In den letzten beiden Jahren überstürzen sich die Ereignisse: zunächst der menschengemachte Klima-wandel und die dadurch und durch politische und ökonomische Ereignisse verursachte Flucht, Vertrei-bung und Migration, dann die Pandemie und jetzt der Krieg in der Ukraine stellen die bundesdeutsche Gesellschaft auf vielfältige Weise vor neue Herausforderungen und neue Lagen – etwa eine vorher un-gekannte Wissenschaftsfeindlichkeit. In dieser Lage der inner- und außergesellschaftlichen Krisen und der durch sie mit erzeugten politischen und gesellschaftlichen Kontroversen und Spaltungen wird die Relevanz der Soziologie dringlich, gemeinsam mit den Nachbardisziplinen wie der Politikwissenschaft oder auch der Anthropologie. Für Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Verwaltung und Politik verfügen So-ziolog_innen über umfassende theoretische, empirische und methodologische Wissensstände, die nicht zuletzt auch für all jene Veränderungen hilfreich und dringlich sind, die unter den Begriffen der Globalisierung, Digitalisierung oder Ökonomisierung und deren Krisen diskutiert werden.
Zugleich beschäftigt die bundesdeutsche Wissenschaftspolitik seit Jahren die prekäre Lage des Mittel-baus an den Hochschulen. So haben verschiedene Wissenschaftsverbände, auch die DGS, die Abschaf-fung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes gefordert. Als zu lösende Probleme werden die steigende Befristungsquote, kürzer werdende Vertragslaufzeiten und die damit verbundene berufliche Ungewiss-heit wahrgenommen. Einen Höhepunkt in dieser Debatte stellt die Twitter-Initiative #ichbinhanna dar, die seit Sommer 2021 breite Aufmerksamkeit erzeugt und auch zu einer Publikation bei Suhrkamp ge-führt hat. Ebenso zu nennen sind die parallelen Invektiven der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
„Soziologie als Beruf“ steht für diesen Widerspruch zwischen den unsicheren und unkalkulierbaren Be-schäftigungsverhältnissen der Mehrheit der Soziolog_innen einerseits, und der Dringlichkeit soziologischer Expertise und Forschung für Gesellschaft und Politik andererseits.
Wir möchten in der Veranstaltung eine Debatte führen, die verschiedene Positionen konstruktiv zusammenführt: eine Vertreterin der Wissenschaftspolitik, eine der prominentesten Vorkämpferinnen für bessere Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft und eine Wissenschaftssoziologin, die einen distanzierenden, auch europäisch vergleichenden Blick auf diese Spannungslage richten wird, sowie die anschließende Diskussion mit zwei Diskutand_innen aus der Soziologie.
Die Veranstaltung sieht drei Impulsvorträge vor:
- Dr. Sabine Johannsen, Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (online zugeschaltet);
- PD Dr. Kristina Eichhorn, Institut für Literaturwissenschaft, Universität Stuttgart (online zugeschaltet)
- NN
Daran schließt eine Podiumsdiskussion an, unter Einbezug des Publikums und der beiden Podiumsgäste:
Prof. Dr. Klaus Dörre, Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie, Universität Jena
Dr. Andrea Hense, Soziologisches Forschungsinstitut, Universität Göttingen.
Moderation: Prof. Dr. Tilman Reitz, Professor für Wissenssoziologie und Gesellschaftstheorie, Universität Jena.