncan et al. 2007) bestätigen starke prädiktive Effekte früher mathematischer Fähigkeiten auf spätere schulische Leistungen. Dabei kommen Kinder mit sehr unterschiedlichen mathematischen Fähigkeiten in die Schule. Frühes Mathematiklernen in der Kindertagesstätte findet insbesondere in Spiel- und Alltagssituationen statt (Gasteiger 2010). Ob eine Spiel- oder Alltagssituation auch zu einer Situation mit mathematischem Lernpotential wird, scheint maßgeblich von der Interaktion mit der Fachkraft abzuhängen – davon, ob sie das mathematische Potential der Situation erkennt und aufgreift (van Oers 2010).

Als Teil hochwertiger Fachkraft-Kind-Interaktionen wird u. a. die Qualität des Feedbacks hervorgehoben, welches die Fachkraft dem Kind gibt (Siraj-Blatchford et al. 2002). Dieses Feedback kann Informationen zum Fortschritt, zu Aktivitäten oder zur Arbeit des Kindes enthalten. Zudem kann Feedback konstruktive Hinweise geben, was das Kind als nächstes tun sollte, wenn es Schwierigkeiten hat, erfolgreich voranzukommen (Aumann et al., 2023). Es scheinen jedoch nicht alle Arten von Feedback gleichermaßen lernförderlich zu sein.

Auswirkungen verschiedener Feedbackarten auf kindliches Lernen in verschiedenen Altersstufen wurden vor allem in Experimentalstudien untersucht. Prozessbezogenes („Du hast gut gezählt“/ „Versuch mal zu zählen“) und ergebnisbezogenes („Das ist richtig/falsch“) Feedback wirken potentiell lernförderlich u. a. über Durchhaltevermögen und Selbsteinschätzung. Dahingegen scheint unspezifisches („gut“) sowie personenbezogenes („Du bist gut/schlecht“) Feedback potentiell lernförderliche Eigenschaften wie Selbstwirksamkeitserwartung eher negativ zu beeinflussen (Berner et al. 2022, Kamins & Dweck 1999, Zentall & Morris 2010). Unklar ist jedoch, ob und wie prozess-, personen- und ergebnisbezogenes Feedback, das Fachkräfte in natürlichen Lern- und Spielsituationen geben, frühes mathematisches Lernen beeinflusst. Dies ist die Fragestellung dieses Beitrags.

An der Studie nahmen 48 frühpädagogische Fachkräfte mit jeweils ein bis sechs Kindern (N=140 Kinder, 3-6 Jahre) teil. Für die Analyse des Feedbackverhaltens filmten die Fachkräfte dabei mit jedem ihrer teilnehmenden Kinder jeweils zwei vorgegebene Spielsituationen mit mathematischem Potential (je 10-15 Minuten). Die Fachkräfte sollten die Situationen wie im normalen Alltag der Kindertagesstätte begleiten. Es gab keinen Hinweis dahingehend, dass das Feedback im Interesse der Studie stand. Die mathematischen Leistungen der Kinder wurden als Prä- und Posttest im Abstand von ca. zehn Monaten mit dem MARKO-D (Ricken et al. 2013) erhoben. Die videografierten Feedbackäußerungen der Fachkräfte wurden mithilfe eines Kategoriensystems (Aumann et al. 2023) in vier Oberkategorien kategorisiert: unspezifisches, personenbezogenes, prozessbezogenes und ergebnisbezogenes Feedback. Pro Kategorie wurde für jedes Kind eine Feedbackrate berechnet (Feedbackäußerungen pro Minute). Der Einfluss der Feedbackkategorien auf den kindlichen mathematischen Leistungszuwachs wurde aufgrund der hierarchischen Datenstruktur (mehrere Kinder pro Fachkraft) mithilfe eines Linear Mixed Models berechnet (Jiang und Nguyen 2021).

Deskriptive Datenanalysen zeigen, dass frühpädagogische Fachkräfte in den Spielsituationen eher unspezifisches Feedback geben. Bei den spezifischen Feedbackkategorien überwiegt das prozessbezogene Feedback. Das Linear Mixed Model zeigt einen signifikanten positiven Einfluss des prozessbezogenen Feedbacks auf den mathematischen Leistungszuwachs zwischen Prä- und Posttest. Dieses Ergebnis erweitert empirische Erkenntnisse, nach denen prozessbezogenes Feedback positive Auswirkungen auf potentiell lernwirksame Eigenschaften hat (Kamins & Dweck 1999, Zentall & Morris 2010). Anders als bisherige Studien vermuten lassen, zeigt das personenbezogene Feedback keine negative Wirkung auf den frühen mathematischen Leistungszuwachs. Gegebenenfalls können Vorschulkinder sprachlich noch nicht konsequent zwischen spezifischen Feedbackarten unterscheiden (Nicholls 1978). Henderlong Corpus & Lepper (2007) zeigten beispielsweise, dass personenbezogenes Lob zwar bei Kindern der vierten und fünften Klasse, nicht jedoch bei Kindern im Alter von vier bis fünf Jahren negativ auf Motivation wirkte. Zudem scheinen nach Kamins & Dweck (1999) alle Lobarten zunächst positive Auswirkungen nach Erfolg zu haben – negative Auswirkungen von personenbezogenem Lob zeigten sich erst nach Misserfolg.

Unsere Erkenntnisse bieten einen Einblick, wie Feedback in mathematischen Interaktionen Unterschiede im frühkindlichen mathematischen Lernen erklären könnte und damit eine erste Grundlage für Weiterbildungen frühpädagogischer Fachkräfte zur kritischen Reflexion ihres Feedbackverhalten.

 

Qualität häuslicher naturwissenschaftlicher Lernprozesse

Henning Dominke1, Elisa Oppermann2, Mirjam Steffensky1
1Universität Hamburg, 2Universität Bamberg

Kinder entwickeln erstes naturwissenschaftliches Wissen bereits im frühkindlichen Alter (Eshach, 2006). Dabei spielen insbesondere domänenspezifische Lernprozesse in der häuslichen Lernumgebung eine wichtige Rolle. Diese Prozesse werden wiederum durch distale Merkmale wie dem sozioökonomischen Status (SES) oder elterlichen Einstellungen (z.B. dem Interesse an Naturwissenschaften) beeinflusst (Junge et al., 2021; Kluczniok et al., 2013). Häusliche naturwissenschaftliche Lernprozesse können während unterschiedlicher Aktivitäten stattfinden, z.B. dem gemeinsamen Lesen eines Buches oder beim Experimentieren (Lin & Schunn, 2016). Neben der Quantität ist dabei insbesondere die Qualität dieser Lernprozesse entscheidend für die frühkindliche naturwissenschaftliche Entwicklung (Crowley et al., 2001; Eberbach & Crowley, 2017). Erste Befunde weisen darauf hin, dass z.B. herausfordernde Fragen oder geeignete Unterstützungsmaßnahmen der Elternteile den naturwissenschaftlichen Wissenserwerb der Kinder positiv beeinflussen (Eberbach & Crowley, 2017; Miller-Goldwater et al., 2023). Fokussieren sich die bisherigen Studien oftmals nur auf einzelne Aspekte und erfassen die Qualität der Lernprozesse durch niedrig-inferente Häufigkeitszählungen (z.B. von offenen Fragen), bleiben weitere Qualitätsaspekte, die für gelingende Lernprozesse von Bedeutung sind, weitestgehend unbeachtet. Insgesamt gibt es wenig Erkenntnisse darüber, wie naturwissenschaftliche Lernprozesse im häuslichen Bereich umgesetzt werden, welche Faktoren die Qualität beeinflussen, und wie sich die Qualität auf die Lernprozesse und das Wissen des Kindes auswirkt.

Ziel des Beitrags ist es, die Qualität häuslicher naturwissenschaftlicher Lernprozesse aus einer globalen und domänenspezifisch differenzierten Perspektive zu erfassen. Unsere Fragestellungen zielen darauf ab, (a) wie die Qualität dieser Lernprozesse ausgeprägt ist, (b) wie die Qualität mit familiären Merkmalen wie dem SES oder elterlichen Einstellungen zu den Naturwissenschaften und (c) mit den Lernprozessen und dem naturwissenschaftlichen Wissen der Kinder zusammenhängt.

In dieser Studie lasen 61 Eltern-Kind-Paare ein Bilderbuch über die Jahreszeiten, als eine typische, alltägliche Aktivität (Mage = 67,81 Monate, 48% Mädchen, 79% Mütter). Sie wurden gebeten, das Buch so zu lesen, wie sie es immer tun. Die Interaktionen wurden videographiert und die dabei stattfindenden Lernprozesse anhand von mehreren Qualitätsmerkmalen hoch-inferent analysiert. Es wurden drei Skalen gebildet, die die motivationale Unterstützung (α = .84), die kognitive Interaktion (α = .93), und – domänenspezifisch – die naturwissenschaftsspezifische Interaktion (α = .71) der Lernprozesse betrachten. Doppelkodierungen ergaben eine hohe Raterübereinstimmung (ICC = .78). In gleicher Weise wurden die während der Interaktion auftretenden Lernprozesse des Kindes in einer Skala (α = .92) sowie in Kinderbefragungen das naturwissenschaftliche Wissen erfasst. In einem Fragebogen wurden außerdem das elterliche naturwissenschaftliche Interesse und Selbstkonzept sowie der familiäre SES (HISEI) ermittelt.

Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die motivationale Unterstützung der Elternteile während des Vorlesens qualitativ eher hoch, während kognitive und naturwissenschaftsspezifische Interkationen eher gering ausgeprägt sind. Eine hohe Streuung der Qualitätsratings weist auf große Unterschiede zwischen den Familien hin. Weiterhin hängen die kognitive und naturwissenschaftsspezifische Interaktion mit dem elterlichen Interesse (r > .35) und dem familiären SES (HISEI; r > .27) zusammen. Die Qualitätsratings sind zudem stark mit den Lernprozessen des Kindes verbunden (r > .63): Höhere Qualität der Lernprozesse steht mit höherer Eigeninitiative des Kindes im Zusammenhang, mit höherer Partizipation am Gespräch, und dass das Kind mehr Fragen stellt (vgl. Callanan et al., 2017; Leech et al., 2020). Es konnten außerdem Zusammenhänge zwischen naturwissenschaftsspezifischer Interaktion und dem naturwissenschaftlichen Wissen des Kindes gefunden werden (r = .29), nicht aber für die anderen Skalen, was auf eine domänenspezifische Förderung während häuslicher Lernprozesse hindeutet (vgl. z.B. Eberbach & Crowley, 2017). Unsere Ergebnisse liefern erste Erkenntnisse darüber, wie Eltern Lernprozesse am Beispiel einer Vorlesesituation umsetzen und ergänzen bisherige Befunde, die nur einzelne Aspekte der Prozessqualität fokussieren (z.B. Eberbach & Crowley, 2017; Miller-Goldwater et al., 2023; Shirefley et al., 2020). Zudem liefern unsere Ergebnisse erste Erkenntnisse darüber, dass die Qualität häuslicher Lernprozesse mit distalen Merkmalen von Eltern und Familie zusammenhängt sowie mit dem naturwissenschaftlichen Wissen von Kindern verbunden ist.

 
Datum: Mittwoch, 20.03.2024
9:00 - 10:407-12: Engagement mit Mathematiklernprogrammen: Determinanten und Effekte
Ort: S19
 
Symposium

Engagement mit Mathematiklernprogrammen: Determinanten und Effekte

Chair(s): Anna Hilz (Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Jennifer Meyer (Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik)

Diskutant*in(nen): Michael Sailer (Universität Augsburg)

Die Entwicklung mathematischer Fertigkeiten ist eine zentrale Voraussetzung für die soziale und berufliche Teilhabe in modernen Gesellschaften (OECD, 2019). Schon in der Grundschule werden die Grundlagen für eine erfolgreiche Entwicklung der Mathematikkompetenzen in der Sekundarstufe gelegt (Reinhold et al., 2019). Aktuelle Befunde aus TIMSS (Schwippert et al., 2020) zeigen jedoch, dass in Deutschland etwa 25 Prozent der Schüler:innen am Ende der Grundschulzeit grundlegende Defizite in den Grundrechenarten aufweisen. Eine besondere Herausforderung für das Bildungssystem und insbesondere für die Lehrkräfte der Sekundarstufe besteht deshalb darin, eine angemessene Unterstützung aller Schüler:innen in sehr heterogenen Klassenverbänden zu gewährleisten (OECD, 2019).

Im Zeitalter der Digitalisierung stellt der Einsatz von computergestützten Mathematiklernprogrammen einen vielversprechenden Ansatzpunkt dar, um dieser Herausforderung zu begegnen, da diese eine individuelle Förderung von Schüler:innen mit heterogenen Ausgangslagen vereinfachen. Dabei können solche Programme entweder in den Regelunterricht integriert und/oder als zusätzliche Lernmöglichkeit im häuslichen Rahmen genutzt werden. Eine Reihe von Studien konnte bereits das lernförderliche Potential solcher Mathematiklernprogramme zeigen (z.B. Byun & Joung, 2018; Tokac et al., 2019); wenig überraschend sind diese positiven Effekte jedoch abhängig von einer regelmäßigen Nutzung, also dem Engagement der Schüler:innen (Cheung & Slavin, 2013; Ozel et al., 2008). Um Schüler:innen demnach bestmöglich dabei zu unterstützen durch hohes und langfristiges Engagement vom Einsatz solcher Lernprogramme zu profitieren, kann an zwei zentralen Punkten angesetzt werden. Einerseits gilt es Lernumgebungen intern so zu gestalten, dass Schüler:innen Anreize geboten werden diese auch regelmäßig zu nutzen. Hierzu zählen beispielsweise Programmerkmale wie Adaptivität und Feedback, welche für positive Lernerfahrungen sorgen können (Hillmayr et al., 2020). Andererseits kann aber auch ein lernförderliches äußeres Umfeld oder Personenmerkmale der Schüler:innen ein regelmäßiges Üben bedingen (d.h. externe Faktoren). Auf Basis dieser beiden Annahmen gilt es zu untersuchen, welche Determinanten besonders relevant für das Engagement der Schüler:innen mit Mathematiklernprogrammen sind, wobei gleichzeitig auch Effekte des Engagements auf die Leistung in den Blick genommen werden sollten. Dabei bieten insbesondere die gespeicherten Prozessdaten dieser Programme einen vielversprechenden aber bisher viel zu wenig genutzten Ansatzpunkt, um Engagement objektiv und ökonomisch zu operationalisieren (Baker & Inventado, 2014). Das Symposium greift dieses Forschungsdesiderat gezielt auf und liefert somit einen Überblick aktueller empirischer Befunde zu externen und internen Determinanten des Engagements mit Mathematiklernprogrammen sowie der Lernwirksamkeit von Engagement. Auf Basis der Ergebnisse werden Perspektiven und Herausforderungen des Einsatzes digitaler Lernprogramme diskutiert. Die Beiträge verbinden sich insbesondere durch die Integration von Prozessdaten in die jeweiligen Analysen und adressieren die Fragestellung des Symposiums mithilfe verschiedener methodischer Ansätze. Die ersten beiden Beiträge beschäftigen sich dabei mit internen Gestaltungsmechanismen von Lernumgebungen. Der dritte Beitrag fokussiert affektiv-motivationale Merkmale der Schüler:innen als Determinanten von Engagement, während der vierte Beitrag sich auf den Lernkontext bezieht.

 

Beiträge des Symposiums

 

Individuelles Lernen von Bruchzahlkonzepten unterstützen: Wie Lernende adaptive Funktionen in digitalen Lernumgebungen nutzen, mediiert deren Wirkung

Maria-Martine Oppmann, Maik Beege, Frank Reinhold
PH Freiburg

Theoretischer Hintergrund

Features digitaler Tools – wie z. B. Interaktivität, Adaptivität und Feedback – bergen Potenziale für den Mathematikunterricht (Hillmayr et al., 2020; Steenbergen-Hu & Cooper, 2013) und zeigen sich insbesondere beim Bruchrechnenlernen empirisch wirksam (Killi et al., 2018; Reinhold et al., 2020). Lehr-lernpsychologische Wirkmechanismen, die diese positiven Effekte erklären, sind Gegenstand aktueller Diskussion. Ein Erklärungsansatz ist, dass diese Features situativ motivierend wirken und damit die Angebotsnutzung (Helmke, 2010) der Lernenden positiv beeinflussen, was zu lernförderlichen Effekten führen kann (Heckhausen & Heckhausen, 2010). Der zugrunde liegende Mediationseffekt ist jedoch noch nicht vollständig geklärt.

Fragestellung

In dieser Studie wurde untersucht, ob der Zusammenhang zwischen der Wirkung von Features in digitalen Lernumgebungen für Bruchrechenlernen (konkret: Äquivalenz von Brüchen; Erweitern & Kürzen, vgl. Reinhold et al., 2020) und dem Lernzuwachs durch eine Steigerung des Engagements (Fredricks et al., 2004) mediiert wird. Wir argumentieren, dass adaptive Unterstützung und individuelles Feedback in Übungsphasen positiv auf wahrgenommene Kompetenz- und Autonomieunterstützung und negativ auf wahrgenommene Überforderung wirken, was zu einem erhöhten kognitiven und behavioralen Engagement (Fredricks et al., 2004) und folglich zu höherem Lernzuwachs führt.

Methode

Zur Abbildung des Mediationseffektes wurde ein 90-minütiges RCT durchgeführt. Insgesamt nahmen N = 300 Sechstklässler:innen aus Baden-Württemberg an der Studie teil. Für die Intervention wurden diese aus 13 Klassenräumen jeweils zufällig der Kontrollbedingung (CG; n = 151, papierbasierte Lernumgebung) oder der Experimentalbedingung (EG; n = 149, adaptive digitale Lernumgebung) zugeordnet. Es wird davon ausgegangen, dass die Lernenden zuvor noch nicht mit dem Bruchrechnen in der Schule in Berührung gekommen sind.

Das Vorwissen der Lernenden über inhaltspezifische Bruchkonzepte wurde vor und das konzeptuelle Verständnis zur Äquivalenz zu Brüchen nach der Intervention erhoben. Das motivational-emotionale Engagement wurde mittels Selbstberichten erfasst (jeweils 5 Items mit 4-stufiger Zustimmungsskala: Wahrgenommene Kompetenzunterstützung, α = .74; Wahrgenommene Autonomieunterstützung, α = .66; Wahrgenommene Überforderung, α = .86) und das behaviorale Engagement über Prozessdaten aus Logfiles (14 Variablen: Anzahl insgesamt bearbeiteter Aufgaben auf einem von sieben Schwierigkeitsniveaus sowie der Anteil der jeweils korrekt bearbeiteten Aufgaben). Die Mediationsanalyse wurde mittels Strukturgleichungsmodellierung durchgeführt.

Ergebnisse & Diskussion

Anhand der Prozessdaten wurden mittels k-Means Clusteranalyse sechs Gruppen von Schüler:innen identifiziert, die auf dem Nutzungsverhalten der Lernenden während des Übens basierten, darunter: „Gamer“ (viele Aufgabenbearbeitungen auf niedrigem Niveau, niedrige Lösungsraten, ausschließlich in EG), „Beschleunigte Experten“ (korrekte Bearbeitungen, schnell auf hohem Aufgabenniveau, vermehrt in EG) und „Verlangsamte Experten“ (korrekte Bearbeitungen, verweilen länger bei Aufgaben mit niedrigem Niveau, vermehrt in CG). Diese Gruppen zeigen signifikant unterschiedliche und hypothesenkonforme wahrgenommene Autonomie- und Kompetenzunterstützung sowie wahrgenommene Überforderung. So erkennen beispielsweise die „Verlangsamten Experten“, dass sie nicht adäquat unterstützt werden, während die „Beschleunigten Experten“ ein hohes Autonomieerleben berichten. Zudem stehen die Gruppen erwartungskonform in Zusammenhang mit erreichten Ergebnissen im Posttest, wobei „Beschleunigte Experten“ am besten abschnitten. Insgesamt stützt die Mediationsanalyse unsere Hypothese; es zeigt sich ein signifikanter indirekter Effekt der Wirkung der Features digitaler Tools über das kognitiven und behavioralen Engagement auf das Lernergebnis (β = –.21, p < .001).

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die „Beschleunigten Experten“ die adaptive Unterstützung in digitalen Lernumgebungen schätzen, während die „Verlangsamten Experten“ bemerken, dass sie nicht auf ihrem Kompetenzniveau gefördert und herausgefordert werden und mehr lernen könnten, wenn sie andere Aufgaben gezeigt bekämen. In unserer Studie hängen damit die Lernergebnisse von Schüler:innen mit vergleichbaren Voraussetzungen hypothesenkonform von der Nutzung des ihnen zur Verfügung gestellten Lernangebots ab. Folgestudien könnten sich mit der Frage befassen, wie diese Prozessdaten in Echtzeit zur Implementierung weiterer adaptiver Features genutzt werden kann. Ein Problem, das dabei gelöst werden sollte, ist die Frage, wie Ablenkung in digitalen Lernumgebungen verhindert werden kann. Offen bleibt, warum leistungsschwache Schüler:innen nicht wie erwartet von der adaptiven Lernumgebung profitieren konnten.

 

Auswirkungen der Aufgabenreihenfolge beim spielbasierten Lernen mathematischer Konzepte

Franz Wortha1, Korbinian Moeller2, Kristian Kiili3, Manuel Ninaus4
1Loughborough University, Universität Tübingen, 2Loughborough University, Universität Tübingen, Leibniz-Institut für Wissensmedien, 3Tampere University, 4Universität Graz, Universität Tübingen

Theoretischer Hintergrund

Es wurde wiederholt festgestellt, dass das Verständnis von Brüchen ein wichtiger Prädiktor für spätere mathematische Leistungen ist, die sich erheblich auf die Lebensperspektiven des Einzelnen auswirken. Dementsprechend ist die Weiterentwicklung von Lehransätzen zur Förderung des Bruchverständnisses von Schüler:innen, beispielsweise durch spielbasiertes Lernen (SBL), ein wichtiges Ziel für Forschende und Praktizierende gleichermaßen. Die optimale Gestaltung von SBL-Umgebungen wird jedoch noch diskutiert. In der vorliegenden Interventionsstudie haben wir das Modell der Reihenfolgeeffekte beim Problemlösen (Scheiter & Gerjets, 2007) berücksichtigt, um Reihenfolgeeffekte von zwei Aufgaben auf das Bruchrechnenlernen zu untersuchen. Das Modell geht davon aus, dass Sequenzen unterschiedlicher Aufgaben das Lernen der Schüler:innen fördern sollten. Um dies für das Lernen von Brüchen zu evaluieren, haben wir eine SBL-Umgebung verwendet, in der die Schüler:innen entweder getrennte Levels von geblockten Aufgaben zum Größenvergleich und Zahlenstrahlschätzen absolvierten oder Levels von integrierten Aufgaben, bei denen jeder Zahlenstrahlschätzung ein Größenvergleich in integrierter Weise vorausging. Eine solche Integration von Aufgaben sollte sich vorteilhafter auf das Bruchrechnenlernen der Schüler:innen auswirken, da die integrierten Größenvergleiche einen zusätzlichen Referenzpunkt für die anschließende Zahlenstrahlschätzung darstellen sollten. Dies sollte sich in einer besseren Gesamtleistung, aber auch im Spielverhalten der Teilnehmenden widerspiegeln, das anhand von Prozessdaten während des Spielens/Lernens erfasst wurde (z.B. Schwankungen der Antwortzeiten über die Sitzungen hinweg).

Fragestellung

In der vorliegenden Interventionsstudie sollte untersucht werden, ob die Reihenfolge zweier Lernaufgaben und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Verhalten im Spiel neue Erkenntnisse über das Lernen von Brüchen liefern können, indem die folgenden Forschungsfragen untersucht wurden.

(1) Gibt es signifikante Unterschiede im Bruchverständnis zwischen geblockten und integrierten Lernbedingungen?

(2) Können leistungsschwache Schüler:innen anhand ihres Verhaltens im Spiel identifiziert werden?

Methode

Wir haben Daten aus einem großen, randomisierten Feldversuch mit 634 Schüler:innen aus 22 Schulen verwendet, die gleichmäßig in Kontroll- und Interventionsschulen aufgeteilt waren. Die Klassen in den Interventionsschulen nahmen an einem fünfwöchigen spielbasierten Training zum Größenvergleich von Brüchen und zum Zahlenstrahlschätzen teil (entweder geblocktes oder integriertes Aufgabendesign), während die Kontrollschulen einen "Business-as-usual"-Ansatz verfolgten. Die Schüler:innen aller Schulen absolvierten vor und nach der Intervention einen umfassenden Mathematikleistungstest.

Ergebnisse & Diskussion

Im Hinblick auf die erste Forschungsfrage wurden separate linear mixed effects Modelle mit zur Vorhersage von Zuwächsen bei den Fähigkeiten der Schüler:innen im Zahlenstrahlschätzen sowie im Größenvergleich durchgeführt, wobei für die mathematischen Leistungen zu Beginn der Intervention kontrolliert wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass die Schüler:innen in der geblockten Bedingung im Vergleich zu den Schüler:innen in den Kontrollklassen eine signifikant höhere Genauigkeit beim Zahlenstrahlschätzen aufwiesen (β = .18, z = 2.61, p < .001). Darüber hinaus wurde ein ähnlicher Trend für die Verbesserung im Größenvergleich beobachtet (blockierte vs. Kontrollbedingung: β = .49, z = 1.70, p =.090). Alle anderen Vergleiche in beiden Modellen blieben unbedeutend, was darauf hindeutet, dass integrierte Aufgaben das Lernen nicht signifikant mehr verbesserten als ein Business-as-usual-Ansatz.

Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage verwendeten wir einen Random-Forest-Klassifikator, der durch wiederholte nested cross-validation die dichotomisierte Mathematiknote der Schüler:innen am Ende der Intervention vorhersagte (d. h. bestanden oder nicht bestanden). Diese Modelle erreichten eine Genauigkeit von 58.51 % (95%-CI = [54.46, 62.56]) bei der Identifizierung von Schüler:innen, die die Klasse nicht bestanden haben. Dies liegt signifikant über dem Zufallswert [t(99.815) = 4.429, p <.001], wobei das seltene Auftreten solcher Schüler:innen (< 5 % in unserer Stichprobe) berücksichtigt wird.

Zusammengenommen deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass ein geblocktes Design im Vergleich zu einem "Business-as-usual"-Ansatz zu signifikant höheren Lernzuwächsen beim Bruchrechnen (in Bezug auf den Messaspekt entlang des Zahlenstrahl) führte, während ein integriertes Design keine derartigen Effekte zeigte. Dennoch konnten wir beobachten, dass das Spielverhalten der Schüler:innen (z. B. die Varianz der Antwortzeiten über die Sitzungen hinweg) die Identifizierung leistungsschwacher Schüler:innen ermöglichte.

 

Prozessdaten nutzen: Effekte von Angst und Übungsverhalten in einem Mathematiklernprogramm auf die Leistung von Schüler:innen

Anna Hilz1, Abe Hofman2, Brenda Jansen2, Karen Aldrup1
1Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, 2Universiteit van Amsterdam

Theoretischer Hintergrund

Mathematikangst und Mathematikleistung sind negativ assoziiert (Barroso et al., 2021). Aus theoretischer Sicht wird angenommen, dass Defizite hinsichtlich der Mathematikkompetenzen zu schlechten Leistungen und deshalb zu Angst führen (Maloney, 2016); umgekehrt ist Mathematikangst mit Vermeidungsverhalten mathematischer Inhalte verbunden (Eysenck et al., 2007). Bisherige Studien, die Zusammenhänge zwischen Angst und Vermeidungsverhalten untersuchten, fokussierten als Outcome insbesondere auf Kurswahlen im Hochschulkontext (LeFevre et al., 1992). Solche Ansätze können jedoch nicht die Frage beantworten, wie Mathematikangst mit Lernverhalten zusammenhängt, das zur Verbesserung der Mathematikleistung in der Schule beiträgt – einem Kontext, in dem die Vermeidung von Mathematikunterricht keine Option ist. Die wenigen Studien, die diese Beziehung bei Sekundarschüler:innen untersuchten, konzentrierten sich auf Selbstberichte (Hasty et al., 2021; Quintero et al., 2022). Ein Nachteil von Selbstberichten ist jedoch eine mögliche Verzerrung der Realität (z.B. self-serving bias; Donaldson & Grant‐Vallone, 2002). Im Gegensatz dazu haben Prozessdaten, die beispielsweise beim Üben mit Lernprogrammen erhoben werden, das Potential Übungsverhalten von Schüler:innen ohne Verzerrungen objektiv und ökonomisch zu erfassen.

Fragestellung

Daher wurde für diese Studie das adaptive Arithmetiklernprogramm Math Garden (Klinkenberg et al., 2011) verwendet, um das Übungsverhalten der Schüler:innen in Bezug auf die geübten Aufgaben innerhalb des Programms objektiv zu erfassen. Es wird somit der zentralen Frage nachgegangen, ob der angenommene negative längsschnittliche Zusammenhang zwischen Mathematikangst und Mathematikleistung über vermeidendes Übungsverhalten (Anzahl geübter Aufgaben) in Math Garden mediiert wird.

Methode

Die Analysen basieren auf längsschnittlichen Daten von 890 Fünftklässler:innen. Die Schüler:innen bearbeiteten im Prätest unter anderem Mathematikangstfragebögen (Faber, 1995; Roick et al., 2013) und einen Mathematikleistungstest (HRT; Haffner et al., 2005). Anschließend wurde ihnen und ihren Lehrkräften das Programm Math Garden über 45 Wochen zur Verfügung gestellt und die Anzahl der dort geübten Mathematikaufgaben getrackt. In einem Posttest wurde erneut die Mathematikleistung erhoben.

Ergebnisse & Diskussion

Zur Beantwortung der Fragestellung wurde ein Mediationsanalyse in Mplus gerechnet (Prädiktor: Mathematikangst, Mediator: Anzahl geübter Aufgaben, Outcome: Mathematikleistung), wobei die Mehrebenenstruktur der Daten mit „type=complex“, ebenso wie relevante Kovariaten (Prätest Mathematikleistung, Geschlecht, Migrationshintergrund, Teilnahme an zusätzlichem Förderunterricht) berücksichtigt wurden. Bezogen auf die Fragestellung zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Übungsverhalten und der Mathematikleistung (β = .10, p = .002), allerdings übten Mathematikängstlich nicht wie erwartet weniger mit Math Garden (β = –.05, p = .370). Daher wurde der signifikant negative Zusammenhang zwischen Mathematikangst und Mathematikleistung (β = –.09, p = .020) auch nicht über die Anzahl geübter Aufgaben mediiert (β = –.01, p = .348).

Zusammenfassend wiesen Schüler:innen, die mehr mit Math Garden übten, eine höhere Leistungsverbesserung auf. Dieser Befund stütz einmal mehr die Relevanz Schüler:innen beispielsweise durch Unterstützung von Eltern oder Lehrkräften in eine systematischen Zustand des Übens zu versetzen (Spitzer, 2022). Im Gegensatz zu früheren Erkenntnissen, die sich auf selbstberichtetes Vermeidungsverhalten beziehen, übten mathematikängstliche Schüler:innen nicht weniger mit Math Garden. Dies deutet darauf hin, dass sie das Programm gleichermaßen nutzen, um ihre Leistung zu verbessern und in dieser Hinsicht nicht benachteiligt waren. Dieses Ergebnis könnte ein erster Hinweis auf den Vorteil der Erfassung von Vermeidungsverhalten anhand von Prozessdaten sein, da diese weniger wahrscheinlich von Verzerrungen beeinflusst sind. So könnten mathematikängstliche Schüler:innen ihre Anstrengung in Selbstberichten eher herunterspielen, um schlechte Leistungen nicht auf die eigenen Fähigkeiten attribuieren zu müssen. Gleichzeitig könnte die Divergenz zu den Ergebnissen aus bisheriger Forschung mit Selbstberichtsinstrumenten darin bestehen, dass mathematikängstliche Schüler:innen adaptive Lernprogramme als kontrollierbarer wahrnehmen, was im Sinne der Kontroll-Wert-Theorie zu weniger Angst und damit zu mehr Übung führen müsste (Pekrun, 2006). Andere, nicht-adaptive Lernangebote könnten jedoch weiterhin aufgrund anhaltender Misserfolge vermieden werden. Die Ergebnisse sind also auf das Übungsverhalten von Schüler:innen mit einem adaptiven Arithmetiklernprogramm zu Beginn der Sekundarstufe limitiert und es bedarf weiterer Untersuchungen für andere mathematikbezogene Situationen und Altersgruppen.

 

Digitale Lernprogramme brauchen Lehrkräfte

Markus Wolfgang Hermann Spitzer1, Lisa Bardach2, Jennifer Meyer3, Korbinian Moeller4
1Universität Halle, 2Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, 3Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, 4Loughborough University, Universität Tübingen, Leibniz-Institut für Wissensmedien

Theoretischer Hintergrund

Seit über 40 Jahren werden digitale Lernprogramme weltweit entwickelt, um Lehrkräfte zu unterstützen (Anderson et al., 1985; Sleeman & Brown, 1982) und gerade in Zeiten der COVID-19 Pandemie waren sie oft von immenser Bedeutung im Distanzunterricht (Meeter, 2021; Spitzer et al., 2023; Tomasik et al., 2020). Allerdings gibt es kaum Analysen dazu, inwieweit digitale Lernprogramme die Unterstützung von Lehrkräften benötigen, um ihre Wirksamkeit voll zu entfalten. Die Beantwortung dieser Frage ist von besonderer Bedeutung, da trotz der deutlichen Weiterentwicklung digitaler Lernprogramme gerade in den letzten 10 Jahren, spezifische Probleme, wie z.B. hohe Abbruchquoten bei der Nutzung digitaler Lernprogramme, vorliegen (z.B., Spitzer et al., 2021). In der vorliegenden Studie wurde entsprechend der Einfluss von Lehrkräften auf die Abbruchquoten von Schüler:innen für ein digitales Lernprogramm für Mathematik (Bettermarks) untersucht.

Fragestellung

Insbesondere interessierten wir uns dafür, ob die Art der Einbindung des digitalen Lernprogramms (d.h. durch die Lehrkräfte vs. durch die Schüler:innen selbst) einen Einfluss auf die Abbruchquote hatte. Es wurde erwartet, dass die Abbruchquoten bei Einbindung durch die Lehrkräfte geringer ausfallen würden.

Methode

Hierfür wurde die Bettermarks Nutzung von über hunderttausend Schüler:innen (N = 103,612 ) analysiert, die sich von Januar 2016 bis September 2019 bei Bettermarks in Deutschland registrierten. Da sich Schüler:innen bei Bettermarks entweder selbstständig anmelden können (z.B. für die selbstständige Nutzung daheim) oder über ihre Lehrkraft angemeldet werden und anschließend im Klassenkontext mit Bettermarks arbeiten (z.B. für Hausaufgaben oder für Berechnungen im Unterricht) konnten wir den Effekt der Einbindung durch die Lehrkraft, im Vergleich zur reinen Selbstnutzung, näher untersuchen.

Mittels sogenannter survival Analysen wurde die Nutzung von Bettermarks, von dem Datum an dem Schüler:innen zum ersten Mal mit Bettermarks arbeiteten über die folgenden 250 Tage verfolgt, wobei das Datum der letzten Nutzung als Indikator für den Abbruch berücksichtigt wurde. Die survival Analysen wurden anschließend mit einem hierarchischen Cox proportional hazard Model quantifiziert.

Ergebnisse & Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Abbruchquote wesentlich von der Einbindung des digitalen Lernprogramms durch die Lehrkräfte abhängt. 50 Tage nach der ersten Nutzung waren nur noch 65% der Schüler:innen die selbstständig mit Bettermarks arbeiten aktiv, wohingegen 74% der Schüler:innen, die Aufgaben von den Lehrkräften zugewiesen bekamen, noch aktiv waren. Ein ähnliches Bild zeigte sich nach 150 Tagen: 32% der Schüler:innen die selbstständig arbeiteten waren noch aktiv, wohingegen 46% der Schüler:innen, die Aufgaben von den Lehrkräften zugewiesen bekamen Bettermarks noch regelmäßig nutzten. Die mediane Überlebenszeit lag bei 88 (selbstständig arbeitende Schüler:innen) und 134 (im Klassenkontext arbeitende Schüler:innen) Tagen. Das hierarchische Cox proportional hazard Model zeigte einen signifikanten Effekt (p < .001) zwischen den beiden unterschiedlichen Gruppen.

Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, dass die Nutzung digitaler Lernprogramme von deren Einbindung durch die Lehrkräfte abhängig ist. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass für die kontinuierliche Nutzung von digitalen Lernprogrammen Lehrkräfte notwendig sind und digitale Lernprogramme gezielt in den Unterricht einbezogen werden müssen, um kontinuierlich genutzt zu werden und dadurch Schüler:innen beim Lernen erfolgreich zu unterstützen (vgl. Spitzer et al., 2023). Damit wird auch deutlich, dass digitale Lernprogramme für einen Großteil der Schüler:innen als reines Selbstlernsystem eher nicht in Frage kommen, da die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie nach kurzer Zeit nicht mehr genutzt werden. Generell weisen unsere Ergebnisse auf die Relevanz von mangelndem Engagement (im Sinn von Abbruchraten) im Kontext von digitalen Lernsystemen hin—denn Schüler:innen können nur beim Lernen unterstützt werden und Lernerfolge zeigen, wenn sie überhaupt lernen. Unsere Studie weist somit auf die Relevanz von Lehrkräfte für eine systematische Einbindung von digitalen Lernprogrammen und deren kontinuierliche Nutzung hin.

 
11:10 - 12:508-12: Fachliche Perspektiven auf Kulturelle Bildungsforschung
Ort: S19
 
Symposium

Fachliche Perspektiven auf Kulturelle Bildungsforschung

Chair(s): Caroline Theurer (Julius-Maximilians-Universität Würzburg), Nicole Berner (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Katrin Rakoczy (Universität Giessen)

Evidenzbasierte Forschung zur Kulturellen Bildung erfuhr in den vergangenen Jahren zunehmende Aufmerksamkeit (Scheunpflug & Prenzel, 2013; Pürgstaller, Konietzko & Neuber, 2020). In verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen war ein vermehrtes Interesse und eine entsprechende Aktivität erkennbar, die sich auch in mehreren Förderlinien widerspiegelte. Wird Kulturelle Bildung spartenübergreifend definiert, wird sie meist als Sammelbegriff für vielfältige Bildungsangebote für Menschen jeder Altersgruppe in verschiedenen Sparten wie Bildende Kunst, Musik, Literatur, Tanz und Theater verstanden (Fuchs, 2009). Ausdrücklich wird von vielen Akteur:innen im Feld auch Sport und Bewegung als kulturell-ästhetische Sparte eingeschlossen (z.B. Pürgstaller et al., 2020). Ästhetische Komponenten Kultureller Bildung bieten ergänzende Lerngelegenheiten, bei denen nicht nur fachliche Aspekte erlernt werden können, sondern gleichermaßen die Persönlichkeitsentwicklung angesprochen wird. So erfordern kulturell-ästhetische Tätigkeiten Durchhaltevermögen und Persistenz in der Ausübung, bieten Offenheit und Mehrperspektivität durch sinnliche Erfahrungen und können so auch zur Identitätsbildung und Stärkung des Selbstkonzepts von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen beitragen. Kulturelle Bildung stellt im Kontext allgemeiner Bildung einen festen Bestandteil schulischer wie außerschulischer Bildung dar (vgl. Keuchel, 2013) und wird für die kulturelle Teilhabe der Heranwachsenden sowie für die Förderung von Kreativität als relevant erachtet (vgl. Kultusministerkonferenz, 2013; Liebau, 2008; Winner, Goldstein & Lancrin, 2013), Sogenannte Transfereffekte Kultureller Bildung auf die Persönlichkeit, kognitive Maße oder sogar Lernleistungen (Hamer, 2014; Rittelmeyer, 2010) stellen einen eigenen Forschungsbereich innerhalb Kultureller Bildungsforschung dar und können im schulischen Bereich oder außerschulischen Bereichen verortet werden. Derartige Transfereffekte können weiterhin spartenübergreifend betrachtet werden (z.B. Moga et al., 2000; Winner et al., 2013; Rogh et al., 2017) oder aber fachspezifische Blicke auf Wirkungen Kultureller Bildung werfen (z.B. Berner, Jacobi-Theurer & Rogh, 2019; Hetland & Winner, 2001 Rakoczy et al., 2022). Die hier vorgestellten Beiträge geben aus den drei verschiedenen Sparten Kultureller Bildung Musik, Tanz und Bildende Kunst Einblicke in aktuelle empirische Forschungsprojekte zur Konzeptualisierung und Förderung von Kreativität.

Johannes Hasselhorn fragt danach, wie Kreativität in Musik erkannt, gemessen und diagnostiziert werden kann. Es wird ein theoretisch begründetes Modell kreativer Kompetenz (in Musik) vorgestellt, das auch auf pädagogisches Handeln anwendbar ist, indem Professionswissen zur Förderung kreativer Fähigkeiten ableit-bar wird, sodass Lehrkräfte über potenziell kreativitätsfördernde Aufgaben hinaus ihr Handeln reflektieren können. Perspektivisch dient dieses Modell auch der Instrumentenentwicklung.

Esther Pürgsteller analysiert, welche Relevanz Tanzlehrkräfte der Kreativitätsförderung beimessen und wie die beigemessene Relevanz mit kreativitätsfördernder Unterrichtspraxis korrespondiert. Genutzt werden Daten der Studie „Tanz- und Bewegungstheater – Ein künstlerisch-pädagogisches Projekt zur Kulturellen Bildung in der Ganztagsgrundschule“ (Stern et al., 2017) im Rahmen derer u.a. Videoanalysen eingesetzt wurden, um die methodisch-didaktische Praxis der Tanzlehrkräfte systematisch zu beschreiben.

Nicole Berner und Caroline Theurer widmen sich basierend auf Daten der längsschnittlich angelegten KuBiK5-Studie (Theurer et al., 2023) dem bildnerisch-künstlerischen Fähigkeitsselbstkonzept als Teil des kreativen Selbstkonzepts von Schüler:innen im Bereich der Bildenden Kunst und untersuchen, inwiefern diese selbstbezogenen Kognitionen vom individuellen Interesse an Bildender Kunst sowie schulischen und außerschulischen Tätigkeiten, wie z.B. dem Besuch von Jugendkunstschulen, abhängig sind.

Das interdisziplinäre Symposium rahmt damit Studien, die sich aus ihrer jeweiligen Fachdisziplin heraus mit pädagogisch-didaktischen Einflüssen auf die Lernentwicklung von Heranwachsenden auseinandersetzen. Damit wird mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Thematiken und methodischen Herangehensweisen auch die Frage adressiert, wie (in den jeweiligen Domänen) gute unterrichtliche Angebote aussehen müssten (Praetorius & Gräsel, 2021; Rakoczy, Wagner & Frick, 2021), damit sie wirksam sein können. Die vorgestellten Studien werden von Katrin Rakoczy zusammenfassend diskutiert.

 

Beiträge des Symposiums

 

Entwicklung eines Modells zur Erfassung kreativer Kompetenz in Musik

Johannes Hasselhorn
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland

Hintergrund

Kreativität und kreative Entwicklung sind von der UNESCO als Menschenrecht definiert (UNESCO, 2006). Kreativität gilt außerdem als ein „Leitbegriff für musik-pädagogisches Denken und Handeln“ (Stöger, 2018). Der Bildungsbericht 2012 kam zu dem Schluss, dass es in diesem Bereich „an einer outcomeorientierten Forschung“ fehle (Autorengruppe Bildungsbericht, 2012, S. 198), obwohl frühe Vorarbeiten aus dem Bereich der psychologischen Intelligenzforschung vorliegen (z.B. Guilford, 1950). Dieser Umstand ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es nach wie vor einen Mangel an geeigneten Messinstrumenten gibt, die zur Erfassung und Dokumentation von Entwicklungsständen von Kreativität (in Musik) bei Schüler:innen geeignet sind (vgl. Ryan & Brown, 2012).

Ausgehend von Guilford (1950), auf den sich fast alle Kreativitätsmodelle und -theorien beziehen, haben sich vier unterscheidbare „Typen“ von Kreativitätsmodellen herauskristallisiert: produkt-, persönlichkeits-, prozess- und umfeldorientierte Ansätze (vgl. Stöger, 2018). Neuere Ansätze scheinen sich dabei nicht mehr auf einen dieser Ansätze zu fokussieren, sondern folgen in der Regel einer Verknüpfung mehrerer Ansätze (vgl. Lubart et al., 2011). Dabei spielt auch häufig das kognitive Spiel zwischen divergentem und konvergentem Denken eine zentrale Rolle, wie auch im Modell kreativen Denkens in Musik (Webster, 2003). Kreativität zeigt sich dabei in der gleichzeitigen Erfüllung zweier Bedingungen: Zum einen ist Neuheit bzw. Originalität wichtig, die sich in einem Produkt oder in einem Lösungsweg zeigt, zum anderen Angemessenheit bzw. Brauchbarkeit dieses Produkts oder Lösungswegs (Barron, 1955; Groeben, 2014; Stein, 1953).

Aufgrund der großen quantitativen und qualitativen Heterogenität künstlerisch-kultureller Aktivitäten wird in der Literatur in Zusammenhang mit schulischer Bildung eine Unterscheidung zwischen den künstlerischen Fächern empfohlen (Weishaupt & Zimmer, 2013). Das bezieht sich auch auf Kreativität, die nach aktuellem Stand der Forschung zwar auf einer generellen, fachunabhängigen Kreativitätskomponente beruht, sich allerdings bedingt durch fachspezifische Kompetenzen und situationsspezifischen Aufgabenmotivationen in fachspezifisch unter-scheidbaren Ausprägungen manifestiert (z.B. im Modell nach Amabile, 1996).

Fragestellung

Die Messung von Kreativität in Musik stellt eine große Herausforderung dar, was auch eine noch fehlende theoretische Konzeptionalisierung zurückführbar ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie kreative Kompetenz in Musik model-liert und erfasst werden kann. Dieser Fragestellung wird sich im Vortrag gewidmet.

Methode

Die Forschungsfrage wird in dieser Projektphase analytisch-literaturbasiert bear-beitet. Es liegen verschiedene Tests vor (z.B. TTCT [Torrance, 1998], EPoC [Lubart et al, 2011], MMPS [Vold, 1986], MCSM [Wang, 1985], MCTM [Webster, 1984]), die jedoch keine zufriedenstellenden Gütekriterien hinsichtlich Reliabilität und Validität erreichen. Weitere Versuche der Messung musikalischer Kreativität stützen sich auf nicht standardisierte Verfahren mit offenen Aufgabenformaten in einge-grenzten Inhaltsbereichen wie beispielsweise der Komposition (z.B. Hickey, 2001) oder zu spontanen Verhaltensweisen bei nicht angeleiteten Erstbegegnungen mit Musikinstrumenten (z.B. Young, 2003). Diese Verfahren sind kaum ökonomisch einsetzbar und wurden daher nach ihrer Publikation kein zweites Mal eingesetzt.

In Verbindung mit dem auf Weinert (2001) aufbauenden und im überwiegenden Teil der empirischen Bildungsforschung verwendeten Kompetenzansatzes (Klieme et al., 2003), wird nun der eher strukturierende Modellansatz von Amabile (1996) mit dem eher prozessorientierten Ansatz von Webster (2003) zu einem Kompetenzstrukturmodell von Kreativität zu verbunden.

Ergebnisse

Es entsteht ein dreidimensionales Strukturmodell, in dem (A) kreative Prozesse in die Subdimensionen divergente und konvergente Denkprozesse unterteilt sind, (B) domänenspezifische Komponenten in Fachwissen und Expertisegrad und (C) Motivation in Leistungsmotivation und Aufgabenmotivation (vgl. Hasselhorn, 2022). Das so resultierende Modell hat vorbehaltlich seiner empirischen Validierung das Potential, in unterrichtlichen Kontexten evaluativ eingesetzt zu werden und so eine inhaltlich detailliertere Antwort auf Fragen nach gezieltem Förderbedarf einzelner Schüler:innen zu geben. Darüber hinaus bietet das Modell die Möglichkeit den konkreten Inhaltsbereich einfach zu variieren, sodass kreative Kompetenz verschiedener Domänen ökonomisch erfasst und verglichen werden kann.

 

Ist die Förderung von Kreativität relevant? Der Zusammenhang zwischen der Bedeutung, die Tanzlehrkräfte Kreativitätsförderung beimessen, und ihren methodisch-didaktischen Handlungsweisen

Esther Pürgstaller
Universität Potsdam

Theoretischer Hintergrund

Kreativität gilt in der Schule als wichtiges Bildungsziel. Sie kann als Fähigkeit verstanden werden, viele (Produktivität), unterschiedliche (Problemlösungsfähigkeit) und unkonventionelle, neuartige Ideen (Originalität) zu generieren (Pürgstaller, 2020). Die Kreativitätsentwicklung wird von internen und externen Faktoren beeinflusst (Theurer, 2014). Zu letzteren zählen Aktivitäten, die Erfahrungs- und Möglichkeitsräume bieten, in denen (un)bekannte (Bewegungs)Muster entdeckt und durchbrochen werden können (Klinge, 2010). Kreativer Tanz stellt einen derartigen Erfahrungsraum dar. Im Kreativen Tanz liegt der Schwerpunkt auf der Förderung individueller Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten (Chappell, 2007). Da-für kommen methodisch-didaktische Handlungsweisen zum Einsatz, die als besonders förderlich für die Kreativitätsentwicklung gelten, wie (schüler:innenorientierte) Sozialformen, Unterrichtsmethoden (z.B. Improvisation) oder Aufgabenstellungen mit teiloffenen und offenen Freiheitsgraden (vgl. u.a. Cropley, 1992; Berner & Lotz, 2015; Sowden et al., 2015). Insofern bietet Kreativer Tanzunterricht besondere Anknüpfungspunkte für die Kreativitätsförderung. Forschungsergebnisse zei-gen jedoch, dass Tanzlehrkräfte wenig Raum für kreative Erfahrungen lassen (Watson, Nordin-Bates & Chappell, 2012) und selten kreativitätsfördernde methodisch-didaktische Handlungsweisen in ihrem Unterricht einsetzen (Chappell et al., 2011). Einer der Gründe könnte an ihren persönlichen Werteüberzeugungen und Einstellungen liegen (Aljughaiman & Mowrer-Reynolds, 2005; Theurer, Freytag & Hein, 2018)), z. B. in der widersprüchlichen Bedeutung, die sie Kreativitätsförderung beimessen (Kettler et al., 2018).

Fragestellung

Bisher berücksichtigen nur wenige Studien zu kreativitätsfördernder Unterrichtspraxis die Relevanz, welche Tanzlehrkräfte Kreativitätsförderung . Vor diesem Hintergrund zielt der Beitrag auf die Frage ab, ob die von Tanzlehrkräften zugeschriebene Bedeutung gegenüber Kreativitätsförderung ihre methodisch-didaktische Praxis beeinflusst.

Methode

Das Forschungsvorhaben ist eingebettet in die Studie „Tanz- und Bewegungstheater – Ein künstlerisch-pädagogisches Projekt zur Kulturellen Bildung in der Ganztagsgrundschule“, bei der Indikatoren des Selbstkonzepts, der emotionalen Kompetenz sowie der Kreativität bei Grundschulkindern erhoben wurden (Stern et al., 2017). Den Kern der quasi-experimentellen Längsschnitt-Studie im Kontrollgruppendesign bildet ein dreimonatiges künstlerisch-pädagogisches Tanz- und Bewegungstheater-Angebot, das von Tanzlehrkräften an zehn Mainzer Grundschulen durchgeführt wurde. Für die vorliegende Studie wurden während des Tanzprojektes sechzehn 90-minütige Unterrichtseinheiten von vier erfahrenen Tanzlehrkräften (M = 18.7 Jahre) videographiert. Um Rückschlüsse auf die Unterrichtsgestaltung ziehen zu können, analysierten zwei geschulte Kodierer den Unterricht über ein eigens entwickeltes niedrig-inferentes Kategoriensystem hinsichtlich der methodisch-didaktischen Inszenierung (Lektionsdauer, Sozialform, Unterrichtsmethoden, Freiheitsgrad der Aufgabenstellung, kreativitätsfördernde Aufgabenstellungen) (Pürgstaller, 2020). Zudem wurden Daten aus 131 Fragebögen ausgewertet, welche die Tanzlehrkräfte nach jeder Unterrichtseinheit ausfüllten. Neben Fragen zu ihrem methodisch-didaktischen Ansatz schätzten sie auf einer 4-stufigen Likert-Skala u.a. die Bedeutung der Kreativitätsförderung in der jeweiligen Unterrichtseinheit ein.

Ergebnisse

Die deskriptiven Ergebnisse deuten darauf hin, dass Tanzlehrkräfte der Kreativitätsförderung generell einen hohen Stellenwert einräumen, wobei die Förderung der Kreativitätsfacette Produktivität den höchsten Stellenwert einnimmt. Aus der Analyse der videobasierten Unterrichtsbeobachtung geht jedoch hervor, dass ihre Unterrichtspraxis nur teilweise durch kreativitätsfördernde methodisch-didaktische Handlungsweisen gekennzeichnet ist. Regressionsanalysen zeigen weiterhin, dass die Bedeutung, die die Tanzlehrkräfte Kreativitätsförderung beimessen, ein statistisch signifikanter Prädiktor für das zeitliche Ausmaß ist, das sie für kreativitäts-fördernde methodisch-didaktische Handlungsweisen aufwenden.

 

„Kunst kann ich nicht!“ – Zum Fähigkeitsselbstkonzept und Interesse im Bereich Kunst von Fünftklässlern und wie kulturelle Bildung dazu beitragen kann

Nicole Berner1, Caroline Theurer2
1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Hintergrund

Der schulische Kunstunterricht kann einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Teil-habe leisten (Kirchner & Kirschenmann 2015, Weishaupt et al., 2011). Dabei dürfte es entscheidend sein, ob es gelingt, Schüler:innen für Kunst und Kultur zu interessieren und nachhaltige Entwicklungen anzustoßen. Künstlerischen Prozessen wird in Zusammenhang der Entwicklung bildnerischer Fähigkeiten seitens der kunstdidaktischer Theoriebildung einen wichtigen Einfluss auf die Identitätsbildung und Selbstkonzeptentwicklung zugeschrieben (Kirchner 2014). Das Fähigkeits-selbstkonzept ist neben dem sozialen, emotionalen und körperlichen Selbstkonzept ein Teil des globalen Selbstkonzepts (Shavelson et al. 1979) und beeinflusst damit die Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen (Feng, Wang & Rost, 2018). Es ist weitgehend hierarchisch gegliedert und differenziert sich im Laufe des Lebens aus. Insbesondere Fähigkeitsselbstkonzepte (auch als akademische Selbstkonzepte bezeichnet) entwickeln sich entlang verschiedener Domänen bzw. bestimmter Teilbereiche innerhalb von Domänen (Möller & Trautwein, 2020). Während die Erfassung von domänenspezifischen Selbstkonzepten in den Bereichen Lesen, Schreiben oder Rechnen mittlerweile bereits im Grundschulalter als etabliert angesehen werden kann (z.B. Hellmich, 2011), ist es noch weitaus unüblicher Fähigkeitsselbstkonzepte in künstlerischen Domänen zu erfassen (Theurer et al., i.V.) und zu anderen Variablen in Beziehung zu setzen. Als Determinanten der Selbstkonzeptgenese werden sowohl individuelle als auch soziale Einflüsse be-schrieben (Möller & Trautwein, 2020). Demnach müssen Individuen zunächst Erfahrungen mit dem jeweiligen Gegenstand machen können um domänenspezifische Selbstkonzepte zu entwickeln. Bislang fehlen fachdidaktische Studien, die klären, inwieweit hier Wechselbeziehungen zwischen dem künstlerischen Fähigkeitsselbstkonzept und schulischen wie außerschulischen künstlerischen Bildung bestehen.

Fragestellung

Im Vortrag wird die Dimension des künstlerisch-bildnerischen Fähigkeitsselbstkonzept als ein Bereich des kreativ-kulturellen Selbstkonzept (Theurer et al., i.V.) be-leuchtet. Die zentralen Fragestellungen des Vortrags lauten: Wie entwickelt sich das künstlerische Selbstkonzept im Verlauf des fünften Schuljahres? Welche Erfahrungen und Einflüsse im schulischen wie außerschulischen Bereich nehmen Einfluss auf diese Entwicklung?

Methode

Zur Beantwortung der Fragestellungen werden Daten aus dem Projekt KuBiK5 (Kulturelle Bildung und Kreativität im fünften Schuljahr; Theurer, Berner, Wemmer-Rogh & Lipowsky, 2023) genutzt. Zu Beginn des fünften sowie zu Beginn des sechsten Schuljahres wurden über 1000 Kinder u.a. per Fragebogen zu ihren Selbstkonzepten in verschiedenen kreativ-kulturellen Bereichen (z.B. Kunst, Literatur, Tanz, Theater, Musik), ihren kreativ-kulturellen Interessen sowie (potenziell) kulturell bildenden Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Schule befragt.

Als Indikator schulischer künstlerischer Bildung werden Angaben zum Kunstunter-richt sowie zu künstlerischen Schulprojekten genutzt und zu einem Index zusammengefasst. Als Indikator außerschulischer künstlerischer Bildung wird ein Index aus den folgenden Angaben generiert: Besuch einer Kunstschule, Häufigkeit des freizeitlichen Malens oder Zeichnens sowie Häufigkeit von Museumbesuchen. Kontrollierend wird der sozioökonomische Status der Familien über den HISEI nach Ganzeboom, Graaf und Treiman (1992) betrachtet. Deskriptive sowie Zusammenhangsanalysen beantworten die Forschungsfragen.

Ergebnisse

Deskriptive Analysen belegen eine Mittelwertstabilität des künstlerischen Fähigkeitsselbstkonzepts (T1: M=2.67; SD=0.67, T2: M=2.63; SD=0.67, jeweilige Range: 1-4), wobei Korrelationsanalysen (r=.55; p<.01) intraindividuelle Veränderungen innerhalb des fünften Schuljahres offenbaren. Interkorrelationsmatrizen zeigen schwache bis mittlere Zusammenhänge des Selbstkonzepts mit künstlerischen Aktivitäten (.19 < Kendalls τ < .29). Die künstlerischen Aktivitäten hängen nur zu T1 schwach mit dem HISEI zusammen (.07 < Kendalls τ < .09). Intraklassenkorrelationen belegen, dass kaum Varianz in den Selbstkonzeptunterschieden auf die Klassenzugehörigkeit zurückführbar ist. Lineare Regressionen zeigen weiterhin, dass unter Kontrolle des vorherigen Selbstkonzepts (β=.46, p<.001) sowie des HISEIS (β=.05, p=.17) lediglich die außerschulischen Aktivitäten zu Messzeitpunkt 2 (β=.21, p<.001) Einfluss nehmen auf das künstlerische Selbstkonzept zum zweiten Messzeitpunkt.

Die Ergebnisse beleuchten einen bislang wenig beachteten Diskurs zum Fähigkeitsselbstkonzept im künstlerischen Bereich und schulischer wie außerschulischer künstlerischer Bildung. Vor dem Hintergrund außerschulischer Aktivitäten und de-ren Einfluss auf das künstlerische Fähigkeitsselbstkonzept gilt es den schulischen Kunstunterricht in seiner Wirkmächtigkeit auf kulturelle Teilhabe näher zu beleuchten und die Ergebnisse zu diskutieren.

 
Datum: Donnerstag, 21.03.2024
10:00 - 12:30NWT - 08: Open Science
Ort: S19

 
Impressum · Kontaktadresse:
Datenschutzerklärung · Veranstaltung: GEBF 2024
Conference Software: ConfTool Pro 2.8.105
© 2001–2025 by Dr. H. Weinreich, Hamburg, Germany