Veranstaltungsprogramm der Jahrestagung der Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2023

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 5.6
Zeit:
Freitag, 08.09.2023:
13:00 - 14:30

Moderation der Sitzung: Wolfgang von Gahlen-Hoops
Ort: Gebäude Helsinki (HEL) Raum 166

Kapazität: 40 Personen

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen

Herausforderungen der beruflichen Praxis aus der Perspektive von Auszubildenden der Physiotherapie – ein Beitrag zu der Entwicklung situations- und handlungsorientierter Curricula

Coppers, Anna; Struck, Philipp

Katholische Hochschule Mainz, Deutschland

Fragestellung
Für die Anbahnung berufsrelevanter Kompetenzen wird in der berufswissenschaftlichen Qualifikationsforschung, die Untersuchungen der beruflichen Realität als notwendige Grundlage der Entwicklung von Curricula gesehen (Becker & Spöttl, 2006). Vor diesem Hintergrund erfasst diese Erhebung erstmals Herausforderungen der physiotherapeutischen Tätigkeit aus der Perspektive von Auszubildenden.

Theoretische Verortung
Die empirische Erhebung kritischer Ereignisse (Critical Incidents) nach Flanagan (1954) wird für die Curriculumentwicklung in der Pflege bereits genutzt, um Handlungssituationen zu ermitteln, die berufstypische Problemsituationen abbilden (Spürk, 2021; Muths & Darmann-Finck, 2019). Da auch in der internationalen, physiotherapeutischen Berufsbildungsforschung, die Erhebung von Critical Incidents schon lange eingesetzt (Beenhakker, 1980; Robson & Kitchen, 2007) wird, soll dieser Ansatz nun für die Ausbildung in der Physiotherapie in Deutschland erstmalig adaptiert werden.

Methodischer Zugang
An sechs Physiotherapieschulen wurden 49 Auszubildende (Durchschnittsalter: 23 Jahre, 65% weiblich) im letzten Jahr, mit Hilfe eines digitalen, offenen Fragebogens sowie mit teilstrukturierten Interviews zu ihrem letzten Praktikumseinsatz befragt.
Erfasst wurden nachhaltig positiv oder negativ in Erinnerung gebliebene, kritische bzw. herausfordernde Ereignisse in der physiotherapeutischen Tätigkeit (Norman et al., 1992), die mit der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker (2022) ausgewertet wurden.

Ergebnisse
Von den 58 ausgewerteten Ereignissen, fanden die meisten im stationären Setting (85%) im Patientenkontakt (81%) statt. Es ließen sich induktiv drei Handlungsfelder mit spezifischen Herausforderungen ableiten: Interaktion (n=35), therapeutisches Handeln (n=22) sowie emotionale Belastungen (n=15).
Das bedeutet, dass Lernsituationen in der Lehre, neben dem therapeutischen Handeln auch die Interaktion als zentrales Element der therapeutischen Tätigkeit sowie den Umgang mit emotionalen Belastungen aufgreifen sollten, um Auszubildende auf die komplexen Anforderungen in der Praxis vorzubereiten.

Relevante/mögliche Implikationen
Diese Erhebung erfasst erstmals berufstypische Handlungsprobleme aus der Perspektive von Auszubildenden der Physiotherapie. Die generierten Erkenntnisse bieten Anregungen für die Entwicklung situations- und handlungsorientierter Curricula als auch eine Grundlage für weiterführende Forschungsarbeiten.



Die Qualität von Gruppendiskussionen zu ethischen Konflikten im Beruf – Ergebnisse einer Interventionsstudie zu VaKE im digitalen Setting

Siegfried, Christin1; Heinrichs, Karin2; Weinberger, Alfred3

1Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland; 2Pädagogische Hochschule Oberösterreich Linz, Österreich; 3Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz, Österreich

In der beruflichen Domäne der Pflege und Sozialbetreuung werden ethische Kompetenzen im Umgang mit berufsspezifischen Belastungssituationen als notwendige Facette beruflicher Handlungskompetenz gefordert (Heffels & Storm 2021, S. 12; Wittmann, Weyland & Warwas 2020). Es stellt sich die Frage, ob und inwiefern die schulische Ausbildung einen Beitrag dazu leisten kann, diese ethischen Kompetenzen zu fördern. Die Unterrichtskonzeption VaKE (Values and Knowledge Education) hat sich als konstruktivistisches Lehr-Lern-Setting im Kontext beruflicher Bildung bewährt, um Fachwissen und die moralische Urteilsfähigkeit zu fördern (Weinberger, 2006; Weinberger & Freiwein, 2019). Unklar ist allerdings ist der Beitrag der in VaKE integrierten Gruppendiskussion zur Kompetenzförderung.

In diesem Beitrag wird eine Interventionsstudie vorgestellt, in der VaKE an einer beruflichen Schule für Pflege und Sozialbetreuung in Österreich durchgeführt wurde. 41 Ausbildungsteilnehmer:innen wurden im Rahmen einer Projekttages über Fernlehre in zwei Gruppen von ca. 20 Personen via Zoom mit selbst entwickelten berufsspezifischen Dilemmata konfrontiert, deren potentiellen Lösungen sie in Kleingruppen von je 4-5 Lernenden diskutierten. Diese Gruppendiskussionen (N=9) wurden videographiert, die Gespräche transkribiert und mittels qualitativer Inhaltsanalyse bzgl. der Qualität der individuellen Beiträge und der Gesamtdiskussionen (Siegfried & Heinrichs, 2020) untersucht. Zudem wurde mithilfe induktiv entwickelter Kategorien analysiert, inwiefern es den Gruppen gelang, verschiedene Handlungsoptionen zu entwickeln und mit Rekurs auf fachliche und moralische Argumente zu begründen.

Die Ergebnisse zeigen, dass es den meisten Lernenden gelingt, ihr Fachwissen über den Interventionszeitraum anzureichern (T(30)=2,218, p=.034). In den Gruppendiskussionen war ein Großteil der Gespräche der Suche nach der adäquaten Handlung gewidmet (ca. 70%). Den Lernenden aber fiel es schwer, ihre Überlegungen begründet darzulegen (57% der Äußerungen sind nicht elaboriert). Die elaborierten Beiträge werden aber genutzt, um unter Berücksichtigung des im Rahmen von VaKE erworbenen Wissens gemeinsam Handlungspläne zum adäquaten Umgang mit dem Dilemma zu entwickeln und individuelle Handlungspräferenzen auch moralisch zu reflektieren. Gruppenmitglieder, die Handlungsoptionen ethisch begründen und elaborieren, profitieren in ihrem Fachwissenserwerb und der Attribution positiver Emotionen mit der moralischen Entscheidung.



Rezeption der Rahmenpläne für die Pflegeausbildung an Pflegeschulen und Praxiseinrichtungen

Wesselborg, Bärbel; Wiedemann, Regina; Kuske, Silke; Bartoszek, Gabriele; Stephan, Astrid

Fliedner Fachhochschule, Deutschland

Hintergrund: Zur Umsetzung des generalistisch ausgerichteten Pflegeberufegesetz (PflBG, 2017) und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPrV, 2018) entwickelte eine Fachkommission erstmals empfehlende Rahmenpläne (§ 53 PflBG). Diese dienen Pflegeschulen und Praxiseinrichtungen zur Erstellung aufeinander abgestimmter Curricula und Ausbildungspläne (§ 6 Abs. 2 und 3 PflBG).

Fragestellung: Zur Erforschung des Transfers der Rahmenpläne in die ausbildungsrelevanten Unterlagen wurde auf Initiative der Fachkommission vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) eine Studie (01/2022 - 02/2023) in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sollen der Aktualisierung der Rahmenpläne dienen, die alle fünf Jahre vorgesehen ist (§ 53 Abs. 2 PflBG).

Theoretische Verortung: Die Studie berücksichtigt Modelle der Implementierungsforschung: erfolgreiche Transferprozesse im Bildungsbereich sind von multidimensionalen Faktoren abhängig wie z.B. der Kooperationen im Kollegium oder der Unterstützung durch die Schulleitung (u.a. Gräsel, 2006).

Methodischer Zugang: Die Studie wurde an Pflegeschulen (n = 16) und kooperierenden Praxiseinrichtungen in fünf Bundesländern durchgeführt. In leitfadengestützten Interviews (n = 36) wurden die Perspektiven des schulischen und betrieblichen Bildungspersonals erhoben und qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet. Weiterhin erfolgten Dokumentenanalysen der schulinternen Curricula (n = 15) und Unterlagen der praktischen Ausbildung (n = 16).

Ergebnisse: Das schulische Bildungspersonal orientierte sich bei der Curriculumentwicklung überwiegend an dem Rahmenlehrplan. Als herausfordernd werden der als hoch empfundene Abstraktionsgrad der Kompetenzen und der Umfang der Rahmenpläne beschrieben. Die Einführung von betrieblichen Ausbildungsplänen verläuft noch stockend. In Teilen haben die Praxiseinrichtungen noch keine betrieblichen Ausbildungspläne erstellt; häufig wird berichtet, dass die Erstellung von Pflegeschulen übernommen wird. Als hilfreich für den Transfer der Rahmenpläne bei der Entwicklung der neuen Ausbildungsunterlagen erwiesen sich zeitliche Ressourcen und Möglichkeiten der Fortbildung.

Implikationen: Weitere Unterstützungsleistungen, wie Fortbildungen, sind notwendig, um den Transfer der Rahmenpläne in die pflegeberuflichen Ausbildungsunterlagen zu ermöglichen.

Gräsel, C. (2010). Stichwort: Transfer und Transferforschung im Bildungsbereich. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 13 (1), 7-20.



 
Impressum · Kontaktadresse:
Datenschutzerklärung · Veranstaltung: BWP 2023
Conference Software: ConfTool Pro 2.6.149
© 2001–2024 by Dr. H. Weinreich, Hamburg, Germany