11. GEBF-Tagung
BILDUNG VERSTEHEN - PARTIZIPATION ERREICHEN -
TRANSFER GESTALTEN
Haupttagung: 18. - 20.03.2024 | Nachwuchstagung: 21.03.2024
Universität Potsdam
Veranstaltungsprogramm
Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht | |
Ort: S24 Seminarraum, 50 TN |
Datum: Montag, 18.03.2024 | |
10:30 - 12:10 | 1-20: Hochbegabung Ort: S24 |
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Paper Session
Intellektuelle Hochbegabung: Mehr als nur akademische Exzellenz? Eine Propensity Score Matching Untersuchung von schulbezogenen psychologischen Variablen 1IPL, Deutschland; 2IPN, Deutschland Intellektuelle Hochbegabung zeichnet sich durch herausragende kognitive Fähigkeiten aus, einschließlich schneller und effizienter Informationsverarbeitung und ausgezeichneter Problemlösefähigkeit (Cattell, 1987). Diese Fähigkeiten sind wichtig für das Lernen in der Schule, folglich ist Intelligenz entscheidend für die schulische Leistung (Rhode & Thompson, 2007; Roth et al., 2015). In der Tat zeigen intellektuell hochbegabte Schüler:innen sowohl höhere Leistungen als auch ein höheres schulbezogenes Selbstkonzept (Bergold et al., 2020). Ob sich hochbegabte Schüler:innen in der Schule auch in weiteren psychologischen Merkmalen unterscheiden ist Bestandteil umfangreicher Forschung und folgt zwei widersprüchliche Hypothesen. Nach der Disharmoniehypothese sind intellektuell hochbegabte Schüler:innen besonders anfällig für Schwierigkeiten bezüglich ihrer sozio-emotionalen Kompetenzen (z. B., Neihart, 1999). Die Harmoniehypothese hingegen besagt, dass Hochbegabung vor Fehlanpassung schützt, indem sie ein optimales Gleichgewicht zwischen intellektuellen Fähigkeiten und sozio-emotionalen Funktionen fördert (z. B. Persson, 1998). Obwohl Forschungsergebnisse größtenteils für die Harmoniehypothese sprechen, liefern umfassende Review und Meta-Analysen immer noch keine schlüssigen Ergebnisse hinsichtlich der Unterschiede im sozio-emotionalen Verhalten zwischen intellektuell hochbegabten und durchschnittlich begabten Schüler:innen (Francis et al., 2016; Martin et al., 2010; Tasca et al., 2022). Darüber hinaus weisen die Studien häufig methodische Probleme auf (d. h. kleine oder selektive Stichproben, verzerrte Vergleichsgruppen, Konfundierung durch Kovariaten). Die genannten methodischen Probleme sowie die Relevanz des Themas im schulischen Kontext unterstreichen die Notwendigkeit weiterer, gut konzipierter Studien. Unsere Forschung zielt darauf ab, diese Lücke zu schließen und Klarheit über ein breites Spektrum schulbezogener psychologischer Variablen zu erhalten. Konkret untersuchen wir, ob sich intellektuell hochbegabte Schüler:innen von durchschnittlich begabten Schüler:innenn hinsichtlich folgender Merkmale unterscheiden: akademische Kompetenzen (d. h. Leistung, Motivation), emotional-verhaltensbezogene Kompetenzen (d. h. internalisierendes und externalisierendes Verhalten, Selbstwertgefühl) und soziale Kompetenzen (d. h. prosoziales und antisoziales Verhalten, Zugehörigkeitsgefühl). Zusammenfassend legen unsere Ergebnisse nahe, dass intellektuelle Hochbegabung mit überdurchschnittlichen akademischen Leistungen und einem positiveren Selbstkonzept (zumindest in Mathe) zusammenhängt, ohne dass deutliche soziale oder emotionale Defizite erkennbar sind. Diese Befunde unterstützen die Harmoniehypothese und betonen die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung von Hochbegabung im schulischen Kontext. Für Pädagogen und Bildungseinrichtungen unterstreicht dies die Notwendigkeit, hochbegabte Schüler:innen angemessen zu fördern und dabei ein ganzheitliches Verständnis ihrer Entwicklung zu haben. Paper Session
Stabilität von Schulleistung: Eine Metaanalyse Universität Trier, Deutschland Schulische Leistungen beeinflussen den Lebensweg einer Person maßgeblich, etwa in Bezug auf Studium und Berufswahl (Hübner et al., 2022; Rimfeld et al., 2018). Sie werden meistens mittels standardisierter Tests oder durch Schulnoten gemessen, wobei sich beide Methoden in Objektivität und Reliabilität unterscheiden (Willingham et al., 2002). Groß angelegte Studien wie PIRLS, PISA und TIMSS werden weltweit durchgeführt, um den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern zu messen und Empfehlungen für Bildungssysteme aus den Daten abzuleiten (Mullis et al., 2009; Schleicher, 2019). Ein wichtiger Aspekt, der hierbei beachtet werden muss, ist die Stabilität der Schulleistungen, welche durch Test-Retest-Korrelationen erfasst werden kann. Eine hohe Stabilität wird oft vorausgesetzt, wenn Entscheidungen basierend auf Schulleistungsmessungen getroffen werden, etwa bei Fördermaßnahmen oder Platzierungen in unterschiedlichen Schulformen. Eine niedrige Stabilität würde die Validität solcher langfristig wirksamen Entscheidungen einschränken. Bei extrem hoher Stabilität bereits in frühen Schuljahren bestünde hingegen das Risiko, dass leistungsschwache Schülerinnen und Schüler trotz Fördermaßnahmen auf ihrem niedrigen Leistungsniveau verharren. Die Stabilität schulischer Leistungen wird in vielen Längsschnittstudien berichtet, Jedoch gab es bisher keine Metanalyse über diese Befunde, die belastbare Aussagen zur Stabilität von Schulleistungen und möglichen Moderatoren erlaubt. Fragestellungen 1. Wie hoch ist – bei Kontrolle des Test-Retest-Intervalls und der Klassenstufe – die durchschnittliche Rangordnungsstabilität von Schulleistungen erfasst mittels standardisierter Schulleistungstests und Schulnoten? 2. Moderiert die Art des Indikators (standardisierte Tests vs. Schulnoten) die Rangordnungsstabilität von Schulleistungen? 3. Wie hängen Rangordnungsstabilität und Test-Retest-Intervall zusammen? Erwartet wird eine abnehmende Rangordnungsstabilität mit zunehmendem Test-Retest-Intervall. 4. Wie hängen Rangordnungsstabilität und Klassenstufe zusammen? Erwartet wird eine höhere Rangordnungsstabilität mit zunehmender Klassenstufe. 5. Unterscheidet sich die Stabilität von Schulleistungen in unterschiedlichen Ländern? Methode Durch systematische Suchstrategien wurden 8045 Artikel identifiziert und auf Eignung geprüft. Von diesen wurden 363 Artikel mit insgesamt 2021 Effektgrößen für weitere Analysen kodiert. Effektgrößen. Die Autokorrelation r der schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler über die Zeit wurde als Effektgröße für die Rangordnungsstabilität verwendet. Wenn eine Studie mehr als zwei Messzeitpunkte berichtete, wurden alle möglichen Kombinationen von r kodiert. Moderatoren. Für jede Effektgröße wurde das Test-Retest-Intervall zwischen den beiden Messzeitpunkten als kontinuierliche Variable in Jahren kodiert. Die Klassenstufe der Schülerinnen und Schüler beim ersten Messzeitpunkt wurde als kontinuierliche Variable in Jahren kodiert. Effektgrößen wurden nach Schulnoten und standardisierten Schulleistungstests gruppiert und als Dummyvariablen kodiert. Über dichotome Dummyvariablen wurden die Länder, in denen die Datenerhebungen stattfanden, kodiert. Analysen. Die Fragestellungen und Hypothesen wurden durch Random-Effect-Metaregressionen mit dem Gesamtdatensatz und separaten Datensätzen für Schulleistungstests und Schulnoten getestet. Bei kategorialen Moderatoren wurde jede Kategorie, abgesehen von der Referenzkategorie, als dichotomer Dummy-Prädiktor einbezogen und gegen die Referenzkategorie geprüft. Um für die genestete Struktur der Daten (mehrere Effektstärken pro Studie) zu kontrollieren, wurde die Robust Variance Estimation Methode verwendet (Tipton, 2015). Ergebnisse Nach Kontrolle des Test-Retest-Intervalls und der Klassenstufe konnte eine durchschnittliche Rangordnungsstabilität von r=.70, r=.72 und r=.67 für den Gesamtdatensatz, standardisierte Schulleistungstests und Schulnoten errechnet werden. Die Werte beziehen sich auf ein angenommenes Test-Retest-Intervall von zwei Jahren und die Klassensufe 5. Die Stabilität in standardisierten Schulleistungstests war signifikant höher als in den Schulnoten (β=.07, p<.001). Moderatoranalysen zeigten, dass die Stabilität mit zunehmendem Test-Retest-Intervall sinkt (Gesamtdatensatz: β=-.06, p<.001; standardisierte Schulleistungstests: β=-.04, p<.001; Schulnoten: β=-.12, p<.001). Die Klassenstufe war hingegen kein signifikanter Moderator der Stabilität (p>.05). Weiterhin waren standardisierte Schulleitungstests in Australien (β=-.27, p=.007), Kanada (β=-.33, p=.004), China (β=-.21, p=.003), Finnland (β=-.22, p=.005), Deutschland (β=-.15, p=.023) und Qatar (β=-.23, p=.003) weniger stabil als in der Referenzkategorie USA. Dagegen waren die Schulnoten in China stabiler als in den USA (β=.25, p=.034). Die Ergebnisse weisen insgesamt auf eine hohe Stabilität von Schulleistungen hin, sie werden im Hinblick auf den Bildungsauftrag von Schule diskutiert. Paper Session
Der Einfluss von impliziten Theorien über Intelligenz und Sozialkompetenz auf die Stereotypisierung von Hochbegabten Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Deutschland Theoretischer Hintergrund Hochbegabte unterliegen verschiedenen Vermutungen bezüglich ihrer sozio-emotionalen Kompetenz (z.B. Baudson & Preckel, 2013). Es wird zwischen zwei Hauptannahmen unterschieden: die Harmoniehypothese besagt, dass intellektuelle Hochbegabung mit größeren sozio-emotionalen Kompetenzen einhergeht, während die Disharmoniehypothese Hochbegabten Defizite in ihrer Sozialkompetenz und höhere Auftretenswahrscheinlichkeit für psychische Auffälligkeiten unterstellt (Preckel & Vock, 2012). Obwohl Forschungsergebnisse eher für die Harmoniehypothese sprechen (Rost, 1993; Shechtman & Silektor, 2012; Galucci, 1988), neigen Lehramtsstudierende und Lehrkräfte dazu, die Disharmoniehypothese anzunehmen (z.B. Matheis et al., 2017; Baudson & Preckel, 2016). Diese Stereotype können einen adäquaten Umgang mit hochbegabten Kindern und Jugendlichen in der Schule verhindern und deren Entwicklung beeinträchtigen. Somit sind sowohl Interventionen als auch mehr Verständnis für die Wirkmechanismen hinter diesen Stereotypen wichtig, um diesen entgegenzuwirken. Die vorliegende Studie untersucht die Verringerung der Stereotypisierung über einen Refutationstext. Da implizite Theorien einen Einfluss darauf zu haben scheinen, wie Stereotype geformt und aufrechterhalten werden (Dweck, 1999), könnten sie wichtige Faktoren bezüglich der Wirksamkeit des Refutationstextes darstellen. Fragestellung Beeinflussen implizite Theorien über die Veränderbarkeit von Intelligenz und Sozialkompetenz a) die Stereotypisierung gegenüber hochbegabten Kindern und Jugendlichen im Sinne der (Dis-)harmonie-Hypothese und b) die Wirksamkeit eines Refutationstextes in der Verringerung des Disharmonie-Stereotyps gegenüber Hochbegabten? Methode An dieser Studie nahmen 183 Lehramtsstudierende teil (76% weiblich; MAlter = 22.47 Jahre (SD = 3.3); MFs = 4 Fachsemester; 81% Gymnasiallehramt), die randomisiert einer Interventions- oder Kontrollgruppe zugewiesen wurden. Zehn Monate später konnten 95 Proband:innen erneut zu ihren Stereotypen befragt werden. Instrumente Stereotype Um Stereotype gegenüber hochbegabten Schüler:innen zu erfassen, wurden zwei Operationalisierungen genutzt: a) eine adaptierte Skala zur Erfassung der Wahrnehmung von hochbegabten im Vergleich zu normalbegabten Kindern und Jugendlichen hinsichtlich sozialer Inkompetenz (Heyder et al., 2018), b) das Ausmaß der Stereotypisierung im Sinne der Harmonie-Hypothese mithilfe der an Hochbegabte angepassten Skala Sozialverhalten der Lehrereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten (Petermann & Petermann, 2013). Im Folgenden werden die Skalen mit WSI (wahrgenommene soziale Inkompetenz) und WSEK (wahrgenommene soziale und emotionale Kompetenz) abgekürzt. Refutationstext Der für diese Studie konzipierte Refutationstext folgte der von Tippett (2010) zusammengefassten Struktur. Er bestand aus sechs Sätzen. Nach der Annahme der Disharmonie-Hypothese, dass hochbegabte SchülerInnen in ihrer sozio-emotionalen Entwicklung zurückbleiben, folgte die Entkräftung, dass diese Hypothese nach aktuellem Forschungsstand nicht bestätigt werden kann. Diese wurde mit verschiedenen Studienergebnissen belegt. Implizite Theorien über die Veränderbarkeit von Intelligenz und Sozialkompetenz Für die Erfassung der Impliziten Theorien über die Veränderbarkeit von Intelligenz und Sozialkompetenz wurde die Subskala Veränderbarkeit von Intelligenz des SE-SÜBELLKO-ST von Spinath & Schöne (2003) verwendet und zudem für das Konstrukt Sozialkompetenz adaptiert. Ergebnisse Die Einschätzung der Veränderbarkeit von Sozialkompetenz hatte signifikanten Einfluss auf die Stereotypisierung gegenüber Hochbegabten (Erster Messzeitpunkt: WSI: β = -.18, p < .05; WSEK: β = .14, p < .05; zweiter Messzeitpunkt: WSI: β = -.27, p < .05; WSEK: β = .22, p < .05). Die Einschätzung der Veränderbarkeit von Intelligenz hatte hingehen keinen signifikanten Einfluss auf die WSI: β = .05, p > .05, aber auf die WSEK, β = -.18, p < .05; zum zweiten Messzeitpunkt gab es keinen signifikanten Effekt. Der Refutationstext wirkte: Das Lesen des Refutationstextes verringerte die WSI (β = -.28, p < .05) und erhöhte die WSEK (β = .38, p < .05), dieser Effekt blieb auch noch zehn Monate später bestehen (WSI: β = -.44, p < .05; WSEK: β = .27, p < .05). Der vermutete Moderationseffekt der untersuchten impliziten Theorien auf die Wirkung des Refutationstextes zeigte sich bei beiden Operationalisierungen der Stereotypisierung nicht. Alle Analysen erfolgten unter Kontrolle von Kovariaten. Implikationen Diese Studie unterstreicht die Relevanz der Aufklärung von (angehenden) Lehrkräften bezüglich Hochbegabung. Implizite Theorien scheinen die Stereotypisierung signifikant zu beeinflussen und sollten vermehrt thematisiert werden. |
13:10 - 14:50 | 2-20: Digitale Kompetenzen I Ort: S24 |
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Paper Session
Entwicklung eines Tests der digitalen und datenbezogenen Kompetenzen der deutschen Bevölkerung – Rahmenkonzeption und erste Daten zu psychometrischen Eigenschaften der Items Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, Deutschland Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation sowie der Datafizierung unserer Gesellschaft wird die Fähigkeit eines Menschen, mit digitalen Daten und Informationen sachgerecht umzugehen („Data Literacy“), immer wichtiger. Gleichzeitig liegt kein standardisierter Test zur Erfassung dieser Fähigkeit vor, der für die allgemeine Bevölkerung geeignet ist. Die Entwicklung eines solchen Tests ist ein Teilziel unseres BMBF-geförderten Projekts. Im vorliegenden Beitrag sollen die Rahmenkonzeption sowie erste Daten zu psychometrischen Eigenschaften des entwickelten Itempools vorgestellt werden. Data Literacy wird in der Literatur unterschiedlich konzeptualisiert (Schüller & Busch, 2019). Auch die Abgrenzung zu anderen Konstrukten wie beispielsweise Information Literacy (z.B. Eickelmann et al., 2019), Statistical Literacy (z.B. Ridgway et al., 2018) oder Digital Literacy (z.B. Carretero et al., 2017) ist oft nicht eindeutig. Im DigComp Framework (z.B. Carretero et al., 2017) beispielsweise wird Data Literacy als Teilkompetenz digitaler Kompetenzen verstanden und mit Information Literacy kombiniert. Dementsprechend geht es hierbei u.a. um das Auffinden, Evaluieren und Managen von Informationen, Daten und digitalem Inhalt. Schüller et al. (2019) identifizierten sechs Kompetenzfelder, die aus dem Prozess der Datenwertschöpfung abgeleitet sind: Datenkultur etablieren, Daten bereitstellen, Daten auswerten, Ergebnisse interpretieren, Daten interpretieren, Handeln ableiten. Das Framework von Schüller et al. (2019) ist für die Hochschulbildung gedacht; dementsprechend fokussiert es auf Kompetenzen, die Studierende im Rahmen ihres Studiums erwerben sollten, und damit auf Kompetenzen, die teilweise als Spezialwissen und nicht notwendig für die gesamte Bevölkerung zu bezeichnen sind (z.B. konkrete Analysemethoden). Ziel unserer Rahmenkonzeption ist es, digitale und datenbezogene Kompetenzen zu erfassen, die für den Alltag und die Teilhabe an der Gesellschaft nötig sind. Spezial- oder Expert:innenwissen ist daher nicht Teil der Rahmenkonzeption. Analog zu Schüller et al. (2019) orientieren wir uns am Lebenszyklus von Daten. Nach unserem Verständnis umfasst Data Literacy a) Datenentstehung (mit den Teilbereichen Anwendbarkeit von Daten und Hypothesengenerierung, [wissenschaftliche] Datengenerierung, Datenschutz und -sicherheit, Algorithmen als Informationsfilter), b) Datenverarbeitung und -auswertung (Datenaufbereitung, Datenauswertung), c) Datenvisualisierung und -verbalisierung (Visualisierung von Daten, Verbalisierung von Daten) und d) Dateninterpretation und -kommunikation (Interpretation von Daten und Datenanalysen, Kommunikation von Daten und Datenanalysen). Basierend auf dieser Konzeption wurden 157 Items mit geschlossenem Antwortformat (Single-Choice, Verifikationsaufgaben, Drag & Drop) entwickelt und im Rahmen einer Pilotstudie einer Ad-hoc-Stichprobe von 208 Personen im Alter von 16-69 Jahren vorgelegt. Die Teilnehmenden (40,4% männlich, 55,8% weiblich, 1,9% divers) waren im Mittel 33,2 Jahre alt (SD=14,89). Es handelte sich um eine vergleichsweise gut ausgebildete Stichprobe: Der überwiegende Teil dieser Stichprobe besaß die Allgemeine Hochschulreife (74,0%). Knapp die Hälfte der Teilnehmenden befand sich im Studium (49,5%), 30,3% waren erwerbstätig oder nebenerwerbstätig. Die Teilnehmenden bearbeiteten in einem Balanced Incomplete Block Design vier von acht Itemblöcken à etwa 20 Items. Zusätzlich wurde die Reihenfolge der Items innerhalb eines Blocks (vorwärts/rückwärts) ausbalanciert. Die Items wurden computerbasiert vorgegeben; für die Bearbeitung jedes Itemblocks hatten die Teilnehmenden 20 Minuten Zeit. Neben soziodemografischen Variablen wurden weitere Begleitskalen erfasst, die für die vorliegende Analyse nicht relevant sind (z.B. Einstellungen). Insgesamt dauerte die Erhebung für die Teilnehmenden etwa 2 Stunden. Die entwickelten Items waren für die Stichprobe vergleichsweise leicht. Im Mittel erreichten die Teilnehmenden 82% der möglichen Punktzahl (Range: 25%-100%). Die Items wurden zunächst einer Rasch-Skalierung unterzogen. (Teil-)Items mit 100% Lösungswahrscheinlichkeit, Items mit einer punktbiserialen Korrelation (mit dem Gesamtscore) von < .15, Items mit Distraktorkorrelationen von > .05 sowie Items, deren Infit- oder Outfit-Werte gängige Schwellenwerte über- bzw. unterschritten, wurden ausgeschlossen. Die resultierenden 136 Items wurden einer Partial-Credit-Skalierung unterzogen. Diese Itemauswahl hat eine WLE-Reliabilität von .91 und deckt weiterhin die zugrundeliegende Rahmenkonzeption ab. Erste Dimensionsanalysen mit allen Items (vor Ausschluss von Items) deuten auf Mehrdimensionalität entsprechend der Bereiche der Rahmenkonzeption hin. Im Beitrag werden zudem Dimensionsanalysen des ausgewählten Itempools sowie Analysen zum Differential Item Functioning (Geschlecht, Studierende/Nicht-Studierende) vorgestellt. Paper Session
Digital natives = digitale Experten? Entwicklung eines neuen Instruments zur Messung der digitalen Kompetenz von NEPS SC8 Sekundarschülern Leibniz Institut für Bildungsverläufe, Deutschland Mit der Digitalisierung der modernen Gesellschaft hat die Kompetenz im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) zunehmend an Bedeutung gewonnen. Jüngere Generationen, die von klein auf in einer immer stärker digitalisierten Welt aufwachsen und sich fast zwangsläufig mit den Technologien und Geräten dieser neuen Umgebung vertraut machen, werden als "Digital Natives" (Prensky, 2001), "Generation Internet" oder "whiz-kids" (Lee & Chae, 2007) bezeichnet. Oft werden diese Begriffe verwendet, um ein gewisses Maß an Kompetenz im Umgang mit dem Internet und den Online-Medien zu implizieren, von dem man annimmt, dass es durch häufige Nutzung automatisch erworben wird. Andererseits weisen viele anekdotische und wissenschaftliche Belege darauf hin, dass die vielfältigen Informationen der modernen Medien und des Internets für heranwachsende Kinder und Jugendliche durchaus eine Herausforderung darstellen können. "They are not only called ‘whiz-kids’ […] but also ‘risk-kids’", konstatieren Valcke et al. (2010) und betonen, wie wichtig es ist, Kindern einen kritischen und reflektierten Umgang zu vermitteln. Um den Aspekt der kritischen Reflexion und sozialen Kommunikation im Internet zu erfassen, wurde für die Startkohorte 8 des Nationalen Bildungspanels (NEPS) ein neuer Test zur Messung der "digitalen Kompetenz" entwickelt. Der Test zielt darauf ab, das Wissen und die Fähigkeiten abzubilden, die notwendig sind, um mit den Möglichkeiten, aber auch den Risiken und Folgen der allgegenwärtigen Zugänglichkeit des Internets verantwortungsvoll umzugehen und nicht nur die Inhalte digitaler Medien zu reflektieren, sondern auch deren Wirkungsweisen zu erkennen. Damit ergänzt der neu entwickelte Test den im NEPS bereits etablierten Aspekt des Umgangs mit Technologien und Programmen, der durch die Kompetenzdomäne "ICT" repräsentiert wird. Bislang konzentrieren sich die meisten Konzepte, die Aspekte der digitalen Kompetenz beinhalten, auf das späte Jugend- und Erwachsenenalter (z. B. Digital Competence Assessment, 2009; Digital Competency Wheel, 2016; DigiComp 2.1, 2017). Wenn Schülerinnen und Schüler untersucht werden, beginnt dies in der Regel in Klasse 8 (ICILS, 2018). Während einige Aspekte dieser Rahmenkonzepte angewendet werden können, wurden andere Anforderungen als ungeeignet für die Zielgruppe der Sechstklässler erachtet. In einer Synthese und Erweiterung früherer Forschungen wurden vier Hauptfacetten mit mehreren Subfacetten für den digitalen Kompetenztest des NEPS definiert: (1) Bewertung von Informationen, die sich aus Quellenbewertung und Informationsfiltern zusammensetzt; (2) Erkennung von Absichten und Strategien mit den Teilbereichen Identifikation kommerzieller Absichten sowie Meinungsbildung in sozialen Medien; (3) Kommunikation und Interaktion, die durch das Bewusstsein für die sozialen Folgen der Interaktion und Kommunikation im Internet beschrieben wird; und schließlich (4) Datensouveränität, die sich in den Umgang mit eigenen Daten und den Umgang mit fremden Daten und geistigem Eigentum unterteilt. Die auf Basis dieser Rahmenkonzeption entwickelten Items zur Messung der digitalen Kompetenz wurden zunächst in einer Pilotstudie eingesetzt (Feldzeit November 2022 bis Februar 2023), um sie für die Erhebungen im Rahmen der Startkohorte 8 des NEPS zu erproben. Die Daten wurden in 20 Regelschulen und zwei Schulen für Kinder mit Lernschwierigkeiten in den Klassen 6 (N = 705) bzw. 8 (N = 468) erhoben. In der Pilotstudie wurde ein Pool von 60 Items mit vier verschiedenen Aufgabenformaten und realistischen Szenarien für die Altersgruppen getestet. Diese 60 Items wurden in drei Blöcke mit jeweils 20 Items unterteilt und in einem Rotationsdesign eingesetzt, sodass sowohl die Blöcke als auch die einzelnen Items innerhalb eines Blockes rotiert wurden. Ziel dieser Präsentation ist es, die Rahmenkonzeption für diesen neuen Testbereich vorzustellen und einen Einblick in die Qualität und Dimensionalität des Tests zu geben. Die Datenauswertung erfolgte mithilfe der Item-Response-Theorie. Erste Ergebnisse der Pilotstudie zeigen, dass die Items für die Schülerinnen und Schüler insgesamt eher einfach waren (mittlere Schwierigkeit = -0,49). Weiterhin stellte sich heraus, dass NEPS-Digitale Kompetenz reliabel erfasst werden kann (EAP-Reliabilität = 0,88) und sich als ein eindimensionales Konstrukt modellieren lässt. Paper Session
Was wissen Studierende über Künstliche Intelligenz? Entwicklung und Validierung eines Tests zur Messung von AI Literacy Technische Universität München Neue KI-Tools wie ChatGPT zeigen die disruptive Kraft von Künstlicher Intelligenz (KI) in vielen Bereichen unseres Lebens, unter anderem auch im Bildungssystem (Kasneci et al., 2023). Um mit den mit KI verbundenen Chancen und Herausforderungen umzugehen, benötigen Studierende ein grundlegendes Verständnis von KI und die Fähigkeit, KI-Tools zu nutzen und kritisch zu bewerten (Ng et al., 2021; Southworth et al., 2023). Diese Fähigkeiten werden häufig als AI Literacy bezeichnet (Long & Magerko, 2020; Ng et al., 2021). Um effektive Studienprogramme zu entwickeln, die AI Literacy bei Studierenden fördern, ist es notwendig, den aktuellen Stand der AI Literacy von Studierenden zu ermitteln. Zwar gibt es bereits einige AI Literacy Tests (z.B. Laupichler et al., 2023; Kong et al., 2022; Wang et al., 2022), aber viele Instrumente konzentrieren sich auf spezifische KI-Kurse, beruhen hauptsächlich auf Selbsteinschätzung oder liefern keine detaillierten psychometrischen Informationen. Das Ziel dieser Studie war es, einen AI Literacy Test zu entwickeln und zu validieren und erste Erkenntnisse über das Vorwissen von Studierenden unterschiedlicher Fächer in Deutschland zu gewinnen. In einem mehrstufigen Prozess wurden Multiple-Choice-Items zu den Kompetenzen von Long und Magerko (2020) generiert (z.B. „Distinguish between technological artefacts that use and do not use AI.”). Nach einer fachlichen Prüfung durch drei Expert:innen und einer Überprüfung der Verständlichkeit durch qualitative Interviews mit fünf Studierenden wurde eine Pilotstudie mit 24 Teilnehmer:innen durchgeführt. Die Items wurden nach jedem Schritt neu überarbeitet. Die finale Testversion wurde mithilfe einer deskripivstatistischen Itemanalyse (Itemschwierigkeit und -trennschärfe) aus der Pilotstudie zusammengestellt. Das finale Testinstrument für die Haupterhebung umfasste 30 Multiple-Choice-Aufgaben und eine Sortieraufgabe. Für die Haupterhebung wurde eine Stichprobe von N = 1286 Studierenden (58.32% männlich, 38.65% weiblich, Alter: M = 23.62, SD = 4.47) an sechs Hochschulen in Süddeutschland rekrutiert, um die Reliabilität und Validität des Tests zu überprüfen und Aussagen über den Stand der AI Literacy treffen zu können. Die Daten wurden nach der Item-Response-Theorie ausgewertet. Nach einem Vergleich von drei IRT-Modellen wurde ein 3PL-Modell als das beste Modell identifiziert. Nach Ausschluss eines Items mit geringer Trennschärfe wurden auf dieser Grundlage Personenfähigkeiten geschätzt. Die EAP-Reliabilität beträgt r = .85 (vgl. Interne Konsistenz: α = .82). Zur Überprüfung der Validität wurde gezeigt, dass AI Literacy mit theoretisch verwandten Konstrukten wie z.B. Selbstwirksamkeit, Interesse an KI und Einstellung zu KI korreliert. Außerdem wurde gezeigt, dass der Test in der Lage ist, zwischen Studierenden mit wenig und viel Erfahrung im Bereich KI (z.B. im Studium) zu differenzieren. Die Ergebnisse zeigen, dass die AI Literacy von Studierenden stark variiert, wobei die meisten Studierenden ein basales Verständnis von KI aufweisen. Die AI Literacy ist bei Studierenden mit einem technischen Studienhintergrund oder Vorerfahrungen mit KI höher. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Bedarf an effektiven KI-Kursen für ein breiteres Publikum von Studierenden besteht. Der Test eignet sich für die Nutzung im Hochschulkontext, z.B. für Screening-Surveys, zur Überprüfung von Zugangsvoraussetzungen, oder zur Evaluation von Lehrveranstaltungen. Paper Session
Förderung von digitalen Kompetenzen im Berufsschulunterricht – Eine motivationspsychologische Perspektive Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) Einleitung Digitale Technologien sind aus der Lebenswirklichkeit vieler Menschen nicht mehr wegzudenken (KMK, 2021b). Die Förderung digitaler Kompetenzen ist daher ein wichtiger Schlüssel, um den Anforderungen einer digitalisierten und vernetzten Arbeits- und Lebenswelt gerecht zu werden (vgl. Helmrich et al., 2016) und gesellschaftliche sowie berufliche Teilhabe zu ermöglichen. Insbesondere in der Berufsschule gewinnt die Förderung digitaler Kompetenzen an Bedeutung. Die Berufsschule ist neben dem Ausbildungsbetrieb in der dualen Berufsausbildung der zentrale Ort für die Förderung digitaler Kompetenzen (KMK, 2021a). Eine Voraussetzung für den Erwerb von digitalen Kompetenzen ist die Motivation von Schülerinnen und Schülern, sich mit digitalen Technologien (z.B. Learning Management Systemen, Lernanwendungen, etc.) zu beschäftigen. In diesem Beitrag untersuchen wir daher unterschiedliche Motivationsformen von Schülerinnen und Schülern im Zusammenhang mit der Nutzung von digitalen Technologien am Lernort Berufsschule. Theorie Als theoretischen Rahmen verwenden wir die Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination-Theory, SDT; Deci & Ryan, 2008). Bei der SDT handelt es sich um eine Theorie menschlichen Verhaltens und persönlicher Entwicklung (Ryan & Deci, 2017). In der SDT werden verschiedene Formen der Motivation unterschieden. Dabei werden autonom regulierte Motivationsformen („autonomous motivation“) wie die intrinsische Motivation von extrinsisch regulierten Motivationsformen („controlled motivation“) abgegrenzt und entlang eines Autonomiekontinuums („relative autonomy continuum“) angeordnet (Deci & Ryan, 2008; Ryan, 2023). Ein großer Teil der empirischen Forschung, die auf der SDT basiert, konzentriert sich auf die Untersuchung von Faktoren, die das Erleben von Freiwilligkeit und Eigeninitiative unterstützen oder erschweren (Ryan & Deci, 2017). Die SDT wurde in Studien in verschiedenen Lebensbereichen eingesetzt, z. B. in der Schule (vgl. Metaanalyse von Bureau et al., 2022), in der Erwerbsarbeit (Güntert, 2015) und bei der Gestaltung digitaler Technologien (Chiu, 2021). SDT-basierte Studien legen nahe, dass Schülerinnen und Schüler, die autonom-reguliert handeln bzw. selbstbestimmt motiviert sind, über ein höheres Wohlbefinden berichten, über mehr Ausdauer verfügen und schulisch erfolgreicher sind (Bureau et al., 2022). Fragestellung Unter Rückgriff auf die SDT stellen wir für diesen Beitrag folgende Forschungsfrage: Was motiviert Schülerinnen und Schüler beim Einsatz von digitalen Technologien in der Berufsschule? Methode Zur Erhebung von qualitativen und quantitativen Befragungsdaten führen wir sowohl (1) Gruppendiskussionen mit Berufsschullehrkräften als auch (2) eine Befragung von Berufsschülerinnen und -schülern in dualen Berufsausbildungen mit einem Online-Fragebogen durch. Gruppendiskussionen. Die Gruppendiskussionen (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2021) wurden im zweiten Quartal 2023 mit Hamburger Berufsschullehrkräften in Präsenz durchgeführt und per Tonaufnahme dokumentiert. Die Auswertung der Transkripte folgt der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse in Anlehnung an Kuckartz und Rädiker (2022). Online-Befragung. Mit dem Online-Fragebogen befragen wir etwa 6.000 Schülerinnen und Ergebnisse Die Gruppendiskussionen mit den Berufsschullehrkräften lassen erwarten, dass die in der SDT adressierten psychologischen Grundbedürfnisse nach Autonomie- und Kompetenzerleben sowie sozialer Eingebundenheit (Ryan & Deci, 2020) auch im Berufsschulunterricht zur Entwicklung digitaler Kompetenzen gefördert werden. Inwieweit die Einschätzungen der ausgewählten Berufsschullehrkräfte mit den Erfahrungen der Berufsschülerinnen und -schüler übereinstimmt, werden erste Auswertungen der Online-Befragung voraussichtlich im ersten Quartal 2024 zeigen. Diese Untersuchung ist Teil des Projektes „Kompetenzen für die digitale Arbeitswelt (KoDiA) – Ertüchtigung zur Digitalisierung“ (Laufzeit 2021-2024) (Kodia, 2023). Das Vorhaben wird durch dtec.bw – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr gefördert. dtec.bw wird von der Europäischen Union – NextGenerationEU finanziert. |
15:20 - 17:00 | 3-20: Soziale Ungleichheiten in der schulischen Bildung Ort: S24 |
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Paper Session
Wenn sie nur wollen? Eine Individual Participant Data-Meta-Analyse zum Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und Merkmalen der Leistungsmotivation von Schüler:innen Universität Potsdam, Deutschland Theoretischer Hintergrund Die Leistungsmotivation von Schüler:innen spielt eine wichtige Rolle für ihr Lernverhalten und bestimmt ihren Bildungs- und Berufserfolg (Quílez-Robres et al., 2021). So konnte in Meta-Analysen gezeigt werden, dass Schüler:innen und Studierende mit höherer Selbstwirksamkeitserwartungen, Leistungsmotivation und höheren akademischen Selbstkonzepten bessere Leistungen aufwiesen (z.B. Multon et al., 1991; Robbins et al., 2004). Das Erwartungs-Wert-Modell nach Eccles (1983) nimmt an, dass sich die Leistungsmotivation von Schüler:innen in Abhängigkeit ihrer Erfolgserwartungen bzgl. einer Aktivität und dem beigemessenen subjektiven Wert entwickelt. Während man unter Erfolgserwartungen beispielsweise das akademische Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeitserwartung versteht, untergliedert sich die Wertkomponente in Zielerreichungswert, intrinsischen Wert, Nützlichkeit sowie die relativen (emotionalen) Kosten (Eccles, 1983). Das General Model of Relations Among Parental Influences on Children‘s Motivation von Eccles (1993) geht als Erweiterung des Erwartungs-Wert-Modells davon aus, dass der sozioökonomische Status (SÖS) beeinflusst, welche außerschulischen Erfahrungen Eltern ihren Kindern ermöglichen können (z.B. gemeinsames Vorlesen, Instrumentenunterricht, Sportvereinsmitgliedschaft, Museumsbesuche) und wie sie ihre Kinder beim schulischen Lernfortschritt unterstützen können (z.B. Hilfestellung bei Hausaufgaben). Diese Erfahrungen beeinflussen die Erfolgserwartungen und Werte, die Kinder und Jugendlichen, insbesondere auch in Bezug auf schulisches Lernen entwickeln. Dabei ist vor allem zu bedenken, dass im Vergleich zu Schüler:innen aus sozioökonomisch begünstigten Familien, Kinder aus Familien mit niedrigerem SÖS oftmals weniger Möglichkeiten haben herauszufinden, worin sie gut sind, was sie interessiert und was ihnen Spaß macht, sowie ihren Interessen und Leidenschaften nachzugehen (Eccles, 1993). Der SÖS wird typischerweise als multidimensionales Konstrukt verstanden, das sich aus dem Bildungsniveau der Eltern, dem beruflichen Status der Eltern und deren Einkommen zusammensetzt (z.B. Ditton & Maaz, 2015). Darüber hinaus ist es plausibel anzunehmen, dass eine differenziertere Erfassung bildungsrelevanter Ressourcen (z.B. Bücherbestand im Haushalt), einen vertieften Einblick geben kann, inwiefern Eltern ihren Kindern anregende Lerngelegenheiten bieten können bzw. die schulische Entwicklung ihrer Kinder fördern können. Während der Zusammenhang zwischen SÖS und schulischer Leistung bereits gut erforscht ist (z.B. Chmielewski, 2019; Liu et al., 2022; Sirin, 2005), wurde der Zusammenhang zwischen SÖS und motivationalen Merkmalen jedoch bislang kaum systematisch untersucht. Fragestellungen Um diese Lücke zu schließen, untersuchen wir aus internationaler Perspektive inwiefern SÖS und Merkmale der Leistungsmotivation zusammenhängen und ob die Stärke und Richtung des Zusammenhangs über Länder, Domänen, motivationale Merkmale, Zeit und SÖS-Indikatoren hinweg variieren. Methode Zur Beantwortung dieser Fragestellungen führen wir mit Daten des Programme for International Student Assessment (PISA 2000–2018) eine Individual Participant Data-Meta-Analyse durch (Brunner et al., 2023). Im ersten Schritt berechnen wir hierfür für jede Stichprobe pro Land die Korrelationen zwischen SÖS-Indikatoren und den motivationalen Merkmalen. Im zweiten Schritt integrieren wir die Korrelationen meta-analytisch. Als SÖS-Indikatoren wurden der höchste berufliche Status der Eltern (HISEI), das höchste Bildungsniveau der Eltern in absolvierten Bildungsjahren, der Bücherbestand im Haushalt und zur Verfügung stehende Bildungsressourcen im Haushalt (z.B. Schreibtisch, Wörterbuch) verwendet. Als Erfolgserwartungen der Leistungsmotivation nutzten wir verfügbare Daten zu domänenspezifischen akademischen Selbstkonzepten und Selbstwirksamkeitserwartungen. Als Wertkomponenten untersuchten wir die intrinsische Motivation (z.B. Interesse oder Freude am Lesen), die instrumentelle Motivation, sowie emotionale Kostenkomponenten (z.B. Mathematikangst). Die motivationalen Merkmale wurden mithilfe von Skalen erfasst, die jeweils 3 bis 9 Items umfassten und ein vierstufiges Antwortformat nutzten (z.B. 1 = stimme gar nicht zu bis 4 = stimme völlig zu). Ergebnisse Erste Ergebnisse bestätigen, dass es domänenspezifische, indikatorspezifische und merkmalsspezifische Unterschiede im Zusammenhang zwischen SÖS und motivationalen Merkmalen bei 15-jährigen Schüler:innen gibt. Über alle motivationalen Merkmale hinweg konnte der stärkste Zusammenhang mit der Anzahl an Büchern und Bildungsressourcen im Haushalt verzeichnet werden. In Haushalten mit vielen Büchern und Bildungsressourcen könnte der Wert von Bildung stärker betont werden, was die motivationalen Merkmale der Schüler:innen positiv beeinflussen könnte. Der direkte Zugang zu Büchern und anderen Bildungsressourcen könnte dabei die Lernmöglichkeiten und Lernbereitschaft der Schüler:innen erhöhen. Paper Session
Social Inequality in Adolescents’ Social, Emotional, and Behavioral Skills: Main Effects or Intersectionality? 1GESIS, Deutschland; 2Universität Trier Theoretical background One of the primary objectives of education shared by many researchers, practitioners, and policymakers is fostering skills and achievement, particularly in disadvantaged youth (e.g., Grosz et al., 2021; Kautz et al., 2014; OECD, 2019, 2021). A fundamental prerequisite for such efforts is a comprehensive understanding of existing inequalities, that is, how contextual and socio-demographic characteristics affect the level and development of skills. An established findings in educational psychology is that cognitive skills and achievement are unevenly distributed among youth (e.g., OECD, 2019). Whether the same applies to social, emotional, and behavioral skills (SEB; i.e., non-cognitive skills) is much less clear, despite the crucial role of SEB skills for academic success (e.g., Guo et al., 2022; Mammadov, 2021; Poropat, 2009). Initial studies reported small to medium-sized socio-demographic differences in SEB skills by age/grade level, gender, and/or parental SES (e.g., OECD, 2021; Guo et al., 2022; Feraco et al., 2023; Lechner et al., 2021) but are limited for the following reason. The studies predominantly focused on a single or few potential contextual/socio-demographic characteristics in isolation (e.g., SES or gender or age/grade level; for exceptions, see Feraco et al., 2023; OECD, 2021). This hinders a comparison of the relative strength of different influences on the levels of SEB skills. Even more important, it precludes examining interactions of unique constellations of (dis-)advantages in skills that arise from the simultaneous membership in multiple social categories – a concept known as intersectionality (Keller et al., 2023). Research question This study aimed to investigate social inequality, in particular intersectionality, in adolescents’ SEB skills. We considered gender, parental SES (as measured by parents’ education), adolescents’ school track, and migration background as intersecting social categories. Methods We analyzed a stratified sample of 1,664 adolescents aged 14–20 years (Mage = 17, 48% female, 33% academic background, 50% academic school track, 31% migration background). We assessed adolescents’ SEB skills using the German version of the Behavioral, Emotional, and Self-Regulatory Skills Inventory (BESSI; Lechner et al., 2022). BESSI covers five broad domains (Self-management, Emotional resilience, Cooperation, Social engagement, and Innovation) and includes 32 fine-grained SEB skill facets (e.g., stress regulation or time management). To examine intersectionality, we used the Multilevel Analysis of Individual Heterogeneity and Discriminatory Accuracy (MAIHDA) approach (Keller et al., 2023). The MAIHDA approach enables the partitioning of variance in between stratum and within stratum variance and permits partitioning of between-stratum variance into variance due to main effects and variance due to intersectionality. We conducted MAIHDA using Bayesian multilevel modelling for each respective BESSI facet and domain clustered in the 16 demographic strata. Results and Discussion On average, adolescents reported “good” to “very good” SEB skill levels. We found negligible bivariate effects of gender and migration background on SEB skills (all |ds| < 0.20) but found substantial effects of parental background and school track. These effects were especially pronounced for SEB skills of the domain Innovation (dParental Background = 0.55; dSchool Track = 0.49) favoring an academic background and school track. Regarding intersectionality, the demographic strata collectively explained up to 8.78% of the variance in SEB skills. The majority of this variance can be attributed to main effects with between 0.14% and 1.48% variance due to intersectionality. Our findings provide further insights into social inequality in SEB skills. Because we found little evidence for intersectionality, we conclude that social inequality along the lines of the socio-demographic characteristics we investigated occurs in the form of main effects. However, there is a need for further studies investigating social inequality in SEB skills to understand the underlying processes and foster the SEB skills of (disadvantaged) adolescents. Paper Session
Situationsanalyse digitaler Ungleichheit: Warum bestehen herkunftsspezifische Unterschiede in den digitalen Kompetenzen von Schüler*innen? DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Deutschland Ausgangspunkt: In Deutschland sind die sozialen Ungleichheiten im Bildungssystem besonders ausgeprägt – sowohl in den Abschlüssen, als auch in den schulischen Kompetenzen (OECD, 2019). Mit der zunehmenden Digitalisierung im Bildungsbereich entstehen zudem Dynamiken, deren Auswirkungen auf soziale Ungleichheiten bisher nur unzureichend erforscht sind. Eine dieser Entwicklungen betrifft die digitalen Kompetenzen der Schüler*innen. Dabei lässt sich beobachten, dass sowohl der Einsatz digitaler Medien, als auch der souveräne Umgang mit digitalen Medien an Bedeutung gewinnen (Drossel et al., 2019). Nicht zuletzt als Voraussetzung, um erfolgreich am immer digitalen werdenden Unterricht teilzunehmen. Theoretischer Hintergrund: Ein zentrales Ergebnis der bisherigen Forschung ist, dass die digitalen Kompetenzen von Schüler*innen in Abhängigkeit der sozialen Herkunft variieren. Während der Zusammenhang zwischen digitalen Kompetenzen und sozialem Hintergrund gut erforscht ist, sind die Ursachen dieser Disparitäten noch weitgehend unklar. Insbesondere über den Prozess des ungleichen Erwerbs digitaler Kompetenzen herrscht Uneinigkeit (Hargittai & Hsieh, 2014). Für ein umfassendes Verständnis der Entstehung von Bildungsungleichheit bietet es sich an, alle am Bildungserwerb beteiligten Akteur*innen – wie Schule, Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen – in den Blick zu nehmen. In der digitalen Ungleichheitsforschung wurde in den vergangenen Jahren zudem der Begriff des „Digital Divide“ geprägt (van Dijk, 2006). Hierbei wird zwischen dem Zugang zu digitalen Medien (first level divide) und der Nutzung digitaler Medien (second level divide) unterschieden (DiMaggio et al., 2004; Scheerder et al., 2017). Für ein umfassendes Verständnis digitalisierungsbezogener Unterschiede ist es nach Helsper (2012), Senkbeil (2018), sowie Van Deursen und van Dijk (2014) zudem empfehlenswert, über die digitalisierungsbezogenen Ressourcen hinaus auch motivationale Aspekte in den Blick zu nehmen. Fragestellung: Ziel des vorliegenden Beitrags ist es die Entstehung herkunftsspezifischer Unterschiede in den digitalen Kompetenzen von Schüler*innen zu untersuchen. Dabei soll die Rolle der verschiedenen Akteur*innen und ihre digitalen Ressourcen herausgearbeitet werden. Hierzu ist es zunächst erforderlich, das Ausmaß der digitalen Unterschiede bei den verschiedenen Akteur*innen systematisch zu ermitteln und anschließend in einem integrativen Modell, den Einfluss der Akteur*innen und ihrer digitalen Ressourcen auf die herkunftsspezifischen Unterschiede im Erwerb digitaler Kompetenzen zu untersuchen. Daten und Methoden: In dem vorliegenden Beitrag verwenden wir die Daten der ICILS-Studie 2018 (Eickelmann et al., 2019; IEA, 2019). Hierbei handelt es sich um eine repräsentative Schulleistungsuntersuchung bei der die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schüler*innen der achten Jahrgangsstufe untersucht wurden. In der Analyse gehen wir in zwei Schritten vor. Zunächst wird deskriptiv dargelegt, inwieweit sich die Rahmenbedingungen für den Erwerb computer- und informationsbezogener Kompetenzen zwischen den verschiedenen sozialen Herkunftsgruppen unterscheiden. Anschließend untersuchen wir auf Basis von OLS-Regressionen inwieweit die Ursachen der herkunftsspezifischen Unterschiede auf Schüler*innenebene, auf Elternebene oder auf Schulebene zu finden sind. Ergebnisse: Die empirischen Analysen zeigen, dass insbesondere auf Schüler*innenebene im Zugang und der Nutzung digitaler Medien herkunftsspezifische Unterschiede bestehen. Zudem unterscheiden sich die Unterstützungsmöglichkeiten im Elternhaus nach sozialer Herkunft. Auf Schulebene finden wird dagegen nur geringe Hinweise auf herkunftsspezifische Unterschiede in der digitalen Ausstattung und der Nutzung digitaler Medien. Die Ursache für die herkunftsspezifischen Unterschiede in den digitalen Kompetenzen sind daher vorwiegend auf Schüler*innen- und Elternebene zu suchen und weniger in Ausstattungsunterschieden der Schulen begründet. Paper Session
Soziale Herkunft, ganztägige Betreuung und Kompetenzentwicklung von Grundschulkindern LMU München Bildungserfolg und gesellschaftliche Positionierung sind vor allem in Deutschland eng mit der sozialen Herkunft verknüpft (Ehmke & Jude, 2010; Faller, 2019; OECD, 2021; Shavit et al., 1998). Als eine Maßnahme zur Reduktion solcher herkunftsbedingten Unterschiede wurden wiederholt ganztägige Betreuungsformen diskutiert, die erhoffte "homogenisierende Wirkung der Schule" (Bourdieu & Passeron, 1971, S. 28) aber nur selten differenziert untersucht (Fischer & Kielblock, 2022; Linberg et al., 2018; Steinmann et al., 2019). Klassischen theoretischen Ansätzen (Bourdieu, 2012; Bourdieu & Passeron, 1971; Coleman, 1966, 1988) und empirischen Befunden (Fend, 1981; Hattie, 2009) folgend, wird die Internalisierung kulturellen Kapitals oftmals durch die in unterschiedlichen Bildungskontexten (z.B. Schule, Hort, Elternhaus) verbrachte Zeit operationalisiert. Ebenso wichtig erscheinen jedoch die Qualität und Intensität dort stattfindender Aktivitäten und Interaktionen (Bourdieu, 2012; Coleman, 1988; Steinmann et al., 2019). Ziel unseres Beitrags ist daher, den in hierzu bislang vorliegenden Forschungsarbeiten reduzierten Fokus auf rein zeitliche und linear angenommene Kompensationseffekte von Beschulungs- bzw. Betreuungsangeboten (Bos et al., 2010; Steinmann et al., 2019) auf die Kompetenzentwicklung von Schüler:innen um Aspekte der Betreuungsqualität und -intensität zu erweitern. Die soziale Herkunft, d.h. vor allem die damit assoziierten ökonomischen und kulturellen Ressourcen, bildet ein zentrales und zugleich vielschichtiges Konzept in der empirischen Bildungsforschung (Breen et al., 2012; Marks & O’Connell, 2021; Müller & Gangl, 2006; Sirin, 2005). Der elterliche Bildungsstand und sozioökonomische Status gelten, auch durch einschlägige Forschungsempfehlungen (APA, 2007; OECD, 2018; Reiss et al., 2019; U.S. Department of Education, 2012), als die wohl meistverwendeten Kontrollvariablen der Bildungsforschung (Breen & Jonsson, 2005; Sirin, 2005; Thomson, 2018). Die entsprechende Modellauswahl folgt dagegen eher einer "Mimikry bisher veröffentlichter Werke" (Thaning & Hällsten, 2020, S. 536) als einer expliziten methodischen Diskussion (Bukodi & Goldthorpe, 2013; Lee et al., 2019; Ludwig-Mayerhofer et al., 2020; Meraviglia & Buis, 2015). Dabei kann die Operationalisierung von "Hintergrundvariablen" (Schneider, 2016, S. 41) einen erheblichen Einfluss auf die Resultate einer Hauptuntersuchung haben (Burnham et al., 2002; Harwell et al., 2017; Blossfeld, 2019). Unser Beitrag zeigt anhand longitudinaler Daten aus dem Nationalen Bildungspanel (NEPS, Startkohorte 2; Artelt & Sixt, 2023; Blossfeld & Roßbach, 2019), dass die Entwicklung mathematischer Kompetenzen von Grundschulkindern sowohl mit den bereits zu Beginn der Schulzeit unterschiedlichen Kompetenzniveaus (β=0.55; p<0.01; R²=0.20) als auch mit den ökonomischen Ressourcen (β=0.27; p<0.01; R²=0.07) und dem Bildungshintergrund der Eltern (=0.2<β<0.50; p<0.01; R²=0.08) einerseits zusammenhängt, andererseits aber auch komplex und nicht-linear interagiert. Die Modellanpassungsgüte und Effektstärken unterscheiden sich daher deutlich zwischen den, nach Kompetenzniveau und sozialer Herkunft differenzierten, Untersuchungsgruppen (0.12≤β≤0.38; p<0.05; 0.01≤R²≤0.40). Die in diesem Beitrag präsentierten Teilergebnisse aus dem DFG-Projekt [Anonymisiert] können so teilweise die gesellschaftlich erhofften, kompensatorischen Effekte von Schule belegen. Daneben finden sich aber auch verstärkende, oft als „Matthäus-Effekt“ (Merton, 1988) zusammengefasste, Einflüsse qualitativ unterschiedlicher Betreuungsformen. Die Wirkung von Ganztagsbeschulung, Hortbetreuung oder auch einfacher Mittagsbetreuung variiert zudem abhängig vom Kompetenzniveau und der sozialen Herkunft der Grundschulkinder. Schon zu Beginn der Schulzeit unterdurchschnittlich kompetente Schüler:innen mit niedriger sozialer Herkunft zeigen bis zum Ende der Grundschulzeit kaum Veränderungen in den Kompetenzen relativ zur Gesamtkohorte, während Schüler:innen hoher sozialer Herkunft deutlich aufholen. Demgegenüber können anfänglich überdurchschnittlich kompetente Kinder hoher sozialer Gruppen ihr Niveau über die Grundschulzeit halten, während sich bei Schüler:innen mit niedriger sozialer Herkunft im gleichen Zeitraum der Kompetenzvorsprung deutlich verringert. Unser Beitrag zeigt, dass eine parametrisch nicht-lineare Modellierung des kulturellen und ökonomischen Hintergrunds theoretisch und methodisch notwendig ist, um hierbei relevante Wirkmechanismen herausstellen und differenzielle Effekte unterschiedlicher Betreuungsformen auf die herkunftsspezifische Kompetenzentwicklung im Zeitverlauf nachweisen zu können. Dadurch gelingt es nicht nur, die entsprechenden Bildungs- und Selektionsprozesse besser zu verstehen. Vielmehr geben unsere Befunde auch Hinweise darauf, gezielt Partizipationsprozesse anzustoßen und Bildungsangebote so zu gestalten, dass herkunftsbedingten Bildungsungleichheiten entgegengewirkt werden kann. |
Datum: Dienstag, 19.03.2024 | |
10:30 - 12:10 | 4-20: Experimentieren im MINT-Kontext Ort: S24 |
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Paper Session
Effects of Video Modeling Examples and Reflection Instruction on Scientific Reasoning Products and Reflection Quality during Inquiry Learning 1University of Potsdam; 2Leibniz Institut für Wissensmedien Inquiry learning actively engages students in experimentation when learning science, thereby students can gain scientific reasoning skills in addition to conceptual knowledge. Two scientific reasoning products, relevant to inquiry learning, are the hypotheses students develop before experimenting and the argumentation in their written explanations. Difficulties during inquiry learning can arise from a lack of scientific reasoning or a lack of self-regulation (Omarchevska et al., 2022a) and inquiry learning is only effective when appropriately guided (Lazonder & Harmsen, 2016). Guidance integrating scientific reasoning and self-regulation was effective for knowledge acquisition (Eckhardt et al., 2013) and scientific reasoning (Omarchevska et al., 2022b). Omarchevska et al. (2022b) showed that video modeling (VM) examples that integrated scientific reasoning and self-regulation instruction improved students’ hypothesis and argumentation quality and their self-regulation of scientific reasoning processes. Eckhardt et al. (2013) showed that reflecting on the inquiry process and outcomes was effective for gaining domain knowledge. The present study investigated whether VM examples, reflection instruction, or their combination is more effective for enhancing hypothesis and argumentation quality. We also investigated the interventions’ effect on students’ reflection quality. We hypothesized that VM and reflection > VM > reflection > control. Participants were 173 students (Mage = 24.3 years, SD = 3.5) from a German university. The experiment had a 2x2 design with reflection instruction and VM as factors: reflection (n = 44), reflection + VM (n = 44), VM (n = 44), control, n = 41. All participants solved a training task with a simulation about photosynthesis without guidance. This task familiarized participants with inquiry using simulations and provided the basis for reflection in the two reflection conditions. The experimental manipulation followed this task. Participants in the VM conditions watched three VM examples that modeled scientific reasoning and self-regulation principles (Omarchevska et al., 2022b), participants in the reflection conditions reflected on their inquiry practices (Eckhardt et al., 2013), and participants in the combined condition first reflected and then watched the VM examples. Then, all participants worked on a transfer inquiry task about energy conversion and wrote a reflection. In both tasks, participants were given a research question, they wrote down a hypothesis (hypothesis quality), collected data using the simulation, and wrote an answer to the research question (argumentation quality). The dependent variables were scored by two raters. Hypothesis quality (α = .74) was measured by the testability and the correctness (Omarchevska et al., 2022a, b), and argumentation quality (α = .82) was scored based on the claim, evidence, and reasoning (McNeil et al., 2006). We developed a coding scheme measuring reflection quality (α = .78) in three categories (systematicity, process, and outcome) on three levels (description, justification, critique). We used three contrasts to test our hypotheses: C1 (1, -1, 0, 0), C2 (1, 1, -2, 0), and C3 (1, 1, 1, - 3). Contrast analyses showed that hypothesis quality in the transfer task was higher for all experimental conditions than the control (C3), t(163) = 2.207, p = .029, but the three experimental conditions did not differ. Reflection quality, particularly the process, was significantly higher in the VM conditions than reflection condition (C2), t(160) = 2.240, p = .026. Our findings indicate that instruction integrating scientific reasoning and self-regulation was effective for improving hypothesis quality, in line with Omarchevska et al. (2022b). The way this integration was delivered, either using video modeling examples or reflecting on the inquiry process, was equally effective and no benefit of combining instruction was observed. Furthermore, video modeling improved reflection quality possibly by providing more guidance during reflection, extending prior research on video modeling and self-regulation (Omarchevska et al., 2022b). Paper Session
Interaktion kognitiver Fähigkeiten beim Experimentieren Pädagogische Hochschule Freiburg, Deutschland Die Förderung experimenteller Kompetenzen ist ein zentrales Ziel naturwissenschaftlicher Bildung (Abd-El-Khalick et al., 2004). Entsprechend wird ein großer Teil der Unterrichtszeit für die Planung, Durchführung und Auswertung von Experimenten verwendet (Börlin, 2012; Tesch, 2005). Dieser Aufwand steht im Kontrast zur geringen Lerneffektivität von Schülerexperimenten (Schwichow et al., 2016; Börlin, 2012). Ohne auf sie zugeschnittene Unterstützungsmaßnahmen scheitern Lernende häufig an der Komplexität experimenteller Aufgaben (Lazonder & Hamsen, 2016; Belland et al., 2017; Furtak et al., 2012). Um die Lerneffektivität von Schülerexperimenten zu steigern, müssen daher die typischen Schwierigkeiten von Lernenden beim Experimentieren bekannt sein. Bisherige Forschungsarbeiten fokussieren auf die Rolle einzelner Teilfähigkeiten, wie der Fähigkeit kontrollierte Experimente zu planen (Schwichow et al., 2016), oder versuchen, die Unterstützung in einzelnen Teilprozessen, wie der Hypothesengenerierung, zu optimieren (z.B. Kuang et al., 2023). Durch die isolierte Betrachtung einzelner Teilprozesse und Fähigkeiten ist jedoch unklar geblieben, welche Fähigkeiten in den verschiedenen Teilprozessen des Experimentierens wichtig sind und inwiefern Abhängigkeiten (Kovarianzen) zwischen ihnen bestehen. In der vorliegenden Studie betrachten wir daher den Einfluss der Fähigkeit zum funktionalen Denken, zur Variablenkontrolle und des Fachwissens auf die Performanz beim Experimentieren. Diese Fähigkeiten wurden auf Basis vorheriger Arbeiten (Nehring et al., 2015; Becker et al., 2019; Schwichow et al., 2016) und dem ModellScientific Discovery as Dual Search (SDDS; van Joolingen & de Jong, 1997) ausgewählt. Van Joolingen und de Jong (1997) diskutieren zudem potenzielle dispositionelle Faktoren, etwa den Einfluss von Misserfolgsängsten der Lernenden auf das Experimentieren. Fraglich ist, ob diese dispositionellen Faktoren auch nach Berücksichtigung kognitiver Variablen zusätzliche Varianz aufklären. Methode Die genannten Forschungsfragen wurden in einerpräregistrierten (https://osf.io/6wspv) randomisiertenOnline-Interventionsstudie mit 232 jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 22 Jahren untersucht. Es wurden fünf kognitive (Fachwissen, Variablenkontrolle, funktionales Denken sowie allgemeine kognitive Fähigkeiten und kognitive Belastung als Kovariaten) und neun dispositionelle Variablen (Interesse, Selbstkonzept, Motivation und sechs Persönlichkeitsdimensionen) erhoben. DieTestpersonen durchliefen Interventionen zum Fachwissen (Wissen zum Auftrieb in Flüssigkeiten), zur Variablenkontrolle und zum funktionalen Denken. Die Reihenfolge der Interventionen wurde in sechs Versuchsgruppen randomisiert. Als abhängige Variable wurde via Web-App die Performanz in einer Transferaufgabe erhoben, in der die Testpersonen herausfinden sollten, wie ein Cartesischer Taucher funktioniert. Auf der Grundlage von sieben Metriken (Qualität der ersten Hypothese und der schriftlichen Beschreibung der Wirkmechanismen des Cartesischen Tauchers, Anteil aussagekräftiger Experimente sowie Punkte in einem Wissenstest, in Aufgaben zur Bestimmung von Variableneinflüssen und Variablenzusammenhängen und in einer Sortieraufgabe bezüglich unabhängiger und abhängiger Variablen) wurde ein Faktorscore berechnet, der die jeweilige experimentelle Kompetenz repräsentiert. Die Daten wurden mittels theoriegeleiteter hierarchischer multipler Regressionen ausgewertet. Ergebnisse Es zeigt sich, dass Fachwissen, die Fähigkeit zur Variablenkontrolle und zum funktionalen Denken auch unter Einbezug allgemeiner kognitiver Fähigkeiten substanzielle Prädiktoren für erfolgreiches Experimentieren sind (R² = .51). Die Aufnahme der weiteren kognitiven und dispositionellen Variablen führt lediglich zu einer moderaten Verbesserung der Modellparameter (R² = .57), was die Bedeutung der drei Kernfähigkeiten unterstreicht. Auch wenn dispositionelle Fähigkeiten beim Erwerb von Fähigkeiten eine Rolle spielen, legen die Ergebnisse nahe, sich bei der Gestaltung von Lernumgebungen auf die Unterstützung bei kognitiven Anforderungen zu konzentrieren. Die mittelhohen Korrelationen (r ~ .45) zwischen den drei Kernfähigkeiten legen zudem nahe, dass Defizite in einer Fähigkeit häufig mit Defiziten in anderen Fähigkeiten einhergehen. Lernumgebungen sollten daher global im Schwierigkeitsgrad anpassbar sein, z. B. durch Reduktion von Variablen und Vereinfachung von Lernzielen. Weitere regressionsanalytische Verfahren zeigen, wie kognitive Fähigkeiten mit Teilprozessen während des Experimentierens zusammenhängen. Beispielsweise zeigt sich, dass die Fähigkeit zum funktionalen Denken für das Erkennen und Charakterisieren von Variablenbeziehungen relevant ist. Lernende mit Defiziten in diesen Fähigkeiten sollten daher bei der Interpretation ihrer Ergebnisse unterstützt werden, indem z. B. zusätzliche Repräsentationsformen angeboten werden. Weitere Ergebnisse und deren Implikationen für Forschung und Praxis werden diskutiert. Paper Session
Bearbeitungsprozesse von Studierenden in einer aufgabenbasierten Lernumgebung zur Physik 1Technische Universität München; 2Justus-Liebig-Universität Gießen Theoretischer Hintergrund und Fragestellungen Von Hochschulen werden digitale Lernangebote u. a. zum Ausbau fachspezifischer Vorkenntnisse angeboten, die Lernende nach eigenen Bedürfnissen selbstbestimmt bearbeiten können. Empirische Befunde deuten darauf hin, dass die selbstbestimmte Bearbeitung von digitalen Lernangeboten häufig nicht sehr persistent erfolgt (Levy, 2007; Kizilcec & Halawa, 2015). Ein Grund dafür könnte sein, dass die Bearbeitung hohe Anforderungen an Fähigkeiten der Selbstregulation stellt (u. a. Greene et al., 2011; Winters et al., 2008). Studien zum selbstregulierten Lernen nehmen bisher vor allem informationsbasierte Lernumgebungen (LU) in den Blick (z. B. Azevedo et al., 2007; DiBenedetto & Zimmerman, 2010; Schleinschok et al., 2017), welche sich auf das Präsentieren und Erläutern von Inhalten fokussieren (z. B. Hypermedia). Vergleichsweise wenig untersucht sind (Regulations-)Prozesse, die sich bei der Bearbeitung von aufgabenbasierten LU einstellen, welche neben instruktionalen Texten verschiedene Aufgaben enthalten, die beispielsweise das Anwenden und Üben von Inhalten erfordern. An diesem Desiderat setzt das Vorhaben mit folgenden Forschungsfragen (FF) an: FF1: Wie bearbeiten Studierende selbstreguliert eine aufgabenbasierte LU? FF2: In welcher Beziehung stehen Bearbeitungsprozesse und Dispositionen der Studierenden (Vorwissen, Selbstwirksamkeit, etc.) sowie deren Lernzuwachs? Methodisches Vorgehen Die Studie ist als Ein-Gruppen-Prä-Post-Design konzipiert, in dem vor und nach der Bearbeitung einer aufgabenbasierten, digital implementierten LU zum physikalischen Themengebiet Mechanik verschiedene Dispositionen von Studierenden erfasst werden. Insgesamt sechs thematische Blöcke umfassen verschiedene Instruktionselemente, die in beliebiger Reihenfolge und Schwerpunktsetzung bearbeitet werden können: kurze instruktionale Texte; Beispiele; Kurzaufgaben mit zugehöriger Lösung; Übungsaufgaben, die zusätzlich in unterschiedlichen Anforderungsbereichen ausgewiesen sind; Testaufgaben im Multiple-Choice-Format mit Rückmeldung (richtig/falsch). Um einen grundsätzlichen Anreiz zur Bearbeitung der LU zu schaffen, wurde diese in einem Präsenzvorkurs angeboten und dort Daten mit einer Stichprobe von 55 angehenden Studierenden mit Kernfach Physik erhoben. Die Studierenden arbeiteten an zwei Tagen für jeweils ca. 90 Minuten selbstbestimmt in der LU. Hierbei wurden eingegebene Lösungen gespeichert und das Navigationsverhalten in Logdateien protokolliert. Die Bearbeitungsprozesse wurden mittels einer latenten Profilanalyse klassifiziert, die in einem ersten Zugang auf einen Parameter des Prozesses fokussiert: die Bearbeitungsdauer einzelner Instruktionselemente im Verhältnis zur gesamten Bearbeitungsdauer. Vor der Bearbeitung der LU wurden das Fachwissen im Bereich der Mechanik sowie Dispositionen erhoben, die im Kontext des selbstregulierten Lernens relevant erscheinen (Fähigkeitsselbstkonzept, Selbstwirksamkeit, Selbstwertkontingenz, Zielorientierung, Fachinteresse). In einem Posttest nach der Bearbeitung der LU wurde erneut das Fachwissen erhoben. Die verwendeten Instrumente wurden ausgehend von bestehenden Instrumenten für das Fach Physik adaptiert; eine Prüfung der psychometrischen Kennwerte im Rahmen der Rasch-Modellierung zeigte eine gute Qualität der Messung. Um Unterschiede zwischen Bearbeitungsprozessen bzgl. Dispositionen bzw. Lernzuwachs zu untersuchen, wurde eine einfaktorielle ANOVA durchgeführt. Erste Ergebnisse Bei den Studierenden stellt sich ein deutlicher Lernzuwachs zwischen Prä- und Posttest ein (t(54) = 3.574, p < .001, d = 0.48), der auf eine lernwirksame Nutzung der LU hinweist. Die Bearbeitungsprozesse der Studierenden lassen sich vier plausiblen Aktivitätsprofilen zuordnen, wobei sich jedes durch gewisse Hauptaktivitäten auszeichnet: Profil A (50% Instruktionen, 13 Studierende), Profil B (35% Tests und 30% Instruktionen, 29 Studierende), Profil C (40% Übungsaufgaben, 8 Studierende) und Profil D (50% Kurzaufgaben, 5 Studierende). Hierbei konnte ein mittlerer, jedoch nicht signifikanter, Haupteffekt der Profilzugehörigkeit auf den Lernzuwachs beobachtet werden (F(3, 51) = 1.377, p = .260, η2 = 0.075). Bezogen auf die Dispositionen liegen mit einer Ausnahme keine Unterschiede zwischen Studierenden unterschiedlicher Aktivitätsprofile vor: Studierende, die überwiegend Instruktionen bearbeiten (Profil A), sind deutlich weniger annäherungsleistungszielorientiert als Studierende, die überwiegend Aufgaben bearbeiten (Profil C, d = -1.08, p = .079 bzw. Profil D, d = -1.12, p = .079). Dies scheint plausibel, da annäherungsleistungszielorientierte Studierende ihre Fähigkeiten demonstrieren und validieren möchten, was sich durch Bearbeiten von Aufgaben eher als durch Lesen von Texten erzielen lässt. Die Ergebnisse werden auf der GEBF 2024 diskutiert. Paper Session
Förderung von subjektivem Aufgabenwert durch Experimente im Mathematikunterricht 1Universität Potsdam/Institut für Mathematik, Deutschland; 2Otto-von-Guericke Universität Magdeburg Mathematisches Modellieren ist eine der Grundkompetenzen des Mathematiklernens (KMK, 2022). Beim mathematischen Modellieren werden Probleme der realen Welt, z. B. des Alltags, mathematisiert, eine mathematische Lösung erarbeitet, welche dann auf die reale Situation übertragen und der gesamte Lösungsprozess validiert wird. Trotz der hohen Relevanz für das gesellschaftliche Leben zeigen Studien, dass Schüler:innen innermathematische Aufgaben gegenüber Modellierungsaufgaben bevorzugen (Krawitz & Schukajlow, 2018). Die Erwartungs-Wert-Theorie nach Eccles und Wigfield (2020) befasst sich mit der Wirkung des subjektiven Aufgabenwerts. Dieser wird häufig in vier Komponenten unterteilt: der Wert der wahrgenommenen Wichtigkeit, der intrinsische Wert, die Nützlichkeit und die Kosten (Eccles & Wigfield, 2020). Den subjektiven Aufgabenwert von Modellierungsaufgaben durch den Einsatz von selbständig durchgeführten Experimenten zu steigern, steht im Fokus dieses Beitrags. Beumann (2016) zeigt in einer explorativen Studie, dass Experimente verknüpft mit Modellierungsaufgaben das situationale Interesse steigern können. Ganter (2013) begründet die Vorteile des Experimentierens in Verbindung mit Modellierungsaufgaben damit, dass authentische Erlebnisse Realitätsbezüge ermöglichen. Bisher ist jedoch noch unklar, welche Komponenten des subjektiven Aufgabenwerts mit der Einbettung von Experimenten gesteigert werden können: Inwiefern unterscheidet sich der subjektive Aufgabenwert bei Modellierungsaufgaben mit Experiment im Vergleich zu Modellierungsaufgaben ohne Experiment? Zur Beantwortung dieser Frage wurde ein Interventions-Kontrollgruppen-Design entwickelt. Die Interventionsbedingung „Modellierungsaufgabe mit Experiment“ soll mit zwei Kontrollbedingungen verglichen werden: „Modellierungsaufgabe mit realen Daten“ und „Modellierungsaufgabe mit geglätteten Daten“. Somit wird untersucht, ob bereits reale Daten authentische Erlebnisse ermöglichen und diese aufgrund des Reliabilitätsbezugs mit einem Unterschied im subjektiven Aufgabenwert einhergehen. Die Modellierungsaufgabe behandelt den Bierschaumzerfall von Malzbier, der mit einer Exponentialfunktion modelliert werden kann. Insgesamt nahmen 190 Schüler:innen aus neun Klassen an dieser Studie teil – n = 95 Interventionsgruppe Experimente, n = 39 Kontrollgruppe 1 reale Daten und n = 56 Kontrollgruppe 2 geglättete Daten. Die Bedingungen wurden klassenweise randomisiert. Die Schüler:innen bearbeiteten im Zeitfenster von 90 Minuten zunächst paarweise eine Modellierungsaufgabe, die sich in den drei Bedingungen nur darin unterschied, ob ein Experiment durchgeführt und mit welchen konkreten Daten modelliert wurde. Im Anschluss wurde mittels Fragebogen der subjektive Aufgabenwert erfasst. Für die vier Komponenten wurden erprobte, leicht angepasste Skalen à vier Items verwendet (sechs-stufige Likert-Skala von 1 = trifft nicht zu bis 6 = trifft zu), z.B. „Die Aufgabe hat mich erschöpft“ für die Skala Kosten (Dietrich et al., 2019, Cronbachs α > .79). Zur Analyse der Daten wurde eine MANOVA mit Bonferroni-korrigierten post-hoc Tests in SPSS 29 durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten Unterschied bezüglich der Bedingung (Wilks-Lambda = 0.85, F(8, 368) = 3,767, p < .001, η² = .076). Für den „Intrinsischen Wert“ ergibt sich ein signifikanter Unterschied mit mittlerem Effekt (p < .05, Cohen’s d = 0.508) zwischen den Bedingungen Experiment und geglätteten Daten, zugunsten der Aufgabe mit Experiment. Für den Wert der „Kosten“ wird ein signifikanter Unterschied zwischen den Bedingungen Experiment und realen Daten mit knapp mittlerem Effekt (p < .05, Cohens’ d=0.491) angezeigt. Dieser Effekt wirkt sich in höherer Bewertung der „Kosten“ bei der Aufgabe mit realen Daten aus. Alle anderen paarweisen Vergleiche waren nicht signifikant. Erwartungskonform aufgrund der Ergebnisse von Beumann (2016) zeigt sich, dass Schüler:innen mehr Freude bei der Bearbeitung von Modellierungsaufgaben mit Experiment berichteten als bei Modellierungsaufgaben mit geglätteten Daten. Bemerkenswert ist jedoch, dass die empfundenen Kosten bei den Modellierungsaufgaben mit realen Daten höher waren als bei der Modellierungsaufgabe mit dem selbstdurchzuführenden Experiment. Die Ergebnisse dieser Studie sind limitiert, da auf Klassenebene randomisiert wurde und die Stichprobe relativ klein ist. Die Ergebnisse sind ein erster Schritt zu verstehen, wie Modellierungsaufgaben mit Experimenten den subjektiven Aufgabenwert positiv beeinflussen können. |
13:10 - 14:50 | 5-20: Naturwissenschaftlich-technische Bildung Ort: S24 |
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Paper Session
Analyse adressatenorientierter Kommunikation in chemiebezogenen Schüler*innentexten Freie Universität Berlin, Deutschland Theoretischer Hintergrund Als zentralem Baustein von Scientific Literacy wurde der naturwissenschaftlichen Kommunikation in den Bildungsstandards (z.B. für das Fach Chemie s. KMK, 2005) ein eigenständiger Kompetenzbereich zugewiesen (Norris & Phillips, 2003). Ein in der naturwissenschaftsdidaktischen Forschung wenig bearbeitetes Feld ist die Fähigkeit zum adressatenorientierten Kommunizieren. Mit Blick auf die Bedeutsamkeit adressatengerechter Kommunikation für die Teilhabe an gesellschaftlichen Diskursen (KMK, 2005) erscheint das überschaubare Forschungsinteresse verwunderlich. Becker-Mrotzek et al. (2014) haben Adressatenorientierung als zentralen Teilaspekt von Schreibkompetenz identifiziert. Kulgemeyer und Schecker (2009) illustrieren Adressatenorientierung in ihrem konstruktivistischen Kommunikationsmodell mithilfe von vier Dimensionen: (1) (sprachlicher) Code, z.B. Verwendung von Fachtermini, passivischer Satzbau (2) Aspekte des Sachinhalts, z.B. Auslassen redundanter Aspekte (3) Kontext, z.B. Nutzung von Beispielen aus dem Alltag (4) Darstellungsform, z.B. Ergänzung von geschriebenem Text durch Grafiken Fragestellung Gegenwärtig konzentrieren wir unsere Arbeit auf die Forschungsfrage: Inwieweit gelingt es Schüler*innen in chemiebezogenen Texten Adressatenorientierung (1) auf sprachlicher und (2) auf sachinhaltlicher Ebene herzustellen? Methode Um die Fragestellung zu beantworten, haben wir Schüler*innen eine für den Chemieunterricht der Sekundarstufe I typische Aufgabe gestellt: Erkläre deiner Freundin, die das Thema Salze im Chemieunterricht noch nicht behandelt hat, wie sich Salz in Wasser löst. Nutze für deine Erklärung das Beispiel: Du willst Nudeln kochen und gibst Salz in das Wasser. Berücksichtige für deine Erklärung das Modell, dass Stoffe aus kleinsten Teilchen bestehen. Die Lernenden bearbeiten außerdem eine zweite, im Wortlaut identische Aufgabe und richten sich dabei mit der Erklärung an ihre Chemielehrkraft. Da die Aufgabenstellung Darstellungsform (schriftliche Erklärung) und Kontext (Salzen von Nudelwasser) vorgibt, erwarten wir, dass die Lernenden Adressatenorientierung vor allem sprachlich und sachinhaltlich herstellen. Die Kategorienbildung erfolgt deduktiv aus Literatur zu Adressatenorientierung (Becker-Mrotzek et al., 2014; Kulgemeyer & Schecker, 2009) und Fachsprachgebrauch (Jucks et al., 2003; Rincke, 2010). Anhand eines theoriegeleitet entwickelten Kategoriensystems lassen sich die entstehenden Schüler*innentexte qualitativ-inhaltsanalytisch (Mayring, 2022) auswerten. Die Vorkommen der Kategorien auf sprachlicher und sachinhaltlicher Ebene werden ausgezählt und deskriptivstatistisch sowie mittels geeigneter Testverfahren vergleichend analysiert. Ergebnisse und ihre Bedeutung 260 Texte wurden mithilfe von MAXQDA kodiert. Die Interkoderübereinstimmung liegt mit κn = 0,91 im hervorragenden Bereich (Rädiker & Kuckartz, 2019, S. 303). Bezüglich der Textlänge (Lehrkraft: 69,11 Wörter; Freundin: 69,75 Wörter) und der Satzanzahl (Lehrkraft: 9,50 Sätze; Freundin: 9,51 Sätze) unterscheiden sich die Texte an beide Adressat*innen nicht. Mit Blick auf den Gebrauch bestimmter Termini lassen sich jedoch statistisch signifikante Unterschiede zwischen beiden Adressatengruppen identifizieren: In den Texten an die Freundin werden häufiger solche Termini verwendet, die den Schüler*innen bereits vor dem Unterricht bekannt sein sollten (geladene Teilchen, Anziehung), während in den Texten an die Lehrkraft vermehrt Termini vorkommen, die im Rahmen des Unterrichts explizit neu eingeführt wurden (Ion, Hydratation). Wenn die Schüler*innen die Erklärung an die Lehrkraft richten, nutzen sie mehr Passivkonstruktionen (in 23% der Sätze vs. 17% der Sätze an die Freundin) und mehr persönliche Ausdrucksweisen (in 8% der Sätze vs. 3% der Sätze an die Lehrkraft), wenn sie ihre*n Freund*in adressieren. Hinsichtlich Auswahl und Anordnung sachinhaltlicher Aspekte des Lösevorgangs fallen die Unterschiede deutlich geringer aus. Der Aspekt „chemische Struktur von Salz und Wasser“ wird in den Texten an die Mitschüler*in öfter thematisiert, vermutlich um bestmöglich an das Vorwissen der Adressatin anzuknüpfen. Außerdem findet sich in den Texten an die Freund*in vermehrt der Aspekt „Bildung einer Hydrathülle“, welcher für das Verständnis des Lösevorgangs von zentraler Bedeutung ist. Die vorgestellte Untersuchung dient als Bestandsaufnahme der Fähigkeit von Schüler*innen zur Herstellung von Adressatenorientierung in chemiebezogenen Texten. Wenngleich es Lernenden gelingt, hinsichtlich einiger sprachlicher Merkmale von Adressatenorientierung differenziert vorzugehen, bedarf es bei der Auswahl sachinhaltlicher Aspekte zusätzlicher Förderung. Neben der Analyse von Schüler*innentexten kann das Kategoriensystem außerdem für weitere Textprodukte (z.B. Schulbuchtexte) herangezogen werden, um Adressatenorientierung einzuschätzen. Paper Session
Leistungsfach Naturwissenschaft und Technik (NwT) - Inhaltsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der gymnasialen Oberstufe Universität Stuttgart, Deutschland In nationalen und internationalen Bildungsinstitutionen wird die Notwendigkeit betont, bei Bürger:innen zukunftsrelevante Kompetenzen zu fördern, um ihnen eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft zu ermöglichen [z. B. 5, 7]. Die zu fördernden Kompetenzen im Sinne einer technischen Mündigkeit sind in einigen Rahmenwerken [9, 16, 17] festgehalten. Sie wirken sich nicht zuletzt auf neue und etablierte Schulfächer aus. Dennoch existieren nur wenige (interdisziplinäre) Fächer im deutschen Schulsystem, die Technik ganzheitlich betrachten [18]. Ein Fächeransatz aus Baden-Württemberg ist das Schulfach Naturwissenschaft und Technik (NwT) am allgemeinbildenden Gymnasium. Als Profilfach ist es seit 2007 in der Sekundarstufe I (Klasse 8 – 10) etabliert. Mit dem im Schulversuch befindlichen Leistungsfach wird den Schüler:innen im Sinne einer technischen Allgemeinbildung eine Anknüpfung in der Sekundarstufe II mit Abitur ermöglicht. Gleichzeitig wirft die Neueinführung eines Schulfachs Fragen zu dessen Umsetzung und Wirkung auf. Jedoch liegen nur wenige empirische Befunde zur Wirkung interdisziplinärer natur- und technikwissenschaftlicher Fächer am allgemeinbildenden Gymnasium vor [vgl. 3]. Ausgehend vom Angebots-Nutzungs-Modell nach Seidel [14] und vielfältig belegten allgemeinen Zusammenhängen [u. a. 6] zwischen den einzelnen Elementen der Angebots-, Nutzungs- und Ergebnisebene stehen für die Entwicklung inhaltsbezogener Kompetenzen neben den Rahmenbedingungen auf der Angebotsebene die kognitiven Einflussfaktoren [vgl. z. B. 13] primär im Fokus der Arbeit [3]. Die Operationalisierung der inhaltsbezogenen Kompetenzen über das Fachwissen orientiert sich dabei am Kompetenzmodell von Kauertz und Kolleg:innen [8] wobei für die Testentwicklung auf inhaltlicher Ebene die Bildungspläne des Profilfachs (Vorwissen aus der Mittelstufe) [11] und des Leistungsfachs (Fachwissen) [1] berücksichtigt werden. Das kognitive Anforderungsniveau der Aufgaben orientiert sich an den Operatoren der EPA-Technik [2]. Der vorliegende Beitrag nimmt die Forschungsdesiderate zur Wirkung des Leistungsfachs NwT auf und klärt die nachfolgenden Forschungsfragen anhand der zentralen Befunde aus der Dissertationsschrift des Autors:
Die Messung inhaltsbezogener Kompetenzen erfolgt stellvertretend über das Fachwissen der Schüler:innen. Dazu werden unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen Testinstrumente zum Vorwissen und Fachwissen der Schüler:innen nach der klassischen Testtheorie [s. z. B. 12] entwickelt und pilotiert. Für den Ausbau des Analysepotenzials der Skalen werden diese nach Erhalt der Daten aus zwei Erhebungsdurchgängen mittels Rasch Modellierung [10] ausgewertet. Auf Basis der geschätzten Personenfähigkeit sollen Kompetenzniveaus identifiziert werden. Zur Differenzierung der Stichprobe wird dazu das Verfahren der k-means Clusteranalyse gewählt [15]. Ergänzend zum Fachwissen flankiert die Messung der fluiden Intelligenz mittels CFT 20-R [19] die kognitiven Einflussfaktoren basierend auf der Theorie von Cattell [4]. Die Ergebnisse der Testung von nmax = 140 (w = 9.3 %, m = 90.7 %) belegen, dass sich über den Verlauf der Kursstufe eine Entwicklung des Fachwissens bei den Schüler:innen vollzieht. Gleichzeitig kann der Einfluss der kognitiven Merkmale der fluiden Intelligenz auf das Vorwissen (βIQ-VW = .495) und der Einfluss des Vorwissens auf das Fachwissen (βVW-FW = .374) durch eine vollständige Mediation (βa*b = .185) bestätigt werden. Darüber hinaus lassen sich drei trennscharfe Kompetenzniveaus über die Clusteranalyse identifizieren und anhand der kognitiven Merkmale charakterisieren. Im Vortrag werden die erhaltenen Befunde reflektiert und diskutiert, in den Kontext der bisherigen Forschung eingeordnet und Implikationen für die Bildungsadministration und die schulische Praxis abgeleitet. Paper Session
Schwierigkeitsbestimmende Aufgabenmerkmale bei Prüfungsaufgaben im technischen Bereich Universität Hamburg, Deutschland Prüfungsaufgaben spielen für die Beurteilung von Kenntnislagen Auszubildender eine entscheidende Rolle. Sie sollen die Leistungen von Individuen sowie Leistungsunterschiede in Gruppen valide erfassen. Die Kenntnislage zur Messgüte von Prüfungsaufgaben in der technischen Berufsbildung ist jedoch überschaubar (Ausnahmen bilden Untersuchungen zu schwierigkeitsbestimmenden Aufgabenmerkmalen insbesondere im beruflichen Bildungsbereich, z.B. Schumann & Eberle 2011; Nickolaus 2014). Insbesondere hinsichtlich nichtfachlicher Anforderungen ist die Kenntnislage im technischen Bereich ungenügend. Mehrere Studien zeigen, dass gerade Lesekompetenzen bei Berufsschüler/innen schwach ausgeprägt sind (z. B. Lehmann & Seeber 2007), wodurch sie einen starken Einfluss auf die Prüfungsergebnisse haben. In der Teilstudie 3 des Projekts TechKom (Technologiebasierte Kompetenzmessung und -förderung in der Erstausbildung in der Elektro- und Metalltechnik; Förderkennzeichen: 21AP011) werden Aufgabenmerkmale hinsichtlich benötigter Lesekompetenzen untersucht und die Bild-Text-Integration (z.B. Mayer & Moreno 2007; Schnotz & Bannert 2003) sowie die Textverständlichkeit (z.B. Brünken et al. 2005; Rabe & Mikelskis 2007) fokussiert. Unter dem Aufgabenmerkmal Textverständlichkeit wird in Teilstudie 3 u.a. die fakultative Kohärenzbildungshilfe, die Textlänge sowie die Anzahl der Fachbegriffe definiert. Als Bild-Text-Integration wird in Teilstudie 3 die räumliche Nähe der Informationen von Text und Bild oder der Split-Attention-Effekt definiert. Lesekompetenzen wurden bisher für den allgemeinbildenden Bereich betrachtet (z.B. Ropohl, Walpuski & Sumfleth 2015), für die technische Berufsbildung konnten nur wenige Quellen identifiziert werden (z.B. Kühn 2016). Die Teilstudie 3 des Forschungsprojekts TechKom untersucht schwierigkeitsbestimmende Merkmale von Aufgaben in den theoretischen Abschlussprüfungen der Ausbildungsberufe Mechatroniker/in, Konstruktionsmechaniker/in und Elektroniker/in für Automatisierungstechnik. Dazu wurden alle gebundenen Prüfungsaufgaben der PAL (Prüfungsaufgaben und Lehrmittelentwicklungsstelle der IHK Region Stuttgart) zu den drei genannten Berufen aus dem Zeitraum 2016 bis 2020 bezüglich schwierigkeitsbestimmender Merkmale analysiert (z. B. Lesbarkeitsindex (LIX), Bild-Text-Integration, Split-Attention-Effekt). Hinsichtlich der fokussierten Merkmale variierbare Aufgaben wurden anschließend modifiziert. Im Rahmen einer Interventionsstudie soll die Forschungsfrage beantwortet werden, ob variierte und nicht variierte Aufgaben Unterschiede in den IRT-Itemparametern aufweisen. Zu diesem Zweck wurden für jede ausgewählte Aufgabe drei Varianten erstellt, hinsichtlich 1) Textverständlichkeit, 2) Bild-Text-Integration und 3) die Kombination aus 1) und 2) und diese Auszubildenden der genannten Berufe kurz vor Ihrer Abschlussprüfung zur Bearbeitung vorgelegt. Im Vortrag werden theoretische Grundlagen, das Untersuchungskonzept sowie Ergebnisse der Hauptstudie präsentiert. Ergänzend dazu werden das entwickelte Testheftdesign sowie das digitale Erhebungsformat vorgestellt. Es liegen Daten zu allen drei o.g. Berufen vor, die klassisch und probabilistisch analysiert wurden. Präsentiert werden Daten von 376 Mechatroniker/innen. Der Einfluss der variierten Aufgabenmerkmale kann bestätigt werden, die Richtung des Einflusses (Itemparameter höher oder niedriger) ist jedoch nicht eindeutig. Diese Befundlage soll mit den Teilnehmenden diskutiert werden. Dabei soll die Diskussion sowohl die empirischen Befunde als auch die theoretischen Grundlegungen behandeln. Der Multimediaeffekt (z.B. Mayer 2009), als ein grundlegender Effekt der Zwei-Kanal-Theorie für die Bild-Text-Integration beschreibt z.B. den positiven Einfluss der parallelen Darbietung von visuellen und symbolischen Stimuli gegenüber rein symbolischen Stimuli. In Analysen der Daten aus Teilstudie 3 auf Aufgabenebene kann diese Theorie teilweise bestätigt werden, teilweise zeigen sich gegenteilige Befunde. So ergeben sich für manche Aufgaben nach Hinzufügen einer Abbildung zur Unterstützung der Entwicklung eines mentalen Modells niedrigere IRT-Itemparameter (die Aufgabe wird leichter), bei anderen Aufgaben wird der IRT-Itemparameter höher (die Aufgabe schwerer). Neben den statistischen Analysen der benannten Daten stellen wir daher auch Analyseergebnisse aus Validierungsbefragungen von fachlichen Expertinnen und Externen vor. Der Beitrag kann dem Bereich „Bildung verstehen“ des Tagungsmottos zugeordnet werden. Die Analysen der Teilstudie 3 werden auch vor dem Hintergrund subgruppenspezifischer Einflüsse durchgeführt und die erlangten Befunde in die Diskussion eingebunden. Paper Session
Modellierungsfähigkeiten als Konstrukt zur Beschreibung von Kompetenzen im Ingenieurstudium 1Universität Duisburg-Essen; 2Universität Hamburg, Deutschland Empirische Untersuchungen zu Bildungsverläufen im tertiären Bildungsbereich sind innerhalb der empirischen Bildungsforschung generell eher eine Seltenheit. Noch seltener ist das Ingenieurstudium Gegenstand bildungswissenschaftlicher Untersuchungen. Dabei wird gerade das Ingenieurstudium von jungen Menschen überdurchschnittlich oft als Hochschulbildungsweg gewählt (statista 2023). Ausnahmen für bildungswissenschaftliche Untersuchungen im Ingenieurbereich bilden u.a. die Forschungsprojekte KoM@ING und KOM-ING (beide BMBF-Förderlinie KoKoHs (KOKOHS 2023)) sowie die DFG-Forschergruppe ALSTER in der ersten Phase (ALSTER 2023). Die Projekte KoM@ING und KOM-ING fokussierten beide die Entwicklung und empirische Prüfung erster Struktur- und Niveaumodelle zu fachlichen Kompetenzen in der ersten Phase des Ingenieurstudiums und betrachteten dabei u.a. das Fach Technische Mechanik (TM). In der ALSTER-Untersuchung geht es um Prädiktoren des Studienerfolgs in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen. Untersucht werden Aspekte des Studienbeginns (z.B. Fachliches Wissen, Motivation, Lernstrategien) und deren Einflüsse auf empirisch erfassbare Aspekte des Studienerfolgs (z.B. Fachnoten aus Klausuren, Studienabbruch, Leistungen in Fachtests). Für den Bereich der technischen Studiengänge wird der Studiengang Bauingenieurwesen untersucht und hierbei ebenfalls das Fach Technische Mechanik (TM) fokussiert. Für die Messung der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Fach wurden theoretische Grundlagen und darauf aufbauend Testinstrumente entwickelt. Eine grundlegende Annahme der ALSTER-Untersuchung ist, dass neben dem fachlichen und mathematischen Wissen insbesondere die Fähigkeit zur fachspezifischen Mathematisierung den Studienerfolg im Fach TM erklärt. Kenntnisse und Fähigkeiten in der TM sind auf die Bearbeitung von Aufgaben zur TM ausgerichtet. Für die Bearbeitung dieser Aufgaben sind verschiedene Bearbeitungsschritte durchzuführen, die sich mit Prozessen eindeutig beschreiben lassen (z.B. Magnus & Müller-Slany 2009; Müller-Slany 2018). Dabei ist der Umgang mit Modellen (z.B. mathematisches Modell) eine wesentliche Fähigkeit. Nach Müller-Slany (2018) ist für in der heutigen TM-Lehre eingesetzte Aufgaben insbesondere die Mathematische Modellbildung unter Berücksichtigung fachspezifischer Prinzipien und Methoden bedeutsam. In Anlehnung an Modelle zur mathematischen Modellierung (z.B. Borromeo Ferri, Greefrath & Kaiser 2013; Greefrath & Maaß 2020) und zur physikalisch-mathematischen Modellierung (z.B. Trump 2016) wurde innerhalb der DFG-Forschergruppe ALSTER für die TM und die Fähigkeit fachspezifischer Mathematisierung ein Modell fachlich-mathematischer Modellierung entwickelt, empirisch geprüft sowie Zusammenhänge mit verschiedenen psychologischen Variablen analysiert. Im Vortrag werden Ergebnisse der Modellanalysen vorgestellt. Dabei wird insbesondere auf die empirische Modellprüfung der fachlichen Konstrukte Fachwissen und Modellierungsfähigkeit sowie auf Zusammenhänge mit psychologischen Variablen eingegangen. Zu diesen psychologischen Variablen gehören u.a. das akademische Selbstkonzept (SESSKO; Schöne, Dickhäuser, Spinath & Steinsmeier-Pelster 2002), die kognitive Grundfähigkeit (KFT; Heller & Perleth 2000) und die Selbstwirksamkeitserwartung (u.a. SWE; Jerusalem & Schwarzer 1999). Es liegen längsschnittliche Daten von rund 180 Studierenden des Bauingenieurwesens aus deren ersten Semestern des Studiums vor, die im Zuge der Haupterhebungen der ALSTER-Untersuchung zu zwei Messzeitpunkten erhoben wurden. Die Stichprobengröße sowie die Vollständigkeit der Datensätze ermöglichen den Einsatz u.a. von längsschnittlichen und mehrdimensionalen IRT-Modellen sowie Strukturgleichungsmodellierungen. Wesentliche Ergebnisse der Analysen sind signifikante Zuwächse in den Fachkonstrukten zwischen den beiden Messzeitpunkten. Darüber hinaus zeigen sich mehrdimensionale IRT-Modelle der drei Fachkonstrukte „Fachwissen“, „Modellierungsfähigkeit“ und „mathematisches Wissen“ besser auf die Daten passend als eindimensionale IRT-Modelle. Strukturgleichungsmodellierungen zeigen, dass sich der Studienerfolg am Ende des ersten Semesters zusätzlich durch fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten zu Messzeitpunkt 1 erklären lässt. Damit bestätigt sich die Bedeutung des fachspezifischen Vorwissens auch in dieser Untersuchung. Mit den Zuhörenden werden wir die Angemessenheit der gewählten statistischen Verfahren zur Beantwortung der Forschungsfragen sowie weitere Analysepotentiale der verfügbaren Daten diskutieren. Der Beitrag kann primär dem Bereich „Bildung verstehen“ des Tagungsmottos zugeordnet werden. Die im Projekt erreichte Stichprobe lässt subgruppenspezifische Analysen zu, die für die Diskussionen um diversitätssensible Lernverläufe Beiträge liefern kann. So beinhaltet die Stichprobe statistisch bedeutsame Anteile weiblicher und männlicher Studierender sowie von Studierenden mit und ohne Deutsch als Muttersprache. Die Prädiktion des Studienerfolgs werden im Vortrag daher auch mit dem Hintergrund diverser Studierendenmerkmale diskutiert. |
15:20 - 17:00 | 6-20: Schule und Unterricht entwickeln Ort: S24 |
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Paper Session
Pedagogical reasoning bei der Unterrichtsplanung – Eine netzwerkanalytische Untersuchung des Planungsentscheidens 1Universität Siegen, Deutschland; 2Universität Paderborn, Deutschland Theoretischer Hintergrund: In der professionellen Unterrichtsplanung wird eine Kernaufgabe von Lehrkräften gesehen (Jäger & Maier, 2019): Durch Überlegungen zum künftigen Lehr-Lernzusammenhang als Form des pedagogical reasoning (z.B. Loughran, 2019) kann das eigene Professionswissen in unterrichtliches Handeln überführt (Blömeke et al., 2015; Stender et al., 2015), dieses Handeln durch die getroffenen Planungsentscheidungen entlastet und eine anschließende Soll-Ist-Reflexion grundgelegt werden (Wengert, 1989). Obwohl diese Bedeutung der Unterrichtsplanung durch die Anforderungen an die Lehrer*innenbildung betont wird (KMK, 2019), sind spezifische Facetten der Planungskompetenz allerdings noch nicht hinreichend modelliert und empirisch untersucht (König & Rothland, 2022). In diesem Beitrag werden deshalb Befunde zur situationsbezogenen Fähigkeit des interdependenten Planungsentscheidens als einer solche Kompetenzfacette vorgestellt. Diese Fähigkeit bezieht sich darauf, die präferentielle Auswahl von Planungsoptionen am Planungsprinzip der Interdependenz auszurichten (Scholl et al., 2022), das zu den weichtigsten fachübergreifenden Metakriterien der Unterrichtsplanung gehört (Vogelsang & Riese, 2017). In Anlehnung an die ursprüngliche allgemeindidaktische Aufforderung der Berliner Didaktik, eine „widerspruchsfreie Wechselwirkung der Planungselemente“ (Schulz, 1972, S. 45) herzustellen, lautet dieses Kriterium: Prüfen Sie alle möglichen ziel-, inhalts-, methoden-, medien- sowie lern- und situationsbezogenen Planungsentscheidungsoptionen und wählen Sie diejenigen aus, die am besten zueinander passen. Aus einer kompetenz- und problemlösetheoretischen Perspektive kann dieses Prinzip dem generischen bildungswissenschaftlichen Planungs- und Konzeptionswissen (Baumert & Kunter, 2006) zugeordnet werden, das dem metakognitiven Prozess der Überwachung der eigenen Planungskognitionen beim kreativen Lösen komplexer Unterrichtsgestaltungsprobleme eine Richtung gibt (Dörner, 2003; Funke & Funke, 2002). Eingelöst ist das Interdependenzprinzip, wenn die Wechselwirkungen in Lehr-Lernzusammenhängen so durchdacht sind, dass das künftige Handeln strukturell und prozessual stimmig in die „vorhergesehene“ Unterrichtsdynamik eingebettet zu sein erscheint. Fragestellung: Es gibt bereits Hinweise darauf, dass das Interdependenzprinzip Schwierigkeiten bei der Umsetzung bereitet (z.B. Seel, 2011). So berücksichtigen Planende beispielsweise oft nur einzelne Planungsbereiche (z.B. Bromme, 1981), beziehen die getroffenen Entscheidungen nicht hinreichend auf die Lernvoraussetzungen (z.B. König et al., 2015) oder treffen ihre Entscheidungen linear und nicht dynamisch, wie es dem Interdependenzprinzip eher entspräche. Es ist jedoch unklar, inwiefern konkrete Begründungen für Planungsentscheidungen zumindest Teilversuche der Umsetzung des Interdependenzprinzips erkennen lassen. Darum wird in der berichteten Studie danach gefragt, 1. welche spezifischen Strukturen konkrete Planungsentscheidungsbegründungen haben, 2. inwiefern diese Strukturen den Anforderungen des Interdependenzprinzips genügen und 3. ob sich diese Strukturen über unterschiedliche Planungsexpertisegrade hinweg unterscheiden. Methode: In einer qualitativen Studie mit N = 22 Teilnehmenden von zwei Universitätsstandorten, deren Zusammensetzung kontrastive Expertisevergleiche ermöglicht (6 Bachelorstudierende, 6 Masterstudierende, 4 Referendar*innen und 6 Lehrkräfte), wurden leitfadengestützte Interviews zu zwei Planungsvignetten geführt, die in der Form des lauten Denkens (Ericsson & Simon, 1993) bearbeitet wurden. Die Auswertung durch geschulte Rater*innen folgt der Qualitativen Inhalts- (Mayring, 2022) und der Netzwerkanalyse (u.a. Brauner & Orth, 2002; Hollstein & Straus, 2006). Ergebnisse: Die netzwerkanalytische Auswertung der transkribierten Interviews zeigt u.a., dass die Anzahl der getroffenen Planungsentscheidungen und ihrer Verbindungen mit zunehmendem Expertisegrad kontinuierlich steigt. Diese Zunahmen sind insbesondere auf vermehrt getroffene Methodenentscheidungen in temporalen Begründungsstrukturen zurückzuführen. Gleichzeitig nimmt jedoch die Dichte der Begründungsnetzwerke ab, was unabhängig vom Expertisegrad bedeutet, dass nur wenige Entscheidungen in ihren wechselseitigen Bezügen durchdacht werden. Insgesamt bestätigen diese Ergebnisse frühere Untersuchungen zu Problemen beim adaptiven Planen (König et al., 2015), der begrenzten Elaboration von kognitiven Planungsschemata bei Noviz*innen (Borko & Livingston, 1989) und dem paedagogical reasoning mit einer Tendenz zur hauptsächlichen Fokussierung auf Methodenentscheidungen differenzierter (z.B. Penso & Shoham, 2003). Dabei erweist sich die Netzwerkanalyse trotz noch geringer Fallzahlen als hilfreich, um kognitive Strukturen in der Planung sichtbar zu machen und diese Strukturen mit bestehenden Unterrichtsplanungsmodellen zu vergleichen. Werden diese empirisch nachweisbaren Strukturen künftig auf die Qualität des anschließenden Unterrichts bezogen, wäre damit ein Grundstein für die ausstehende empirischen Untermauerung von Planungsprinzipien gelegt (Rothland, 2022). Paper Session
Zur Messung der Core Practices „Ziele festlegen“ und „Lernaufgaben erstellen“ Leibniz Universität Hannover, Deutschland Für den Erwerb professionsspezifischer Handlungskompetenzen (Baumert & Kunter, 2006) bedarf es im Rahmen des Lehramtsstudiums Lerngelegenheiten, in denen professionsspezifisches Wissen sowie darauf bezogene Überzeugungen und Werthaltungen handlungsnah mit situationsspezifischen Fähigkeiten (Blömeke et al., 2015) verschränkt werden. Das aus der practice-based teacher education stammende Konzept der Core Practices (CP) (McDonald et al., 2013) kann für die Gestaltung derart verschränkter Lerngelegenheiten dienlich sein. Das Konzept der CP beschreibt eine Bündelung von Praktiken, die häufig im Unterricht auftreten, generisch und fachspezifisch, forschungsbasiert und komplex sind, als auch die Möglichkeit bieten, mehr über Schüler:innen und den Unterricht zu erfahren (Grossman et al., 2009). Im deutschsprachigen Raum werden die konzeptuellen Überlegungen aus dem anglo-amerikanischen (z.B. TeachingWorks, 2023) derzeit vielfach aufgegriffen und weitergeführt (z.B. Kleinknecht et al., 2022) und sowohl in der theoretischen Grundlegung als auch messmethodische Zugänge (Matsumoto-Royo & Ramírez-Montoya, 2021) zeichnen sich umfängliche Weiterentwicklungen ab. Das Festlegen von Zielen (Kirchhoff & Müller, 2022) und das Erstellen von Lernaufgaben (Fraefel, 2023) kann im Sinne der pre-lesson activities (van der Schaaf, 2019) im Bereich der Unterrichtsplanung als CP verstanden werden (TeachingWorks, 2023). Wenngleich in der theoretischen und empirischen Literatur die Relevanz dieser Fähigkeiten betont wird (Choy, 2016; König et al., 2015, 2022; Maier et al., 2014), so sind Messinstrumente angelehnt an einer Konzeptualisierung nach CP eher rar (Matsumoto-Royo & Ramírez-Montoya, 2021). In diesem Beitrag werden die Ergebnisse einer zweiteiligen Pilotstudie vorgestellt, die der Entwicklung eines hochstandardisierten Instruments dient, mit dem der Kompetenzerwerb zu diesen beiden CP im Rahmen eines angeleiteten Planungssetting veränderungssensitiv gemessen werden sollen. Entwickelt wurde eine professionelle Lerngelegenheit für Lehramtsstudierende, in der in einem Lernzyklus (McDonald et al., 2013) Phasen der direkten Instruktion und der Modellierung mit Repräsentationen schulischer Praxis und entsprechender Annäherung an Praxis verknüpft wurden. Gearbeitet wurde mit fremden Unterrichtsplanungsbeispielen, welche zunächst kriteriengeleitet analysiert wurden. Am Ende der Lerngelegenheit wurden die Studierenden aufgefordert, Ziele für eine Stunde zu einem vorgegebenen Thema und einer Lerngruppe festzulegen und eine entsprechende Lernaufgabe zu planen. Beide Annäherungen an Praxis enthalten im Sinne der Unterrichtsplanung kreierende und legitimierende Aspekte (Vogelsang & Riese, 2017), wie etwa das Benennen von Lernschwierigkeiten und Lernhilfen oder das Begründen des Schwerpunkts der Stunde. Sowohl für die Analyse fremder und das Erstellen eigener Planungen erhielten die Lehramtsstudierenden Peer- und Dozierenden-Feedback. Im ersten Teil der Pilotierungsstudie (P1) wurden Planungsdokumente inhaltsanalytisch ausgewertet, im zweiten Teil (P2) wird das auf der Basis der Ergebnisse aus P1 entwickelte hochstandardisierte Instrument geprüft. Insgesamt liegen aus der Pilotierungsstudie (P1) N= 59 Planungsdokumente aus neun verschiedenen Fächern von Lehramtsstudierenden (MSemester= 4,8) vor, welche inhaltsanalytisch ausgewertet (Kuckartz, & Rädiker, 2022) wurden. Für die Auswertung wurde für beide CP deduktiv ein Kategoriensystem mit 23 dichotomen Codes entwickelt. Zwei geschulte Kodierer:innen werteten die Planungen aus; dabei wurden 20 % des Datenmaterials doppelt kodiert und eine prozentuale Übereinstimmung von 78,67%, identifiziert. Die Analyse der Planungsdokumente zeigt, dass es den meisten Lehramtsstudierenden (78%) gelingt, ein operationalisiertes Ziel festzulegen. 69,5% der Studierenden benennen und begründen erfolgreich inhaltlich relevante Lernschwierigkeiten. 62,7% spezifizieren ein in der Unterrichtszeit erreichbares Lernziel und 78% legen eine Aufgabe fest, die für die vorgegebene Lerngruppe erreichbar ist. Ein Erwartungshorizont wird von den Studierenden jedoch nur in 25,4% der Fälle fachlich korrekt mitgeplant. Mit Hilfe der entwickelten Codes wurden Items für ein hochstandardisiertes Messinstrument im Sinne einer Planungsanalyse entwickelt (P2). Die Ergebnisse aus P1 sowie die noch ausstehenden Befunde aus P2 werden im Beitrag vorgestellt. Dabei sollen methodische Fragen zur Messung im Vordergrund stehen (Skalierung, Studiendesign), aber auch Fragen zur theoretischen Grundlegung der CP, „Ziele festlegen“ und „Lernaufgaben erstellen“ diskutiert werden. Paper Session
Gemeinsam, nicht einsam, sind wir stark – Zum Effekt der Beteiligung von Lehrkräften an schulischen Entscheidungsprozessen auf die Innovationsbereitschaft im Kollegium und ihre kollektive Wirksamkeit Universität Potsdam, Deutschland Theoretischer Hintergrund Lehrkräfte sind entscheidende Akteure in der Schulentwicklung und sollten in Veränderungsprozesse möglichst intensiv involviert werden (Autor et al., 2023). Auf Grundlage theoretischer Annahmen organisationalen Lernens kann eine Beteiligung von Lehrkräften an schulischen Entscheidungsprozessen zu einem Gefühl von Empowerment und damit zu einer Steigerung motivationaler Orientierungen führen (Marks & Seashore Louis, 1999; Somech, 2010). Erhalten Lehrkräfte die Möglichkeit, ihre individuellen Ideen und Bedürfnisse in Entwicklungsvorhaben einzubringen, führt das zu einer Wahrnehmung von Kontrolle über die eigene Situation (Bogler & Somech, 2004; Somech, 2010). Partizipativ entwickelte Entwicklungsvorhaben erscheinen Lehrkräfte eher relevant und werden eher von ihnen zum Anlass genommen, das eigene berufliche Handeln zu reflektieren und etablierte Praktiken durch innovative Ansätze zu ersetzen (goal-setting theory; Ham & Lee, 2023; Locke & Latham, 2006; Nguyen et al., 2021). Wenn Lehrkräfte gemeinsam arbeiten und Entwicklungsvorhaben erfolgreich umsetzen, kann das ferner zu einer Zunahme ihrer kollektiven Wirksamkeit führen (mastery experience; Bandura, 1993). Empirische Befunde deuten auf einen positiven Zusammenhang zwischen der Beteiligung von Lehrkräften und ihren motivationalen Orientierungen sowie ihrem beruflichen Handeln hin. Lehrkräfte mit hoher Teilhabe an schulischen Entscheidungen sind selbstwirksamer (Lu et al., 2015), zufriedener (Brezicha et al., 2020), eher bereit schulische Aufgaben zu übernehmen, die über ihre Arbeitsverpflichtung hinausgehen (Bogler & Somech, 2004, 2005), arbeiten häufiger mit ihren Kolleg*innen zusammen (Honingh & Hooge, 2014; Liu & Yin, 2023) und beteiligen sich eher an der Umsetzung von Schulentwicklungsvorhaben (Autor et al., 2023). Zumeist handelt es sich bei bisherigen Untersuchungen jedoch um korrelative Querschnittstudien, die keine kausalen Beziehungen überprüfen. Ferner existiert kaum gesichertes Wissen über die Beteiligung von Lehrkräften an schulischen Entscheidungsprozessen in Deutschland. Der vorliegende Beitrag greift diese Forschungslücken auf und geht folgenden Fragestellungen nach: Fragestellung
Methode Der Beitrag nutzt Daten einer längsschnittlichen Untersuchung von 29 Schulen. Die Stichprobe umfasst N = 586 Lehrkräfte, die zu zwei Messzeitpunkten schriftlich befragt wurden. Mithilfe von je drei Items erfassten wir (1) die Beteiligung des Kollegiums an schulischen Entscheidungsprozessen (ω T1 = .81; z.B. Das Kollegium spielt eine aktive Rolle bei grundlegenden Entscheidungsprozessen), (2) die wahrgenommene Innovationsbereitschaft im Kollegium (ωT1 = .81, ωT2 = .80; z.B. In unserem Kollegium gibt es eine große Bereitschaft, die eigenen pädagogischen Ansätze zu überprüfen) sowie die wahrgenommene kollektive Wirksamkeit (ωT1 = .84, ωT2 = .80; z.B. Auch mit außergewöhnlichen Vorfällen können wir zurechtkommen, da wir uns im Kollegium gegenseitig Rückhalt bieten). Zur Beantwortung der Forschungsfragen nutzen wir deskriptive Analysen (Forschungsfrage 1) sowie ein latent modelliertes Strukturgleichungsmodell (Forschungsfragen 2 und 3). Ergebnisse Die Ergebnisse des Beitrages zeigen, dass die untersuchten Lehrkräfte eine eher hohe Beteiligung ihres Kollegiums in schulische Entscheidungsprozesse wahrnehmen (M = 2.95, SD = .73). Die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells (RMSEA = .035, CFI = .985, SRMR = .062) deuten ferner darauf hin, dass Lehrkräfte mit hoher Beteiligung an schulischen Entscheidungsprozessen zu T1 im zeitlichen Verlauf Zunahmen ihrer wahrgenommenen Innovationsbereitschaft im Kollegium (β = .23, p < .001) und der kollektiven Wirksamkeit verzeichnen (β = .39, p < .001) – je unter Kontrolle der Ausgangswerte. Die Ergebnisse geben Hinweise auf die Relevanz der Beteiligung von Lehrkräften in Entscheidungsprozesse im Rahmen der Schulentwicklung, wonach organisationale Zielsetzungen partizipativ mit den Lehrkräften der Schule entwickelt werden sollten. Damit liefert der vorliegende Beitrag neue Erkenntnisse für die Schulentwicklungsforschung in Deutschland. Paper Session
Schulentwicklung und Verantwortung für den Ganztag kooperativ gestaltet. Eine Bereicherung für die Qualität an Ganztagsschulen im Primarbereich? DIPF, Deutschland [Theoretischer Hintergrund] Im deutschen Schulsystem sind über 70 Prozent aller Schulen als Ganztagsschule zu bezeichnen (KMK, 2023). Der Ganztagsbetrieb dient dazu, die Entwicklung und das Lernen von Kindern bzw. Jugendlichen zu unterstützen. Forschungsergebnisse zeigen, dass die Teilnahme an schulischen Ganztagsangeboten vielfältige positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Schüler:innen hat (Heyl et al., 2021). Qualitätsmodelle zum Ganztagsbetrieb unterstreichen dies (Holtappels, 2009). Allerdings sind diese Auswirkungen nur dann empirisch zu beobachten, wenn die Angebote guten Konzepten folgen und von den Schüler:innen als qualitativ hochwertig wahrgenommen werden (Kielblock & Maaz, 2021). Aus einem umfangreichen Transferprojekt wurde deutlich, dass gute Konzepte und hohe Qualität schulischer Ganztagsangebote dadurch sichergestellt werden, dass es am jeweiligen Ganztagsschulstandort eine klare Vision des Ganztagsbetriebs, gute Arbeitsbedingungen für das Personal und ein umfassendes Ganztagskonzept gibt (Qualitätsdialog zum Ganztag, 2021). Die Frage ist allerdings, wie die Verantwortung für Steuerungsfragen und die Schulentwicklung gestaltet sein muss, damit die Voraussetzungen für die Entwicklung eines hochwertigen Ganztagsbetrieb gegeben sind. Diesbezüglich betonen die allgemeine Schulentwicklungsforschung (Huber, 2017, 2020; Klein et al. 2019) und die Ganztagsschulforschung (Kielblock, 2023) das besondere Potenzial kooperativer Formen der Verantwortung und Schulentwicklung. Dies empirisch an Ganztagsschulen zu untersuchen, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags. [Fragestellung] Vergleichbare Fragen sind im Bereich der Ganztagsschulforschung bislang eher weniger untersucht worden. Insbesondere der Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung (GaFöG, 2021) lenkt den Blick stärker als bislang auf diese Fragestellungen im Primarbereich von Ganztagsschulen. Entsprechend geht der vorliegende Beitrag folgenden Fragen mit Fokus auf Ganztagsgrundschulen nach: Wie hängen die Voraussetzungen für einen hochwertigen Ganztagsbetrieb hinsichtlich der Vision, des Ganztagskonzept und den Arbeitsbedingungen, (1) mit der kooperativen Verantwortung für die Steuerung und (2) mit der kooperativen Schulentwicklung zusammen? [Methode] Die vorliegende Analyse basiert auf einer Sekundäranalyse der Daten eines Teilprojekts der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG-Systemmonitoring). Im Rahmen dieses Teilprojekts wurden 2018 bundesweit Ganztagsschulleitungen schriftlich befragt. Die vorliegende Analyse bezieht sich auf Antworten von Schulleitungen im Primarbereich (n=509; vgl. Details in StEG-Konsortium, 2019). In R lavaan (Rosseel, 2012) werden Strukturgleichungsmodelle berechnet. Im finalen Modell sind alle genannten Variablen untergebracht. Gemäß den Empfehlungen von Weiber und Mühlhaus (2010) hat das Strukturgleichungsmodell einen guten Fit (Chi2/df=2,69, CFI=.94, TLI=.92, RMSEA=.06 [.05, .07], SRMR=.05). Missings wurden mit FIML behandelt und die im Ergebnis genannten Koeffizienten sind standardisiert (std.all). [Ergebnisse] Mit Blick auf Frage 1 zeigen die Analysen, dass die „kooperative Verantwortung der Steuerung“ in Zusammenhang steht mit dem Bereitstellen von Kooperationszeiten (.116*). D. h., dass die Kooperationszeiten um so breiter zur Verfügung gestellt werden, wenn die Schule angibt, eine kooperative Verantwortung der Steuerung umzusetzen. Die Verzahnung und die Ziele stehen mit der kooperativen Verantwortung der Steuerung nicht in Zusammenhang. Bezugnehmend auf Frage 2 hängt die „kooperative Schulentwicklung“ hingegen mit allen drei zu erklärenden Variablen – Kooperationszeiten (.306***), konzeptionelle Verzahnung (.405***), und Breite der Ziele des Ganztagsbetriebs (.336***) – zusammen. Die Ergebnisse legen dar, dass die kooperative Schulentwicklung mit den für einen qualitativ hochwertigen Ganztag relevanten Merkmalen der Organisationsebene eng zusammenhängt. Auch die kooperative Verantwortung der Steuerung ist zumindest für die Kooperationszeiten wichtig. In weiteren Analysen ist geplant, dem Einfluss von Kontrollvariablen genauer nachzugehen. Insgesamt bietet die vorliegende Analyse wichtige vertiefende Erkenntnisse für die Steuerung und Entwicklungen im ganztagsschulischen Primarbereich und bereichert damit sowohl die Ganztagsschulforschung und liefert der Verwaltung und Praxis wichtig Impulse. |
Datum: Mittwoch, 20.03.2024 | |
9:00 - 10:40 | 7-20: Praxiserfahrung im Lehramtsstudium Ort: S24 |
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Paper Session
Soziale Netzwerke und Schlüsselereignisse des Lernens von Lehramtsstudierenden im Schulpraktikum 1Pädagogische Hochschule Luzern, Schweiz; 2Pädagogische Hochschule Thurgau, Schweiz In der Lehrpersonenbildung gelten Praktika als bedeutsam für die Entwicklung professioneller Kompetenzen (König & Rothland, 2018). Aus soziokonstruktivistischer Perspektive (Resnick et al., 1991) ergeben sich für Lehramtsstudierende vielfältige kooperative Lerngelegenheiten in der gemeinsamen Bearbeitung beruflicher Aufgaben (Arnold, Gröschner & Hascher, 2014). Ihre Kompetenzentwicklung wird beeinflusst von signifikanten Anderen (z. B. schulbasierte Ausbildner:innen [Praxislehrpersonen]), der Relevanz des Kooperationsgegenstandes sowie den verwendeten Instrumenten (z. B. Kompetenzraster) (Engeström, 1999; Kreis & Brunner, 2022). Solche Lerngelegenheiten werden bezogen auf Unterrichtsbesprechungen (u. a. Kreis & Staub, 2011) oder die kooperative Gestaltung berufspraktischer Lerngelegenheiten zwischen Personen der Hochschule und des Schulfelds (u. a. Beckmann & Ehmke, 2018) untersucht. Diesen Studien ist gemeinsam, dass Forschende die Personen (z. B. Praxislehrpersonen und Studierende) und die Themen (z. B. Unterrichtsbesprechungen zu einem spezifischen Fach) vordefiniert haben. Bisher fehlt ein explorativer Zugang, bei dem Studierende für ihre kooperativen Lerngelegenheiten im Praktikum die Personen selbst bezeichnen, die sie während sogenannter Schlüsselereignisse als bedeutsam für ihre berufspraktische Kompetenzentwicklung einschätzen. Wir untersuchen, welche Personen in welcher Art an Schlüsselereignissen beteiligt waren. Im Rahmen einer Teilstudie des vom Schweizer Nationalfonds geförderten Projekts DiaMaNt (Kreis & Brunner, 2022) entwickelten wir ein mixed-methodisches Erhebungsinstrument (Galle et al., 2022) zur Erfassung von Lernen in sozialen Netzwerken. Mittels einer standardisierten PowerPoint-Datei führten die Studierenden ihre erlebten Schlüsselereignisse auf (Teil 1). Sie wählten dann das bedeutsamste Ereignis aus und erstellten für dieses eine persönliche Netzwerkkarte (Schritt 2). In dieser Karte ist die berichtende Person in der Mitte positioniert und weitere Personen, die relevant waren, um sie herum (Schritt 2.1). Die räumliche Distanz, unterteilt mit drei konzentrischen Kreisen, zwischen berichtender Person und weiteren Personen stellt die Bedeutsamkeit der weiteren Personen für die eigene berufspraktische Kompetenzentwicklung dar (sehr bedeutsam [Wert = 3], ziemlich bedeutsam [2] und bedeutsam [1]) unterteilt ist (Schritt 2.2). Zusätzlich beschrieben die Studierenden in Stichworten den Kooperationsinhalt mit den entsprechenden Personen (Schritt 2.3). Im letzten Schritt (Schritt 3) stellten sich die Studierenden zu zweit ihre Netzwerkkarten vor und zeichneten dies mit der in PowerPoint integrierten Audiofunktion auf. Daten liegen von 188 Studierenden der Primarstufe vor (Rücklauf: 75%; Bachelor; 4. Semester), welche im Frühjahrssemester ein vierwöchiges Praktikum absolvierten (Kohorte 1: 2022; Kohorte 2: 2023). Ausgewertet werden die Daten mit einer strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2022; MAXQDA Version 2022.4). Die ersten Auswertungen der Egonetzwerkkarten (Schritt 2 & 3) zeigen auf, dass die Studierenden sehr vielfältige Schlüsselereignisse erlebten: von einem weinenden Kind im Unterricht, das getröstet wurde, bis hin zur Frage, wie ein fachlicher Input so gestaltet werden kann, dass die Schüler:innen diesen verstehen. In jeder der 188 Netzwerkkarten wurden 1 bis 8 weitere Person(en) eingetragen (M = 2.69; SD = 1.14; Schritt 2.1). Die meisten Studierenden (82 %) nennen ihre Praxislehrperson, 53 % Mitstudierende in derselben Klasse und 52 % Schüler:innen. Am seltensten werden Schulleitende und Eltern (je 2 % der Studierenden) sowie Bekannte und Verwandte der Studierenden (1 %) erwähnt. Am bedeutsamsten (Schritt 2.2) werden von den Studierenden ihre Praxislehrperson (M = 2.54; SD = 0.65) und Schüler:innen (M = 2.54; SD = 0.64) eingeschätzt. Ergebnisse der weiteren Analysen zu den Schlüsselereignissen (Schritt 1), den Unterstützungsleistungen (Schritt 2.3) und einer Aggregierung aller persönlichen Netzwerkkarten werden zusätzlich am Kongress präsentiert. Diese Studie gibt einen detaillierten Einblick in soziale Netzwerke von Lehramtsstudierenden während eines Praktikums aus deren eigener Perspektive. Darüber hinaus liefert sie neue Ideen für den methodischen Diskurs der Mixed-Methods Social Networks Analysis (Fröhlich, et al., 2020). Insbesondere die Kombination der Netzwerkkarten mit den Audiodateien (Schritt 3) stellt eine dichte, die visuellen Daten vertiefende Informationsquelle dar. Paper Session
Emotionale Unterstützung von Schüler:innen: Welche Faktoren sagen die studentische Selbsteinschätzung am Ende eines Langzeitpraktikums vorher? 1Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland; 2Technische Universität Dortmund, Deutschland Theoretischer Hintergrund Trotz der Bedeutung des Wissens über eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung für angehende Lehrpersonen (Cornelius-White, 2007) zeigt ein Blick auf den Forschungsstand, dass angehende Lehrpersonen und deren Beziehungsentwicklung zu Schüler:innen ein kaum beforschtes Feld sind. Der Beitrag untersucht daher die studentische Selbsteinschätzung eines Aspektes der Lehrer-Schüler-Beziehung, der emotionalen Unterstützung von Schüler:innen, vor Aufnahme und am Ende eines schulischen Langzeitpraktikums. Vor dem Hintergrund des Einflusses der Lehrerselbstwirksamkeit auf Schüler:innenleistungen und der angenommenen Mediatorrolle emotionaler Unterstützung (Zee & Koomen, 2016) wurde neben der anfänglichen Selbsteinschätzung die Lehrerselbstwirksamkeit für die abschließende Selbsteinschätzung in den Blick genommen. Aufgrund vorliegender Hinweise zum Einfluss der Betreuungsperson (z. B. Gröschner & Seidel, 2012) wurde ebenso deren studentisch wahrgenommene emotionale Unterstützung gegenüber Schüler:innen erhoben. Die Grundlage bilden Befragungsdaten zweier Erhebungszeitpunkte von Lehramtsstudierenden des Grund- und Sekundarschullehramts im Langzeitpraktikum. Folgende Fragestellungen stehen im Fokus der Studie:
Methodisches Vorgehen Die Daten wurden im Rahmen einer Onlinebefragung vor Antritt (t1) und am Ende des Langzeitpraktikums (t2) im SoSe 2021 und WiSe 2021/22 erhoben. In die Auswertung flossen die Daten von N = 199 Studierenden (53.8 % Grundschullehramt; 78.9 % weiblich; Alter: M = 23.17, SD = 2.81) zweier Universitäten ein. In Anlehnung an Cornelius-White (2007) und Pianta und Kollegen (2012) wurde die Selbsteinschätzung emotionaler Unterstützung zu beiden Messzeitpunkten auf Grundlage von 14 Items mit einer sechsstufigen Likert-Skala erfasst (Bsp.: „In meinem Unterricht achte ich besonders darauf, dafür zu sorgen, dass meine SchülerInnen sich im Unterricht wohl fühlen.“; 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 6 = „stimme voll und ganz zu“; αt1 = .87 / αt2 = .88). Auf gleicher theoretischer Grundlage wurde die wahrgenommene emotionale Unterstützung der Betreuungsperson gegenüber SchülerInnen retrospektiv am Ende des Langzeitpraktikums mit sieben Items erhoben (Bsp.: „In ihrem Unterricht hat meine Betreuungslehrkraft die Bedürfnisse der SchülerInnen berücksichtigt.“; 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 6 = „stimme voll und ganz zu“; α = .90). Um den möglichen Einfluss der Praktikumsdauer sowie des schwankenden Verlaufs der Lehrerselbstwirksamkeit zu berücksichtigen (z. B. Pendergast et al., 2016; Schüle et al., 2017), wurde für die Erfassung der Lehrerselbstwirksamkeit ebenfalls der zweite Messzeitpunkt gewählt. Als Instrument diente der mit angehenden Lehrkräften validierte Fragebogen von Pfitzner-Eden (2016, α = .90) mit neunstufiger Likert-Skala (1 = „überhaupt nicht sicher“ bis 9 = „absolut sicher“). Als Kontrollvariablen wurden zudem das Geschlecht und die Schulform erhoben. Ergebnisse Die Selbsteinschätzung emotionaler Unterstützung fällt am Ende des Langzeitpraktikums (M = 5.32; SD = .47) zwar signifikant höher aus als zu Beginn (M = 5.26; SD = .45), t(198) = 2.06, p = .041), jedoch mit geringer praktischer Bedeutsamkeit (d = 0.15). Das Modell der polynomialen Regression mit Bootstrapping hat mit einem R² = .51 (korrigiertes R² = .49) eine hohe Anpassungsgüte (Cohen, 1988). Mit Ausnahme von Geschlecht, Schulform und der wahrgenommenen emotionalen Unterstützung der Betreuungsperson sagen die anfängliche Selbsteinschätzung (B = 0.53, p = < .001) sowie die Lehrerselbstwirksamkeit (B = 0.10, p = < .001) statistisch signifikant die selbsteingeschätzte emotionale Unterstützung am Ende des Langzeitpraktikums vorher, F(6, 192) = 32.92, p < .001. Die Ergebnisse weisen auf die Bedeutung des Langzeitpraktikums für die Entwicklung der Lehrer-Schüler-Beziehung hin. Dabei scheint die wahrgenommene emotionale Unterstützung der Betreuungsperson eine untergeordnete Rolle zu spielen. Qualitative Daten können Aufschluss über weitere beziehungsförderliche und -hinderliche Faktoren geben. Paper Session
Ausbildung von zukünftigen Lehrpersonen im Praktikum: die Rolle der Schulleitung 1Pädagogische Hochschule Zürich; 2Pädagogische Hochschule Zürich In der einphasigen Schweizer Lehrer:innenbildung haben die schulpraktischen Studien einen besonderen Stellenwert, da mit ihnen die unterrichtspraktische Bewährung der Studierenden im an das (3 - 4.5jährige) Studium anschliessenden Berufseinstieg sichergestellt werden soll. Den Praxislehrpersonen (in Deutschland: Mentor:innen), in deren Klassen Primar- und Sekundarschulstudierende zwischen 3 Wochen und 10 Monaten während ihrer Praktikumsphasen verbringen, kommt daher eine hohe Relevanz als Vorbild, Modell, Anleiter:in, Berater:in und Beurteilende zu (z.B. Oelkers, 2009, Festner u.a., 2020; Košinár et al., 2019a; Kreis et al., 2020). In welchem Verhältnis stehen Schulleitende zu ihren Praxislehrpersonen, und wie können sie diese in der Ausübung ihrer Funktion unterstützen? Im 2022 gestarteten, SNF-geförderten Projekt „Die Praxislehrperson als Lehrerbildner*in: Orientierungen und Handlungspraxis in der Erfüllung des doppelten Berufsauftrags Lehrperson und Ausbildner*in – eine berufsbiographische Längsschnittstudie unter Einbezug der Schulleitungsperspektive” sollen Anforderungen und Entwicklungsaufgaben von Praxislehrpersonen aus ihrer eigenen Perspektive sowie aus derjenigen der Schulleitungen und der Hochschule identifiziert werden. Dieser Beitrag thematisiert das subjektive Rollenverständnis von Schulleitenden bei der Ausbildung von zukünftigen Lehrpersonen. Schulleitungen haben ein umfangreiches Aufgabenspektrum zu bewältigen, das «von Schulverwaltung, Personalentwicklung, Schulentwicklung, regionaler und schulübergreifender Vernetzung bis hin zur Unterrichtstätigkeit» (Lerchster et al., 2020) reicht. Vorliegende Forschungen nehmen vor allem Aufgaben der Führung und Steuerung und den Einfluss der Schulleitung auf die Schule und die Lehrpersonen in den Blick (Huber, 2005; Dadaczynski, 2014; Altrichter & & Kemethofer, 2015; Brauckmann & Eder, 2019; Schoch et al., 2019;), wohingegen die Rolle der Schulleitung in der berufspraktischen Ausbildung bisher nicht thematisiert wird. Die vorliegende Studie geht diesem Desiderat nach und fragt: 1.) Welche Kriterien für die Auswahl von Praxislehrpersonen und welche Qualifizierungsnotwendigkeiten sehen die Schulleitungen? 2.) Welche Aufgaben und Anforderungen schreiben sie der Praxislehrpersonenrolle und -tätigkeit sowie sich selbst im Ausbildungskontext zu? In einem ersten Schritt wurden 19 strukturierte Experteninterviews mit Schulleitenden durchgeführt. Thematisiert wurden Auswahlkriterien für geeignete Praxislehrpersonen und Massnahmen für die Entwicklung von deren Ausbildungskompetenzen ebenso wie Möglichkeiten der Einbindung von Schulleitungen in die Ausbildung und in die Kooperation mit den Pädagogischen Hochschulen. Anschliessend wurden die Interviews transkribiert und mit genügender Interkoderreliabilität in MAXQDA inhaltsanalytisch (Kuckartz & Rädiker, 2022) anhand eines deduktiv und induktiv entwickelten Kategoriensystem ausgewertet. Es wurden insgesamt ca. 1500 Codes gesetzt. Basierend auf den inhaltsanalytisch aus der Interviewanalyse erarbeiteten Codes wird ein Fragebogen mit Schulleitenden (N = 500) in der Deutschschweiz durchgeführt. Der Fragebogen erörtert die Sichtweise der Schulleitungen zur Auswahl und Qualifikation der Praxislehrpersonen, zu den Anforderungen von Praxislehrpersonen und zu Ihrer Rolle im Ausbildungskontext, ergänzend werden das Personalentwicklungsverständnis (Terhart, 2016; Warwas, 2014) und die Visionen zur Schulentwicklung (Hausen et al., 2019) erfragt. Zudem werden demographische Daten erhoben, die interessante Vergleiche zwischen den Kantonen, verschiedenen Schulstufen und zwischen verschiedenen Formen der Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschulen wie bspw. Partnerschulen (Fraefel et al., 2017; Košinár et al., 2019b) zulässt. Ergänzend werden erste Ergebnisse der quantitativen Fragebogenerhebung vorgestellt, die bis zum Zeitpunkt des Kongresses vorliegen (die Fragebogenerhebung findet im Januar statt). Paper Session
Schwerpunktsetzung bei der Begleitung von Studierenden im Praxissemester – institutionelle Unterschiede und Ergänzungen Bergische Universität Wuppertal, Deutschland Theoretischer Hintergrund: In den meisten Bundesländern ist inzwischen ein längeres Schulpraktikum – das Praxissemester – integraler Bestandteil der Lehrkräftebildung. Ziel des Praxissemesters ist es, Theorie und Praxis professionsorientiert miteinander zu verbinden (z.B. Caruso & Goller, 2021); dieses Ziel soll u.a. durch die Begleitung durch Dozierende bzw. Mentor*innen aus Universität, Zentrum für schulpraktische Lehrerbildung (ZfsL) und Schule erreicht werden. Dabei fallen den drei Institutionen unterschiedliche Verantwortungsbereiche bzw. Aufgaben zu: Während die Dozierenden der Universitäten u.a. mit den Studierenden die wissenschaftsbasierte Analyse und Reflexion von Praxissituationen anleiten sollen, sollen Fachleitungen an den ZfsL dazu anregen, Praxiserfahrungen zu reflektieren. Mentor*innen an den Schulen sollen Studierende bei der eigenen Unterrichtsplanung beraten sowie Unterrichtsplanung und -durchführung mit den Studierenden reflektieren (Freimuth & Sommer, 2010). Obgleich also die Rahmenvereinbarung eine Arbeits- und Aufgabenverteilung zwischen den begleitenden Institutionen vorsieht, bleibt weitgehend offen, welche Lernorte in welcher Form zur Entwicklung welcher Kompetenzen beitragen sollen (Caruso & Goller, 2022). Betreuungsangebote der begleitenden Dozierenden bzw. Mentor*innen unterscheiden sich folglich (Führer & Cramer, 2020), es scheinen insbesondere persönliche Werte, Haltungen und Einstellungen grundlegend für die konkrete Ausgestaltung der Begleitung zu sein (z.B. Schnebel, 2014). Auch eigene Erwartungen und Vorstellungen über das Lernen der Studierenden nehmen Einfluss auf die Betreuungsgestaltung (Maynard & Furlong, 1994). Die Zusammenarbeit der drei Institutionen im Praxissemester kann aufgrund ihrer Anlage als hybrider dritter Raum konzeptionalisiert werden (Zeichner, 2010), als sozialer Raum also, in dem Personen aus unterschiedlichen ‚Kulturen‘ zusammentreffen. Für die Praxissemester-Studierenden ergibt sich daraus, dass gerade in dieser Phase die Wissensbestände der Universität und die der Praxis aufeinander bezogen werden können. Sind die Begleitpraktiken der Personen aus den drei Institutionen also so gestaltet, dass das Aufeinander-Beziehen gelingt, ergibt sich für die Studierenden ein kohärentes Ganzes; d.h. die von Blömeke et al. (2015) modellierte Disposition kann durch Fokussierung auf die situationsbezogenen Fähigkeiten Wahrnehmung, Interpretation und Entscheidungsfindung in die Performanz geführt werden. Ausschlaggebend dafür ist aber eine Betreuung, die mit den Studierenden sowohl die dispositionsseitigen und situationsspezifischen, als auch die performanzseitigen Fähigkeiten adressiert. Unklar bleibt, ob dies in der Begleitpraxis so geschieht. Forschungsfragen:
Methode: Zur Beantwortung der Fragen wurde eine explorative Studie durchgeführt, in der halbstrukturierte Einzelinterviews mit je einer betreuenden Person aus der Universität, des ZfsL und einer Schule geführt wurden. Mithilfe einer strukturierenden Inhaltsanalyse (Mayring, 2022) wurden die Daten analysiert. Ergebnisse: Erwartungsgemäß ergeben sich divergierende Zielsetzungen für die Studierenden, die mit den Eigenlogiken der Institutionen zu begründen sind. So fokussiert die/der Dozierende der Universität stark die theoriebasierte Reflexion von Praxissituationen, während die Fachleitung des ZfsL ins Zentrum stellt, dass die Studierenden die Breite des Berufsfeldes und die damit verbundenen Anforderungen erfassen. Der / die Mentor*in der Schule sieht das Hauptziel darin, dass die Studierenden Ängste und Befürchtungen beim Unterrichten überwinden und Präsenz zeigen. Die auf den ersten Blick doch divergierenden Wahrnehmungen der eigenen Aufgaben und Ziele im Praxissemesters erweisen sich jedoch im Gesamtbild als stimmig, adressieren sie doch unterschiedliche Facetten eines Gesamtmodells: Während die befragte Person aus der Universität die Wahrnehmung und Interpretation pädagogischer Situationen fokussiert, stellen die Personen aus ZfsL und Schule die performanzseitigen Aspekte wie Unterrichtspraxis, Ermöglichung möglichst vieler Erfahrungen und die Möglichkeit des Berufswahlchecks in den Mittelpunkt. Diskussion: Es lässt sich konstatieren, dass die Begleitung im Praxissemester durch die drei beteiligten Institutionen idealiter dazu führt, dass Studierende dabei unterstützt werden, professionelle Handlungskompetenz aufzubauen. Um das aber fundiert und systematisch gewährleisten zu können, sollten die jeweiligen Professionalisierungsziele konkreter zwischen den Institutionen abgestimmt werden, sodass die Bereitstellung von Lerngelegenheiten unabhängiger von persönlicher Schwerpunktsetzung erfolgt. |
11:10 - 12:50 | 8-20: Digitale Kompetenzen III Ort: S24 |
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Paper Session
Wie viel C steckt in TPACK? Ein systematisches Literaturreview zur Fachspezifität der Messung von TPACK im Kontext von Mathematikunterricht Technische Universität München, Deutschland Theoretischer Hintergrund Technologie und digitale Medien sind zentral für moderne Bildung, auch im Fach Mathematik (Reinhold et al., 2023). Der Erfolg ihres Einsatzes hängt dabei auch von den Fähigkeiten der Lehrkraft ab (Hillmayr et al., 2020). Technological Pedagogical Content Knowledge (TPACK) gilt hierbei als relevanter Teil professionellen Lehrkräftewissens (Mishra & Koehler, 2006). Die Messung von TPACK ist für Unterrichtspraxis und Forschung von wesentlicher Bedeutung, beispielsweise um überprüfen zu können, inwiefern Lehrkräfte auf das Unterrichten mit Technologie vorbereitet sind oder um Interventionen zu evaluieren. TPACK verbindet Wissen über Technologie, Pädagogik und Inhalt. Es ist daher prinzipiell inhaltsspezifisch. So umfasst TPACK im Kontext von Mathematikunterricht möglicherweise andere Aspekte als in anderen Fächern: Für mathematisches Arbeiten mit Technologie sind die Visualisierung abstrakter Konzepte, geometrischer Objekte oder stochastischer Prozesse typisch (Reinhold et al., 2023), während beispielsweise in Sozialwissenschaften oft Recherche, Textverarbeitung und Kooperation dominieren (Hammond & Manfra, 2009). Bestehende Überblicksarbeiten zur Messung von TPACK nehmen häufig eine fachübergreifende Perspektive ein (z.B. Koehler et al., 2012; Wang et al., 2018). Dadurch ist unklar, inwiefern die Messung im Kontext von Mathematikunterricht auf spezifische Merkmale des Fachs eingeht. Fragestellung Übergreifend adressiert das hier vorgestellte Literaturreview die Frage, mit welchen Instrumenten und Zielen TPACK im Kontext von Mathematikunterricht gemessen wurde und inwiefern dabei auf spezifische Anforderungen des Mathematikunterrichts eingegangen wurde. Im hier eingereichten Vortrag wird auf zwei untergeordnete Forschungsfragen eingegangen: 1) Wie fachspezifisch waren die Instrumente zur Messung von TPACK im Kontext von Mathematikunterricht? 2) Welche Wissensfacetten des TPACK-Modells wurden bei der Operationalisierung von TPACK im Kontext von Mathematikunterricht herangezogen? Methode Das vorliegende systematische Literaturreview folgt den Empfehlungen des PRISMA-Leitfadens (Moher et al., 2009). Mittels Datenbankrecherche wurden zunächst 881 möglicherweise relevante Artikel identifiziert und nach folgenden Kriterien gescreent: Der Artikel a) bezog sich auf TPACK im Kontext von Mathematikunterricht, b) berichtet eine empirische Studie und c) wurde zwischen 2005 und 2022 auf Englisch oder Deutsch in einem wissenschaftlichen Journal publiziert. Dies führte zur Auswahl von 106 Artikeln. Sowohl die Fachspezifität als auch die Spezifität bezüglich Technologie und Pädagogik wurden jeweils auf vier hierarchischen Levels kodiert (allgemein, kontextspezifisch, episodenspezifisch, situationsspezifisch), die Interrater-Reliabilität war gut (gewichtetes κ = .87). Für die Untersuchung der Operationalisierung wurde kodiert, welche der 7 Subfacetten des TPACK-Modells (TK, PK, CK, TPK, TCK, PCK, TPCK) berücksichtig wurden, um TPACK zu quantifizieren (κ = .81). Ergebnisse TPACK wurde in der überwiegenden Mehrheit der Studien (77%) bezüglich Mathematik höchstens kontextspezifisch gemessen. Das bedeutet, dass in den verwendeten Instrumenten lediglich der Begriff Mathematik zur Spezifizierung verwendet wurde, ohne dabei auf konkrete Inhalte einzugehen. Im Gegensatz dazu wurde bei 85% der Studien bezüglich Pädagogik auf konkrete Episoden oder Situationen (z.B. Gruppenarbeit) eingegangen. Bezüglich Technologie nannten 58% der Studien lediglich den Begriff Technologie, was dem Level allgemein zugeordnet wurde. Für die Operationalisierung zeigte sich ein entsprechendes Bild: Die Facette TPK, die sich auf den pädagogisch sinnvollen Umgang mit Technologie ohne Bezug zum Inhalt bezieht, wurde von 80% der Studien in der Operationalisierung von TPACK berücksichtigt. Die konkrete Verknüpfung von Technologie, Pädagogik und Inhalt (TPCK) wurde in 77% der Studien zur Messung herangezogen. Die übrigen Wissensfacetten wurden jeweils in höchstens 22% der Studien für die Operationalisierung verwendet. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei der Messung von TPACK von Lehrkräften im Mathematikunterricht konkrete fachspezifische Anforderungen oft nur eine untergeordnete Rolle spielen. Dagegen wird häufig auf pädagogisch spezifische Aspekte des Unterrichtens mit Technologie eingegangen. Vor dem Hintergrund von Forschungsergebnissen, die zeigen, dass eine Verzahnung von technologisch-pädagogischem Wissen mit fachlichem und fachdidaktischem Wissen essenzielle Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz von Technologie und digitalen Medien im Unterricht ist (Hillmayr et al., 2020), ist dieses Ergebnis kritisch zu diskutieren. Paper Session
Was ist TPACK? Eine Studie zur Untersuchung des empirischen Zusammenhangs verschiedener Wissensfacetten zum Einsatz digitaler Medien Universität Tübingen 1 Theoretischer Hintergrund Um digitale Medien elaboriert in den Unterricht zu integrieren, benötigen Lehrkräfte spezifisches Professionswissen, welches häufig durch Technological Pedagogical Content Knowledge (TPACK; Mishra & Koehler, 2006) konzeptualisiert wird. TPACK entsteht dabei als Zusammenspiel von Fachdidaktischem Wissen (PCK) und Technologischem Wissen (TK) und wird als entscheidender Faktor für erfolgreiche Medienintegration angesehen (Mishra & Koehler, 2006). Bislang ist allerdings ungeklärt, wie TPACK mit PCK und TK zusammenhängt, da bisherige Forschungsergebnisse hauptsächlich auf selbstberichtetem Wissen basierten (Willermark, 2018). Erkenntnisse über die empirischen Zusammenhänge von TPACK-Komponenten sind aber vor dem Hintergrund passgenauer Aus- und Fortbildungsangebote für Lehrkräfte von enormer Bedeutung. Auch erlauben sie Einsichten in die theoretische Grundstruktur von TPACK. So entstand seit Einführung des TPACK-Models eine lebhafte Diskussion darüber, ob TPACK eine eigenständige Wissensfacette darstellt (z. B. Angeli & Valanides, 2009) oder lediglich eine Teilfacette von PCK darstellt (z. B. Schubatzky et al., 2023). Um die postulierten Annahmen empirisch zu klären, haben wir eine online-basierte Querschnittstudie durchgeführt mit validierten, testbasierten Messinstrumenten (Forschungsfrage 1). Außerdem haben wir untersucht, inwieweit test-basiertes und selbst-berichtetes TPACK miteinander zusammenhängen (Forschungsfrage 2). 2 Methode An der Onlinestudie nahmen N = 141 Lehramtsstudierende des Fachs Mathematik (mage = 21,5; SDage = 2,2; nmännlich = 41, nweiblich = 100) aus verschiedenen deutschen Universitäten teil. TPACK wurde mit der mathematikspezifischen TPACK-Testversion von Lachner et al.‘s (2021) Instrument gemessen (8 offene, vignetten-basierte Items). Zur Analyse haben wir die Personenfähigkeiten für TPACK basierend auf einer vorgelagerten CFA durch Faktorwerte (Bartlett, 1937) geschätzt. PCK wurde mit einer gekürzten Testversion des Instruments aus Buchholtz et al. (2012) und TK mittels eines adaptierten Instruments von Fütterer et al. (2023) erhoben (jeweils 0-1 kodierte single- und multiple-choice Items). Zur Analyse wurden die Personenfähigkeiten für PCK und TK jeweils innerhalb eines Raschmodells mit weighted likelihood estimates (WLEs; Warm, 1989) geschätzt. Selbstberichtetes TPACK wurde basierend auf Schmidt et al., (2009) mit fünfstufigen Likert-Items erfasst. Um Ermüdungseffekten vorzubeugen, wurde ein planned missing data design (Graham et al., 2006) umgesetzt, sodass Studierende nur jeweils einen zufälligen Teil aller Items beantworteten. 3 Ergebnisse Bezüglich Forschungsfrage 1 zeigte sich mittels linearer Regression (AV = TPACK, UV = PCK und TK), dass der Effekt von PCK auf TPACK moderat positiv (β = .423, p < .001) und größer als der Effekt von TK auf TPACK (β = .321, p < .001) war. Insgesamt konnten PCK und TK innerhalb des Modells etwa 37 % Varianz von TPACK aufklären. Hinsichtlich Forschungsfrage 2 ergaben sich nur kleine Zusammenhänge zwischen selbst-berichtetem TPACK und test-basiertem TPACK: r = .243, 95% CI [0.081, 0.392], p = .004. 4 Diskussion Insgesamt deuten die Ergebnisse daraufhin, dass TPACK und PCK zwar moderat zusammenhingen, jedoch TPACK eher eine eigene Facette und keine Unterfacette von PCK darstellt. Um die diskriminante Valididät von TPACK (bzgl. PCK) allerdings noch genauer zu untersuchen, werden zurzeit weitere Analysen durchgeführt (vgl. Vorgehen von Krauss et al., 2008, im Kontext von PCK), die auf der GEBF berichtet werden. Gleichzeitig war der statistische Einfluss von TK auf TPACK ebenfalls moderat signifikant, was darauf hindeutet, dass technologische Bedienfertigkeiten (TK) essenziell für TPACK sind. Die niedrigen Korrelationen zwischen selbstberichteten und test-basiertem TPACK deuten weiter auf die Notwendigkeit von performanz- und wissensbasierten Instrumenten hin, um valide Aussagen über Wissensfacetten zu treffen. Um weitere Einsichten in den Zusammenhang test- und selbstberichteter TPACK-Instrumente zu erhalten, erscheint es in Zukunft sinnvoll zu untersuchen, ob dieser Zusammenhang durch die Akkuratesse des selbsteingeschätzten Wissens moderiert wird. Es scheint nämlich plausibel anzunehmen, dass für Probanden, die ihr Wissen akkurater einschätzen können, der Zusammenhang von selbstberichtetem und test-basiertem TPACK größer ist. Insgesamt tragen unsere Ergebnisse zu einem besseren Verständnis der theoretischen Konzeptualisierung von digitalisierungsbezogenem Wissen von (angehenden) Lehrkräften bei. Paper Session
MeInE KI-Schule – Ein Workshop zur Steigerung der sozialen Akzeptanz von Lehrkräften gegenüber dem Einsatz von KI im schulischen Kontext Universität Potsdam, Deutschland Anwendungen, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren, bieten als neuartige Bildungstechnologien viele Potenziale für den Schulkontext. Sie ermöglichen es, individualisierte Lernangebote zur Verfügung zu stellen (Holmes et al., 2018; Walter & Dexel, 2020) und können damit die Lehrkraft bei ihren pädagogischen Tätigkeiten unterstützen und entlasten. Dies ist für alle Schüler:innen von Vorteil, bietet aber insbesondere für den inklusiven Unterricht große Chancen (KMK, 2016; Schaumburg, 2020, 2021a, 2021b; Schmid et al., 2021). Nach Nistor ist Akzeptanz „die erste Voraussetzung für die Nutzung einer Bildungstechnologie“ (Nistor, 2020) und damit eine zentrale Rahmenbedingung für den Einsatz und die Möglichkeit zur Entfaltung der Potenziale von KI-basierten Systemen im schulischen Kontext. In einer von uns durchgeführten empirischen Studie aus dem Jahr 2022 konnte auf Basis des Onlinefragebogens SAELKIS (Soziale Akzeptanz von Eltern und Lehrkräften gegenüber KI in der Schule, Mesenhöller & Böhme, 2023a) für 141 befragte Lehrkräfte (67% weiblich, 32% männlich, 1% nicht-binär) gezeigt werden, dass die soziale Akzeptanz gegenüber der Nutzung von KI in der Schule auf den drei betrachteten Subfacetten hoch ausgeprägt ist (Mesenhöller & Böhme, 2023b). In der Fragebogenstudie wurden die Lehrkräfte ferner zu gewünschten Informationen und Maßnahmen befragt, die aus ihrer Perspektive Voraussetzung für einen Einsatz von KI in der Schule sind. Von den befragten Lehrkräften wurde am häufigsten der Wunsch nach Weiter- und Fortbildungen und Aufklärung zum Thema KI in der Schule genannt. Diese sind ein geeignetes Mittel, um neue Fertig- und Fähigkeiten von Lehrkräften zu fördern (Darling-Hammond, 2017) und gelten ferner als Moderatorvariable für die Wirksamkeit des Einsatzes von Bildungstechnologien im Schulkontext (Hillmayr et al., 2020). Um den Wunsch der Lehrkräfte nach Weiterbildungen im Bereich KI zu adressieren, wurde der dreistündige Workshop Mehr Informationen zum Einsatz von KI in der Schule (MeInE KI-Schule) entworfen. In diesem Workshop werden den Lehrkräften zunächst basale Informationen zum Thema KI und ihren verschiedenen Unterbereichen wie Machine und Deep Learning vermittelt. Nachfolgend trainieren die Lehrkräfte selbst ein Machine Learning System und erfahren so die Komplexität des Trainingsvorgangs sowie bestimmte Schwierigkeiten, die in diesem Zusammenhang auftreten können. Neben Möglichkeiten des Lehrens und Lernens mit KI, wie z.B. die Nutzung von ChatGPT für die Unterrichtsplanung, ist auch das Lehren und Lernen über KI, z.B. durch die Verfügbarmachung von Lehrmaterialien, Thema des Workshops. Auch Grenzen der Anwendung von KI-basierten Systemen im Schulkontext sowie relevante ethische, rechtliche und soziale Implikationen (ELSI, Boden et al., 2021) werden thematisiert. Um zu prüfen, ob die Teilnahme an dem Workshop einen Einfluss auf die soziale Akzeptanz von KI-basierten Systemen im schulischen Kontext hat, bearbeiteten die Lehrkräfte vor und nach dem Workshop den SAELKIS Fragebogen. Zusätzlich wurde Prä-Post das KI-bezogene Wissen der Lehrkräfte mit einer neu erstellten Skala erhoben. Erste Ergebnisse zur Wirksamkeit des Workshopangebots mit bislang N = 80 Lehrkräften (75% weiblich, 25% männlich) zeigen, dass sich durch die Workshopteilnahme sowohl die soziale Akzeptanz (t(79) = -2.46, p = .008), als auch das KI-bezogene Wissen (t(79) = -3.42, p < .001) signifikant erhöht. Ziel des Workshopangebots ist es, Konzept und Informationsmaterialien langfristig als Open Educational Resources Lehrkräften deutschlandweit zur Verfügung zu stellen und so Möglichkeiten und realistische Grenzen von KI-basierten Systemen aufzuzeigen und durch eine transparente Wissensvermittlung die Potenziale von KI-basierten Lernunterstützungstools im schulischen Kontext nutzbar zu machen ohne mögliche Risiken zu ignorieren. Paper Session
Zwischen den Zeilen – Pädagogische Trainings zu Quellenkritik verbessern Glaubwürdigkeitseinschätzungen von Informationen 1Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutschland; 2Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Schweiz Theoretischer Hintergrund In der heutigen, informationsgetriebenen Gesellschaft stellen Fehlinformationen ein großes Problem dar, da sie dank vielfältiger Strategien, beispielsweise emotional manipulierender Sprache, dazu verlocken, ihnen Glauben zu schenken und sie zu teilen (Roozenbeek et al., 2023). Dieser Glaube kann in unerwünschten Verhaltensweisen resultieren, beispielsweise dem Nichteinhalten von Klima- und Infektionsschutzmaßnahmen (Cook et al., 2023). Während die meisten Menschen die Glaubwürdigkeit von Informationen analytisch akkurat erkennen können, scheinen sie diese Fähigkeit nicht durchgängig zu nutzen (Modirrousta-Galian et al., 2023). Stattdessen entscheiden sie oft intuitiv über die Informationsqualität, wodurch sie anfälliger für persuasive Strategien von Fehlinformationen sind (Ecker et al., 2022). Psychologische Interventionen zur Erkennung von Fehlinformationen stehen in der Kritik, anstatt einer korrekten Glaubwürdigkeitseinstufung die Skepsis gegenüber allen Informationen zu erhöhen (Modirrousta-Galian & Higham, 2023). Dieser Einschränkung könnte ein Training in Lateral Reading entgegenwirken, ein pädagogischer Ansatz, in welchem Fehlinformationen durch Quellenkritik erkannt werden, der stark auf analytische Schemata setzt (Artmann et al., 2023; Wineburg et al., 2022). Fragestellung Infolgedessen stellen wir in unserer Studie die Frage, inwieweit ein pädagogisches Lateral-Reading-Training auf der Basis von Cognitive Apprenticeship (Collins et al., 1991) die Fähigkeit der Teilnehmenden zur korrekten Einschätzung von Informationsglaubwürdigkeit verbessert. Zusätzlich untersuchen wir, inwieweit die Effekte einer solchen Intervention vom Inhaltswissen zum Themenbereich des Trainings (Klimawandel; Ranney & Clark, 2016) sowie Verschwörungsdenken (Uscinski & Olivella, 2017) der Teilnehmenden abhängen. Schlussendlich wurde untersucht, ob das Training Transfereffekte auf Persuasionswissen gegenüber unverlässlichen Medien hat (Chen & Cheng, 2019) und ob solch ein Effekt wiederum von den Eigenschaften der Teilnehmenden abhängt. Methode N=344 Teilnehmende (58% weiblich, 41% männlich, 3% divers; Med(Alter)=23, SD=13.35) wurden zufällig entweder einer Kontrollbedingung (n=109) zugewiesen, in welcher sie lediglich alle Tests ausfüllten, einer Lesebedingung (n=107), in welcher sie selbstständig Scaffolding Material über Lateral Reading lasen, sowie der Apprenticeship-Bedingung (n=128), in welcher in etwa einstündigen Lateral-Reading-Trainings das Erkennen erst modelliert, dann gecoached und schließlich selbstständig geübt wurde. Die Teilnehmenden stuften in einem Glaubwürdigkeitstest 6 Quellen (3 verlässliche, 3 unverlässliche) ein; Glaubwürdigkeits-Scores wurden anhand des Unterschiedes in der mittleren Zustimmung am Prä- bzw. Posttest zu den beiden Arten von Quellen errechnet (Omega=.71/.87). Als Moderatoren wurden Wissen über Klimawandel (12 Items; Omega=.68) sowie Verschwörungsdenken (4 Items; Omega=.89) erhoben und als Transfer-Outcome Persuasionswissen (11 Items, Omega=.94). Ergebnisse Die vier Fragestellungen wurden mittels eines bivariaten Bayesianischen multiplen Regressionsmodells mit schwach informativen Prioren und 4 HMC-Ketten (jeweils 1000 warm-up, 3000 effektive Samples) geschätzt. Konvergenz wurde anhand Posterioren und Ketten-Mixing, sowie Rhat-Werten von 1.00 festgestellt und Fit mittels posterior-predictive Checks. Die Ergebnisse des Modells anhand von 90% Kredibilitätsintervallen (weniger als 95% wurde gewählt, um hohe Betafehler-Raten zu vermeiden, besonders in den Interaktionsparametern) zeigten positive Effekte beider Interventionsgruppen (Lesegruppe: b=0.23; 90%CI[0.06, 0.41]; Apprenticeship-Gruppe: b=0.51; 90%CI[0.35, 0.68]) im Vergleich zur Kontrollgruppe auf der Unterscheidungsfähigkeit, sowie der Apprenticeship-Gruppe (b=0.23; 90%CI[0.24, 0.61]) auf dem Persuasionswissen. In beiden Fällen war der Effekt der Apprenticeship-Gruppe stärker als jener der Lesegruppe (Unterscheidung: b=0.28; 90% CI[0.11, 0.45]; Persuasionswissen : b=0.36; 90% CI[0.18; 0.56]). Interaktionsparameter zeigten, dass Inhaltswissen die Interventionseffekte auf die Unterscheidungsfähigkeit verstärkte (Lesegruppe: b=0.22; 90%CI[0.03, 0.41]; Apprenticeship-Gruppe: b=0.19; 90%CI[0.02, 0.38]) und Verschwörungsdenken jene auf das Persuasionswissen abschwächte (Lesegruppe: b=-0.20; 90%CI[-0.40, -0.01]; Apprenticeship-Gruppe: b=-0.14; 90%CI[-0.34, 0.07], Nulleffekt nicht ausgeschlossen). Diese Ergebnisse zeigen, dass Lateral Reading insbesondere in pädagogischen Trainings eine wirksame Intervention ist, um sowohl die Unterscheidungsfähigkeit zwischen verlässlichen und unverlässlichen Nachrichten als auch das Persuasionswissen über alternative Medien zu fördern. Der positiv moderierende Effekt von Inhaltswissen deutet darauf hin, dass eine gleichzeitige Förderung der Unterscheidungsfähigkeit und des Inhaltswissens über das Interventionsthema besonders hilfreich sein könnte. Es werden Vorschläge diskutiert, wie die Intervention weiter modifiziert werden könnte, um auch für Individuen, die zu Verschwörungsdenken tendieren, die Effektivität in Bezug auf das Persuasionswissen zu optimieren. |
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