Veranstaltungsprogramm der Jahrestagung der Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2023

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 4.1
Zeit:
Freitag, 08.09.2023:
8:30 - 10:00

Moderation der Sitzung: Axel Grimm
Ort: Gebäude Helsinki (HEL) Raum 065

Kapazität: 60 Personen

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Präsentationen

Die Rolle von Gefühlen bei Entscheidungsprozessen in beruflichen Kontexten

Hermkes, Rico

Goethe Universität Frankfurt am Main, Deutschland

Theoretische Verortung

Entscheidungsprozesse spielen in zahlreichen berufs- und wirtschaftspädagogischen Kontexten eine Rolle. Sie sind Teil von Kompetenzentwicklungsmodellen (Winther & Achtenhagen, 2010), betreffen professionelles berufliches Handeln (Mavin & Murray, 2010) und spielen beim Kompetenzerwerb als Facetten von u.a. financial literacy, purchasing literacy und critical thinking (u.a. Zlatkin-Troitschanskaia et al., 2022) eine Rolle. Solche Prozesse umfassen, gerade wenn es um Situationen mit hoher Komplexität und Unsicherheit geht, nicht nur deliberative, sondern ebenso intuitive Entscheidungen.

Fragestellung

Will man Intuitionen systematisch in Handlungskompetenzmodelle integrieren, rücken auch epistemische Gefühle in den Fokus (vgl. z.B. Rausch & Wuttke, 2016). Offen ist bislang aber, worin die Wirkprinzipien bestehen, wenn Gefühle an Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Das beinhaltet die Frage, inwieweit epistemische Gefühle verlässliche Informationsträger sind und betrifft letztlich auch ihre Dignität als Bestandteil von Kompetenzmodellen.

Methodischer Zugang

Der konzeptionelle Beitrag bringt die Inferentielle Theorie (Minnameier, 2005) und den modallogischen Ansatz zu epistemischen Gefühlen (nach Adam et al., 2009), der auf der Emotionstheorie von Ortony et al. (2022) basiert, zusammen, mit dem Ziel, Gefühle in eine Konzeption intuitiver Handlungsentscheidungen zu integrieren. Das ist insofern bedeutsam, als es nicht genügt, intuitive Prozesse auf die bloße Beteiligung von (Bauch-)Gefühlen zu reduzieren, ohne dabei die Wirkweise zu explizieren und aufzuklären, auf welche Weise sie die ihre zugedachte Funktion erfüllen.

Ergebnisse

Im Ergebnis resultiert eine Konzeption, mittels derer situationsspezifische Skills wie decision making, problem solving und critical thinking modelliert werden können (vgl. Blömeke et al., 2015). Dabei werden mit prospektionsbezogenen Gefühlen (wie Vertrauen) und konfirmatorischen Gefühlen (wie Bedauern oder Erleichterung) zwei Formen epistemischer Gefühle differenziert, die an spezifischen Prozessabschnitten verortet und deren Funktionen dort expliziert werden können.

Implikationen

Die Konzeption kann einen Ansatzpunkt bieten, Rationalität intuitiver Prozesse unter Einbezug epistemischer Gefühle zu konzipieren. Zudem können intuitive Prozesse, die in beruflichen Kontexten stattfinden, unter einem solchen Rationale empirisch untersucht und Implikationen zur Förderung von Entscheidungskompetenzen abgeleitet werden.



Transformers: Betriebsräte als Gestalter*innen betrieblicher Bildungsarbeit

Krause, Friederike; Meyer, Rita; Rühling, Shana

Leibniz Universität Hannover, Deutschland

In dem Beitrag werden auf der Basis einer Literaturstudie (Krause et al. 2023) die Herausforderungen betrieblicher Interessenvertreter*innen angesichts des beschleunigten Wandels von Arbeit fokussiert. Konkrete Kompetenzanforderungen, die mit Tätigkeiten in Mitbestimmungsgremien einhergehen sowie die Kompetenzentwicklung und Professionalisierung von und in Betriebsratsgremien werden diskutiert.

Betriebsratsgremien haben eine zentrale Funktion in der Gestaltung von Innovationsprozessen. Qualifizierung trägt als ein mitbestimmungspflichtiges Thema zur nachhaltigen Sicherung von individueller Kompetenz- und betrieblicher Organisationsentwicklung bei (vgl. Haunschild et al. 2021). Qua Amt kommt Mandatsträger*innen mit Blick auf die berufliche Bildung eine große Verantwortung zu, wobei ein Spannungsfeld zu konstatieren ist: Einerseits befinden sich Betriebsratsgremien in einem beständigen Aushandlungsprozess zwischen gesellschaftlicher Transformation, Interessenvertretung der Beschäftigten, betrieblichem Fortbestand sowie Kompetenzentwicklung der Gremien selbst. Andererseits wird durch die Verhandlung multipler Interessenlagen die subjektive Freiheit der Mandatsträger*innen in Betriebsratsgremien sowohl fachlich als auch überfachlich konterkariert. Vor diesem Hintergrund werden die folgenden Fragestellungen diskutiert:

  1. Welche Qualifikationen und Kompetenzen benötigen Betriebsrät*innen zur Gestaltung von Transformationsprozessen?
  2. Inwiefern kann eine lern- und kompetenzförderliche Arbeitsgestaltung in Betriebsratsgremien gelingen?

Abschließend werden methodische Ansätze formuliert, inwieweit Betriebsrät*innen in ihrem Lernen unterstützt werden können, um die eigenen Arbeits- und auch die Rahmenbedingungen betrieblicher Bildungsarbeit mitzugestalten.

Literatur

Haunschild, A./ Meyer, R./ Ridder, H.-G./ Clasen, E./ Krause, F./ Rempel, K. (2021): Nachhaltigkeit durch Mitbestimmung, Study 452, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung

Krause, F./ Jacbos, A./ Meyer, R./ Rühling, S./ Hauschild, J. (2023): Kompetenzentwicklung von Mitgliedern in Betriebsratsgremien als Träger*innnen betrieblicher Transformationsprozesse. WSI Study Nr. 33. Düsseldorf.



Verantwortung und Vertrauen in wirtschaftlichen Beziehungen

Tafner, Georg

Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland

Fragestellung:

Der Beitrag versucht, folgende Thesen theoretisch zu begründen: 1) Wer Vertrauen schenkt und wer es annimmt, übernimmt Verantwortung und wird verletzlich. 2) Vertrauen erhöht die Komplexität des Handelns – anders als Luhmann (2000) es vertritt – und verdoppelt die Verantwortlichkeiten. 3) Wirtschaftliche Beziehungen sind ohne Vertrauen und Verantwortung nicht möglich. 4) Wirtschaftliches Handeln geht weit über das instrumentell Ökonomische hinaus.

Theoretische Verortung und methodischer Zugang:

Es gibt eine Fülle an Ratgeberliteratur zum Thema Vertrauen. Meist wird es als komplexitätsreduzierend und effizienzsteigernd dargestellt. Vertrauen als Grundlage wirtschaftlicher Beziehungen ist jedoch hochkomplex und kann nicht kausal, quantitativ kalkuliert auf Basis zweckrationaler Eigennutzmaximierung herbeigeführt werden. Vielmehr wirken Zweckrationales, Wertrationales, Emotionales, Gewohntes und Unbewusstes für das Entstehen einer Praxis des Vertrauens zusammen. In einer solchen Praxis führt Vertrauen zu einer doppelten Zurechenbarkeit von Verantwortung: Wer Vertrauen schenkt und wer es annimmt, übernimmt Verantwortung und wird verletzlich.

Der hermeneutisch und phänomenologisch angelegte Beitrag (Danner 2006, Husserl 2012, Schütz/Luckmann 2017, Zahavia 2018) setzt bei Luhmanns (2000) Klassiker „Vertrauen“ an und stellt diesem „Die Praxis des Vertrauens“ von Hartmann (2011) gegenüber. Die daraus abgeleiteten Implikationen werden in einem ersten Schritt auf Wirtschaft übertragen (Etzioni 1988, Scott 2001), wobei zwischen der lebensweltlichen Ökonomie und der wissenschaftlichen Ökonomik unterschieden wird (Tafner 2018) und es zu unterschiedlichen Bewertungen von Vertrauens und Verantwortung abhängig von Anschauungen und Paradigmen kommt. In einem zweiten Schritt werden die wirtschaftspädagogischen Implikationen skizziert (Biesta 2017, Tafner 2021, Tafner/Casper 2023).

Ergebnisse und relevante/mögliche Implikationen

Vertrauen und Verantwortungen hängen mit Moral zusammen, welche die Aufgabe hat, den Einzelnen vor der Gesellschaft und die Gesellschaft vor den Einzelnen zu schützen und Kooperation zu ermöglichen. Beides verweist darauf, dass der Mensch individuelles und soziales Wesen ist. Ein subjektorientierter und sozioökonomischer Zugang, der neben dem Ökonomischen auch das Soziale, Ethische und Politische berücksichtigt, kann diesen Aspekten didaktisch-pädagogisch Raum geben (vgl. Biesta, 2017, Etzioni 1988, Tafner 2018, Tafner/Casper 2022).




 
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