Veranstaltungsprogramm der Jahrestagung der Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2023

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
Bitte wählen Sie einen Ort oder ein Datum aus, um nur die betreffenden Sitzungen anzuzeigen. Wählen Sie eine Sitzung aus, um zur Detailanzeige zu gelangen.

 
 
Sitzungsübersicht
Sitzung
Session 1.4
Zeit:
Donnerstag, 07.09.2023:
10:45 - 12:15

Moderation der Sitzung: Tobias Jenert
Ort: Gebäude Helsinki (HEL) Raum 161

Kapazität: 40 Personen

Zeige Hilfe zu 'Vergrößern oder verkleinern Sie den Text der Zusammenfassung' an
Präsentationen

Zur Rekonstruktion familiärer Bildungsorientierungen von First Generation Studierenden

Petzold-Rudolph, Kathrin1; Hermes, Michael2; Lotze, Miriam3

1Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg; 2Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abt. Köln; 3Universität Osnabrück

Vor dem Hintergrund anhaltender Chancenungleichheiten in der Teilhabe an hochschulischer Bildung werden im Rahmen einer Forschungskooperation familiäre Bildungsorientierungen von Studierenden des Lehramtes für berufsbildende Schulen sowie im Studiengang Soziale Arbeit untersucht, die mit nicht-traditionellen Bildungsbiographien und -hintergründen in die akademische Bildung einmünden. Die Familie der jeweiligen First Generation Studierenden fokussierend, wird das Wechselspiel zwischen hochschulischem und familiären Erfahrungsraum im Sinne einer Entfremdung und dem Modus der ‚Bewährung‘ des Habitus (Thiersch 2020) in den Blick genommen. Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene rücken entsprechende Mechanismen, diskutiert als ‚Aufstiegsmobilität‘, in den forschenden Blick. Gefragt wird nach der innerfamiliären Bearbeitung von „Relationen, Überlagerungen und Diskrepanzen zwischen unterschiedlichen Erfahrungsräumen“ (Bohnsack 2021, S. 95), woraus sich eine Verortung innerhalb qualitativ-rekonstruktiver Sozialforschung ergibt. Die narrativ fundierten, biografischen Einzelinterviews mit First Generation Studierenden und ihren Eltern werden auf Grundlage der Dokumentarischen Methode vertiefend analysiert und interpretiert (Bohnsack 2014).

Im Vortrag sollen zentrale Projektbefunde vorgestellt werden. Die Ergebnisse verweisen auf einen Zusammenhang zwischen familiärer Sozialisation sowie Prägung und dessen bildungsbiographische Integrationsprozesse. Auch wird deutlich, dass grundlegende Orientierungen zu Bildung, Lernen und Persönlichkeitsentwicklung Bildungsentscheidungen und entsprechende (berufs-)biografische Handlungen prägen und diese vor dem Hintergrund der sozial-familiären Einbindung begründungspflichtig werden. Zugleich wird im Beitrag die zentrale Bedeutung der biographischen Passage zwischen schulisch-beruflichem Abschluss und Übergang in das Feld akademischer Bildung herausgearbeitet.

Literatur

Bohnsack, R. (2014): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Verlag Barbara Budrich.

Bohnsack, R. (2021): Gesellschaftlicher Wandel und die Entwicklung qualitativer Forschung im Feld der Bildung. ZQF 22 (1-2021), 87–105.

Thiersch, S. (2020): Habitus, Bildung und Bewährung – Anfragen und Differenzierungen zum Konzept der kulturellen Passung von Familie und Schule aus subjekttheoretischer Perspektive. In M. Hermes & M. Lotze (Hg.), Bildungsorientierungen (S. 25–46). Springer.



Was lernen Schüler:innen aus Lehrererklärungen? – Eine Think-Aloud-Studie

Schopf, Christiane

Wirtschaftsuniversität Wien, Österreich

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, was Schüler:innen aus Lehrererklärungen lernen, insbesondere in welchem Ausmaß sie sich bei der Lösung von Aufgaben an der erläuterten allgemeinen Regel und/oder am Erläuterungsbeispiel orientieren.

Die theoretische Grundlage stellt die modellhafte Beschreibung der Wissensentwicklung und -anwendung nach Fortmüller (1997) dar. Im Zentrum steht die Annahme, dass auf Basis verstandener allgemeiner Prinzipien potenziell alle Aufgaben bewältigt werden können, auf die diese Prinzipien anwendbar sind. Fortmüller geht davon aus, dass die geeignetste Methode zur Unterstützung der Entwicklung entsprechender Schemata darin besteht, die allgemeine/n Regel/n explizit darzulegen und durch Beispiele zu illustrieren und zu elaborieren. Vor diesem Hintergrund wird in der Wiener Heuristik zur Gestaltung von Lehrererklärungen im Wirtschaftsunterricht (Schopf/Zwischenbrugger 2015) eine Beispiel-Regel-Struktur empfohlen.

In einer experimentellen Studie (Schopf 2021) konnte belegt werden, dass eine derart gestaltete Erklärung tatsächlich von Schüler:innen als verständlicher wahrgenommen wird und zu besseren Lernergebnissen führt als eine inhaltsgleiche Erklärung, die lediglich die allgemeine Regel beinhaltet. Gleiches gilt allerdings auch für eine Erklärung, die lediglich ein konkretes Beispiel beinhaltet. Zudem zeigte sich, dass die Schüler:innen, die die Beispiel-Regel- oder Beispiel-Erklärung gesehen hatten, zwar bei einer Anwendungsaufgabe signifikant besser abschnitten, nicht jedoch bei einer Transferaufgabe. Diese wies generell eine sehr niedrige Lösungsrate auf, woraus der Schluss gezogen werden könnte, dass die Schüler:innen zwar in der Lage waren, Aufgaben in Analogie zum Erläuterungsbeispiel zu lösen, das allgemeine Prinzip jedoch nicht verstanden haben.

Um dieser Annahme näher auf den Grund zu gehen, wird aktuell eine Think-Aloud-Studie mithilfe derselben Materialien und mit derselben Zielgruppe (II. Jg. HAK) durchgeführt. Die Schüler:innen werden – nachdem sie eine der drei (auf Video aufgezeichneten) Erklärungsvarianten gesehen haben – gebeten, ihr erworbenes Wissen zu reproduzieren sowie die Anwendungs- und die Transferaufgabe zu lösen und dabei ihren Denkprozess zu verbalisieren. Analysiert werden soll, was sich Schüler:innen aus der Erklärung merken und wie sie an die Lösung der Aufgaben herangehen.

Ziel ist es, aus den Ergebnissen Handlungsempfehlungen zur gezielteren Unterstützung des Schemaerwerbs abzuleiten.



Systemtheoretische Analyse des beruflichen Übergangssystems als funktionalistische Manifestation staatlicher Verantwortung

Ketschau, Thilo J.1; Christian, Steib2

1Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Deutschland; 2Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Versteht man das berufliche Übergangssystems (ÜS) als Einrichtung, die vorrangig der Aufnahme einer großen Zahl junger Schulabgänger*innen dient, die nicht (direkt) in ein Ausbildungsverhältnis übergehen können (s. bspw. Beicht 2009; Euler & Severing 2006), stellen sich Fragen nach dessen gesellschaftlicher Funktion und damit auch Legitimation (Steib 2020). Um diesen Komplex zu spezifizieren und zu analysieren, will dieser Beitrag entlang der Systemtheorie Niklas Luhmanns (2012; 1997) diskutieren, inwiefern das ÜS als Mittel staatlicher Verantwortungsübernahme verstanden werden kann (s. Steib & Ketschau 2022).

Dazu bedarf es zunächst der Bestimmung der dem ÜS inhärente Funktion und Logik (bspw. dessen Medium und dessen binärer Code), um darauf basierend dessen Relationen zu den Funktionssystemen Erziehung, Wirtschaft und Politik der modernen Gesellschaft offenlegen zu können. Dabei wird deutlich, dass das ÜS funktional vornehmlich als Form der Wohlfahrtsstaatlichkeit zu fassen ist. Rekurrierend auf diese Analyse kann diskutiert werden, welche Möglichkeiten bestehen, das ÜS aus seinem jetzigen Funktionszusammenhang zu lösen und vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Ansprüche zu „(re-)pädagogisieren“.

Literatur

Beicht, U. (2009). Verbesserung der Ausbildungschancen oder sinnlose Warteschleife? Zur Bedeutung und Wirksamkeit von Bildungsgängen am Übergang Schule – Berufsausbil­dung. URL: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a12_bibbreport_2009_11.pdf [02.10.2012].

Euler, D. & Severing, E. (2006). Flexible Ausbildungswege in der Berufsausbildung. URL: http://www.bmbf.de/pub/Studie_Flexible_Ausbildungswege_in_der_Berufsbildung.pdf [02.10.2012].

Luhmann, N. (1997). Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Luhmann, N. (2012). Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie (15. Aufl.). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Steib, C. (2020). Das der beruflichen Bildung ungeliebte Kind. Eine systemtheoretische Analyse der Herausbildung und Verfestigung des „(beruflichen) Übergangssystems“ in der Bundesrepublik Deutschland. Detmold: Eusl.

Steib, C. & Ketschau, T. J. (2022). Die Ausbildungsplatzabgabe als Instrument der staatlichen Verantwortung. In M. Eckelt, T. J. Ketschau, J. Klassen, J. Schauer, J. K. Schmees & C. Steib (Hrsg.), Berufsbildungspolitik. Strukturen – Krise – Perspektiven (S. 181–196). Bielefeld: wbv.



 
Impressum · Kontaktadresse:
Datenschutzerklärung · Veranstaltung: BWP 2023
Conference Software: ConfTool Pro 2.6.149
© 2001–2024 by Dr. H. Weinreich, Hamburg, Germany