Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
P22: DDR-Erinnerungsdiskurse im Spannungsfeld von Medien und Alltag
Zeit:
Freitag, 15.03.2024:
9:00 - 10:30

Chair der Sitzung: Carola Richter
Ort: C01-AMG | 0007

0007 Personen: 48

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Präsentationen

Transformatorische Potentiale von Leserbriefen als öffentliche Gesellschaftsgespräche in der DDR

Maximilian Krug

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

Krug-Transformatorische Potentiale von Leserbriefen als öffentliche Gesellschaftsgespräche-112.pdf


DDR-Erinnerungsdiskurse im Spannungsfeld von Medien und Alltag

Chair(s): Carola Richter (FU Berlin, IfPuK, Deutschland)

Am Beispiel von Diskursen über die DDR und Ostdeutschland nach 1989/90 argumentieren wir, dass Ideen für ein besseres gesellschaftliches Zusammenleben ohne die Aufarbeitung medienbezogener Konflikte kaum verfangen dürften. Die erneut diskutierte ‚Mauer in den Köpfen‘ sowie das „hartnäckige Problem ostdeutscher Identität“ (Kollmorgen, 2022, o.S.), die Medienskepsis und der Erfolg der AfD – all diese Probleme haben eine Geschichte, die weiter zurückreicht und nicht auf den Osten zu reduzieren ist. Zu dieser Geschichte gehören die alltagsweltlichen Folgen der „Schocktherapie“, der die ostdeutsche Wirtschaft ab 1990 unterzogen wurde (Ther, 2016, S. 94), der „Kopiervorgang“ westlicher Institutionen im Osten (Engler, 2021, S. 32) sowie die Erfahrung „statusbezogener Deklassierung“ (Mau, 2019, S. 166).

Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht sind die medialen Diskurse und deren alltagsweltliche Wahrnehmung mindestens ebenso bedeutsam, um das Verhältnis zwischen Ost und West zu verstehen. Ihnen widmet sich das Panel, denn in medialen Diskursen wird Einschließung und Ausschluss, Abwertung und Bestätigung produziert (Ahbe, 2008). In erinnerungskulturellen Diskursen wird über die Möglichkeit der „selbstbestimmten Verortung im historischen Raum“ entschieden (Mau, 2019, S. 213).

Unser Panel interessiert sich für die Konflikte um die Deutung der DDR und der Wiedervereinigung auf der Ebene des Medien- und des Alltagsdiskurses. Es stellt die Spannungen zwischen öffentlichen Erinnerungsdiskursen auf der einen Seite und ostdeutschen Erfahrungen auf der anderen Seite heraus. Die Forschung hat eine langjährige Dominanz des Diktaturgedächtnisses (Sabrow, 2009) in den westdeutsch dominierten (Leit-)Medien festgestellt sowie eine Darstellung Ostdeutschlands als Problemzone (Früh et al., 1999; Früh & Stiehler, 2002; Ahbe, 2008; Meyen, 2013; Mükke, 2021). Die Forschung hat sich vor allem auf Nachrichtenmedien konzentriert, den europäischen Kontext der Ost-West-Spaltung ausgeblendet und Lesarten im Alltag kaum berücksichtigt. Der Anschluss an neuere Entwicklungen fehlt, so etwa die Wahlerfolge der AfD und der mittlerweile nuanciertere DDR-Diskurs.

Auf diese Lücken reagieren die Beiträge des Panels, indem sie populäre Medien mit großer Reichweite in den Vordergrund rücken (Kinofilm, Fernsehserie), die Zeitperspektive bis zur Gegenwart ziehen, einen Ländervergleich (Polen) einschließen sowie private Erinnerungskultur und Identitätsarbeit auf der Nutzerseite zum Gegenstand machen.

Das Panel trägt zur kritischen Auseinandersetzung mit Geschichtsbildern und Identitätskonstruktionen bei. Die Produktion von Wissen über das, was verschwiegen und was in den Vordergrund gerückt wird, dürfte für die Entwicklung von positiven Leitbildern hilfreich sein, zu denen die DGPuK-Tagung anregt.

Ahbe, T. (2008). Ost-Diskurse. Das Bild von den Ostdeutschen in den Diskursen von vier überregional erscheinenden Presseorganen 1989/90 und 1995. In K. S. Roth und M. Wienen (Hrsg.), Diskursmauern. Aktuelle Aspekte der sprachlichen Verhältnisse zwischen Ost und West (S. 21-53). Hempen Verlag

Engler, W. (2021). Die offene Gesellschaft und ihre Grenzen. Matthes & Seitz.

Früh, W., Hasebrink, U., Krotz, F., Kuhlmann, C., & Stiehler, H.-J. (1999). Ostdeutschland im Fernsehen. KoPäd.

Früh, W., & Stiehler, H.-J. (2002). Fernsehen in Ostdeutschland. Eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Programmangebot und Rezeption. Vistas.

Mau, S. (2019). Lütten Klein: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft. Suhrkamp.

Meyen, M. (2013). „Wir haben freier gelebt“: Die DDR im kollektiven Gedächtnis der Deutschen. transcript.

Mükke, L. (2021). 30 Jahre staatliche Einheit – 30 Jahre mediale Spaltung. OBS-Arbeitspapier 45.

Sabrow, M. (2009). Die DDR erinnern. In. M. Sabrow (Hrsg.), Erinnerungsorte der DDR (S. 11-27). Beck

Ther, P. (2016). Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa. Suhrkamp

 

Beiträge des Symposiums

 

Geteilte Erinnerung? Eine vergleichende Analyse sozialistischer Erinnerung in Deutschland und Polen

Anke Fiedler
IPK, Universität Greifswald

„Die subjektiv empfundene fehlende Anerkennung vieler Ostdeutscher durch Westdeutsche führt zu dem paradoxen Ergebnis, dass damit die Schattenseiten der sozialistischen Diktatur [in der DDR] verdrängt oder geleugnet werden“, schreibt Klaus Schroeder, Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat (2020, S. 303). Wie aber wird in einem Land wie Polen, in dem es keine Wiedervereinigung gab, an den Sozialismus erinnert? Gibt es dort, wenn Schroeders These zutrifft, eine größere „Konvergenz“ zwischen öffentlicher und alltäglicher Erinnerung? Polen bietet sich als Vergleichsland an, weil es eine ähnliche historische Pfadabhängigkeit wie Ostdeutschland aufweist und weil das öffentliche Erinnerungsparadigma dort – ähnlich wie in Deutschland – antikommunistisch geprägt ist (Stichwort: Diktaturgedächtnis). Methodisch stützt sich der Vortrag auf qualitative Fokusgruppen mit 120 Teilnehmern in Polen und Ostdeutschland, um den Alltagsdiskurs über die sozialistische Vergangenheit zu analysieren. Die Ergebnisse zeigen bemerkenswerte Parallelen in der alltäglichen Erinnerungspraxis beider Länder. Allerdings wird die „Kluft“ zwischen öffentlicher und alltäglicher Erinnerung unterschiedlich interpretiert: in Polen entlang von Klassenlinien, in Deutschland entlang von „quasi-ethnischen“ Linien.

Schroeder, K. (2020). Kampf der Systeme: Das geteilte und wiedervereinigte Deutschland. Lau

 

Die DDR im Film

Daria Gordeeva
IfKW, LMU München

Der Vortrag gibt Einblicke in den filmischen DDR-Diskurs der letzten 23 Jahre. Der Film wird dabei als Leitmedium der populären Erinnerungskultur begriffen, das kollektive Vorstellungen von der Vergangenheit nachhaltig prägt. Anhand von zehn populären nationalen Kinoproduktionen präsentiert der Vortrag eine Typologie von filmischen ‚DDR-Realitäten‘, beleuchtet die Dynamik des Diskurses und bringt filmische Bilder und Narrative in Verbindung mit ihren Produktions- und Rezeptionskontexten. Die Diskursanalyse zielt dabei nicht nur darauf ab, bestimmte Deutungsmuster (Stichwort: Diktaturerzählung) und die damit verbundenen Machtverhältnisse (Stichwort: westlich dominierte Filmlandschaft) zu problematisieren. Die Analyse zeigt auch Wege auf, wie man den Diskurs produktiv erweitern kann, und entwickelt Strategien für eine Erinnerungskultur, die auf kluges Verständnis statt Abgrenzung setzt, die nicht in Stereotypen verharrt und das simple Freund-Feind-Schema überwindet. Inspiriert von konkreten Beispielen aus dem Material, plädiert der Vortrag für Erzählstrategien, die (auch künftig) eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ermöglichen: Zum einen durch den Fokus auf individuelle Handlungs- und Entscheidungsspielräume im sozialistischen Alltag; zum anderen durch den Versuch, die DDR-Gesellschaft in ihrer ideologisch-politischen Eigenart zu begreifen, die sich mit den westlichen Maßstäben nur unvollkommen erfassen lässt.

 

„Das hat man ja fast gar nicht mehr auf Arbeit“ – Ostdeutsche Lesarten der ARD-Serie _In aller Freundschaft_

Maria Löblich, Elisa Pollack
IfPuK, FU Berlin

Als _In aller Freundschaft_ 1998 zum ersten Mal im ARD-Abendprogramm zu sehen war, versprach der für die Produktion verantwortliche MDR, „das Lebensgefühl und die Lebenswirklichkeit der Menschen im Osten“ in den Mittelpunkt zu rücken (epd medien 1998: 14). 25 Jahre später ist der Erfolg der Krankenhausserie ungebrochen. Schauplatz ist die „Sachsenklinik“, bis heute haben Schauspieler mit DDR-Herkunft tragende Rollen. Wie bedeutsam ist die Serie für ostdeutsche Zuschauer geworden, was deren gesellschaftliche, auch historische Selbstvergewisserung nach 1990 anging? Die Frage stellt sich nicht nur angesichts des Westpublikums, das _In aller Freundschaft_ auch ansprechen sollte, und auch nicht nur, weil die Serie gesellschaftspolitische Zusammenhänge ausblendet. Vielmehr lassen Inhaltsanalysen und die aktuelle Debatte um die Darstellung Ostdeutschlands in den Hauptprogrammen von ARD und ZDF an dieser Bedeutsamkeit zweifeln. Gestützt auf einen diskurs- und habitustheoretischen Rahmen, auf Gruppendiskussionen und Leitfadeninterviews arbeitet der Vortrag das Spektrum von Lesarten unter Fans heraus, die bis 1989 in der DDR gelebt haben und beim Mauerfall mindestens 16 Jahre alt waren. Eine dieser Lesarten lautet, dass die soziale Welt der „Sachsenklinik“ als positiver und mit DDR-Erinnerung verbundener Gegenentwurf zu einigen Arbeits- und Lebensbedingungen seit 1990 verstanden wird.

Epd Medien (4.4.1998): MDR und WDR arbeiten an den neuen Hauptabendserien. Nr. 25, S. 14.

Löblich-DDR-Erinnerungsdiskurse im Spannungsfeld von Medien-198.pdf


 
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