Veranstaltungsprogramm der Jahrestagung der Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2023

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 4.7
Zeit:
Freitag, 08.09.2023:
8:30 - 10:00

Moderation der Sitzung: Andrea Burda-Zoyke
Ort: Gebäude Helsinki (HEL) Raum 167

Kapazität: 40 Personen

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen

Demokratiebildung an Berufsschulen aus Sicht des Schulpersonals: Konzepte und Herausforderungen

Busse, Robin

Technische Universität Darmstadt

Das Lernen für die Demokratie ist eine zentrale Aufgabe von Schulen (Kenner/Lange 2019). Die Entwicklung demokratischer Kompetenzen betrifft allerdings nicht nur allgemeinbildende Schulen, sondern zählt ebenso in das Aufgabenfeld beruflicher Schulen (Busse et al. 2022); wenngleich vergangene Bestandsaufnahmen auf schwierige Rahmenbedingungen der politischen Bildung an beruflichen Schulen verweisen (z. B. Besand 2014). Seit der vergangenen Bestandsaufnahmen sind allerdings einige Bestrebungen zur Stärkung der Demokratieförderung in der beruflichen Bildung zu beobachten. So betont unter anderem die KMK (2018) die Notwendigkeit einer stärkeren Demokratieförderung an allgemeinen und insbesondere beruflichen Schulen. In Niedersachsen mündeten diese Bestrebungen z. B. in einen Erlass zur Stärkung der Demokratiebildung an beruflichen Schulen (Niedersächsisches Kultusministerium 2021). Bisher ist wenig darüber bekannt, wie (1) Demokratiebildung von den Lehrkräften an beruflichen Schulen konzeptualisiert wird und (2) welche Herausforderungen mit der Demokratiebildung an beruflichen Schulen verbunden sind. Beides ist von besonderer Bedeutung. (1) Unterschiede in den bildungsbezogenen Auffassungen von Lehrpersonen können mit unterschiedlichen pädagogischen Ansätzen und Lernergebnissen verbunden sein (Reichert et al. 2021). (2) Wahrgenommene Herausforderungen erlauben des Weiteren die Identifizierung aktueller und besonders relevanter Hemmnisse der Demokratiebildung und dienen darüber auch der Schul- und Unterrichtsentwicklung.

Vor diesem Hintergrund wurde 2022 in Niedersachsen eine Mixed-Methods-Studie an zehn kaufmännischen Berufsschulen durchgeführt, um subjektive Konzepte und wahrgenommene Herausforderungen des Schulpersonals (Schulleiter:innen, Abteilungsleiter:innen, Teamleiter:innen und Politiklehrkräfte) (n = 56 Befragte) zu untersuchen. Zu Beginn der Mixed-Methods-Studie nahmen die Teilnehmenden an einem leitfadengestützten Interview teil und füllten anschließend einen digitalen Online-Fragebogen aus. Für die Untersuchungen wurde das Interviewmaterial transkribiert und mithilfe eines deduktiv hergeleiteten Kategorienrasters kodiert. Die Studienbefunde verweisen auf ein gemischtes Verständnis der Demokratiebildung und machen Herausforderungen der Demokratiebildung auf verschiedenen Ebenen sichtbar. Die Befunde werden vor dem Hintergrund der Relevanz der Befähigung von Auszubildenden zur Mitgestaltung der Gesellschaft und Arbeitswelt diskutiert.



Zum Beitrag der beruflichen Bildung für das politische und wirtschaftsbürgerliche Wissen von kaufmännischen Auszubildenden

Krebs, Philine

Georg-August-Universität Göttingen

Der beruflichen Bildung wird ein wichtiger Beitrag für gesellschaftliche Demokratisierung zugeschrieben (vgl. Greinert, 1990). So bezieht sich die verfolgte Zielsetzung der Gewährleistung gesellschaftlicher Teilhabe unmittelbar auf die Befähigung von Jugendlichen zur Teilhabe am ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Leben (Baethge, Buss & Lanfer, 2003). Zudem stehen Auszubildende in der beruflichen Bildung an der Schwelle zum Erwachsenenleben, sodass die Ausübung ihrer Rechte und Pflichten als mündige Bürger*innen in unmittelbarer Reichweite liegt (Jung, 2016). Um Heranwachsende zu handlungsfähigen, mündigen Bürger*innen zu erziehen, ist aufgrund der Komplexität moderner demokratischer Gesellschaften neben konzeptuellem demokratisch-politischem Wissen auch ein grundlegendes Wirtschafts- und Gesellschaftsverständnis erforderlich (Engartner, 2010). Die berufliche Bildung eröffnet diesbezüglich vielfältige Lern- und Sozialisationsgelegenheiten für Demokratie und Zivilgesellschaft an verschiedenen Lernorten (Krebs, 2022). Jedoch ist der Beitrag der beruflichen Bildung zur Entwicklung von demokratisch-politischem sowie wirtschaftbürgerlichem Wissen und Fähigkeiten bislang weitgehend unerforscht (Busse et al., 2022). Die wenigen bestehenden Studien verweisen auf eine Marginalisierung demokratisch-politischer Bildung an Berufsschulen aufgrund organisatorischer, curricularer und personeller Defizite (z. B. Zurstrassen, 2020). In einer Längsschnittstudie mit zwei Messzeitpunkten im Abstand eines Jahres werden folgende Forschungsfragen untersucht:

(1) Wie entwickelt sich das demokratisch-politische und wirtschaftsbürgerliche Wissen von kaufmännischen Auszubildenden im Ausbildungsverlauf?

(2) Welchen Einfluss haben demokratische Lern- und Sozialisationsgelegenheiten an den Lernorten Berufsschule und Betrieb auf den Wissenserwerb?

Zur Messung des politischen und wirtschaftsbürgerlichen Wissens wurden vollstandardisierte Wissenstests eingesetzt, die mit Hilfe eindimensionaler Partial-Credit-Modelle skaliert wurden. Die Stichprobe umfasst N≈400 kaufmännische Auszubildende der Ausbildungsberufe Industriekaufmann*frau und Kaufmann*frau im Einzelhandel. Die Datenerhebung wurde zwischen 2021 und 2022 in Niedersachsen durchgeführt. Mit Hilfe von Strukturgleichungsmodellen (insb. Cross-Lagged-Panel Modelle) wird die Stabilität des demokratisch-politischen und wirtschaftsbürgerlichen Wissens sowie der Einfluss von demokratischen Lerngelegenheiten auf dieses untersucht.



Lernende im Umgang mit Ambivalenzen im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung – eine empirische Exploration des Einsatzes der Lehr-Lern-Methode „Systemische Visualisierung“

Hantke, Harald

Leuphana Universität Lüneburg, Deutschland

Obwohl es Ansätze gibt, nachhaltig(er) zu wirtschaften, beurteilt „fast die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer das derzeitige Engagement deutscher Unternehmen für Nachhaltigkeit als unzureichend“ (Randstad 2020). Daraus kann geschlossen werden, dass betriebliche Lebenssituationen weiterhin zu einem großen Teil von Arbeits- und Geschäftsprozessen geprägt sind, die negative Folgen für Mensch und Umwelt mit sich bringen (vgl. exemplarisch WBGU 2011). Dieses Spannungsverhältnis spiegelt sich auch in den Rahmenlehrplänen für betriebswirtschaftlich-kaufmännische Ausbildungsberufe wider (vgl. Hantke 2020, 19 f.).

Wird dieses Spannungsverhältnis – wie curricular intendiert – bei der Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements aufgegriffen, ergeben sich für wirtschaftsberuflich Lernende im Unterricht unter anderem potenzielle Ambivalenzen zwischen ökonomischen und ökologischen Perspektiven. Diese Ambivalenzen erfordern von den wirtschaftsberuflich Lernenden die Fähigkeit, Mehrdeutigkeit angesichts komplexer, ungewisser oder widersprüchliche Situationen wahrzunehmen, zu verarbeiten und ggf. auszuhalten, um handlungsfähig zu bleiben (vgl. Müller-Christ & Weßling 2007, 187). Potenziell fördern lasst sich diese Fähigkeit mit der Lehr-Lern-Methode „Systemische Visualisierung“ (vgl. exemplarisch Fischer et al. 2021, 99 ff.).

Vor diesem Hintergrund setzt sich der vorliegende Beitrag mit der Untersuchung einer am Beispiel von Ambivalenzen zwischen Ökonomie und Ökologie konzipierten und in einer Klasse des Ausbildungsberufs „Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement“ durchgeführten „Systemischen Visualisierung“ auseinander. Das methodische Vorgehen der Untersuchung basiert auf einer quantitativen Erhebung mittels eines Inventars von Reis (1996), das für den Einsatz im Kontext der Nachhaltigkeitsbildung durch Forstner-Ebhart et al. (2022) aktualisiert wurde. Erkenntnisleitend ist dabei die Frage, inwieweit der Einsatz der Lehr-Lern-Methode „Systemische Visualisierung“ Lernende dazu befähigt, mit Ambivalenzen zwischen Ökonomie und Ökologie umzugehen.

Mit der Beantwortung dieser Frage verfolgt dieser Beitrag das Ziel, die als innovativ zu bezeichnende Lehr-Lern-Methode „Systemische Visualisierung“ zur Befähigung des Umgangs mit Ambivalenzen für den Einsatz an berufsbildenden Schulen didaktisch-methodisch zu elaborieren. Aus den Erkenntnissen dieses Beitrags können darüber hinaus didaktisch-methodische Schlüsse für die Gestaltung weiterer Lehr-Lern-Arrangements zum Umgang mit Ambivalenzen gezogen werden.



 
Impressum · Kontaktadresse:
Datenschutzerklärung · Veranstaltung: BWP 2023
Conference Software: ConfTool Pro 2.6.149
© 2001–2024 by Dr. H. Weinreich, Hamburg, Germany