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Partitioning representation, i.e., the representation of voting citizens by forcing them to sort into nonoverlapping groups, was once intended to mediate group conflict and polarization, and over the decades of industrial society it was rather successful in that regard. In the recent decades of the so-called "second modernity", this success recipe does however not work anymore. Instead, the old institutions of industrial democacies see increasing levels of polarization that seem to be immune against being mediated.
In this paper, a model is presented that allows to explain this seemingly paradox that currently reduces satisfaction levels with democracy, factual quality of solutions found, to an extent that at least in the United States, democracy's former heartland, is already threatening democracy itself. The model allows to see how changing political institutions from partitioning representation to what has been called Civil democracy offers a way out of this malaise.
Neue Orte einer kommunikativen Differenzierung? – Eine Betrachtung des dezentralen Microbloggingdienstes Mastodon mithilfe eines agentenbasierten Simulationsmodelles
Alexander Brand
Stiftung Universität Hildesheim, Deutschland
Dezentrale soziale Netzwerke erfahren nicht erst seit dem Kauf von Twitter durch Elon Musk Aufmerksamkeit und haben eine kleine, aber steigende Nutzer:innenschaft. Neben den Versprechen einer relativen Unabhängigkeit von den „Big Playern“ der Technologiebranche versprechen sie eine neue - alte Offenheit in der Kommunikation, wie sie in euphorischen Erwartungen in den Frühzeiten des Internets häufig vorausgesagt wurde. Doch unterscheiden sich der Gebrauch und die Reaktion auf Plattformaffordanzen hier tatsächlich von etablierteren Microbloggingdiensten? Finden sich hier ebenfalls Tendenzen einer Polarisierung in separierte Gruppen von Akteur:innen?
Diesen Fragen soll im Rahmen des vorliegenden Beitrags anhand eines empirisch unterfütterten agentenbasierten Simulationsmodells nachgegangen werden. Im Rahmen der Fallstudie wird dabei auf Konversations- und Nutzer:innendaten der Plattform Mastodon zurückgegriffen, welche aktuell (Stand 28.04.2022) einen der Hauptmigrationsorte für Plattformwechsler:innen darstellt. Mastodon’s Strukturierung in dezentrale Instanzen erlaubt dabei eine grobe Vorverortung der Mitglieder durch spezifische Designationen (z.B. Transgender Rights, LGBTQ+…), welche alle uneingeschränkt kommunizieren können, aber sozial vorgruppierende Wirkung entfalten könnten.
Für die Analyse möglicher Polarisierungstendenzen wird auf eine erweiterte Version des Social Influence Modells (Mäß) zurückgegriffen, welches eine Untersuchung der Meinungsbildungsprozesse bei begrenzter Rationalität in Netzwerken ermöglicht. Die relevanteste Erweiterung stellt die Berücksichtigung multipler, jedoch nur verhältnismäßig kleiner Gruppen und einzelner größerer Netzwerkkomponenten dar, wie sie bei Mastodon vorstrukturiert ist. Für die Analyse der Simulationsdurchläufe wird mit Hilfe von Sensitivitätsanalysen (One-at-a-Time und Fourier Amplitude Sensitivity Test) betrachtet, welchen Einfluss verschiedene Level von Clustering, Homophilie und Größe der Gruppen auf die Entstehung separierter Kommunikationseinheiten haben. Erste Ergebnisse zeigen dabei einen nicht-linearen negativen Zusammenhang der Verteilung der Gruppengrößen und Meinungshomophilie.
Die französische Gelbwesten-Bewegung: Ein Simulationsmodell zur Erklärung ihres Scheiterns und zur Exploration eines möglichen Erfolgs
Georg Mueller
Uni Fribourg, Schweiz
Zwischen November 2018 und Juli 2019 hat Frankreich in Wochenabständen mehr oder weniger gewaltsame Proteste der sogenannten Gelbwesten-Bewegung gegen die Politik von Präsident Macron gesehen. Die Proteste entzündeten sich zunächst an der ökologisch motivierten Erhöhung der Treibstoff-Steuern, verschoben sich dann thematisch in Richtung Sozialpolitik (z.B. Altersrenten) und scheiterten schlussendlich an der fehlenden Teilnahme der französischen Bürger/innen. Zur Erklärung dieses Scheiterns präsentiert der Autor ein logistisches Wachstumsmodell mit Zeit-diskreten Differenzengleichungen, in welchem (a) bereits aktive Protestträger/innen politisch enttäuschte Bürger/innen "anstecken" und somit mobilisieren und (b) der Einsatz von polizeilicher Repression deren Demobilisierung verursacht.
Aufgrund der relativ guten Dokumentation der Zahl der Protestierenden lassen sich zentrale Parameter des Modells wie Ansteckung- und Demobilisierungs-Raten mittels statistischer Regression schätzen und anschließend für Modell-Simulationen verwenden. Diese stimmen recht gut mit dem beobachteten Niedergang der Gelbwesten-Bewegung überein und bestätigen somit das zu Grunde liegende theoretische Modell. Dieses lässt sich auch dazu verwenden, um eine kontrafaktische Alternative, das heißt einen möglichen Erfolg der Gelbwesten-Bewegung zu simulieren. Der zweite Teil der Arbeit geht daher der Frage nach, wie die beobachteten Parameter hätten verändert werden müssen, um den von der Bewegung letztlich intendierten Sturz der Regierung Macron einzuleiten. Entsprechende Simulationen zeigen, dass das Modell bei geeigneter Parametrisierung auch deterministisches Chaos mit entsprechenden politischen Folgen generieren kann. Sie illustrieren ganz generell einen bisher wenig diskutierten möglichen Gebrauch von Simulationsmodellen: Die Optimierung von sozialem Handeln für extern vorgegebene politische Zwecke.
Simulation von Segregationsprozessen mit realitätsnahen Nachbarschaftspräferenzen
Daniel Schubert, Sören Petermann
Ruhr-Universität Bochum, Deutschland
Ausgangspunkt des Beitrags ist das bekannte dynamische Modell von Schelling (1971, 1978, 2006) zur Beschreibung von räumlichen Segregationsprozessen aufgrund bestimmter Präferenzen über die Nachbarschaftszusammensetzung und darauf basierendem Umzugsverhalten von Haushalten. Aufgrund wechselseitiger Beeinflussung kann es zu Kettenreaktionen von Umzugsbewegungen kommen, die stark segregierte Siedlungsmuster erzeugen. Das Modell von Schelling ist in seinen Annahmen nicht sehr komplex und äußerst sparsam, verdeutlicht aber, wie daraus relevante Marko-Phänomene entstehen können. Insbesondere gibt es nur eine einfache Präferenzannahme: Akteure vermeiden Minderheitensituationen der Eigengruppe in der unmittelbaren Nachbarschaft.
In der deutschsprachigen Soziologie wurde zwar in einer empirischen Untersuchung aus dem Schelling-Modell abgeleitete Hypothesen größtenteils bestätigt (Keckes & Knäble 1988), dennoch wurde das Modell überwiegend kritisiert und für den deutschen Kontext aus ungeeignet abgelehnt: spezifische Modellannahmen entsprachen mehr oder weniger nicht der Realität. Z.B. gibt es Diskrepanzen in der Leerstandsquote (Annahme: 20%, Realität: ca. 5%).
Erstaunlicherweise gibt es aber kaum empirische Untersuchungen zur Nachbarschaftspräferenz, die gezielt die Simulationen der Segregationsprozesse verbessern bzw. realitätsnäher gestalten würde. Der Beitrag versucht, diese Lücke zu schließen, indem Bezug auf die vignettenartige Abfrage von Wohnpräferenzen im ALLBUS genommen wird. Die empirische Verteilung von Nachbarschaftspräferenzen kann als Input für agentenbasierte Simulationsmodelle genutzt werden. Aufgrund verschiedener Präferenz-Konstellationen können Segregationsprozesse präziser simuliert werden und differenziertere Schlussfolgerungen gezogen werden.