Veranstaltungsprogramm der Jahrestagung der Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2023

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 5.4
Zeit:
Freitag, 08.09.2023:
13:00 - 14:30

Moderation der Sitzung: Birgit Ziegler
Ort: Gebäude Helsinki (HEL) Raum 161

Kapazität: 40 Personen

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen

Berufswahl zwischen Freiheit und Verantwortung – Berufswahlkompetenz als Schlüssel berufsbiografischer Gestaltung?

Freiling, Thomas; Kohl, Matthias; Steinmüller, Bastian; Krause, Christoph

Hochschule der Bundesagentur für Arbeit, Deutschland

Der Übergang Schule - Beruf ist für Jugendliche ein einschneidendes Erlebnis in doppelter Hinsicht: Sie selbst haben die Aufgabe, diesen Prozess zu planen und zu gestalten. Gleichzeitig bringen aktuelle Transformationsprozesse z. B. durch qualifizierten Fachkräftebedarf und Krisen persönliche und biografisch relevante Unsicherheiten mit sich. In dem Spannungsfeld wird dem Berufsorientierungsprozess eine besondere Verantwortung zuteil; bietet er Jugendlichen die Möglichkeit einer selbstgesteuerten Entwicklung für individuell fundierte Berufswahlentscheidungen. Gesellschaftlich wird die Verantwortung mit Blick auf dauerhafte Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt deutlich.

These des Vortrags ist, dass die Entwicklung der Berufswahlkompetenzen (Driesel-Lange et al. 2010) im Spannungsfeld individueller Gestaltung von Berufsbiografien und der Verantwortung im Umgang mit den benannten Herausforderungen für Jugendliche die Voraussetzung für einen erfolgreichen Übergang darstellt. Die Forschungsfragen zum Beitrag lauten: Durch welche BO-Maßnahmen werden zentrale Berufswahlkompetenzen inwieweit nachhaltig adressiert und welche Relevanz nehmen langfristig angelegte Berufsorientierungsangebote am Bsp. der „Frühausbildung“ ein?

Empirische Basis ist das durch das BMBF (InnoVET) geförderte Projekt „Allianz für berufliche Bildung in Ostbayern“ (ABBO), in dem u.a. das BO-Angebot der „Frühausbildung“ mit Fokus auf „Handlung“ und „Motivation“ als zentrale Berufswahlkompetenzen (Driesel-Lange et al. 2010) entwickelt und erprobt wird. Datenbasis sind Längsschnittdaten von Jugendlichen (n=30) diverser Schulformen, Erhebungsinstrument ist der „FBK-k“ (Dehne et al. 2020). Die empirischen Ergebnisse werden erstmalig vorgestellt. Der Beitrag verdeutlicht, dass die Vielzahl an BO-Angeboten der erkennbaren Profilierung mit Priorisierung der Berufswahldimensionen „Handlung“ und „Motivation“ bedarf. Insofern ergeben sich Implikationen auf die BO-Landschaft insgesamt.

Dehne, M., Kaak, S., Lipowski, K. & Kracke, B. (2020). Berufswahlkompetenz ökonomisch erfassen. In K. Driesel-Lange, U. Weyland & B. Ziegler (Hrsg.), Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik Beiheft: Bd. 30. Berufsorientierung in Bewegung: Themen, Erkenntnisse und Perspektiven (S. 81–106). Franz Steiner Verlag.

Driesel-Lange, K., Kracke, B., Holstein, J. & Hany, E. (2010). Berufs- und Studienorientierung: Erfolgreich zur Berufswahl ; ein Orientierungs- und Handlungsmodell für Thüringer Schulen. Nr. 165. Thillm.



Das Übergangssystem zwischen Verschlankung und neuer Ausdifferenzierung - Übergänge jenseits der Beruflichkeit

Schmidt, Christian

Justus-Liebig-Universität Gießen, Deutschland

Berufsvorbereitende Maßnahmen des Übergangssystems stellen einen dauerhaft institutionalisierten Teilbereich des Berufsbildungssystems dar, der sich indirekt am Begriff der Beruflichkeit orientiert. Ziel der Maßnahmen ist in der Regel der Übergang in eine anerkannte Berufsausbildung. In den letzten ca. 15 Jahren ist die Entwicklung des Übergangssystems geprägt durch eine geringere Nachfrage nach Berufsvorbereitung und in vielen Bundesländern durch eine geplante sowie häufig auch realisierte Reduzierung des Angebots unterschiedlicher Maßnahmen und Schulformen (vgl. Christe 2013; Hessisches Kultusministerium 2013). Gleichzeitig sind durch Migrationsschübe neue Maßnahmeformen im Übergangssystem entstanden, welche programmatisch andere Akzente setzten als frühere Formen der Berufsvorbereitung (vgl. Hessisches Kultusministerium 2016).

Der Beitrag analysiert diese Entwicklung anhand verfügbarer Statistiken für das Bundesland Hessen und arbeitet die politischen Überlegungen hinter der Reduktion des „Maßnahmedschungels“ und der Einführung neuer Schulformen im Übergangssystem anhand einer Dokumentenanalyse heraus. Er geht in diesem Kontext auch auf Gruppen von Jugendlichen ein, die im Nachgang der Entwicklung des Berufsbildungssystems in der Corona-Krise nicht (mehr) im Übergangssystem verbleiben.

Der Beitrag interpretiert die Entwicklung als eine Ausweitung von Angebotsformen im Übergang ohne engen Bezug zur Beruflichkeit. Daher werden die Implikationen von Übergangswegen jenseits der Beruflichkeit für die Berufliche Bildung insgesamt diskutiert und eine veränderte Bedeutung des Übergangssystems im Nachgang der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Krise des dualen Systems herausgearbeitet (vgl. Maier 2021, S. 20ff.).

Literatur

Christe, G. (2013): Länderstrategien zur Reform des Übergangssystems. In: Die Deutsche Schule, 105, Heft 1, S. 66-85.

Hessisches Kultusministerium (2013): HKM-Programm zur Reform des Übergangssystems. Wiesbaden.

Hessisches Kultusministerium (2016): Hinweise für die Einrichtung von Intensivklassen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen (InteA) in Hessen. Online: https://sts-ghrf-fritzlar.bildung.hessen.de/aktuell/hinweise_hkm_einrichtung_von_intensivklassen.pdf (14.04.2023)

Maier, T. (2021): Markiert die COVID-19-Krise einen Wendepunkt auf dem Ausbildungsstellenmarkt? In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 2, S: 20-24.



Freiheitsbeschränkende Stigmatisierungsprozesse beim Übergang Schule – Ausbildung: Wie selektive und allokative Mechanismen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes soziale, arbeits- und bildungsbezogene Ungleichheit und -freiheit durch Stigmatisierung von Bildungssektoren und -abschlüssen reproduzieren

Buck, Pia

Universität Duisburg-Essen, Deutschland

In Folge der selektiven Bildungsexpansion sind die Ansprüche an Schulabschlüsse bei der Ausbildungsintegration gestiegen, sodass zunehmend mindestens mittlere Abschlüsse eine Voraussetzung für stabile und direkte Übergangsprozesse sind. Ein niedriger oder fehlender Abschluss führt deutlich häufiger zu fehlenden oder instabilen Bildungsanschlüssen, einem Verbleib als NEET oder dem Übertritt in den Übergangssektor. In Letzterem, einem aus diversen und häufig dysfunktionalen Maßnahmen bestehenden Konglomerat, werden Teilnehmende oft in einen verunsichernden Schwebezustand versetzt, bedingt durch einen ‚cooling out‘-Prozess, Selbst- und Fremdstigmatisierungen (Solga 2005). Teils können zwar Schulabschlüsse erworben werden, die als Faktor der Chancenverbesserung gelten, doch ist dies nicht die Regel: so bieten Einstiegsqualifizierungen erst gar keine Möglichkeit dazu und nur 11% der Teilnehmenden von berufsvorbereitenden Maßnahmen erwerben den ersten Abschluss; mittlere/höhere Abschlüsse sind nicht möglich (Beicht&Eberhard 2013). 40% der Jugendlichen gelingt kein Übergang in Ausbildung und sie verbleiben ohne diese (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, 144), was häufig prekären Verläufe nach sich zieht. Doch auch niedrigqualifizierte Berufsabschlüsse garantieren immer weniger eine dauerhafte Existenzsicherung; gleichsam lässt ihre Attraktivität nach.

In diesem Beitrag sollen Strukturen von institutionalisierten Exklusionsmechanismen im Berufsbildungssystem aufgezeigt werden, indem Schlaglichter auf systemstrukturelle Barrieren und die Betroffenenperspektive geworfen werden. Basierend auf Schlussfolgerungen aus dem theoretischen und empirischen Stand sowie der eigenen rekonstruktiven Forschung werden angesichts des dringlichen Handlungsbedarfes, um Inklusivität und das (Fachkräfte)Potenzial (im Übergangssektor) zu heben sowie die NEET-Quote zu senken, Perspektiven aufgezeigt. Forschungsziel ist u. a. die Rekonstruktion von Deutungsmustern Teilnehmender berufsvorbereitender Maßnahmen zu Arbeit/Beruf und Ausbildung. Dazu wurden 10 problemzentrierte Interviews (Witzel&Reiter 2012) geführt, die angelehnt an die Grounded Theory (Clarke 2012; Strauss&Corbin 1996) ausgewertet wurden, wodurch subjektive Muster, Übergangsbarrieren, Stigmatisierungserfahrungen und Bewältigungsstrategien offengelegt wurden.

Neben Defiziten sollen Chancen und Ressourcen sowie die gefolgerten Handlungsperspektiven diskutiert werden, die ein institutionalisierter Übergang bieten kann.



 
Impressum · Kontaktadresse:
Datenschutzerklärung · Veranstaltung: BWP 2023
Conference Software: ConfTool Pro 2.6.149
© 2001–2024 by Dr. H. Weinreich, Hamburg, Germany